Alles, was im Augenblick zu Europa gesagt wird, läuft durch einen ganz speziellen Filter. Bei uns ist das zum Beispiel die Flüchtlingsfrage. Als ich vor einigen Tagen in Brüssel war, war es eher die Brexit-Frage, die dort verhandelt wurde. Gerade die einige Tage davor gehaltene Papstrede zu Europa anlässlich des Karlspreises sei im Euro-Viertel mit seinen Glasbauten etwas nervös erwartet worden, hoffentlich kritisiert der Papst nicht zu sehr, habe es geheißen, das spiele den Brexit-Freunden in die Hände.
In der Rede selbst spricht der Papst vom „Treibsand aktueller Ergebnisse“, um „einen leichten politischen Ertrag schnell und kurzlebig erbringen“ zu können, zitiert er Evangelii Gaudium. Auch bei Amoris Laetitia warnte er sehr früh im Text vor dem zu schnellen lesen. Die Rede war lang und ausführlich, ein zu schnelles Lesen oder ein Lesen auf Problemlagen verkennt viel. Lesen wir also noch einmal und langsam.
Durch die gesamte Rede ziehen sich zwei Wort- oder Sprachfelder, die der Papst gegeneinander stellt. Da ist zum einen das Sprachfeld von Schwung, Traum, Kreativität, Dynamik, Hoffnung, Suche. Das ist einfach nachzuvollziehen das, was sich der Papst von Europa wünscht und was er in der „Seele Europas“ sieht. Das zweite Sprachfeld ist der Egoismus, sind die Zäune, Müdigkeit, alt, in sich abgeschlossen. Es sind die direkten Gegensätze zu den dynamischen Begriffen, die er mit dem Satz beginnt „Die Kreativität, der Geist, die Fähigkeit, sich wieder aufzurichten und aus den eigenen Grenzen hinauszugehen, gehören zur Seele Europas.“ Damit ist in Wort und Semantik bereits die Grundaussage vorgegeben.
Die beiden Sprachfelder bezeichnen wie so oft beim Papst Dinge, die in uns drin stecken. Versuchungen, wie er es oft nennt, auf dem Feld des sich Einschließens. Traum für das Gegenteil. Beides steckt in uns drin: „Wir Kinder dieses Traumes sind versucht, unseren Egoismen nachzugeben, indem wir auf den eigenen Nutzen schauen und daran denken, bestimmte Zäune zu errichten.“ Die beiden inneren Bewegungen stehen aber nicht gleichberechtigt nebeneinander, direkt nach dieser Äußerung wertet der Papst: „Dennoch bin ich überzeugt, dass die Resignation und die Müdigkeit nicht zur Seele Europas gehören“.
Die Analyse der Gegenwart aber ergibt etwas anderes: Die Fähigkeit, etwas Neues hervorzubringen, sei verloren gegangen, Europa sei versucht, Räume zu beherrschen statt Transformationsprozesse hervorzubringen, legt er seine berühmten Kategorien aus Evangelii Gaudium an die gesellschaftliche Situation an (EG 223). Und das führt dann zu seinen Fragen, dem Kern der Rede:
„Was ist mit dir los, humanistisches Europa, du Verfechterin der Menschenrechte, der Demokratie und der Freiheit? Was ist mit dir los, Europa, du Heimat von Dichtern, Philosophen, Künstlern, Musikern, Literaten? Was ist mit dir los, Europa, du Mutter von Völkern und Nationen, Mutter großer Männer und Frauen, die die Würde ihrer Brüder und Schwestern zu verteidigen und dafür ihr Leben hinzugeben wussten?“
Keine Wertedebatte
Es fällt auf, dass der Papst dabei nicht über das spricht, was sonst immer in Europa-Reden beteuert wird: Die europäischen Werte. Europa sei eine „Wertegemeinschaft“ und so weiter, nichts davon bei Papst Franziskus. Stattdessen eben das Wort von der „Seele Europas“. Der Papst spricht also nicht über Werte, sondern über Identitäten. Und das ist mit Blick auf die Nationalismen ja auch viel aktueller, als die doch sehr abstrakt und bürgerfern daher kommende Wertedebatte. Die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Debatten drehen sich im Kern um die Frage nach Identität, und genau hier beteiligt sich der Papst.
