Wir nähern uns der heiligen Woche, Zeit die Vorbereitung auf Ostern noch einmal aufzunehmen. Und das lässt sich mit einem einzigen Wort zusammenfassen: Umkehr! Aufruf zur Umkehr, so kann man das vielleicht zusammen fassen. Nicht zur Selbstoptimierung, schon gar nicht zur Selbsterlösung, sondern zur Vorbereitung durch Umkehr.
Mir ist noch einmal eine Statistik in die Hände gefallen, die ein britischer Freund und Jesuit erstellt hat (siehe Bild). Seit Jahrzehnten ist David in der Exerzitienbegleitung aktiv, und da ist die Frage nach Bekehrung, Umkehr, Reue, Gottesbegegnung und dem eigenen Leben ja ein zentraler Punkt. Seine Ergebnisse haben mich aber etwas stutzig gemacht (Danke David, dass ich das benutzen darf).
Vorbereitung durch Umkehr
Aus der kleinen Umfrage ergibt sich, dass je konkreter es mit der Umkehr wird, desto weniger positive Antworten gibt es. Dass Exerzitien dem Gebetsleben gut tun, das ist gut und richtig. Aber dass nur weniger als zwanzig Prozent „Change in lifestyle“ als Ergebnis von Exerzitien angeben, sollte uns eine Frage stellen. In Vorträgen etc. werde ich nicht müde zu behaupten, dass die Franziskus-Revolution oder Reform oder wie auch immer wir das nennen wollen bei uns selbst stattfinden muss, sonst wird sie nicht stattfinden. Das Sprechen von Barmherzigkeit, das so gut ankommt, braucht eine Entsprechung im Leben.
Wie in der vergangenen Woche schon zitiere ich hier noch einmal Johann Baptist Metz, der über die Kirche der Zukunft spricht: „(Hier hilft) nur eine bis in die Wurzeln gehende Umkehr, die auch die ökonomischen Grundlagen unseres gesellschaftlichen Lebens einbezieht.“ (aus: Jenseits bürgerlicher Religion, 1980). Die ökonomischen Grundlagen, das bedeutet natürlich auch den Reichtum Europas, aber ich darf das hier einmal ausweiten: Das bezieht das praktische Leben, den Lebensstil ein. Aufruf zur Umkehr, das geht also nicht nur an mich als Individuum, sondern an uns als Gruppe, als Kirche. Als Gemeinschaft.
Aufruf an die Gemeinschaft
Und solange wir das nicht als Anfrage hören, die auch nach Gerechtigkeit fragt, bleiben wir für Ostern taub. Dann ist das wie bei den Exerzitienkursen, wir beten besser und heilen Wunden unter uns, aber den Lebensstil ändern wir nicht. Davids’ Statistik stellt mir die Frage, wie weit unsere Begeisterung und Spiritualität uns eigentlich trägt. Nicht als Vorwurf, sondern als Selbstanfrage.
Ignatius hat in seinem Exerzitienbuch zwei „Menschenarten“, wie er es nennt, wir würden das anders nennen. Wir würden sagen, es gibt mehrere Weisen mit Umkehr umzugehen. Es geht ihm um die „Anhänglichkeiten an die Dinge“, die man erworben hat. Das als Chiffre für all das, an dem wir hängen und was an uns hängt.
„Die erste Menschart würde das Verlangen, das sie zur erworbenen Sache hat, von sich entfernen wollen, um Gott unseren Herrn in Frieden zu finden und sich zu retten zu wissen. Und sie setzt bis zur Todesstunde nicht die Mittel ein.“
Gott soll sich bekehren
Soll heißen: Der Aufruf zur Umkehr wird gehört, man will auch was tun, schafft es aber nicht, tut nichts oder bleibt in sich selbst eingeschlossen, wie es der Papst nennt.
„Die Zweite will das Verlangen entfernen, aber sie will es so entfernen, dass sie mit der erworbenen Sache verbleibt. Es soll also Gott dorthin kommen, wo sie will.“
Das ist eine Nummer schärfer, das ist eine Haltung, die umkehrt, aber so dass die Dinge bleiben. Dass also Gott unseren Lebensstil gutheißt und der Aufruf zur Umkehr so aufgelöst wird, dass sozusagen Gott umkehrt und wir in unserem Lebensstil bleiben, wie wir sind. Das kann so aussehen, dass wir uns unseren Stil schönreden, da gibt es viele Möglichkeiten.
Umkehr in der österlichen Bußzeit, das kann nicht ohne Folgen bleiben. Wir haben genug Ausreden, um genau das nicht zu tun. Aber das geht dann nicht mehr. Besser beten und versöhnter mit dem Nächsten sein, ist nicht genug.
Nun, das mit der Umkehr ist für mich eine sehr spannende Sache. “Meta noia, ändert eure Gedanken”. Mir scheint, irgend wie fängt ja doch alles, oder vieles – im eigenen Kopf an, und wird nicht, – wie so oft behauptet, von außen herangetragen.
Als eine Art Vorstufe zur Umkehr könnten die guten Vorsätze herhalten, besonders beliebt zum neuen Jahr. O je, das ist keine gute Zeit für mich. Mich ein Jahr lang jeden Tag an die zehn Gebote halten, habe ich mir mal vorgenommen. Habe ich es geschafft, Jesu Interpretation in der Bergpredigt inbegriffen? Leider nein.
Hingegen ist Umkehr in der vorösterlichen und österlichen Zeit wesentlich “erfolgversprechender” für mich.
– Jedes Jahr ab dem Aschermittwoch eine ganz konkrete Aufgabenstellung, nicht zu breit angelegt, viel eher fokussiert.
– Die Sache bis zur Karwoche, also bis jetzt, so halbwegs einüben; Beichte, Erfolge und Rückschläge inbegriffen.
