Zur Frage, ob Papst Franziskus etwas gegen Selbsterkenntnis und Meditation hat.
Mein Eintrag zum Pelagianismus vor einigen Tagen hat zu einigen eMails an mich geführt, die besorgt nachfragen, was es denn mit der Frage nach den Introspektionen auf sich habe. Ich fasse einmal so zusammen: Es gebe doch viele wertvolle, alte, östliche wie westliche Meditationstraditionen, die mit der Aussage des Papstes herabgewürdigt würden.
Das hat Papst Franziskus am Gründonnerstag gesagt:
„Es ist eben gerade nicht in den Selbsterfahrungen oder in den wiederholten Introspektionen, dass wir dem Herrn begegnen: Selbsthilfekurse können im Leben nützlich sein, doch ein Leben, das von einem Kurs zum anderen, von einer Methode zur anderen geht, führt dazu, Pelagianer zu werden, die Macht der Gnade herunterzuspielen, die in dem Maß aktiv wird und wächst, in dem wir gläubig hinausgehen, um uns selbst zu verschenken und den anderen das Evangelium zu geben, das bisschen Salbung, das wir besitzen, denen zu schenken, die absolut gar nichts haben.“
Ich lese das so: Papst Franziskus hat nichts gegen das Innerliche einzuwenden, so es denn nicht bei sich selber stehen bleibt. Dann würde daraus das, was er mit Selbstumkreisung und theologischem Narzissmus beschrieben hat.
Gott und die Methode
Aus der jesuitischen Tradition heraus gesprochen: Es gibt kaum Meditationstraditionen, die so klar und von außen gesehen vielleicht sogar übertrieben methodisch vorgehen, wie die des Exerzitienbuches von Ignatius. Aber auch Ignatius würde zustimmen, dass die Exerzitien nicht bei sich selber stehen bleiben dürfen. Die Methoden – um das Wort des Papstes zu gebrauchen – sollen einen Zweck erfüllen, nämlich den, betend dem Willen Gottes in meinem Leben auf die Spur zu kommen.
Das ist ein sich selbst weggeben, wie es der Papst anspricht. Ich wage einmal die Aussage, dass es verschiedenste Formen des sich selbst Gebens gibt: Papst Franziskus wird garantiert nicht den kontemplativen Orden sagen, dass sie nun ihre Klöster verlassen müssen. Auch das Gebet und die Kontemplation kann eine Hingabe an andere sein. Und zwar dann, wenn sie kein Selbstzweck ist. Genau dann, wenn es nicht um den menschlichen Willen und dessen Absolutsetzung geht. Wenn man die Gnade Gottes wirken lässt, und die wirkt in den Worten des Papstes in dem Maße, wie wir aus uns herausgehen und nicht uns selber zum Zentrum der Welt nehmen.
Selbsterkenntnis um Gottes Willen
Selbsterkenntnis zum Beispiel, eines der großen Ziele der östlichen Traditionen, würde ins Christliche übersetzt nur dann einen Sinn haben, wenn ich mit mir selber auch meinen Schöpfer und meinen Nächsten erkenne. Das eine ohne das andere ist in unserem Glauben nicht vorstellbar. Wer sich selbst betrachtet und Gott außen vor lässt, verliert ein großes Stück seiner selbst.
Das Gleiche gilt dann aber auch für das Tun: Die Worte des Papstes dürfen nicht als Aktivismus missverstanden werden. Darin liegt zugegeben eine Versuchung: Nur der, der was tut, lässt die Gnade Gottes in die Welt. Die Pausenlosigkeit des Papstes mag diese Versuchung vielleicht sogar verstärken. Aber: Der Kern ist das aus-sich-selber-heraus-Gehen, nicht die Aktivität als Selbstzweck. Der Kern ist die Wirkung der Gnade, nicht das Machen und Schaffen.
Die kontemplativen Orden, diecich kenne, gehen hinaus. Und das ist auch gut so. Die haben weiterhin ihre 2 Stunden Meditation am Tag, ich spreche hier von einem Karmelkloster weiblich, männlich hat nie soviel geschwiegen, sagte mir mal ein Provinzial..und ansonsten sind sie draussen beim Volk und beraten und tauschen sich aus. Machen Lesekreise, Meditationskreise etc. Mit Gott reden, nicht nur über Gott und nicht der Illusion aufsitzen, dass Gott nur im Menschen erfahrbar ist. Das wäre eine wunderbare Welt.Wenn Gott im Menschen erfahrbar wäre. Gott in allen Dingen ist zumindest für mich harte Arbeit. Teresa von Avila sagt in ihrem Buch Der Weg der Vollkommenheit, das für ihre Schwesten war..die Gefahr,dass man bei Gott bleiben möchte, nicht mehr in die Welt zurückgehen, ist groß und man darf diesem Wunsch nicht nachgeben. Sie selber war nahezu ununterbrochen unterwegs und hat Niederlassungen gegründet. Ora et labora. Welche Methode man da nimmt, ist egal. Ausgewogenheit.Nach den Gottesdiensten heißt es nicht just for fun: Gehet hin und stiftet Frieden.
