„Da stelle mer uns mal janz dumm…“; Um Penälern das Funktionieren einer Dampfmaschine zu erklären, fängt man ganz vorne an. Erklären beim Unwissen zu beginnen, ist ein gutes pädagogisches Mittel. Schritt für Schritt und ganz einfach baue ich die Einzelteile zusammen, die ich so für das Ding brauche, was ich da erkläre.
Was aber, wenn wir alle schon meinen zu wissen, was das ist? Also nicht die Dampfmaschine, sondern zum Beispiel das Thema dieses Kirchenjahres, die Barmherzigkeit? Irgendwie vermuten wir ja, das zu kennen oder zu wissen, was das ist.
Dankenswerterweise erscheint gerade jede Menge Reflexion zum Thema. Ohne meinen Stuhl zu drehen sehe ich auf meinem Schreibtisch alleine religionspädagogische Materialien, die Zeitschrift „Communio“, mehrere Bücher, Auszüge und Kopien von Artikeln die ich immer noch mal lesen wollte und so weiter.
Die wichtigste Aussage dazu kommt für mich aber vom Papst selber, der uns das Nachdenken dazu ja aufgegeben hat. Und zwar spricht er vom Tun, von den so genannten Werken der Barmherzigkeit. Barmherzigkeit ist nicht so sehr eine Haltung, als mehr ein Verhalten. Oder besser: beides zusammen.
Vor einiger Zeit hatte ich in der Zeitung „Der Falter“ einen Artikel dazu, ich war angefragt worden. Dreizehn Menschen – vom Falter netterweise „Experten“ genannt – schrieben über Europas größte Katastrophe, und dazu war auch ich geladen. Meine Perspektive auf die Barmherzigkeit kommt da von der anderen Seite, von der Frage nach der Verantwortung. Weil wir eben nicht über Barmherzigkeit sprechen können – oder theologisch verantwortet sprechen dürfen – ohne praktisch zu werden.
Wer trägt für das Sterben im Mittelmeer Verantwortung?
„Kain, wo ist dein Bruder?“ Gottes Frage im Buch Genesis lässt den Menschen etwas entdecken, was grundmenschlich ist, weil es grundgöttlich ist, nämlich die Verantwortung. Wir sind nicht als Einzelwesen geschaffen, perfekt nur dann wenn wir uns um uns selbst drehen. Wir sind als Menschen geschaffen, alle „Brüder und Schwestern“, wie wir es in Familiensprache ausdrücken. Daraus erwächst die Verantwortung füreinander. Die Frage Gottes nach dem Mord Kains an Abel wird im Kopf Kains – und unserem als Leser der Geschichte – zu einem Vorwurf, weil Kain um die Verantwortung und damit Schuld weiß, die er auf sich genommen hat.
Papst Franziskus hat den großen Feind dieser Verantwortung ausgemacht: Die Gleichgültigkeit. Oder noch präziser: eine globalisierte Gleichgültigkeit. Wie er es bei einer Predigt in Lampedusa 2013 ausgedrückt hat: Auf dem Meer sterben Tausende und wir trauern noch nicht einmal mehr. Uns geht das irgendwie nichts an. Wir lassen es nicht an uns heran. Zig-tausende Kinder verschwinden auf der Flucht, jährlich, ohne dass jemand weiß, wo sie landen. Menschen landen in Sklaverei, werden auf ihrer Flucht buchstäblich gekauft und verkauft, erpresst, und wir sorgen uns nicht.
Wir sind nicht in Völkern und Nationen geschaffen, wie es einige neu-Rechte Politiker in theologischer Verwirrung meinen. Wir sind eine Menschheit, über die Kontinente und durch die Jahrhunderte hindurch.
Wir hier im reichen Europa drehen um uns selbst, wollen das „Eigene“ gegen das „Fremde“ schützen, schön zu sehen an Wahlergebnissen über den ganzen Kontinent hinweg. Aber dabei übersehen wir, dass wir als Kinder Gottes Verantwortung tragen.
Die große Gleichgültigkeit vergiftet uns. Der Gegenentwurf dazu ist die Barmherzigkeit, die auch dann gilt, wenn ich an einer Situation gar nicht Schuld trage. Die Bibel ist bis zu den Deckeln voll von Geschichten von Jesu Barmherzigkeit: Der Vater, der seinen Sohn zurück nimmt, der Samariter, der alles Mögliche tut, um einen ihm völlig Unbekannten zu helfen und so weiter. Barmherzigkeit hilft, weil sie es kann, nicht weil sie es muss. Es ist kein moralischer Auftrag, sondern freies Geben. Und sie beginnt damit, dass wir hinschauen, keine Grenzen und Zäune vor unsere Augen und Ohren bauen und uns nicht gleichgültig werden lassen.
Eigenschutz geht vor Fremdschutz, um sich die Fähigkeit zu bewahren, verantwortlich barmherzig handeln zu können.
Das verstehe ich nicht. Barmherzig geht also erst, wenn ich selber sicher bin? Habe ich Sie da richtig verstanden? Aber im Kern der Barmherzigkeit liegt doch die Selbstlosigkeit, oder um es anders auszudrücken: kein Kalkül oder keine Abwägung, ob mich das nicht vielleicht gefährdet / verspätet / ins falsche Licht rückt / oder was auch immer die Folge sein kann.
Das versteht aber jeder, der im Rettungsdienst arbeitet.
Da gibt es aber einen – wie ich finde wesentlichen – Unterschied: Ein Rettungsdienstler macht das beruflich. Und damit geht eine Professionalität einher, zu der eben auch der Selbstschutz gehört. Barmherzigkeit ist aber gerade nicht professionell. Deswegen kann ich sie auch nicht einfordern, ich habe keinen Anspruch auf sie. Deswegen passt das Beispiel mit dem Rettungsdienst hier nicht wirklich, finde ich.