– Von Ostern bis Pfingsten, also in der hellen österlichen Freudenzeit erfolgt dann die Verankerung und der Feinschliff, auf das die Sache nachhaltig und bleibend sei.
Bin ich mit dem bisherigen Verlauf zufrieden? Ja; keine Details, versteht sich; die Aufgabe lautet: Verantwortung übernehmen.
Hier noch zwei Buchtipps, sehr zu empfehlen:
1. Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen Kindle Edition
von Raphael M. Bonelli (Autor)
https://www.amazon.de/dp/B00LAYK33O/ref=docs-os-doi_0
2. L’arte di ricominciare (Italian Edition) Kindle Edition
von Fabio Rosini
– Die Kunst des Neuanfanges, anhand des Schöpfungsberichtes
https://www.amazon.de/dp/B079DTXKMN/ref=docs-os-doi_0
Jesus änderte mein Leben grundlegend, denn seit er darin aufgetaucht ist versuche ich ihm zu folgen. An manchen Tagen gelingt mir das besser, an anderen wiederum nicht so gut. In jedem Fall jedoch nimmt es meine Zeit in Anspruch und ich frage mich, wie Menschen, die sich diese Zeit der Besinnung auf ihr Dasein nicht nehmen jemals verstehen können, wie sie ein Gedächtnis dafür entwickeln sollten.
Immerhin wird Gott als das Gedächtnis angenommen in dem wir alles finden können wonach wir gewissenhaft die Suche aufnehmen. Für dieses Gedächtnis gilt es allerdings auch die Würde anzunehmen, die uns das Recht gibt darauf zuzugreifen indem wir nicht nur daran festhalten sondern uns auch dafür einsetzen, dass dieser Würde kein Schaden zugefügt wird.
Ich glaube ja, Jesus sorgt dafür und tut dies im Sinn all der Menschen, die dem Glauben nachfolgen, der aus der jährlichen Wiederholung seiner Geburt gewonnen wird. Ich gehöre, Gott sei Dank, bereits zu diesem Glauben, denn ohne Jesus wäre mir nicht bewusst geworden wie sehr sein Leben auf mich Einfluss ausüben kann, wenn ich es zulasse.
Meiner Erfahrung nach ist bei allem was ich für und zur Umkehr hin unternehme notwendig und richtig, es ist aber nicht hinreichend. Für mich ist Umkehr, und das ist meine konkrete Erfahrung, bei allen meinen Tun immer wesentlich Geschenk Gottes, Gnade also. Kurz gefasst: “alles so tun als ob es einzig und allein von mir abhängt, und alles so tun als ob es ausschließlich von Gott abhängt”. (<= aus dem Gedächtnis zitiert; H. Franziskus oder Ignatius von Loyola, oder ?)
“Besser beten und versöhnter mit dem Nächsten sein, ist nicht genug.”:
Ich bin mir schmerzlich bewusst, dass das nicht reicht. Jeden Tag aufs Neue. Papst Franziskus spricht ja auch immer davon, dass wir mehr tun müssen. Ich habe jedoch noch nicht erspürt, wie diese Umkehr für mich konkret aussehen soll. Und wie ich meinen Lebensstil (radikal) ändern kann.
“Das Sprechen von Barmherzigkeit, das so gut ankommt, braucht eine Entsprechung im Leben.” : Taten braucht es – daran muss ich mehr arbeiten. Und ich möchte auf keinen Fall so sein wie die Menschart zwei, die Sie beschreiben. Aber das alles ist ja keine Umkehr. Ist nicht genug…
Ich glaube, dass Umkehr in den kleinen alltäglichen Dingen beginnen kann (muss?), und das nicht nur vor Ostern. Wie verhalte ich mich im Straßenverkehr, am Arbeitsplatz etc.? Das heißt nicht, dass diese Bemühungen leicht sind … Oft genug stelle ich bei meinen Beichtgesprächen bei meinem vertrauten Beichtvater fest, dass ich gewisse Fehler/Macken/Sünden einfach nicht los bringe. Aber alleine schon der Entschluss, bewusster auf das persönliche Verhalten zu achten, bringt meiner Meinung schon eine positive Änderung rein. Manchmal gab es beim nächsten Beichtgespräch durch “Anschauen” der persönlichen Situation schon eine positive Überraschung, dass ein bisheriger Problembereich im Zeitraum ab dem letzten Gespräch gut bewältigt worden war.
Ich glaube auch das nur ein bis in die Wurzel gehende Umkehr in unserem Leben, jedes einzelnen Lebens, zu einem besseren Leben und Verständnis führen kann. Nicht nur die zweite Hälfte des 20 Jahrhundert’ s sondern schon seit Beginn des ganzen 20 zigsten geht es stetig bergab.
Lieber Pater Hagenkord ich hätte eine Bitte an Sie wo finde ich den ganzen Aufsatz von …und nicht nur diesen einen Satz der seit ein paar Tagen durchs Netz geistert.
Sie meinen den Aufsatz des emeritierten Papstes? Den finden Sie auf unserer Webseite, vaticannews.va
Ja den meine ich aber auf der Website vaticannews.va finde ich ihn nicht….
Danke, Pater Hagenkord habe es in der Zwischenzeit gefunden. Ich wusste ja das es sich etwas anders darstellt als in den Medien berichtet.
Auch sehr interessant zu lesen auf Vatican News:
“Wie eine Bonner Schule seine Missbrauchsvergangenheit aufarbeitet.”
Zugegeben anfangs hatte ich wenig Neigung das anzuklicken und wieder mal eines der üblichen, oberflächlichen Statement zu lesen, aber siehe da, ein Bericht der zumindest mir hilft, einen weiteren Einblick zu gewinnen.