Das war alles? Nach all den Polemiken, nach einem missratenen Satz des Papstes zu einem Fall von Verantwortung von Bischöfen für Missbrauchsaufklärung in Chile, nach einem sehr, sehr deutlichen Papstbrief zum Thema, nach Jahren der Auseinandersetzung und der Vorwürfe, nach schwierigen Bischofsernennungen und viel Streit in der Kirche in Chile waren die Bischöfe des Landes beim Papst, drei Tage lang, und als Ergebnis – nur eine Presseerklärung?
So mag es sich vielen darstellen, denn der Brief des Papstes und die dramatische Situation im Land haben enorme Erwartungen geweckt.
Man dürstete geradezu nach einem erlösenden Wort, nach den erlösenden Entscheidungen, nach einem Machtgestus, der den Knoten endlich lösen würde. Aber genau den gab es nicht. Wieder nicht, so der Vorwurf.
Die Anklagen bleiben im Raum stehen, die Bischöfe, die sich den Vorwürfen ausgesetzt sehen, kehren nach Chile zurück und manch ein Journalist, der extra nach Rom angereist war, mag sich schon fragen, ob das nun der gerühmte Reformgeist von Papst Franziskus ist.
Dramatischer Vertrauensverlust
Und zunächst haben die Erwartungen ja recht, gerade Papst Franziskus springt immer sehr deutlich mit seinem Bischöfen um. Was er aber nicht macht und auch hier nicht gemacht hat, war eine Gerichtsverhandlung abhalten. Es gab keine Anklagen, Vorwürfe, Aufklärung, Abrechnung.
Vier Treffen mit dem Papst hatte es gegeben, zwei davon zum Abschluss an diesem Donnerstag.
Zunächst waren wir hier überrascht, dass das erste der Treffen schon nach kurzer Zeit zu Ende ging. Die Journalisten aus Chile hatten sich schon verabredet, vor dem Ausgang des Vatikan zu warten, aber keiner hatte damit gerechtet, dass es so schnell gehen würde.
Ein geistlicher Prozess
Warum bestellt der Papst 34 Bischöfe ein, um dann nach einer halben Stunde wieder auseinander zu gehen? In gewohnt trockener Manier gab der Pressesaal und in persönlichen Berichten dann Bischöfe wieder, warum die Kürze durchaus Sinn hatte: Es sollte ein geistlicher Prozess sein.
Zunächst also Gebet und Reflexion, dann Austausch.
Die Kritik kam auch hier prompt: die Kirche betreibe hier die gewohnte Hinterzimmer-Politik, es brauche Transparenz und Öffentlichkeit, um Vertrauen wiedergewinnen zu können, vor allem aber hätten die Opfer von Missbrauch ein Recht darauf. Und das ist ja auch richtig, nur ging es hier in Rom um etwas anderes. Es ging darum, der Aufarbeitung erst einmal den Boden zu bereiten.
Den Boden bereiten
Uns ist bereits am Samstag eine Formulierung aufgefallen, die in einem Text des Vatikanischen Pressesaals stand. Dort wurde angegeben, was der Papst mit dem Treffen beabsichtigte. Und als erstes Thema wurde „Missbrauch von Macht“ genannt. Nicht Umgang mit Missbrauchsfällen etc. Machtmissbrauch ist stärker, härter und umfassender. Und grundlegender. Hier geht es um mehr, hier geht es um die Grundlagen dafür, dass es zu Vertuschungen und zum Wegschauen hat kommen können.
Die Kollegen in den Chilenischen Medien schreiben, wir römischen Kollegen würden versuchen, die Erwartungen herunter zu schrauben. Man wartet nun auf radikale Entscheidungen, denn die Situation der katholischen Kirche im Land sei so schwierig, dass anpassende Maßnahmen nicht ausreichten. Radikal muss schon sein.
Radikal muss es schon sein
Was da jetzt passieren wird, weiß ich auch nicht. Aber für jedes weitere Vorgehen braucht es ein geistliches Fundament. Sonst brauchen wir nicht Kirche sein. Die Opfer sind zu hören und auf die eigenen Versäumnisse ist zu schauen. Das ist aber nicht einklagbar, das muss gewollt sein. Und genau dazu hilft – vielleicht – das Vorgehen des Papstes. Der hatte es sich ja auch nicht einfach gemacht, er hätte das Machtwort sprechen können, tat es aber nicht.
Die Situation der Kirche in Chile ist dramatisch von Vertrauensverlust geprägt. So verständlich die Wünsche danach auch sein mögen, das kann man nicht mit einem Machtwort lösen, schon gar nicht von außen. Da müssen die Verantwortlichen selber ran. Und diese Botschaft und diese Dringlichkeit nehmen die 34 jetzt wieder auf den Weg nach Hause mit. Und das wird keine einfache Reise.
Wenn das dann funktioniert, wenn auf Basis eines solchen geistlichen Vorgehens wirklich Entscheidungen getroffen, Menschen angehört und Verfahren entwickelt werden, dann ist das auch wirklich das, was gewünscht wird: radikal.
Ich würde das als Gewissenskonsultation bezeichnen, denn es ist etwas Furchtbares unter den Augen derer passiert, die keine Verantwortung dafür übernommen haben obwohl sie als Mensch und noch intensiver als Geistliche dazu im Namen Jesus verpflichtet sind.
Nun gilt es Abbitte zu leisten bei all denen, die dadurch Leid erfahren mussten in dem Verhalten, dass eigentlich niemals von Menschen ausgehen dürfte.
Missbrauch betrifft nicht nur die Kirche, er hat sich etabliert, weil viel zu viele Menschen nicht hingesehen haben und noch weniger dagegen gehandelt wurde, obwohl es unser aller Pflicht als Mensch ist.
Nun, schauen wir mal, ob es die hier gepriesene “Schwarmintelligenz” beim Menschen gibt und ob es bei dieser Gruppe von Leuten sichtbar wird, oder ob am Ende nur eine Riesendummheit sich zeigt. Ich bin gespannt!