Die Barmherzigkeit des biblischen Samariters wird durchaus hier und heute rechtlich und strafbewehrt eingefordert (§323c StGB). Professionalität und Barmherzigkeit schließen sich auch nicht aus, denn sonst müssten sich kirchliche Hilfswerke entweder durch unprofessionelle oder durch gleichgültige, nicht barmherzige Arbeitsweisen auszeichnen.
In dem Paragrafen der „unterlassenen Hilfeleistung“ sehe ich nicht die Verpflichtung zum Samariter, dort gibt es wesentliche Einschränkungen, etwa die Zumutbarkeit, „ohne erheblich eigene Gefahr“, und die Frage nach anderen Pflichten, also eine Abwägung. Barmherzigkeit ist ja auch zunächst einmal eine innere Haltung, zu der man überhaupt nicht verpflichten kann. Ihre konkrete Ausformung, die Bestandteil ist, ist aber etwas anderes als die Verpflichtung zur Hilfeleistung.
Und was die Hilfswerke angeht: Die arbeiten meiner Erfahrung nach sehr professionell. Die Spenden sind offen und frei, die Nutzung gehorcht aber strengen und transparenten Kriterien, um den Spendern und den Menschen denen geholfen wird genau und ehrlich zeigen zu können, was getan wird. Hier ist sehr wohl Kalkül, Berechnung und Abwägung im Spiel, muss ja auch, denn man ja ja nur beschränkte Mittel, die man optimal einsetzen muss. Auch das ist nicht das, was „Barmherzigkeit“ sein will.
Lieber Pater Hagenkord ich kann Ihren Ausführungen nur zustimmen. Barmherzigkeit ist mehr als Hilfsorganisationen geben wobei ich nicht die Arbeit deren schmälern will. Barmherzigkeit ist eine Haltung die aus der echten Liebe erwächst die oder das nur Gott schenkt. Ohne Liebe keine Barmherzigkeit.
Nun, wer sich innerlich zu helfen verpflichtet fühlt, wird sicherlich nicht an einen Paragraphen denken müssen. Das Gleichnis selber wirkt aber idealisiert und der Samariter wird darin frei von persönlichen Dilemmas dargestellt: Er braucht den halbtot Geschlagenen nicht erst unter Gefahr seines Lebens aus einer Schlucht zu bergen, er scheint nicht sonderlich unter anderen Verpflichtungen zu stehen, weil z.B. ein naher Angehöriger im Sterben liegt und er findet nur einen einzigen Hilfebedürftigen vor und nicht um zehn auf einmal, unter denen sein Tier auf dem Weg zur Herberge zusammengebrochen und seine Hilfsbereitschaft möglicherweise an eine natürliche Grenze gekommen wäre. Das Vorbild des selbstlosen Samariters lässt sich nicht 1:1 auf das Elend von Tausenden und Millionen anwenden, die zum Spielball komplexer politischer Machtbestrebunbgen geworden sind.
Barmherzigkeit sollte man nicht mit Sauerstoffmasken im Flugzeug verwechseln. Erst man selber dann der andere.
Ich gehe vom barmherzigen Samariter aus der nicht vorbei läuft…
oder einfach mal zuhören, inne halten…
Warum sind arme Menschen oft eher bereit zu Teilen als reiche?
Warum nehmen ärmere Länder wesentlich mehr Flüchtlinge auf als reiche? Nicht weg schauen, Anteil nehmen, aufnehmen.
In der Rettung, Medizin sind die Abläufe sinnvollerweise vorgegeben. Schauen, denken, handeln
Man sollte das eine nicht gegen das andere ausspielen.
Mir fällt gerade auf das sind auch jesuitische Abläufe 😉
Ist das nicht egoistisch gedacht Eigenschutz vor Fremdschutz? Ist Christus ans Kreuz gegangen aus Eigenschutz oder aus Barmherzigkeit gegenüber der Welt und für die Menschen.
diesen Beitrag Pater Hagenkord möchte ich ganz bewusst mit – „Gen Osten !?“ – „synchronisieren“..
Ihre Ausführungen UNTERSTREICHEN das, was ich in meinem Poste dort(Nr.8) angedeutet habe!
Die Messe mag nach CIC oder KKK noch so „gültig“ sein, aber wenn sie beispielsweise nicht mit diesen Werken der Barmherzigkeit IN BEZIEHUNG gefeiert wird ,wird sie zum „Kult“ degradiert..
vor bald 20 Jahren habe ich ein WE. mit den „kleinen Brüdern Jesu“ in Hamburg verbracht-die lebten damals inmitten im Kiez der „großen Freiheit“ in Hamburg..
…und da hat einer der Brüder mit den anderen Anwesenden die Messe gefeiert: die Hände des Zelebranten waren die Hände eines sehr geforderten Werftarbeiters..
er verwendete „normales Brot“ und einen eher billigen Weißwein in einem leicht angekratzten größeren Rotweinglas,
die kleine Stola lag an seiner Seite-er hatte einfach vergessen sie umzulegen..
ein Messformular war nicht vorhanden…
ABER dieser Bruder LEBTE in der Gleichzeitigkeit!
der auch körperlich robuste Arbeiter war eben AUCH ganz innerlich-er hatte den Ablauf der Messe „drin“ -das Hochgebet sprach er aus dem Herzen..-die überlieferten Einsetzungsworte wurden in der bekannten Weise gesprochen..
für mich war DIESE Erfahrung – früher hatte ich durch die Auseinandersetzung mit den Deutungen Bachs und Beethovens einen erste Annäherung – eine Schlüsselerfahrung..
und deswegen kann ich die Messe NICHT mehr LOSGELÖST vom Leben-mit allen Schönen aber auch bedrohlichen Aspekten- mitfeiern..
Die Verantwortung für das Sterben im Mittelmeer tragen alle diejenigen, die Abschiebungen verhindern und dadurh Anreize schaffen, illegal nach Europa einzudringen.
