„Wenn [der Papst] vor den Bischöfen spricht, dann ist das meistens die Übersetzung seiner Vorstellung von Kirche in die pastorale Wirklichkeit eines Landes, und das wie gesagt gerne in aller Deutlichkeit.” Vor eineinhalb Jahren hatte ich schon einmal darüber geschrieben, wie sich Papst Franziskus Bischöfe und die Ausübung des Amtes vorstellt,
Nah am Volk, keine „Prinzen-Psychologie“, Geruch der Schafe, das sind die Stichworte, die einem dazu einfallen. Und wenn das stimmt, wenn seine Bischofs-Ansprachen die Umsetzung seiner Vorstellung von Kirche in die pastorale Wirklichkeit übersetzen wollen, dann haben wir gerade Glück, denn der Papst hat innerhalb kurzer Zeit drei solcher Ansprachen gehalten.
Die jüngste an die neu geweihten Bischöfe, die in Rom zu einem Kurs versammelt waren, und davor zwei in Kolumbien.
Nicht die eigenen Projekte und Ideen
Fangen wir an mit der Ansprache am 14. September: Das erste, was bei der Ansprache an die Jungbischöfe ins Auge fällt, ist dass es auch hier wieder um die innere Haltung geht. Nicht überraschend, aber vielleicht muss es gerade deswegen noch einmal betont werden.
Zunächst dreht sich alles um die Kunst der geistlichen Unterscheidung und der inneren Einstellung dazu: wer sie als erworbenes Recht betrachtet, also meint das sei jetzt seine und nur seine Aufgabe, bleibe unfruchtbar in seinem Dienst. Bei Unterscheidungen ginge es um menschliche Schwäche, psychologische Bedingungen, und vor allem und zuerst um viel Gebet, denn der Heilige Geist sei der Hauptakteur dabei. „Die Unterscheidung ist eine Gabe des Geistes an die Kirche, dem wir durch Zuhören antworten.“ Das ist die Grundhaltung: Hören auf Gott. Und das heißt: seinen eigenen Standpunkt aufgeben können, um die Perspektive Gottes zu finden.
Die geistliche Unterscheidung wird dann weiter ausbuchstabiert: sie ist immer eine Gemeinschaftshandlung, nicht isoliert sozusagen am Schreibtisch gemacht. „Wer nicht mehr auf die Schwestern und Brüder hört, der hört auch nicht mehr auf Gott“, eine kleine Warnung des Papstes. „Euer Auftrag ist nicht, eigene Ideen und Projekte voran zu bringen, und auch nicht abstrakt erdachte Lösungen.“
Evangelium, Lehre, Kirche, Normen
Als Anker: Unterscheidung heißt aber auch nicht, alles frei entscheiden zu können, Hören auf den Geist heißt auch Hören auf das Evangelium, „das letzte Kriterium“, auf die Kirche, die Lehre und die Normen. Trotzdem sei es ein „kreativer Prozess“, der sich nicht darauf beschränke, feste Schemata umzusetzen. Also: Anwendung von Lehre und Evangelium ist kein Anwenden abstrakter Ideen auf die Wirklichkeit, und pastorale Entscheidungen entstehen nicht im Augenblick und rein charismatisch, sondern immer mit Bezug auf Evangelium und Kirche. So lese ich das.
Und noch eine Warnung des Papstes zum Schluss: Unterscheidung ist nicht etwas, was nur die Klugen und Gebildeten leisten könnten, das Evangelium sei da klar. (Mt 11:25).
Eine Woche zuvor hatte der Papst zwei Mal in Bogotá vor Bischöfen gesprochen, zuerst vor dem Leitungsgremium des Bischofsrats von ganz Lateinamerika, Celam. Das ist O-Ton Franziskus, wie wir ihn kennen, er warnt vor einer „Konzeption der Kirche als einer Bürokratie“ und einer Kirche, die man nicht „auf eine nach modernen Unternehmenskriterien durch eine klerikale Kaste geleitete Organisation reduzieren kann.“ Soweit, so bekannt.