Deutlich wird das ganz besonders, wenn der Papst auf die junge Generation eingeht. Er spricht von der Vermittlung einer „Kultur des Dialogs“ und davon, ihnen „Werkzeuge“ in die Hand zu geben. Hier geht es nicht um ‚Werte’, abstrakte Größen, die kaum jemandem mehr etwas sagen, außer dass man sie schon tausend Mal gehört hat, meist als Zitat und Wieder-Zitat.
Nehmen wir zum Beispiel den Humanismus, den der Papst sich für Europa wünscht. Der ist kein Wert in der klassischen Sicht, sondern ein Tun, er besteht in konkreter Solidarität.
Sehr konkret
Es braucht neue Modelle für Europa. Modelle, die aus Prozessen der Transformation hervor gehen. „Radikale Veränderung“, wie es sie nach dem Krieg und unglaublich brutalen Ideologien gegeben habe und jetzt wieder brauche. „Solidarität der Tat“ sagt der Papst zwei Mal dicht aufeinander, um dann gleich die Latte höher zu hängen: es brauche schöpferische Anstrengungen, welche der Größe der Bedrohung entsprechen. Je schwieriger die Lage, desto mehr muss man solidarisch tun. Das braucht – auch das wieder Papst Franziskus – vor allem Mut. Die Alternative ist nicht wirklich eine Alternative, auch wenn sie so aussehe:
„Die Reduktionismen und alle Bestrebungen zur Vereinheitlichung – weit entfernt davon, Wert hervorzubringen – verurteilen unsere Völker zu einer grausamen Armut: jene der Exklusion. Und weit entfernt davon, Größe, Reichtum und Schönheit mit sich zu bringen, ruft die Exklusion Feigheit, Enge und Brutalität hervor. Weit entfernt davon, dem Geist Adel zu verleihen, bringt sie ihm Kleinlichkeit.“
Oder mit Konrad Adenauer formuliert: Die „Gefahr der Vermassung, der Uniformierung des Denkens und Fühlens, kurz, der gesamten Lebensauffassung und durch die Flucht aus der Verantwortung, aus der Sorge für sich selbst.“
Kleinlichkeit vs Traum
Daraus wird dann auch verständlich, was der Papst meint, wenn er von der multikulturellen Identität Europas spricht: „Die europäische Identität ist und war immer eine dynamische und multikulturelle Identität.“ Hier liegt ein anspruchsvolles und anstrengendes politisches und gesellschaftliches Programm, es geht um die Integration von Identitäten. Ich möchte das sogar als prophetisch bezeichnen: der Papst bekommt in diesem Begriff von der „multikulturellen Identität Europas“ unsere gegenwärtige Krise zu fassen und deutet in eine Richtung zur Lösung, er nimmt die Vergangenheit, weist aber in die Zukunft.
Ausführlich tut er das mit Verweis auf die Gründerväter Europas. Nun kann man meinen, das sei irgendwie Sonntagsrede, de Gasperi und Adenauer zu zitieren ist für ganze Generationen altes Eisen. Kann man meinen, aber nur, bis man Oliver Samwer liest. Ein Internet-Unternehmer, der der Süddeutschen Zeitung fast zeitgleich zur Papstrede ein Interview gegeben hat. Es geht um ein völlig anderes Thema, aber der Tenor ist fast wörtlich derselbe, so sehr, dass das einige Male habe lesen müssen. Ich darf zitieren: Samwer: „Wir brauchen eine Kultur des Träumens.” Diese Kultur entstehe am besten, wenn erfolgreiche Gründer den Jungen ihre Geschichte erzählen. Der Mann spricht von einer erfolgreichen Geschäftskultur. Und auch hier kommt die Kombination Erinnern – Träumen vor, die auch das Rückgrad der Papstrede bildet.