Abschiebung rettet Menschenleben!
@HUMANIST(?):
meinen Sie das mit den Abschiebungen WIRKLICH??,oder ist das ein Ausdruck von blankem ZYNISMUS…????
ich hab unlängst in einer Gruppenarbeit KÖRPERLICH erfahren, was abschieben (=Ich bin UNERWÜNSCHT..)bedeuten kann..
das kennen wir doch auch aus anderen Lebens Bezügen!
dass ein „HUMANIST“ diesen poste formulieren kann empfinde ich „abartig“..
Die Verantwortung für das Sterben im Mittelmeer, lieber „Humanist“, tragen wir alle, weil wir in einem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem sehr bequem leben, das aber Millionen Afrikaner*innen von frischem Wasser, hinreichend Nahrung, einem Minimum an Wohlstand und gesellschaftlicher Teilhabe ausschließt.
Solange wir nicht eine „Wirtschaft, die tötet“ und, so möchte ich anschließen, eine Gesellschaft, die tötet, überwinden, wird dieses Sterben weitergehen. Mit Abschiebung hat das gar nichts zu tun. Ihre Forderung ist Populismus pur – wenig erleuchtet also, und Ihr nick blanker Hohn.
Die illegale Einwanderung über das Mittelmeer wird sowohl durch Push- als auch durch Pull-Faktoren gefördert. Eine Beseitigung der Pull-Faktoren trägt deshalb dazu bei, Menschenleben zu retten. Insofern sind Abschiebungen in nennenswertem Maßstab auch aus humanitären Gründen zwingend erforderlich.
„Illegale Einwanderung“: das ist nicht ganz korrekt. Die Menschen fliehen hierher. Teil des Problems ist ja, das Deutschland kein modernes Einwanderungsrecht hat, nach dem Menschen ohne sich auf den Weg über das Meer machen zu müssen legal kommen können. Außerdem glaube ich nicht, dass die, die wirklich Not leiden, Somalis etwa Süd-Sudanesen oder die von Bodo Haram und anderen Vertrieben sich davon werden abhalten lassen.
Sie werden diese illegale Einwanderung nicht beschränken können, wenn Sie sie einfach legalisieren. Die Zahl der „Interessenten“ beträgt viele 100.000.000 Menschen. Wollen Sie diese alle aufnehmen? Wollen Sie jeden Einzelfall prüfen?
Sie wissen, daß das nicht geht.
Gesetze geben Rechte und Pflichten. Wenn es Regelungen geben würde, dann gäbe es klare Kriterien zur Einwanderung oder eben nicht. So aber sind alle auf den Status „Asyl“ festgelegt, obwohl es vielleicht um ganz anderes geht.
Und was die vielen „Interessenten“ angeht: so hohe Mauern können sie gar nicht bauen, um den Reichtum Europas vor der Armut der Welt zu schützen. Da braucht es klügere Maßnahmen.
Gesetze haben auch eine den Einzelnen oder die Gesellschaft, die sich die Gesetze gibt, schützende Funktion. Und es stellt sich nicht selten die Frage, welches Rechtsgut schutzbedürftiger gegenüber einem anderen ist. Die Menschenrechte dürften geeignete Kriterien dafür sein.
Herr Pater, ob es ein Einwanderungsgesetz gibt oder nicht, ist ohne Bedeutung.
Jeder Interessent, dem die legale Einwanderung nicht gelingt, wird es über die Asylschiene versuchen und letztendlich auf einer Nußschale im Mittelmeer landen. Es sei denn, die Kosten für die Überfahrt sind höher als der zu erwartende Gewinn. So viel ökonomisches Denken sollten Sie den Interessenten schon zubilligen.
Ich meine höher können die Kosten gar nicht mehr werden für eine Überfahrt wie sie eh schon sind und hält auch niemanden mehr auf. Ich meine die Kosten des Todes die jeder Flüchtling auf sich nimmt.
Also Ihr Vergleich hinkt gewaltig und mit einer „Rechten Politik“ was von einigen gefordert wird Stichwort AFD, wird es ausser Gewalt und „Krieg“ auch nicht besser werden.
Ich finde die Ursprungssünde überhaupt nicht exotisch. Sie ist kein notwendiger Glaubensbestand (die orthodoxen Schwestern und Brüder kommen m.W. ohne sie aus), allerdings erklärt sie eines sehr gut: das massive, real existierende Übel auf der Welt, dass die Verantwortlichkeit des/r Einzelnen übersteigt und nicht auf der Unvollkommenheit der Welt beruht.
@Suarez: Aber sie wird doch als „Sünde durch Fortpflanzung“ definiert. Und braucht man sie nicht theologisch essentiell für Erlösung und Taufe?
@Andreas
Fragen Sie doch einfach mal Orthodoxe. Für die ist die Taufe auch heilsnotwendig und die kennen die Erbsünde nicht. Man kann vom Bösen auch ohne Theorie (selbst wenn sie vielleicht zutrifft) erlöst werden.
@Suarez: Danke für den Tipp! Die Erbsündenlehre (http://www.vatican.va/archive/DEU0035/_P1J.HTM) scheint immerhin eine zentrale tragende Säule im römisch-katholischen Lehrgebäude zu sein. Zugleich wird sie aber auch als stigmatisierend empfunden. Vielleicht finde ich in dem 120seitigen Opus (http://www.sankt-georgen.de/bibliogr/andrade1) eine zufriedenstellende schlüssige Erläuterung.
Der sog. Youth Bulge in Afrika und den arabischen Staaten wird Ihre Barmherzigkeit noch auf eine harte Probe stellen:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/menschen-wirtschaft/bevoelkerungsentwicklung-die-grosse-migrationswelle-kommt-noch-14376333.html
Da hilft nur rechtzeitig nach Alaska oder Feuerland auszuwandern.
