Dass unser Papst schwer einzuschätzen ist und so gar nicht in die einfachen innerkirchlichen Einteilungen einzufügen ist, dass sollte uns allen mittlerweile klar sein. Was aber dann doch einige nicht davon abhält, es trotzdem zu tun. Seit Tagen sorgt ein Artikel im Internet für Aufmerksamkeit, in dem von „drei Fehlern“ gesprochen wird, die der Papst korrigiert habe. Damit will man beweisen, dass er doch in eine bestimmte kirchenpolitische Ecke gehöre.
Der Artikel stammt ursprünglich vom italienischen Journalisten Sandro Magister.
Der erste Fehler sei gewesen, dass der Papst der Veröffentlichung des Interviews mit Eugenio Scalfari zugestimmt habe. Das habe er durch Rücknahme von der Vatikanseite korrigiert. Damit habe er Einwänden entsprochen, die problematische Aussagen kritisiert hätten, wie etwa die zum Gewissen.
Der zweite Fehler sei gewesen, dass der Papst zuerst einer bestimmten Schule der Interpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils angehangen hätte, nämlich der von Bologna. Für alle Nicht-Theologen: Unter der Schule von Bologna versteht man eine Lesart des Konzils, die vor allem den Neubeginn betont, der vom Konzil ausgegangen sei. Der Papst habe nun einen Theologen als besten Hermeneutiker (= Versteher) der Konzils gewürdigt, der sich explizit gegen diese Lesart und für eine andere, nämlich die auch von Benedikt XVI. favorisierte Interpretation von Kontinuität und Reform statt Bruch ausspricht. Im Interview mit den Jesuitenzeitschriften sei Franziskus noch der Bruch-Lesart angehangen.
Interview, Konzil, Ermahnung
Der dritte Fehler: Während er im Oktober in einer der Santa Marta Predigten den Moralismus einiger Christen verurteilte und sich damit gegen eine bestimmte innerkirchliche Richtung gerichtet habe, habe er sich einen Monat später gedreht (in der Lesart Magisters diesen Fehler korrigiert) und den „pubertären Fortschrittsglauben“ kritisiert. Das soll wohl heißen, dass er im Oktober in einer Predigt die ehre traditionsverhafteten Christen, im November dann die sich als Progressiv verstehenden Christen kritisiert habe.
Besonders an den „Fehlern“ zwei und drei kann man sehen, wie verzweifelt der Versuch ist, den Papst zu vereinnahmen. Die wenigen Zeilen, die der Papst im Interview Pater Antonio Spadaro zum Konzil gesagt hat, nämlich dass man das Evangelium im Licht von heute neu lesen muss, stellen überhaupt keinen Gegensatz zu dem dar, was seit Benedikt XVI. als Hermeneutik der Reform und Kontinuität diskutiert wird. Ich musste den Magister-Absatz mehrfach lesen um zu verstehen, wo er da einen Gegensatz konstruieren will. Dieser Gegensatz besteht nur, wenn man annimmt, der Papst wolle jetzt nicht mehr, dass das Evangelium im Licht von heute gelesen wird, und das ist absurd. Nie war Franziskus ein Anhänger einer Bruch-Theorie durch das Konzil, noch weniger hat er jetzt irgend einen Fehler korrigiert.
Der dritte so genannte „Fehler“ ist noch absurder konstruiert: Wenn man hier annehmen will, der Papst habe seine Meinung geändert, dann muss man annehmen, dass er jetzt das, was er vorher kritisiert habe, nicht mehr kritisiere. Sonst wird daraus kein korrigierter Fehler. Aber das stimmt nicht. Das ist aus den genannten Papstpredigten nicht zu rekonstruieren. Papst Franziskus wendet sich gegen das eine und gegen das andere. Er werdet sich gegen Extreme und dagegen, bestimmte Sichtweisen absolut zu setzen, gleich aus welcher Ecke sie kommen. Seine innere Freiheit erlaubt es ihm, Kritik, Ermahnung und Aufforderung überall dorthin zu richten, wo er Verkürzungen des Evangeliums sieht. Dabei anzunehmen, dass er sich dann jeweils auch einer kirchenpolitischen Richtung zuwendet oder bei einer Kritik des einen eine andere zuvor geäußerte Kritik zurück nimmt, ist logisch nicht stimmig.