Und wenn wir schon beim Träumen sind: Darum kreist der Schlussabsatz des Papstes. Er träumt. Beim Lesen klingt das vielleicht anders, aber im Saal war das kein bisschen pathetisch oder irgendwie eine Martin Luther King Kopie. Er spricht von dem, was anzieht, was antreibt. Das bezeichnet er als Traum:
„Ich träume von einem jungen Europa, das fähig ist, noch Mutter zu sein: eine Mutter, die Leben hat, weil sie das Leben achtet und Hoffnung für das Leben bietet. Ich träume von einem Europa, das sich um das Kind kümmert, das dem Armen brüderlich beisteht und ebenso dem, der Aufnahme suchend kommt, weil er nichts mehr hat und um Hilfe bittet. Ich träume von einem Europa, das die Kranken und die alten Menschen anhört und ihnen Wertschätzung entgegenbringt, auf dass sie nicht zu unproduktiven Abfallsgegenständen herabgesetzt werden. Ich träume von einem Europa, in dem das Migrantsein kein Verbrechen ist, sondern vielmehr eine Einladung zu einem größeren Einsatz mit der Würde der ganzen menschlichen Person. Ich träume von einem Europa, wo die jungen Menschen die reine Luft der Ehrlichkeit atmen, wo sie die Schönheit der Kultur und eines einfachen Lebens lieben, die nicht von den endlosen Bedürfnissen des Konsumismus beschmutzt ist; wo das Heiraten und der Kinderwunsch eine Verantwortung wie eine große Freude sind und kein Problem darstellen, weil es an einer hinreichend stabilen Arbeit fehlt. Ich träume von einem Europa der Familien mit einer echt wirksamen Politik, die mehr in die Gesichter als auf die Zahlen blickt und mehr auf die Geburt von Kindern als auf die Vermehrung der Güter achtet. Ich träume von einem Europa, das die Rechte des Einzelnen fördert und schützt, ohne die Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft außer Acht zu lassen. Ich träume von einem Europa, von dem man nicht sagen kann, dass sein Einsatz für die Menschenrechte an letzter Stelle seiner Visionen stand.“
Wie das geht? Mit der „Methode Franziskus“, dem Schaffen von Koalitionen, die „kulturell, erzieherisch, philosophisch und religiös sind“. Auch hier das „Wir“, das stärker ist als das sich schützende „Ich“. Dann kommen Begriffe wie „Teilhabe“ und „Verantwortung“, die das ganze ausbuchstabieren. Natürlich stellt er auch die Gerechtigkeitsfrage, die Verteilung von Arbeit und Zugang zu Gesellschaft und Kreativität. Das sei „moralische Pflicht“, so der Papst.
Das ist seine Vorstellung von einem „neuen europäischen Humanismus“. Nicht zurück gerichtet, aber sich erinnernd. Aktiv, nicht abstrakt. Und immer mit Blick auf den Menschen.
Es ist sehr schön dieses “Wir” auch zu spüren, ohne dabei das “Ich” zu verlieren. Ich glaube Gott weiß uns zu helfen indem er jedem als Person die Verantwortung überträgt, die ihm der Alltag auferlegt, um damit zu zeigen, dass wir reif genug für einen menschlichen Fortschritt sind.
Es bleibt unverstanden und widersprüchlich, warum sich der Vatikan selber formal von den Menschenrechten distanziert, deren Umsetzung durch andere er begrüßt, vgl. auch: http://www.sueddeutsche.de/politik/benedikt-xvi-besucht-deutschland-mit-der-arroganz-des-vatikans-1.1148909
Ich vermute einmal, dass der werte Mitbauer, den Sie dort per Link zitieren, sich selber als “Aufgeschlossen” bezeichnen würde. Das macht sich gut, da kann man super auf andere herunter blicken. Wie er es in dem Stück auch tut.
Zu Ihrer Bemerkung: Der Vatikan distanziert sich nicht von den Menschenrechten. Er hat nur die Erklärung nicht unterschrieben, weil es eben nicht nur eine Erklärung ist. Da hängen weitere Dinge mit dran. Der Vatikan will sich – und damit irgendwie auch die Kirche – nicht von Gerichtshöfen vorschreiben lassen, dass er die Abtreibung gut zu finden hat. Um nur ein Beispiel zu nennen. Das ist der Punkt.