Das ist richtig, aber es gibt keine Alternative. Interessant, dass Sie sich nun von „meiner“ Barmherzigkeit distanzieren.
Es gibt immer Alternativen:
https://alexanderdilger.wordpress.com/
Meine Bemerkung bezieht sich in erster Linie auf den FAZ-Artikel, in welchem der Untergang des Abendlands zwischen den Zeilen anklingt, nicht auf „Ihre“ Barmherzigkeit. Bei allen zutreffenden oder überstrapazierten statistischen Prognosen kann ich mir noch eine Welt mit zehn, aber nicht mehr 20, 30, 50 oder 100 Milliarden Menschen vorstellen. Bei einer solchen Entwicklung wird man langfristig nicht umhinkommen, Maßnahmen zur Populationsbegrenzung zu ergreiffen, die hoffentlich nicht drastisch und zwanghaft sind, sondern auf Intelligenz und Einsicht beruhen. Immerhin steht uns als Menschen dieser Weg offen, den andere Arten auf unserem Planeten nicht haben.
@Ökonom: Ihr Satz stimmt nicht, denn zum Kosmos mit seinen fundamentalen Gesetzmäßigkeiten haben Sie keine Alternative.
Und die bestimmen Ihr Dasein mehr als Sie vielleicht denken.
Die AfD ist sicher keine Alternative. Widerwärtig, xenophob, elitär, gegen Arbeiter gerichtet (die systematisch auch noch für blöd verkauft werden von dieser Partei…).
Wenn sich ausgehend von 6 Millarden Menschen im Jahre 2000 A.D. die Menschheit alle 100 Jahre verdoppelt, sind 100 Milliarden schon in der Lebensspanne von fünf bis sechs Generationen des Menschen oder der eines Grönlandhais erreicht – erschreckend!
@Heinssohn
was ist das für eine grausam-nüchterne Sprache;
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Gott: erlöse uns von unserer europäischen Dekadenz und Überheblichkeit!!
und vergib uns Europäern unsere Verbrechen, welche WIR im Lauf
der Geschichte diesen Menschen-Brüdern angetan haben !!
Da jeder unter „wir“, „uns“ und „unsere“ in Gegenwart und Vergangenheit etwas anderes versteht, wäre ein Stoßgebet mit „ich“, „mir“ und „mein“ authentischer. Sie haben ja keinem heidnischen Indianer sein Gold und Silber abgeluchst und damit zur Ehre Gottes christliche Sakralbauten ausgeschmückt.
@Andreas, Sie haben schon verstanden was ich INNERLICH ausdrücken wollte..!!
oder geht es Ihnen einfach nur ums “ Recht-Haben“…
ich komm drauf, weil mir auffällt, dass bei vielen Ihrer DIREKTEN Antwortpostes das ein wenig ihr persönliches „Stilmittel“ zu sein scheint..
Ich halte es mit Richard von Weizsäckers Analyse, dass „Schuld wie Unschuld nicht kollektiv ist, sondern persönlich“ und finde, er hat Recht. Ihr „uns Europäern unsere Verbrechen“ steht dazu in krassem Widerspruch und ich möchte mir das auch nicht zu eigen machen. Und was soll „europäische Dekadenz und Überheblichkeit“, von der uns Gott erlösen soll, sein angesichts der vielen Idi Amins, Pol Pots, Gaddafis und ähnlicher Gestalten? Wir leben hier gottseidank 60 Jahre lang in Frieden. Wenn, dann sollten wir dafür Gott danken.
Die Kirche hat sei einiger Zeit – Jahrzehnten – die Existenz einer Schuld anerkannt, die nicht persönlich ist. „Strukturelle Sünde“ nennt man das, also wenn man sich gar nicht anders verhalten kann, als zu sündigen, weil man in Strukturen lebt, die etwa auf der Ausbeutung anderer aufbauen und man gar nicht davon loskommen kann, gleich was man tut. Die Nord-Süd-Verteilung des Reichtums auf der Welt ist so eine strukturelle Sünde, aus der wir uns als einzelne nicht herausstehlen können. Da widerspricht die Kirche Herrn von Weizsäcker.
Dass Leben nur mit existenzieller Schuld möglich ist und man dem nur entkommen könnte, wenn man schwere persönliche Schuld auf sich lädt, wird niemand, der ein wenig nachdenkt, abstreiten. Unter anderem hat das schon Heidegger in ‚Sein und Zeit‘ im beschaulichen Todtnauberg vor 90 Jahren herausgearbeitet und Weizsäcker spricht von schwerer Erbschaft, die es anzunehmen gilt. Man sollte in Bezug auf strukturelles Schuldigsein aber nicht von „Sünde“ sprechen, wie es die Kirche tut – schon gar nicht, wenn man sie gleichzeitig sprachlich nicht von persönlicher Schuld abgrenzt. Denn sonst kann in den Köpfen und Herzen einfacher und gutgläubiger Menschen eine begriffliches und emotionales Durcheinander entstehen, vor allem auch bei Kindern und Jugendlichen. Und diese Undifferenziertheit öffnet – nicht nur beim Wort ‚Sünde‘ – Tür und Tor für Manipulationen.
Aber genau das tut die Kirche, es hat ja mit Gott zu tun. Sünde trennt von Gott, das ist ja der Sinngehalt dieses Wortes, es ist ja nicht moralisch gemeint. Und es gibt strukturelle Gegebenheiten, für die wir individuell nichts können weil wir hineingeboren sind, die uns aber von Gott trennen, sündhaft sind. Das verstehen „einfache und gutgläubige“ Menschen besser, als sie meinen, jedenfalls ist das meine Erfahrung.