Zuerst hat mich diese Aussage auch etwas ratlos zurückgelassen. Schien sie mir doch eher an alle „Suchenden“ gerichtet als speziell an Priester und Ordensleute.
Aber dann fiel mir die Zeit des Ignatius von Loyola in Manresa wieder ein. Wie er versuchte, in immer extremeren und radikalen Bußübungen und Introspektionen Gott zu finden – und dabei doch immer wieder „nur“ mit seinem eigenen Ich konfrontiert wurde, bis er es kaum mehr aushielt (http://www.martin-loewenstein.de/loyola2006/texte02.html).
Wenn ich mich recht erinnere, war es dem Eingreifen seines Beichtvaters zu verdanken, dass er nicht in seiner Verzweiflung unterging, sondern sich wieder der Außenwelt und dem Leben zuwandte. Da erkannte er, dass man Gott „in allen Dingen suchen und finden“ wird, wenn man es zulässt.
(Oder mit Edith Stein: „Gott zwischen den Kochtöpfen“)
Ignatius hat seine Lehren aus dieser Zeit gezogen und – wieder hoffe ich, dass meine Erinnerung mich nicht täuscht – bei der Ordensgründung explizit eine Begrenzung der Kontemplationszeiten festgeschrieben, zugunsten des aktiven Apostolats.
Wieder einmal verstehe ich Franziskus aus diesem persönlichen Erleben heraus: „Geht hinaus um das, was Ihr in euch sucht, an jedem Ort zu finden, an dem Ihr das bisschen von dem, was ihr bereits habt, weitergebt, an die, die (noch) gar nichts haben.“
Gott überall suchen und finden – für mich klingt das nach ignatianischem Geist im besten Sinne.
Und es ist immer wieder faszinierend, wie Franziskus Menschen mit ihren verschiedenen Hintergründen und Biographien auf so verschiedene Art direkt anspricht und erreicht.
Wenn man sich jeden Abend hinsetzt und den Tagesrückblick macht im Sinne des heiligen Ignatius..braucht man keine Kurse mehr..regelmäßig Eucharistie feiern..ebenso..
Die Exerzitien sind ganz unterschiedlich wirksam. Aus meiner Erfahrung heraus gibt es diejenigen, die zuerst versuchen, in sich selbst Ordnung zu bringen, andere überhaupt den regelmäßigen Kontakt zu Gott zu finden, andere, die Antworten in den großen und kleinen Lebensscheidewegen suchen usw usw. Ich denke, da ist auch alles erlaubt, solange man nicht selbstzufrieden in sich selbst stehen bleibt.
@ Pater Hagenkord
Nach meiner eigenen Erfahrung ist vor jeder Meditation ein Hineinhören in den eigenen Körper erforderlich.
Wenn ich diese Vorübung nicht mache, kann ich nie sicher sein, ob eine Introspektion zur Bewältigung eines bestimmten Themenkomplexes/ Themas auch nur ansatzweise Erfolg haben wird.
Ein gewisses um sich Kreisen und innere Visitation sind folglich als Vorbereitungshandlung nötig, um in tiefere Sphären der I. einsteigen zu können.
Dies als Selbstumkreisung und persönlichen Narzissmus abzuwerten halte ich für abwertend und unzutreffend anmaßend.
Wenn ich durch Hineinhören in meinen eigenen Körper (mein eigenes Ich) zu einem positiven Votum für eine weiterführende thematisierte I. komme, dann wird der Erfolg weitestgehend zu erwarten sein, jedoch nicht immer garantiert.
Dazu muss ich sowohl vor dem Hineinhören in mich selbst bzw. für die Introspektion in Bezug auf ein bestimmtes Thema vorher einige Voraussetzungen zum Umfeld schaffen, da sonst sicher der gewünschte Erfolg ausbleibt.
Zur Selbsterkenntnis/ Selbstfindung wird es sicher nicht nur die Form „um Gottes Willen“ sondern auch andere alltägliche, persönliche Formen geben.
Das Thema theologischer Narzissmus dürfte m. E. eher bei den Klerikern/Theologen / Dogmatikern und ggf. auch bei manchen Ordensangehörigen besser platziert sein.