Sein Mittel dagegen in dieser Ansprache ist die „Gefährtenschaft mit Christus“. Den Willen Gottes kennen lernen, nicht alles selber kontrollieren wollen, bei Jesus bleiben auch wenn es zum Kreuz führt. „Nähe und Begegnung sind die Werkzeuge Gottes, der in Christus nahegekommen und uns immer begegnet ist.“ Das dekliniert er dann auf den Bischof.
In die Verkündigung aufbrechen
„Wenn wir nicht mit Ihm in die Mission aufbrechen, verlieren wir bald den Weg, da wir uns der Gefahr aussetzen, unsere leeren Notwendigkeiten mit seiner Sache zu verwechseln“: Viele Zitate wie dieses könnte ich anbringen, es geht um den Sinn des Amtes: Verkündigung. „Wenn nicht Er der Grund unseres Aufbrechens ist, wird es leicht sein, den Mut zu verlieren mitten in der Mühsal des Weges.“ Da blitzt in meinen Gedanken gleich die Frage nach den ganzen Reformbemühungen bei uns auf: Ist ER der Grund des Aufbrechens? Das ist aber wirklich als Frage gemeint, nicht als versteckter Vorwurf.
Wenn wir in Rede Eins von Unterscheidung gehört haben, dann jetzt vom Aufbruch. Und werfen wir noch einen kurzen Blick auf die Rede Nr. Drei, vor den Bischöfen Kolumbiens, am selben Tag.
Auch hier ist des vor allem die Dynamik des Aufbrechens, des Herausgehens, welche der Papst betont. Und er verbindet das an einigen Stellen mit der Unterscheidung, er empfehle den Bischöfen persönlich und als Kollegium das Hören auf den Heiligen Geist.
Unterscheidung, Aufbrechen, Wirklichkeit
In dieser Rede wird er dann auch mit Blick auf Kolumbien sehr konkret, und das lässt uns den Begriff „Unterscheidung“ besser verstehen: pastorale Sensibilitäten, regionale Eigenheiten, Geschichte, Erfahrungen, all das muss eingehen in die Überlegungen, was zu tun sei. Kurz: die Wirklichkeit. „Ich bitte euch, stets auf den konkreten Menschen zu blicken. Dient nicht einem Begriff vom Menschen, sondern der von Gott geliebten menschlichen Person aus Fleisch und Knochen, die aus Geschichte, Glaube, Hoffnung, Empfindungen, Enttäuschungen, Frustrierungen, Schmerzen, Wunden gebildet ist.“
Und wieder zurück, zu einer Kirche in Mission, also in Aufbruch und Verkündigung, und auch hier ganz konkret, „Ich denke an die kolumbianischen Familien, an den Schutz des Lebens von Mutterleib bis zu seinem natürlichen Ende, an die in den Familien nicht selten verbreitete Plage der Gewalt und des Alkoholismus, an die Brüchigkeit des Ehebandes und an das Fehlen der Familienväter mit seinen tragischen Folgen von Unsicherheit und Waisenschaft.“ Und so weiter, der Papst zählt konkrete Probleme auf.
Damit wird aus dem Gesamt der drei Reden eine Art Dreieck: Da ist das Hören auf den Geist Gottes, die Unterscheidung. Da ist zweitens die Haltung des Aufbruchs, der Verbreitung des Glaubens. Und drittens ist da die Wirklichkeit als Bezug, als Schauplatz, als Ort des Geschehens.
Keiner der drei Begriffe ist ohne den anderen zu denken. Und wie soll das genau gehen?
Abschließend zitiere ich noch einmal den Papst: „Ich bringe euch keine Rezepte, noch will ich euch eine Aufgabenliste überlassen. Im Grunde möchte ich euch bitten, dass ihr die Gelassenheit bewahrt.“ Auch das eine innere Haltung.
Ich wünsche mir auch mehr Gelassenheit. In meiner Gemeinde werden immer noch diese strengen Paulusbriefe vorgelesen. Wann werden die endlich abgeschafft? Ich möchte viel lieber hören, dass wir alle in den Himmel kommen.