Also antworte ich, dass der Autor dieses Artikels mal etwas Luft ablassen soll, das von ihm so begrüßte Europa mit all seinen Erklärungen wählt nämlich gerade allüberall Regierungen, die wenig von Gemeinsamkeiten und dafür mehr von Nationalismen zu halten scheinen.
Immerhin: das waren noch Zeiten – 2011! – , als kluge Jesuiten die begrifflichen und gedanklichen Untiefen eines – im übrigen intellektuell unübertroffen scharfsinnigen – Papstes öffentlich seziert haben. Heute würden sie sich wohl eher die Zunge abbeißen …
Öffentlichkeit ist für mich die Plattform derer, die sich im Alltag nicht bestätigt fühlen. Sie sollte mit gewissenhaften Menschen besetzt sein und nicht mit Diskussionen um Worte belastet werden, die einen Dialogpartner suchen und nicht die breite Masse brauchen.
“Öffentlichkeit ist für mich die Plattform derer, die sich im Alltag nicht bestätigt fühlen.” Politiker, Bischöfe, TV-Größen fühlen sich also Ihrer Ansicht nach nicht im Alltag bestätigt. Wirklich?
Sie haben meinen Satz aus dem Kontext gerissen, denn Gewissenhaftigkeit sollte der Öffentlichkeit in jedem Fall anhaften. Inwieweit das verwirklicht ist, das kann ich nicht beurteilen, doch mir fällt auf, dass viele Fragen aus unserer Vergangenheit nach wie vor noch nicht geklärt sind und doch bereits sehr öffentlich über die Zukunft und den Fortschritt debatiert wird, der dann auf was bauen soll? Auch wird oft an Aussagen herumkritisiert, statt ihnen etwas entgegenzusetzen auf das man einen menschlichen Fortschritt bauen könnte, der auch die Gegenwart beinhaltet so wie sie ist und nicht so, wie sie so mancher gerne hätte.
Frei gewissenhaft ohne irgendwelche Zwänge, wie sie aus Sippe, Vorschrift, Gehorsam usw. resultieren können, kann nur der einzelne aber nicht eine (breite) Öffentlichkeit sein, die aus (unüberschaubar) vielen Einzelnen besteht, da jeder sein individuell geprägtes Gewissen hat. Alles andere scheint mir Wunschdenken zu sein. Insofern bleibt in der Tat als Folge mancher Fortschritt bloß ein Quantensprung, d.h. in richtiger Bedeutung die kleinstmögliche Änderung bzw. Verbesserung zum vorherigen Zustand. Exemplarisch kann man das an der jahrzehntelangen ermüdenden Klimadebatte ablesen. Ein Lichtblick ist immerhin, dass der Abbau der Ozonschicht in der Hochatmosphäre offenbar gestoppt werden konnte und sich diese bis Mitte des Jahrhunderts wahrscheinlich erholt haben wird.
Ich glaube daran, dass wir alle bereits frei sind, nur können nicht alle mit ihrer Freiheit so umgehen, wie es die Würde des Menschen jedem von uns erlaubt. Auch bin ich überzeugt, dass das Gewissen nicht individuell geprägt sondern individuell beachtet wird. Das hat etwas mit Sensibilität zu tun und mit der Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. In Bezug auf den Klimawandel habe ich mich hier bereits schon einmal geäußert und diese Auffassung vertrete ich nach wie vor. Wir sollten lernen die Zeit, die wir am Leben sind dafür einzusetzen, unseren Alltag zu meistern und ihn nicht anderen aufbürden, nur weil wir zu viel wollen, was wir nicht alleine tragen können. Verantwortung zu übernehmen heißt auch, sich nicht nur zu äußern, sondern diese Äußerungen in Handlungsweisen zu übernehmen, die den eigenen Alltag mitbestimmen.