Wenn es letztendlich nur auf den getrennten Zustand ankommt, mag das Worte „Sünde“ als Beschreibung ausreichen; wenn es aber gleichzeitig darauf ankommt, wie das Getrenntwerden zustande kommt – aktiv oder passiv -, sollte sich dies meines Erachtens auch differenziert im theologischen Sprachgebäude widerspiegeln.
lies: … Sprachgebrauch (statt -gebäude)
Beides gehört zusammen, das sagt uns auch der Katechismus. Aber passiv ist ja auch zum Beispiel die so genannte „Erbsünde“, also etwas, was wir qua Mensch mitgekommen. Da können wir auch nichts für, wir sind alle sündig und brauchen Vergebung, schon allein weil wir Menschen sind. Strukturelle Sünde ist etwas anderes, da haben Sie recht, aber genauso eine Wirklichkeit wie meine eigene hier und heute. Das ist theologisch differenziert ausgedrückt: Strukturelle Sünde bedeutet eine Sünde, die zwar von Einzelnen verantwortet wird, aber über diese Einzelne hinaus wirkt, also Unterdrückung, Ausbeutung, Abhängigkeiten etc.
Schönen Dank für Ihre freundlichen Erläuterungen. Eine Erbschuld ohne jegliche Freiheitsentscheidung, wie sie in der Kausalkette bei der strukturellen Sünde ja noch historisch auszumachen ist, und stammend von einem Adam, den es so in der menschlichen Evolution geschichtlich de facto nicht gab, scheint mir ein sehr exotisches theologisches Gedankenspiel zu sein.
Nur dann, wenn Sie annehmen, dass zum Beispiel Leute lieber im Krieg und in Lagern und hungernd leben, weil sie gehört haben, Deutschland schiebe ab. Das kann doch nicht ihr Ernst sein
@Pater Hagenkord,
ich weiß jetzt nicht ob Sie mir oder @Heinssohn antworten wollten:
mein „Bittgebet“ ergänzt bzw. unterstreicht doch nur all das, was ich hier in all meinen Beiträgen im Blog zu diesem Thema geschrieben habe…!
Oops, da weiß ich auch nicht, was da technisch passiert ist, ich habe eigentlich direkt auf @Heinssohn geantwortet.
Ein abschreckendes Beispiel, wie unbarmherzig sich die real existierende Kirche verhalten, zeigt die Diözese Regensburg. Nicht nur, dass die Bistumsleitung mit Serienbriefen Missbrauchsopfer retraumatisierte. Nein, auch – nach Recht und Gesetz, nicht aber nach Liebe und Moral abzuweisende – Roma hat man nun kriminalisiert. Die Bistumsleitung hat den Topos des „Asylbetrügers“ bedient (was ja so nicht stimmt) und die Flüchtlinge gezielt schlecht gemacht, um sich selbst zu rechtfertigen und spielt damit das Spiel der AfD. Erschreckend, aber nicht repräsentativ ist, dass auch dieses Forum in en Händen von Populisten ist. In der rechten, konservativen Ecke wird die Kirche (auch wenn Bischof Voderholzer dies wohl glaubt) letztlich keinen Blumentopf gewinnen, diese Rechten brüllen laut, werden aber deswegen nicht „kirchlicher“. Aber man verpasst die große Chance, endlich auf die Leute zuzugehen, die sich seit Jahren enttäuscht und resiginiert abwenden. Man hätte ein starkes Zeichen senden können, aber man vertut das einfach.
Bezeichnend auch, dass kath.net offenbar beste Verbindungen nach Regensburg pflegt. Die Kommentare zum entsprechenden Bericht über die Ausweisung der Roma hatten bin zwei Stunden grotesk hohe Zustimmungszahlen, die selbst in anderen Kommentaren nicht erreicht wurden. Ob R. Noé da nachgeholfen hat?
Jeder Mensch kann immer nur bis an seine persönlichen Grenzen gehen und nicht die Ansprüche all derer befriedigen, die Realisierbarkeit zwar in den Alltag stellen aber nicht selbst dafür eintreten.
Danke für ihren Beitrag und dass er hier auch freigeschaltet wurde.
Barmherzigkeit, Verantwortung und wohin geht der Weg weiter?
Nun, ich freue mich, dass Sie für den „Falter“ schreiben. Und abgesehen davon, ist es eine interessante Sache, über Barmherzigkeit nachzusinnen. Ich versuche einfach den Weg weiterzudenken, Haltung, Verhalten und … dann?
Barmherzigkeit mag zunächst als etwas Ethisches verstanden werden. Sie kommt in den heiligen Schriften dieser Welt vor, wird als Eigenschaft Gottes beschrieben, und in der Folge wird aus ihr eine Aufgabe für die Menschen, eine Verantwortung z.B. die zweimal sieben Werke der Barmherzigkeit.
Doch meinem Verständnis nach ist der Weg damit noch nicht zu ende. Denn ebenso wie sich die Gotteserfahrung und der Glaube einzelner Menschen in Form von Religionsgemeinschaften vergesellschaftlicht, so kann/möge sich auch Barmherzigkeit vergesellschaftlichen, in Form von verlässlicher Solidarität. Somit wird aus der Verantwortung, aus dem „freien Geben“ Pflicht, gesetzliche Regelung und Rechtsanspruch.
Auf dieser Ebene geht es um Fragen gesellschaftlicher Teilhabe, um Chancengleichheit, um Verteilungsgerechtigkeit, um Vermögen, Ressourcen, um Solidarität. Auch gesunde Menschen zahlen Beiträge in die Krankenversicherung ein, das mag lästig sein, doch schafft es ein soziales Netz. Und wie es ist, ohne Grundversorgung, ohne Sozial- und Krankenversicherung zu leben, das wissen leider viel zu viele Menschen auf dieser Welt.
