Ein ganz neuer Gedanke zur Papstrede in Freiburg, von Bischof Gregor Maria Hanke OSB, Eichstätt:
„Die Plattform für seine Rede war nichts anderes als Lumen gentium 8: Ich erkannte in einigen Formulierungen wortwörtlich Formulierungen aus der Konstitution Lumen gentium wieder, wo ja auch schon steht, dass die Kirche den Weg Christi gehen muss, der sich selbst entäußert hat und arm geworden ist. Dass die Kirche nicht auf Macht und Glanz in der Gesellschaft angelegt ist usw. Also, ich denke, der Heilige Vater hat uns hier einen kräftigen Impuls gegeben, uns mit dem Konzil auseinanderzusetzen. Wir sind vielleicht hierzulande deshalb so erschrocken über diese Rede, weil wir uns innerlich von diesen Forderungen des Konzils schon viel zu weit entfernt haben.“
Und hier der Text von Lumen Gentium, Nr. 8:
Der einzige Mittler Christus hat seine heilige Kirche, die Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, hier auf Erden als sichtbares Gefüge verfasst und trägt sie als solches unablässig (9); so gießt er durch sie Wahrheit und Gnade auf alle aus. Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi, die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei verschiedene Größen zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst (10). Deshalb ist sie in einer nicht unbedeutenden Analogie dem Mysterium des fleischgewordenen Wortes ähnlich. Wie nämlich die angenommene Natur dem göttlichen Wort als lebendiges, ihm unlöslich geeintes Heilsorgan dient, so dient auf eine ganz ähnliche Weise das gesellschaftliche Gefüge der Kirche dem Geist Christi, der es belebt, zum Wachstum seines Leibes (vgl. Eph 4,16) (11).
Dies ist die einzige Kirche Christi, die wir im Glaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen (12). Sie zu weiden, hat unser Erlöser nach seiner Auferstehung dem Petrus übertragen (Joh 21,17), ihm und den übrigen Aposteln hat er ihre Ausbreitung und Leitung anvertraut (vgl. Mt 28,18 ff), für immer hat er sie als “Säule und Feste der Wahrheit” errichtet (1 Tim 3,15). Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfasst und geordnet, ist verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird (13). Das schließt nicht aus, dass außerhalb ihres Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind, die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrängen. Wie aber Christus das Werk der Erlösung in Armut und Verfolgung vollbrachte, so ist auch die Kirche berufen, den gleichen Weg einzuschlagen, um die Heilsfrucht den Menschen mitzuteilen. Christus Jesus hat, “obwohl er doch in Gottesgestalt war, … sich selbst entäußert und Knechtsgestalt angenommen” (Phil 2,6); um unseretwillen “ist er arm geworden, obgleich er doch reich war” (2 Kor 8,9). So ist die Kirche, auch wenn sie zur Erfüllung ihrer Sendung menschlicher Mittel bedarf, nicht gegründet, um irdische Herrlichkeit zu suchen, sondern um Demut und Selbstverleugnung auch durch ihr Beispiel auszubreiten. Christus wurde vom Vater gesandt, “den Armen frohe Botschaft zu bringen, zu heilen, die bedrückten Herzens sind” (Lk 4,18), “zu suchen und zu retten, was verloren war” (Lk 19,10). In ähnlicher Weise umgibt die Kirche alle mit ihrer Liebe, die von menschlicher Schwachheit angefochten sind, ja in den Armen und Leidenden erkennt sie das Bild dessen, der sie gegründet hat und selbst ein Armer und Leidender war. Sie müht sich, deren Not zu erleichtern, und sucht Christus in ihnen zu dienen. Während aber Christus heilig, schuldlos, unbefleckt war (Hebr 7,26) und Sünde nicht kannte (2 Kor 5,21), sondern allein die Sünden des Volkes zu sühnen gekommen ist (vgl. Hebr 2,17), umfasst die Kirche Sünder in ihrem eigenen Schoße. Sie ist zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig, sie geht immerfort den Weg der Buße und Erneuerung. Die Kirche “schreitet zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes auf ihrem Pilgerweg dahin” und verkündet das Kreuz und den Tod des Herrn, bis er wiederkommt (vgl. 1 Kor 11,26). Von der Kraft des auferstandenen Herrn aber wird sie gestärkt, um ihre Trübsale und Mühen, innere gleichermaßen wie äußere, durch Geduld und Liebe zu besiegen und sein Mysterium, wenn auch schattenhaft, so doch getreu in der Welt zu enthüllen, bis es am Ende im vollen Lichte offenbar werden wird.
Also “wortwörtlich” ist etwas übertrieben… Ist es denn verwunderlich, dass ein geradliniger Mensch wie der Papst eine “römische Spur” vom Konzil bis heute legt? Im übrigen wirkt seine Konzerthaus-Rede dringlicher und klarer als Lumen Gentium, und es wird sehr spannend sein zu sehen, welche Zukunft diesem Vermächtnis des Papstes bereitet wird.