Das Wort Gottes abschaffen? Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder?
Die Paulusbriefe gehören zum Neuen Testament, die kann man genauso wenig “abschaffen” wie die Evangelien oder die Apostelgeschichte.
da wäre eine moderne exegese gefragt, welche in der lage ist,
die theologische wissenschaft verständlich weiterzugeben, statt es beim vorlesen zu belassen.wozu studieren denn die priester theologie?
Die Paulusbriefe werden von Lektoren vorgelesen, das nennt sich deswegen auch Lesung.
Der Priester legt in der Hl Messe normalerweise das Sonntagsevangelium aus.
Wer sich für Exegese interessiert, kann sich heutzutage mühelos weiterbilden, z.B. über das katholische Bibelwerk.
Es gibt auch Bibelkurse, man muss sich eben informieren, wenn man mehr wissen will, wo man was findet.
“Der Priester legt in der Hl Messe normalerweise das Sonntagsevangelium aus.”
Der Priester meiner Gemeinde versucht normalerweie den Inhalt der Lesung ebenfalls einzubeziehen.
Das wird aber bei zwei Lesungen schwierig.
Zwischen Versuch und Gelingen kann es eben einen Unterschied geben.
Ich kann jetzt blos keine präzise Aussage machen, wie oft es ihm gelingt. Was ich mal als Indiz werte, dass ich besser zuhören sollte.
ein guter theologischer praktiker schafft das sogar mit allen vier lesungen (der psalm ist auch eine lesung). und so schwer ist das auch nicht: die erste lesung ist immer im blick auf das evangelium zugewählt.
@Hardenberg
Die erste Lesung schon, aber die Paulusbriefe kommen entweder als zweite oder einzige Lesung dran.
Die hier kritisierte Strenge kann man auch nicht einfach in einer Predigt weniger streng machen, weil eine Predigt eben keine Exegese ist.
Auf bibelwerk.de findet man zu jeder Sonntagslesung eine Interpretation.
Ist übrigens für Lektoren besonders für die alttestamentlichen Lesungen empfehlenswert, damit man wenigstens selbst versteht, was man liest.
Meine homiletische Erfahrung ist: Nicht die Leute verstehen das Erste Testament nicht, sondern viele Pfarrer. Und weil ihnen das zu peinlich ist, behaupten sie, dass das Erste Testament nicht verstanden würde, und lassen die erste Lesung weg. Dabei gibt es soviele Hilfsmittel, die exzellenten, von Klaus Müller, dem Philosophen in Münster, veröffentlichten Predigten, den Prediger und Katecheten, und dann hat sich jeder Priester bei der Weihe zum Stundengebet verpflichet, da kommt faktisch jeden Tag zu einer in weiten Teilen aus dem Ersten Testament stammenden Lesung auch eine Auslegung eines antiken oder mittelalterlichen Theologen dazu. Gerade Johannes Chrysostomos oder Augustin haben da eine klassische Zeitlosigkeit. Da ich das Predigen für eines der Kerngeschäfte von Priestern halte, kann ich ihnen auch nicht Zeit und Mühe der Auseinandersetzung damit ersparen.
@Silvia Brückner:
“Die hier kritisierte Strenge kann man auch nicht einfach in einer Predigt weniger streng machen, weil eine Predigt eben keine Exegese ist.”
Was ist eigentlich das Problem an der Strenge?
Ein wenig Strenge von Zeit zu Zeit kann etwas gutes sein.
Ist ja nicht so, dass man nur Strenge in den Lesungen zu hören bekommt.
@carn, ich bezog mich auf ein Posting von @Franziska, die gefragt hat, wann “die strengen Paulusbriefe endlich abgeschafft werden”.
Daraufhin hat sich hier eine kurze Diskussion ergeben. Nicht ICH habe ein Problem mit den Paulusbriefen sondern @Franziska.
Ok, sorry.
Dann geht meine Frage eben @Franziska oder andere, die deren Ansicht teilen:
Was ist eigentlich das Problem an der Strenge der Paulusbriefe?