Herzlichst, Euer Lese-Esel
Ich weiß nicht ob man Barmherzigkeit vergesellschaften kann denn Pflicht schafft meist Widerstand und Aufstand. Ob das dann verlässliche Solidarität ist, wohl kaum. Entweder ist es freies Geben oder Verpflichtung und das gesetzliche Geben gibt es ja mit der Kirchensteuer und wo hat es hingeführt das es Menschen gibt die deshalb austreten um diesem gesetzlichen Geben zu entgehen.
Ach und bitte lassen Sie doch Ihren untenstehenden Zusatz weg. Ist nicht persönlich aber das immer zu lesen ist auf Dauer Langweilig.
Sehe ich auch so. Frau Hattingers Beitrag enthält sozialistische Ideen, die in einer Demokratie nichts verloren haben.
Warum eigentlich sollen sozialistische Ideen in einer Demokratie nichts verloren haben? Ich finde, in einer Demokratie haben kapitalistische Ideen nichts verloren. Das lässt sich genauso behaupten.
Im Übrigen gibt es sehr wohl auch den demokratischen Sozialismus. Wir brauchen auf der Welt viel mehr Gleichheit, Gleichheit an Rechten, aber auch an Besitzständen. Wer das ist in Abrede stellt, hat vermutlich als Raffzahn selber so viel, dass er in seinem Geiz nichts abgeben will…
Wie recht Sie haben.
Sozialismus und Soziallehre der Kirche liegen gar nicht so weit auseinander. Es geht um Solidarität mit den Armen um Ausgewogenheit in allen lebensbereichen und wenn dazu gehört, dass die, die mehr haben, mehr abgeben an den Staat, dann ist das richtig. Ich zahle gerne Steuern.
Sozialismus ist in keiner seiner Ausprägungen mit der Freiheit des Menschen vereinbar. Das sollten Sie am Jahrestag des Mauerbaus und gut 70 Jahre nach dem Untergang des Nationalsozialismus eigentlich wissen.
„Sozialismus ist in keiner seiner Ausprägungen mit der Freiheit des Menschen vereinbar.“
Das behaupten Sie, „Ökonom“ – beweisen es aber nicht. Der HINweis auf eine Diktatur jedenfalls nichts. Oder ist das Christentum oder gar Jesus durch die Francodiktatur widerlegt?
Im Übrigen ging es Ihnen eben noch um die Demokratie und nicht um die Freiheit – das zeigt mir, dass Sie eloquent der Wahrheitsfrage ausweichen. Das Christentum jedenfalls hat einen im besten Sinne sozialistische Tiefendimension – und der Sozialismus ist nichts anderes als säkularisiertes Christentum. Also nicht weit voneinander entfernt.
Wie stellen Sie sich eine Demokratie ohne Freiheit vor?
@Ökonom, Sie lenken ab! Im Übrigen fragen Sie doch die AfD, die Orbans, Putins oder einfach in Polen nach. Die demonstrieren das Ganze recht gut.
Als Antwort auf einige wirklich zynische Kommentare hier, die nicht erscheinen werden, deren Autoren sich aber vielleicht wundern:
1. Zu behaupten, die Toten auf dem Meer seien selber schuld, weil sie ja kommen würden, und unsere Hilfe bestände nun darin, sie nicht kommen zu lassen, ist eine Interpretation von Barmherzigkeit, bei der ich einfach nur den Kopf schütteln kann.
2. Die Barmherzigkeit schwach reden zu wollen, nach dem Motto sie ist ein Ideal, das zwar schön ist, aber in der Anwendung einfach nicht tauglich, spielt schlimmstenfalls mit Menschenleben. Und hat mit dem, was Jesus aufträgt, nur bedingt zu tun.
Die Toten auf dem Meer hatten sicherlich klare Ziele und sie haben aus ihrer Sicht rational gehandelt, als sie versuchten, nach Europa zu gelangen. Sicherlich würder der eine oder andere hier ebenso handeln, auch wenn ihm klar ist, daß er dadurch gegen das 10te Gebot verstößt.
Das Problem sind nicht die Menschen, die in Europa ein besseres Leben suchen, sondern die Menschen, die sie in dem Glauben bestärken und auch dafür sorgen, daß sie dieses Ziel erreichen können, wenn sie die Überfahrt überleben.
„Humanist(?)
jetzt werden für die ärmsten unserer Menschen-Brüder schon die 10 Gebote in schrecklicher Verblendung instrumentalisiert…
vielleicht benötigt das „christliche Abendland“ tatsächlich eine Bekehrung hin zum Evangelium…
Einschränkung: Mundraub gilt nicht als Verstoß gegen das 10. Gebot, das ist seit Jahrhunderten Teil des Glaubensgutes der Kirche. Ich bezweile auch, dass Rationalität etwas ist, was das Tund der Menschen treibt. Dazu kommt mindestens auch Verzweiflung oder Perspektivlosigkeit, denn niemand gibt einfach so seine Heimat auf, das sagen uns alle Studien, auch die über Flüchtlinge.
Drittens finde ich es zynisch, helfende Menschen als „Problem“ zu beschreiben. Sie kennen offensichtlich die Menschen nicht, um die es hier geht. Und dann nennen Sie sich auch noch „Humanist“! Human ist das nun wirklich nicht, was Sie hier schreiben.
Pater Hagenkord dazu noch ergänzend für @“Humanist“
in Köln gabs in den Jahren nach 1945 den legendären KARDINAL FRINGS -die Leute hungerten und froren-diese extrem kalten Winter…
vor allem die mittellosen kleinen Leute „klauten“ aus PURER NOT beispielswese irgendwelche Brennmaterialen-da gabs wohl noch einige Kohlenhalden etc..
der Kardinal gab stillschweigend seinen Segen – daraus erwuchs die Sprach Schöpfung „FRINGSEN“…
Was bedeutet Perspektivlosigkeit? Ist das wirklich ein Grund Millionen von Analphabeten aus der dritten Welt nach Europa zu lassen?