Frei – wovon und wozu? Beim Klimawandel stimme ich mit Ihnen überein, das der Einzelne nicht die ganze Welt ‘retten’ kann, sondern nur ‘seinen’ eigenen Alltag.
Frei von der Angst, die unser Vertrauen daran hindert die eigene Person zu erreichen, um sie als solche auch ins Leben einzubringen.
@galahad: So ganz trifft Ihr letzter Satz nicht zu, wie man hier nachlesen kann: http://www.rp-online.de/kultur/barmherzigkeit-allein-reicht-nicht-aid-1.5690529
In meiner bairischen Heimat würde man sagen: Der Ratzinger Sepp is scho ned bled, aber “intellektuell unübertroffen scharfsinnig”? Nein, da überschätzt man Benedikt XVI. gewaltig. Ein ordentlicher Professor und kundiger Konzilsperitus, aber nicht zu vergleichen mit einem Congar, De Lubac, Chenu, von Balthasar, Sobrino, Rahner oder Guardini. Das ist jedenfalls meine Meinung.
Als Literaturtipp: Walter Kasper schrieb Ende der 60er Jahre (wenn ich mich recht entsinne) eine Rezension zu Ratzingers Einführung ins Christentum. Diese Rezension lohnt immer noch, gelesen zu werden.
Jeder stellt sich unter dem Begriff “Europa” etwas anderes, meist etwas Positives vor. Das brüsseler Europa, das gerade in den letzten Zügen liegt, hat lange Zeit seine christlich abendländischen Wurzeln verleugnet und erhält dafür nun die Quittung.
Diesem Europa braucht niemand nachzutrauern.
vor einigen Jahren hatten wir in unserer (Jesuiten)gemeinde ein Traumbuch gemacht – angesichts des Niedergangs der Gemeinden. Daran musste ich beim Träumen des Papstes denken – und angesichts meiner Enttäuschung über den Papst angesichts des Treffens mit den Ordensoberinnen – wie stellt sich denn der Papst Kirche im Verhältnis zu Europa vor ? Denn eine der zentralen Fragen der Zukunft – auch der Immigration – ist doch die “Menschwerdung” der Frauen.
Ein schöner Traum
Heute Nacht hatte ich einen seltsamen Traum:
Mir träumte, alle Bischöfe und Priester und Kardinäle und der Papst hätten den gleichen Traum geträumt und der ging so:
Sie träumten davon, für eine Kirche zu stehen, in der sie nicht mehr alles ohne Frauen machen müssten, sondern gemeinsam mit den Frauen an einer Kirche mitstrickten als einem wunderschönen weichen Menschheitsmantel.
Sie träumten davon, in einer Kirche zu arbeiten, in der Frauen nicht nur in Form von Köchinnen, Putzfrauen, Sekretärinnen ihre Wege kreuzten, sondern auch nette, kluge Arbeitskolleginnen mit gleichen Qualifikationen und Begabungen hinter Schreibtischen säßen und hinter Altären stünden.
Mir träumte, dass sie davon träumten, wie schön es wäre, nicht immer alles ohne Frauen machen zu müssen, die Leitung der Gottesdienste ohne Frauen, die entscheidenden Handlungen in der Messe ohne Frauen, die ganze Kirchenverwaltung ohne Frauen, abends zuhause ohne Frauen.
Mir träumte, die Kirchenmänner hätten Sehnsucht nach Partizipation der Frauen an ihrem Spiel. Mir träumte, sie träumten davon, ach wären wir doch wie Adam und Gott würde uns in einen Schlaf versenken und uns eine Partnerin aus den Rippen schneiden, damit wir Kirche gemeinsam gestalten könnten.
Sie träumten davon, dass sie sich sagten, dass obwohl Jesus ein Mann war, er ja nicht die Mannwerdung Gottes verkörpern wollte, dass er im Gegenteil in einer Zeit, in der Frauen kaum öffentliche Namen und Gesichter hatten, viele entscheidende Begegnungen mit Frauen hatte; mir träumte, sie träumten davon, dass sie genau wie Jesus nicht in einer Sonderwelt ohne Frauen leben wollten.
