Er möge das Reisen nicht so sehr, hat Papst Franziskus zu Beginn seines Pontifikates gesagt. Und alle Biografien betonen das auch: Aus Buenos Aires sei er kaum heraus gekommen, nur wenn es absolut nötig war ist er in einen Flieger gestiegen. Verglichen mit dieser Aussage ist das Programm der vergangenen Monate wie auch das der kommenden Monate etwas ungewöhnlich: Papst Franziskus war viel unterwegs und wird wieder viel unterwegs sein.
Es sind sicherlich die Ereignisse, die medial die meiste Aufmerksamkeit erregen werden. Unter den im Februar zu ernennenden Kardinälen wird kein deutschsprachiger sein, also sind es – neben Urbi et Orbi – die Reisen, die berichtet werden.
Fangen wir also für einen Blick auf das kommende Jahr mit diesen Reisen an. Sri Lanka und die Philippinen stehen fest, Philadelphia im September ebenfalls. Außerdem hat der Papst selber Frankreich, Afrika und Lateinamerika erwähnt, dazu kommen sicherlich auch noch inneritalienische Kurzreisen. Damit sind wir auf der sicheren Seite. So häufig, wie der Papst das sagt, würde mich aber auch eine Reise in den Irak nicht überraschen, so unwahrscheinlich sie auch ist. Aber auch ohne den Irak ist der Reisekalender voll.
Überhaupt: Die Überraschungen. Wir hier in der Redaktion sitzen in einer „Aktualitätsfalle“. Es ist so viel los, dass wir kaum dazu kommen, Hintergründe zu machen, längere Geschichten, bunte Geschichten um den Vatikan herum. Aber diese „Aktualitätsfalle“ gilt auch für die Wahrnehmung jenseits der Alpen: Hier eine Rede vor der Kurie, dort eine Begegnung, da Duschen auf dem Petersplatz, es ist sehr schwer, den Überblick zu behalten oder den Wald bei den vielen Bäumen zu sehen. Also versuche ich mich einmal an einigen Linien, die sich durch das kommende Jahr ziehen werden.
Reform, Verkündigung, Synode
Da ist zum einen die Reform der Kurie. Das hat der Papst bereits begonnen und das wird auch 2015 nicht beendet werden, aber es wird einen großen Teil der Energien der Kurie kosten. Das Radio gehört ja auch zu den zu reformierenden Institutionen, es gibt eine Kommission, die sich die Medien des Vatikan anschaut und Vorschläge zur Verbesserung macht. Wir warten also darauf.
Was am Ende des Jahres steht? Neue Vorschläge, erste Umsetzungen, einige Ernennungen, vielleicht sogar Zusammenlegungen von einzelnen Institutionen. Es wird schrittweise gehen, nicht alles wird auf einmal in einem großen Wurf kommen, so viel steht fest. Es braucht Geduld.
Zum zweiten ist da die Reform unserer Verkündigung, wenn ich das einmal so nennen darf. Evangelii Gaudium hat den Anfang gemacht, aber auch sonst spricht der Papst oft über die Weitergabe des Glaubens, die Freude, darüber dass man nicht bei sich selber stehen bleiben darf, dass sich Kirche und Gläubige nicht in sich selbst abschließen dürfen.
Was am Ende des Jahres steht? Initiativen und Begegnungen das ganze Jahr über, die diesen Punkt unterstreichen. Er ist medial nicht interessant und wird auch im kommenden Jahr – außer bei uns – kaum berichtet werden, ist aber sicherlich einer der zentralen Punkte des Papstes. Eine Kirche ist nur dann wichtig, wenn der Glaube die Motivation ist. Wir sind – auch das ein Zitat von Papst Franziskus – schließlich keine NGO. Es braucht Geduld.
Drittens ist da natürlich die Familiensynode, bzw. die zweite Versammlung der Bischofssynode zum Thema Pastoral der Familie und Verkündigung. Der zweite Fragebogen ist draußen, die Vorbereitungen laufen und der Papst wird in allen Generalaudienzen bis zur Synode über das Thema Familie sprechen. Natürlich wird die Frage in unserer Kirche vor allem nach wiederverheirateten Geschiedenen gestellt und medial auf die Frage „Beschluss oder nicht Beschluss“ reduziert werden, und es ist nicht nur schlecht, dass man sich öffentlich Erfolgskriterien vorhalten lassen muss. Trotzdem geht es tiefer, andere Fragen aus anderen kulturellen Zusammenhängen und ein gemeinsames theologisch verantwortetes Sprechen von der Familie sind mindestens so wichtig wie konkrete Beschlüsse.
Was am Ende des Jahres steht? Das Thema ist noch nicht fertig. Es wird viel über verpasste Chancen gesprochen werden, weil die Synode am politischen Meinungsbildungsprozess gemessen werden wir. Selbst wenn sie ein voller Erfolg wird, wird das in der Öffentlichkeit nicht reichen. Außerdem kann man jetzt schon sagen, dass sich die Ergebnisse nicht an deutschsprachigen Debatten ausrichten werden. Es wird viel Gutes passieren, wir müssen aber auch hinsehen wollen und unsere Perspektiven verändern lassen, um das mitzubekommen. Es braucht Geduld.