Bei all den menschenfreundlichen Diskussionsbeiträgen, die ich hier lese, vermisse ich Antworten auf die Frage, wer die Kosten für diese Menschenfreundlichkeit tragen soll. Die hier Schreibenden werden sie sicherlich NICHT aufbringen.
Wenn wir aus humanitären Gründen Flüchtlinge aufnehmen, bedeutet dies nichts anderes, als unseren Wohlstand mit diesen zu teilen. (Dazu mögen einige bereit sein, die meisten jedoch nicht.) Dies muß zu einer Belastung führen und diese muß letztlich die Mittelschicht tragen.
Ob sie dazu bereit sein wird? Oder wird sie lieber ihre Kreuzchen bei Madame Le Pen oder Frau Petry machen?
Wer lieber autoritäre Herrschaft haben will, die nicht beim Schließen von Grenzen aufhört, kann gerne Frau Le Pen wählen, nur bitte danach nicht wundern!
Was die Kosten angeht: Meinen Sie, dass wir hungern lassen dürfen, weil wir den Wohlstand nicht aufgeben wollen? Welche Kosten sind denn – wenn wir schon aufrechnen – höher: die eines menschlichen Desasters, mit Bürgerkriegen und so weiter, oder die Hilfe jetzt und hier? Die Probleme bleiben ja.
Wir haben im Westen doch weit mehr als genug, Heinsohn.
Die Frage nach den Kosten ist nur allzu berechtigt. Prof. Sinn hat die Kosten von 450.000 € pro Flüchtling berechnet und das sind keine Peanuts. (Bei dieser Größenordnung ist es schon etwas vermessen, von Mundraub zu sprechen, wie an anderer Stelle geschrieben steht.)
Wenn Sie schreiben, wir haben im Westen genug, dann ist das nur eine Momentaufnahme. Das Vermögen, das sich die Bürger dieses Landes mühsam erspart haben, hat der Staat zum Teil bereits ausgegeben (2.000.000.000.000 € offizielle Schulden zuzüglich nicht gedeckter Renten- und Pensionsverpflichtungen von etwa doppelter Höhe). Altersarmut und sinkender Wohlstand sind auch ohne Flüchtlingsaufnahme programmiert. (Und wie eine Umverteilungspolitik, die Sie wohl präferrieren, Reichtum in Armut wandeln kann, sehen Sie am Beispiel Venezuela.)
@Ökonom: Solche Kosten sagen herzlich wenig aus, wenn man keinen Zeitraum angibt, in dem sie anfallen. „Den öffentlichen Schulden steht in Deutschland ein weitaus größeres privates Nettovermögen gegenüber, so dass die Staatsverschuldung aus makroökonomischer Sicht durchaus entspannt ist, allerdings besitzen die reichsten 10 % der Bevölkerung fast zwei Drittel dieses Vermögens.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Staatsverschuldung_Deutschlands)
@Andreas
Dieses private Nettovermögen hat eine ganz entscheidende Eigenschaft: Es gehört seinen Eigentümern und nicht dem Staat.
Sofern es rechtmäßig erworben wurde, hat der Staat die Rechte der Eigentümer zu respektiern und es ist eine konstitutionelle Aufgabe eines jeden Staates, diese Rechte zu schützen. Der Hl. Augustinus hat das einst so formuliert:
„Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande“ – De civitate dei, IV, 4, 1.
Wenn nicht jeder dem Geld hinterherlaufen würde wie einer läufigen Hündin, dann wäre alles kein Problem, doch offensichtlich hat Geld eine höhere Anziehungskraft als der Alltag, den Menschen dafür bewältigen müssen, um das Leben genau dieses Geldes ertragen zu können. Wenn sich Reichtum so hoffieren lässt, wie das in unserer Zeit geschieht, dann frage ich mich, mit welchem Recht nimmt Dinglichkeit eine derartige Priorität für sich in Anspruch ohne die menschlichen Werte, die dadurch verloren gegangen sind durch persönlichen Einsatz zurück zu gewinnen?
Ich bin überzeugt, es sind nicht Probleme die Menschen tragen sondern es ist die Hoffnung, die Kraft und Zuversicht nährt. In Zeiten von Internet und Co. wäre es schon ziemlich anmaßend den Mitmenschen so wenig Verstand zu unterstellen, dass sie darauf angewiesen wären, ein besseres Leben in Aussicht gestellt zu bekommen, das sie nicht bereits über diese Medien selbst erkennen können. Frieden und Freiheit für jeden einzelnen Menschen, das ist doch das demokratische Ziel dessen wir alle uns annehmen sollten. Dass dafür Waffen eingesetzt werden und Macht ausgespielt wird, zielt ganz klar am gewünschten Maß vorbei. Recht und Ordnung sind die politischen Mittel, die jeder Mensch in der Lage ist zu erfassen und zu erfüllen, um für Frieden und Freiheit mit der eigenen Person einzustehen.
Danke, P. Hagenkord! Ich möchte nur eines anschließen: Wenn Gott sich als Wesenseigenschaft „leisten“ kann, einer ganzen Welt gegenüber aus purer Leidenschaft heraus und ohne Notwendigkeit barmherzig zu sein, dann haben wir Menschen eigentlich kein Recht, Barmherzigkeit von unserer Seite aus einzuschränken.
Mein Kommentar zu „reiches Europa will Mauern schaffen, damit sich Europa vor dem Ansturm der Armen schützen kann“:
Hiob 1,21:
Dann sagte er: Nackt kam ich hervor aus dem Schoß meiner Mutter; /
nackt kehre ich dahin zurück. / Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; / gelobt sei der Name des Herrn.