Sie träumten, dass es ihnen peinlich wäre, sich selbst immer für geeigneter, ausgewählter und wichtiger zu halten als Wegbereiter für die Gegenwart Gottes auf Erden als Frauen und andererseits zu wissen, dass sie ohne das großzügige Engagement und die Glaubensbereitschaft von Frauen überhaupt nichts ausrichten würden.
Mir träumte, es fiele Ihnen wie Schuppen von den Augen, dass Leben nur aus der Verbindung von Männern und Frauen kommt, dass die Kirche austrocknet, weil sie selbst ausgetrocknet sind.
Sie träumten, sie stünden an einer Wegkreuzung: Der eine Weg nur für Männer ist der Weg in eine Kirche als einer Verwaltungszentrale unter Zuhilfenahme von (unbezahlten) Frauen als unverzichtbaren kostengünstigen Hilfskräften (vergleichbar den Trümmerfrauen nach dem Krieg). Der andere Weg wäre ein Weg der Partnerschaft über die Geschlechter hinweg, ein Aufbruch wie der Aufbruch des Volkes Israel hinab in die fruchtbaren Ebenen des gelobten Landes vor uns – nicht hinter uns.
Mir träumte, die Männer träumten, dass sie mit einem Mal keine Angst mehr vor der Zukunft hätten und den Weg der Partnerschaft wählten.
Sie träumten, dass dann Kirche plötzlich aus ihrem Winterschlaf erwachen würde, dass überall Männer und Frauen Lust hätten Kirche zu gestalten, dass Familienväter und –mütter die theologischen Hochschulen besuchen würden, um Theologie zu studieren und Priester und Pfarrer zu werden, dass Männer und Frauen an den theologischen Hochschulen eine Theologie lehren wollten, die nach Gott unter den Menschen sucht und nicht nur unter dem 1000 jährigen Staub der leblosen Studierstuben.
Mir träumte, sie träumten, ach wenn doch nur die Jesuiten endlich anfingen, an ihren Hochschulen Lehrstühle über Gemeindeplanung (vergleichbar der Stadtplanung bei den Architekten) einzurichten und über Gemeindegestaltung nachzudenken und zu forschen und in den Gemeinden Feldforschung betrieben.
Mir träumte, sie träumten, sie erschraken sehr und sie sagten: Der Herr hat die Niedrigkeit seiner Diener erkannt, er hat großes an uns getan, der Wille des Herrn geschehe.
Und als sie aufwachten, wählten sie als erstes zehn Bischöfinnen.
Liebe Monika, wie schön! Wie wahr!
Liebe Frau Monika Humpert,
ich glaube, ich esse vor dem Einschlafen das Falsche.
Ich träumte damals bei dem Besuch Papst Benedikt in Deutschland, dass er etwas von der Rerum Novarum sagen würde. Sie ist eine von Papst Leo XIII. verfasste Enzyklika. Aber als ich aufwachte las ich in der Zeitung, dass er vom Traum des jungen Königs Salomon, nachdem dieser sich seiner Rivalen gewaltsam entledigt hatte, den Abgeordneten erzählte. Und Gott gab ihm eine Bitte frei, sagte Benedikt. Ein schlechtes Beispiel für die Frau Merkel und die Abgeordneten. Und jetzt träume ich noch schlechter.