Diese drei nicht wirklich originellen großen Linien möchte ich für das kommende Jahr ziehen. Was nicht heißt, dass es nicht noch mehr gibt, die interessant zu werden versprechen. Das Ordensjahr bei all den Krisen hat sicherlich Potential, dann sind einige Bischofsstühle in Österreich und Deutschland offen, auch das ein Thema. Außerdem überlappen sich einige Themen, die Reform der Kurie zum Beispiel mit der Bischofssynode, denn es geht ja nicht nur um das Thema Familie, sondern auch darum, wie die Weltkirche in Entscheidungsprozesse eingebunden wird. Kuba und die USA haben uns gezeigt, dass wir auch nicht alles sehen, was der Papst tut. Wenn es der richtige Weg ist, dann passieren Dinge auch schon einmal vertraulich, wir werden nicht alles mit bekommen.
Wie gesagt, es gibt noch einiges mehr als die von mir gezeichneten drei Linien. Es braucht Geduld.
Geduld
In jedem Fall wird die Geduld einen großen Wert haben. Was komisch ist, denn der Papst ist so unglaublich aktiv, macht hier, spricht da, hat Ideen, Initiativen und so weiter. Das ist wahrscheinlich die größte Herausforderung: Sich nicht verwirren lassen und geduldig bleiben.
Das ist es wahrscheinlich, was 2015 so schwierig werden lässt: Die vielen Ereignisse auf der einen Seite und die Notwendigkeit der Geduld auf der anderen. Die Aktivität und Faszination auf der einen Seite und die Notwendigkeit eines eigenen Wandels auf der anderen. Aber darin sollten wir eigentlich schon geübt sein, schließlich war es 2014 nicht anders.
Fazit für meinen Jahresrückblick und meiner Vorausschau: 2000 Jahre warten auf Christus, weiterhin GEDULDIG warten bis der Herr uns schauen lässt sowie selber handeln und unseren Weg im Vertrauen auf Gott gehen. Frohes Neues Jahr.
Einige Gedanken aus meiner Sicht: Pastoralreisen halte ich generell für Luxus; sowohl die Pastoralbesuche von JP II als auch von Benedikt XVI in Österreich waren -Verzeihung- wenn ich das so salopp ausdrücke, „für die Katz'“!
Das Glaubensleben = gelebter kath. Glaube in Österreich liegt am Boden…trotz oder wegen???
Zum zweiten Punkt: Reform der Verkündigung. Kann ich beipflichten, wenn es sich um eine WIRKLICHE Re-form handeln sollte…am Christtag sagte ein „geladener“ Kirchenbesucher angesichts neun leerer Kirchenbänke in unserer ohnehin kleinen Dorfkirche-„da siehst es, was die ganzen Reformen der letzten Jahre seit dem Konzil gebracht haben. Niemand weiß mehr, was er heute noch wirklich glauben darf (!)…“ Das „Synodengeschwafel“ (O-Ton des Erbosten) würde der Kirche den letzten Todesstoß versetzen.
Weiters bezog er sich auf die weihnachtliche Umfrage im „Standard“ (österr. Zeitung), die die religiöse Stimmung in meiner Heimat ja bestens wiedergibt!
Zum dritten Punkt wünsche ich Ihnen lieber P. Hagenkord echt von Herzen, dass Sie nicht auch der vatikanischen Reformwut zum Opfer fallen und aus diversen „Spargründen“ den Job verlieren! Sollte das so werden, kommen Sie zu uns-ein weites Missionsfeld liegt vor Ihnen: südlich der Alpen und nördlich von Rom!!!
Liebe Grüße und Gottes Segen Elisabeth.
Ich wohne in einer mittleren Kreisstadt ca 20 km nördlichen von Stuttgart und bei uns war auch noch am 2. Weihnachtsfeiertag die relativ große Kirche proppenvoll.
Unsere überwiegend evangelische Gegend hat man früher als Diaspora bezeichnet, heute haben wir eine sehr lebendige Ökumene mit der evangelischen Kirche.
Übrigens ist bei uns auch an „gewöhnlichen“ Sonntagen die Kirche immer voll, und zwar quer durch alle Generationen, nicht nur ältere Leute sondern viele junge Familien mit kleinen Kindern, Teenager, die auch eifrig ministrieren, Menschen mittleren Alters und natürlich auch Senioren.
Vielleicht hat man im – auf dem Papier – fast rein katholischen Österreich vor lauter alpenländischer Folklore mit pseudokatholischem Anstrich einfach den Anschluss an die Zeit verpasst?!