Der Reichtum ist nur von Gott geliehen und wir sollen teilen, denn letztendlich besitzen wir nichts – außer unser nacktes Leben…
Barmherzigkeit ist nach meinem Verständnis konkret. Ob ein Mensch barmherzig handelt oder nicht hat wenig oder nichts mit seinem Wahlverhalten zu tun. Ich bin sehr berührt wie konkret und selbstlos den Flüchtlingen geholfen wird in der kleinen Gemeinde in Bayern in der ich aufgewachsen bin. Die Menschen drehen sich keineswegs nur um sich selbst. Gerade weil sie erleben wie schwierig es ist, diese Fremden einzubinden, möchten sie den Zuzug begrenzt wissen und eine Partei wählen die das umsetzt. Ich habe mit einer alten Frau gesprochen die sagte dass ihre Familie während des 2. Weltkrieges auch nicht „einfach abhauen“ konnte und danach auch nicht als es um Wiederaufbau ging. Trotzdem hilft sie den Flüchtlingen im Ort und hat vor allem zu den Kindern guten Kontakt. Wer ist denn mein Nächster? Für den Flüchtling der im Mittelmehr ertrinkt muss der Schleuser Rechenschaft vor Gott ablegen der dem Flüchtling vorher noch sein letztes Geld abgeknöpft hat (und häufig auch die Ersparnisse der ganzen Großfamilie kassierte). Jesus hat auch konkret den Menschen geholfen denen er begegnet ist und nicht Fernheilungen vorgenommen. Ich glaube die Fernstenliebe ist wohlfeil. Ich kann mich als ein besserer Mensch fühlen, wenn ich um die Tausenden weine die im Mittelmeer ertrinken. Aber ich kann an deren Schicksal nun mal nichts ändern. Es gibt konkrete Menschen in meinem Haus und meinem Viertel deren Not ich tatsächlich lindern kann. Und da – so glaube ich – fragt Gott mich nach meiner Verantwortung.
@Elasund: Wunderbar geschrieben!:
„Jesus hat auch konkret den Menschen geholfen denen er begegnet ist und nicht Fernheilungen vorgenommen. Ich glaube die Fernstenliebe ist wohlfeil. Ich kann mich als ein besserer Mensch fühlen, wenn ich um die Tausenden weine die im Mittelmeer ertrinken. Aber ich kann an deren Schicksal nun mal nichts ändern. Es gibt konkrete Menschen in meinem Haus und meinem Viertel deren Not ich tatsächlich lindern kann. Und da – so glaube ich – fragt Gott mich nach meiner Verantwortung.“ -> dem stimme ich voll und ganz zu!☺
Der Mensch tägt sein offenes Wesen oft so undurchschaubar durchs Leben, dass es mir persönlich sehr schwer fällt daraus die Ehrlichkeit zu gewinnen, die diesem Wesen durch Jesus bereits vermittelt ist.
@Ellasund, @ S.G., danke für diese Beiträge, denn ich bin überzeugt, würde sich jeder seines eigenen Alltags annehmen und dafür das einsetzen, was er in sich trägt, dann hätten wir keine Probleme.
In vielen Kommentaren, die hier abgegeben werden, spielt sich weder, was der Schriftsteller Thomas Kapielski kürzliche bemerkte: Es ist „die Einfalt der Deutschen und, wie es scheint, des Westens insgesamt, zu mutmaßen, alle Welt sei im Grunde ebenso harmlos, duldsam, ungezwungen und lustig wie sie gerade selbst.“ Diese „Mischung aus Dämlichkeit und Anmaßung“ addiert sich zu Kosten, die niemand begleichen will, obwohl sie uns allen präsentiert werden.
Das ist aber schön herablassend formuliert.
Cool, daß der Papst die ehemaligen Zwangsprostituierten im Johannes d. 23.-Heim in Rom besucht hat. Stark, daß er sie im Namen aller Christen um Verzeihung gebeten hat. Echt stark! Stephan
Aus dem Urlaub zurückgekehrt, habe ich mich wieder in den Block hereingeklickt und die Beiträge zu „Barmherzigkeit und Verantwortung“ überflogen. Zunächst hat es mir die Sprache verschlagen, was so alles in der Diskussion über Flüchtlinge publiziert wird; unter dem Deckmantel der Anonymität, versteht sich, das ist ja inzwischen salonfähig geworden!
Ich stelle mir vor, ich sitze auf einem Podium und soll mich mit solchen Behauptungen auseinandersetzen. Rational zu argumentieren führt wohl nicht weiter, denn es wird ja gar kein Dialog gewünscht, sondern es geht darum, Recht zu haben und Recht zu behalten. „Wat nu“, fragt da der Rheinländer?
Es käme auf den Versuch an, ganz anders das Gespräch zu führen:
Ja es ist richtig, dass auf der Welt viele Millionen Menschen darauf warten, nach Europa zu kommen. Und es ist auch richtig, dass wir selber, wären wir an ihrer Stelle, genauso handeln würden.
Diese vielen Millionen Menschen werden wir nicht in Europa aufnehmen können und übrigens auch nicht aufnehmen wollen. Mit Zäunen werden wir diesen Strom vielleicht temporär eindämmen können. Die Zäune werden wir dann aber immer weiter in die Höhe ziehen müssen, bis wir dann selber in einem Gefängnis sitzen.
In dem Satz „Wir schaffen das!“ steckt sehr viel Weisheit. Niemand weiß, wie dieses globale Problem konkret gelöst werden kann. Wir werden also Innovationen brauchen. Als Christ entwickelt man Gottvertrauen, und das ist wörtlich zu nehmen. Das ‚wir’ in dem Satz sollte auch nicht überlesen werden: Wir werden dauerhafte Lösungen nur in internationaler Kooperation auf der Basis gemeinsamer Interessen finden können.
Bis es soweit ist, werden wir uns in kleinen Schritten weiter bewegen und dabei auch Fehler machen. Und wir werden Diskussionen führen, die sich im Kreis drehen. Selbstreferentiell nennt man so etwas in der Soziologie – man lernt sich auf diese Weise selber besser kennen. Und das ist auch ein Gewinn.