Kürzlich träumte ich, nach dem ich die Kommentare über Benedikt und den Vatikan las: Benedikt liegt im Bett und fühlt sich sterbenselend. Da erscheint Vergil und sagt: Du bist tot Benedikt. Wo möchtest du ewig sein, in der Hölle oder im Himmel? Benedikt fragt: Kann ich die Hölle sehen? Ja, sagt Vergil und macht eine Türe weit auf. Was er sieht überwältigt Benedikt. Junge Geistliche, mit breiten roten Gürteln, tragen goldene Gefäße, jeder hat ein schweres Goldkreuz mit Rubinen. Musik klingt durch den weiten, barocken Raum, Knaben singen. Benedikt sagt: Das kommt mir alles so bekannt vor. Nur noch schöner ist es im Vatikan. Jetzt will ich den Himmel schauen. Vergil führt ihn hinauf und macht die Türe auf. Helligkeit umhüllt ihn, eine Stille erfasst ihn, er schaut nach rechts und nach links, alles Stille. Benedikt denkt lang nach und sagt: Ich möchte es wie im Vatikan haben. Vergil führt in wieder zu der ersten Tür auf der alle Konzilväter abgebildet sind. Beim Eintreten fällt Benedikt auf, dass der Döpfner nicht mit drauf ist. Ach ja, sagt Benedikt: Ich erinnere mich, es war ein kleines Ungeschick. Schon erfassen viele grobe Hände ihn und stecken ihn in einen Kessel mit siedendem Öl. Die Qualen sind schrecklich. Er schreit: Mein Gott, ich möchte mich beschweren! Ein Kleiner mit hinkenden Gang, der aussieht wie Goebbels kam geschwind. Was willst du, fragte er freundlich, mein allerliebstes Kind. Benedikt sagt empört: Das war Betrug! Wo sind die Sänger und der Weihrauchduft? Der Hinkebein lacht: Der ist verpufft und die Sänger sind von der Propaganda-Gruft der lieben Pius Brüder vom Williamson, dass ist noch Zucht! Benedikt schnauft tief ein und wacht auf. Tags darauf wartet er neugierig auf Gänsewein und fragt laut in den Raum hinein: Ob der das auch nur hat geträumt? Denn der hatte ja das goldene Weihrauchfass geschwenkt, das muss ich jetzt schon fragen. Da wachte ich auf und merkte, dass war ein böser Traum, denn so etwas würde der emeritierte Benedikt nicht sagen. Was soll ich jetzt vorm Schlafengehen essen?
Vor dem Schlafengehen sollte mal par tout nichts mehr essen, sogar schon früher, dass sage ich ihnen als Diabetiker. Auch wenn mein Arzt jetzt denn Kopf schÜtteln würde, trinken sie lieber nach den Ausführungen “traumbegabter Menschen” einen Schnaps. Der hilft nach reichlicher Nahrung auch nicht, lässt einem aber ruhiger schlafen. :-))
Lieber Konstantin, das ist für den Abend in diesem Lande kein guter Ratschlag. Schon mehr ein Schlag, denn ich möchte mich schon jetzt an Gesetze halten, die in Zukunft greifen. Das nennt man vorauseilenden Gehorsam. Ich träume, dass solche Schnapsnasen dann ergriffen werden. Da schippere ich lieber auf meinem rosaroten Gummiboot davon. Auch eine Form von Kadavergehorsam.
Es gibt verschiedene Arten des Traums und der Träumerrei. Vieles was wir heute auch innerhalb der Kirche träumen sind immer noch Träumereien. Träumereinen bringen uns in der Kirche heute nicht weiter. Ich differenziere schon zwischen den verschiedenen “Träumen”. Der sogenannte “Klartraum” ist für mich der relalistischteste Traum, der mit “träumereien” fast nichts zu tun hat. Was träumen wir uns für eine Kirche herbei, die “der Realität” nicht standhält. Ja P.Franziskus sagt: “Träume öffnet Horizonte”. Meiner Meinung nach liegt der Akzent auf dem “Klartraum” den Franziskus meint – nicht der Träumerei. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass Franziskus selten über Träumerei spricht, es sei denn bei der Jugend, und das ist gut so. Weil ich der Meinung bin, dass es der Jugend vorbehalten ist, in Träumereien zu “versinken”. Ich persönlich brauche nicht aus einem Traum zu erwachen, denn ich stehe mitten in einem “Klartraum” den ich auch bei Franziskus spüre. Wie es die Buddhisten nennen würden, ist unser Papst ein “Oneinronaut (Luzider Traum). Kreativ zu verwenden heisst dies. Und wie kreativ mss unser papst sein, in einer versteinerten Kirche, die manchmal nur n o c h träumt.
Ach wie schön, ich träume mit ihnen.