In Österreich liegt es wohl weniger an „pseudokatholischer Folklore“, als eher an einem bestimmten Mann, den man trotz einschlägiger Kenntnis seiner Verbrechen zum Erzbischof und Kardinal gemacht hat! Tradition ist nichts Schlechtes. Man muss nicht immer alles dem Zeitgeist opfern, nur um sich, auf Teufel komm raus, beliebt zu machen. „Alpenländische Folklore mit pseudokatholischem Anstrich“, wie Sie es ausdrücken, ist etwas Schönes. Mitunter ist Tadition ein Grundpfeiler der Kirche. Natürlich wollen das Viele heute nicht mehr wahrhaben. Alles, was heute nicht mehr ins Schema passt, muss beseitigt werden. Das ist die falsche Herangehendsweise.
Ich wünsche allen Beteiligten hier im blog einen guten Rutsch und ein gesegnetes neues Jahr 2015!
Zur „Aktualitätsfalle“ und den „päpstlichen Aktivitäten“:
In allem läßt sich m.E. bei Papst Franziskus ein gemeinsamer Nenner erkennen:
Hinwendung zum Evangelium und zur Nachfolge. Das Koordinatensystem stimmt langsam wieder. Die „unverzichtbaren Werte“ haben endlich wieder ihren angemessenen Platz als Ausdruck jesuanischer Nachfolge. Das Christentum ist Nachfolgegemeinschaft und nicht zuerst Wertegemeinschaft, das ist nachgeordnet. Und das ist provozierend, weil es das Selbstverständnis von Religion stört. Dies ist jedoch nicht neu, sondern wird uns schon bei Lukas im Gleichnis des barmherzigen Samariters erzählt. Zu dieser Provkation gehört auch, dass der Papst deutlich macht, dass es nicht zuerst um die Kirche geht, sondern um die Verkündigung des Evangeliums; dazu ist sie da. Auf der theologischen Erkenntnisebene sind dies Trivialitäten, auf der (kirchlich-religiösen) Kultur- und Handlungsebene massive Provokationen, wie man zur Zeit ja beobachten kann. Ich kenne viele Leute, die gerne wieder zu dieser Kirche gehören.
Sehr schön, @Kosmas. Ich denke auch, dass der Papst vor allem auf dem Evangelium seine Überzeugung vermittelt. Nicht fundamentalistisch, sondern gepaart mit dem allgemeinen und breiten Wissen. Es geht nicht um Reformen, die die Kirche leer machen, wie manche (-r) hier behauptet. So oft spricht man von Tradition, von Abbau der Werte – was meint man damit? Die Rituale? Wenn ja, dann ist das eine sehr bequeme Haltung, die eine Stagnation verstärkt, anstatt Bewegung, Entwicklung und Wachstum.
Wenn an Weihnachten und Ostern die Kirchen voll sind ist das sicher nichts besonderes. Aber auch in Deutschland sind sie nicht ueberall voll noch nicht mal im Traditionsland Bayern. Liebe Fr. Brueckner schaetzen Sie es wenn in Ihrer Diaspora die Kitche voll ist ich habe Sir auch schon anders reden/schreiben gesehen. Ich denke es gibt ueberall solche und solche Gemrinden. Wir in Deutschland muessen sicher nicht auf andere schauen was die falsch machen wenn ich mal so an Limburg denke.
Entschuldigung fuer die Fehler habe das am Handy geschrieben und die Tasten daneben erwischt.
Zuerst für Sie liebe @ Elisabeth: wenn der „Erboste“ oder auch Sie nicht mehr wissen was Sie Glauben sollen, empfehle ich das Neue Testament. Da steht es ziemlich ausführlich drin! Nicht die Reformen oder das „Synodengeschwafel“ sind der Grund für die neun leeren Kirchenbänke, sondern der Mangel an Glauben, an das was Jesus uns mit auf den Weg gegeben hat, die Erstarrung die an unsere Kirche erfasst hatte (Vergangenheit). Franziskus hat uns aufgeweckt. Er hat die Relation wieder hergestellt, so wie @ Kosma schreibt , Hinwendung zum Evangelium und zur Nachfolge Jesu. Dieser Papst hat in kürzester Zeit Reformen angestoßen, hat das Gesicht unserer Kirche verändert. Ich kenne immer mehr Menschen die gern wieder zur Kirche gehören oder sich als anders oder nicht gläubige Menschen gern mit mir über unsere Kirche austauschen. Es wird sicher ein spannendes Jahr. Beten wir dass uns dieser Papst noch lange, sehr lange erhalten bleibt.
Geduld… Hab vorgestern in einer italienischen Autobahnraststätte den Spruch gelesen: „Geduld ist wie Schokolade. Es gibt nie genug davon.“
In diesem Sinne: ein rundherum gutes Neues Jahr an alle!
Allen ein gesegnetes Neues Jahr! Das wünsche ich allen Blog-Teilnehmern, denke aber auch besonders an Papst Franziskus, der mir von Beginn seines Pontifikats an das Gefühl vermittelt hat, wieder im wahrsten Sinne des Wortes RÖMISCH-Katholisch zu sein. (Kann schon sein, dass das ein Theologe nicht verstehen kann, aber für mich ist mit der Wahl von Papst Franziskus wieder eine Zugehörigkeit entstanden, die ich lange Zeit nicht finden konnte.)