„Ich bin Ticuna, und ich bin Brasilianerin“: Omaida Pereira Vasquez muss nachdenken, die Frage hatte sie so nicht erwartet. Ob sie sich mehr als Ticuna oder Brasilianerin fühle, wollte ich wissen. Sie lebt die indigene Kultur in der Stadt, in Manaus, gemeinsam mit anderen ihres Volkes der Ticuna in einer Gemeinschaft. Aber sie will auch wieder zurück. Sie lebt indigene Kultur in der Spannung.
Wir waren eingeladen im Kulturzentrum, dass den Ticuna von einer europäischen Botschaft geschenkt worden war. Nichts Großartiges, eines der üblichen Holzhäuser, ein Raum, aber eben nur für die Ticuna und ihre Kultur da.
Indigene Kultur in der Spannung
Geboren wurde Omaida Pereira im angestammten Land der Ticuna, dort wo sich Peru, Kolumbien und Brasilien treffen. Bis zu 1.500 Kilometer weg von Manaus ist das, oder wie es Omaida sagt: Acht Tage im Boot.
Sie ist sowas wie Teilnehmerin in einem Experiment. Weil sie Bildung wollen, kommen die Ticuna in die Stadt. Sie selber erzählt, dass sie bis sie 30 Jahre alt war nicht mal aus ihrem Dorf heraus gekommen ist, jetzt hat sie studiert und ist Lehrerin. Ihr Mann sei schon zurück im Dorf, auch er ein Lehrer. Und dahin wolle sie auch wieder.
Sie möchte wieder zurück
Die Ticuna in Manaus wollen aber auch in der Stadt Ticuna bleiben, wir bekommen eine Vorführung ihrer Musik, ihrer Tänze. Und mir stellt sich automatisch die Frage, ob das noch Kultur ist, oder ob das hier in der Stadt nicht schon in Folklore abgleitet. Und ob das überhaupt vermeidbar ist.
Omaida ist da eindeutig, sie versteht meine Frage, ist aber nicht einverstanden. Nein, das sei nicht nur Musik, da seien auch die Werte. Ihre Kleidung sei nicht nur exotisch, da stecke der Bezug zur Natur und zur Umwelt drin. Und wenn die Kinder mit ihr als Lehrerin auch ihre Sprache lernen würden, dann würde das auch so bleiben.
Dorfkultur in der Stadt
Meine Skepsis bleibt. Sie ist zwar leiser geworden, Omaida ist eine selbstbewusste Frau die sich und anderen sicherlich nichts vormacht. Aber trotzdem, wie will man eine Dorfkultur in der Stadt erhalten? Wie eine Landwirtschaft-Kultur, wenn die Leute in Fabriken arbeiten? Wie sich der Geldkultur entziehen?
Zu Besuch bei den Ticuna kann man kultureller Transformation zuschauen. Omaida ist das beste Beispiel für das Gelingen. Studiert und urban, aber tief in ihrer Kultur zuhause und diese bewahrend. Einfach ist es nicht, sagt sie noch. Aber das ist es ja nie.
Sehr geehrter P. Hagenkord,
vielen Dank für Ihren anschaulichen Reisebericht.
Wenn möglich, würde ich mir für eine weitere Folge die Beantwortung dieser Fragen wünschen:
– Haben Sie auch die Jesuitenreduktionen des 17. Jh. besuchen können?
– Wie beurteilen Sie die heutige bzw. zukünftige Bedeutung dieses „heiligen Experiments“?
Also, Frage Eins ist einfach beantwortet: Nein. Wir waren nur in Amazonien unterwegs, die Reduktionen sind weiter südlich.
Frage zwei: dafür bräuchte ich etwas länger. Eine kurze Antwort würde dem sicherlich nicht gerecht. Aber ich nehme das mal auf meine Liste der zu schreibenden Sachen und mache mir Gedanken. Danke für die Anregung.
Liebe Pia Wünsche, würden Sie mir bitte erklären, was Sie mit Ihrer 2. Frage in Bezug auf „Heiliges Experiment“ meinen? Ich kann dazu nämlich gar keine Verbindung herstellen.
Sehr geehrte Rosi Steffens,
Das „Heilige Experiment“ war ein Theaterstück von Fritz Hochwälder, das die Reduktionen behandelt
Vielen Dank für die Information!