Das alles zeigt noch einmal, dass das Verstehen dieses Papstes gar nicht so einfach ist. Es zeigt zweitens, dass die Polarisierungen von gestern noch frisch und lebendig sind. Und es zeigt drittens, dass nur eine innere Offenheit auf diesen Papst reagieren kann. Wer mit vorgefertigten Kategorien von falsch und richtig, hier und dort, wir und die, gestern und heute oder wie auch immer auf den Papst zugeht, der bekommt nicht mit, worum es ihm eigentlich geht.
Danke Pater Hagenkord, ich hatte diesen Artikel auch gelesen. Er stand tagelang ratlos „in meinem Kopf herum“. Sie haben Klarheit geschaffen nun kann die Woche kommen…..
Das kommt wenn man immer nur lesen will was man gerne lesen möchte und die Hauptaussagen überliest. Dabei nur mit dem Verstand liest und das Herz ausschaltet und umgekehrt.
Quidquid recipitur ad modum recipientis recipitur.
Das wußte schon Thomas. Und das gilt, naturgemäß, verstärkt für die Extreme eines Spektrums.
Ob das nun für Verstocktheit oder eher Unsicherheit spricht, müßte man Fall für Fall betrachten.
Pater Hagenkord: Sie fassen es schon zusammen: es ist die Verzweiflung des Sandro Magister. Er fühlt sich heimatlos unter dem neuen Papst (der nicht auf ihn hören will, nachdem Mons. Ricca (Vatikanbank) trotz homosexueller Verangenheit, die Magister „enthüllte“, diesen nicht entlassen hat). Der Scalfaro-Artikel ist allerdings laut der unseligen Website kath.net auf Betreiben des Erzbischofs Müller entfernt worden, nachdem er auf einem Journalistentreffen der sog. „Neokonservativen“ unter den Journalisten mit EB Gänswein und Müller darauf hingewiesen wurde.
Also ohnehin wohl keine Korrektur von Franziskus. Es zeigt aber auch, was mir etwas Sorge macht. Auf Radio Vatikan stand vor ein paar Tagen, der Papst werde ausführlich über Deutschland informiert. Wenn er wesentlich von EB Müller informiert wird, so könnte diese Information recht verkürzt durch seine doch etwas von kirchenpolitischem Verfolgungswahn gefärbte Brille sein. Es steht zu hoffen, dass der Papst mehrere Seiten hören kann.
@Arnd: Ihre Ausführungen sind genauso eine Vereinnahmung des Papstes („der Papst war es nicht, es war EB Müller“) wie die von Pater Hagenkord kritisierte Vereinnahmung eines Sandro Magisters. Soviel zum Thema „kirchenpolitisch gefärbte Brille“.
Irgendwie ist das putzig. 🙂
Herr Admiral,
auch wenn ich wie wohl jedermann kirchenpolitische Vorstellungen habe, war mein Einwurf lediglich eine Information über den Hergang der Löschung, wie ich sie gelesen hatte. Außerdem geht es mir im weiteren -bei allen eigenen Vorstellungen- vor allem darum, dass die einzelnen Flügel nicht ihre Positionen im Vatikan ausnutzen, um den Papst einseitig zu beeinflussen (zB beim Weisswurstessen…)
Ja, die Weißwurstmafia ist definitiv die gefährlichste von allen.
Für mich besteht EIN Problem auch darin, dass von Predigten und sonstigen Äußerungen des Papstes im Internet unterschiedliche Übersetzungen kursieren, die z.T. schon durch ihre jeweilige Überschrift einen unterschiedlichen, teilweise fast gegensätzlichen, Inhalt vermitteln.
Liebe Silvia, „ein Buch hat immer zwei Autoren: den, der es geschrieben hat und den, der es liest“- es ist das Thema des Beitrags hier, und die Antwort in der von gouv zitierter Weisheit -„Alles was empfangen wird,wird auf Art und Weise des Empfangenden aufgenommen“
Das liebe Silvia meine ich war immer schon so und ist kein neues Phänomen. Das gab es schon zu allen Zeiten und jetzt mit der Globalisierung und dem Internet kommt das nochmal so deutlich zum Vorschein, wie viele verschiedene Meinungen und Lesearten es gibt und habe ich schon oft hier geschrieben. So viele Menschen soviel Meinungen.