Politik und Christentum: Ich bin versucht, eine ganz allgemeine Beobachtung an den Anfang zu stellen, wie die, dass dieses Verhältnis seit den ersten Christen, seit der Verfolgung und dann der Erklärung des Christentums zur Staatsreligion, immer ein Spannungsfeld geblieben ist. Bis heute.
Aber das greift zu kurz. Immer wieder hat es Menschen gegeben, die die Verbindung der beiden, von Politik und Glauben, gelebt haben. Unter den herrschenden Zuständen und historisch bedingt, aber überzeugt und überzeugend. Einer von ihnen wird an diesem Dienstag 200 Jahre alt: Ludwig Windthorst.
Wer mit diesem Namen nichts anzufangen weiß: Das wohl aufwühlendste Thema des deutschen Kaiserreiches unter Kanzler Otto von Bismarck war der von diesem in Bewegung gesetzte „Kulturkampf“. Und seine Gegner saßen im Reichstag, in der katholischen Zentrumspartei. Und unter diesen was Windthorst der Wortführer.
Er war ein Parlamentarier, er trat für die Rechte ein, für die der Katholiken wie für die der Juden, und sogar die der ‚umstürzlerischen’ Sozialdemokraten. Er wollte den Staat nicht nach Bismarckscher Manier von einer Zentrale kontrolliert sehen, wir würden ihn heute wohl einen Rechtsstaatspolitiker nennen. Schon vor der Reichsgründung 1871 hatte er als Abgeordneter im Hannoveraner Landtag mit dem Preußen Bismarck die Klingen gekreuzt, diese Paarung sollte sich in Berlin wiederholen.
Kulturkampf
Bismarck wollte gemeinsam mit den Liberalen den Katholizismus eindämmen. Dem nationalkonservativen Preußen war dieser nicht staatstragend genug, den Liberalen war nach der Revolution 1848 und dem Ersten Vatikanischen Konzil die Berufung auf Absolutes in dieser Welt nicht geheuer.
Katholizismus war dezidiert unmodern. Man schloss sich zusammen und Bismarck tat alles, was in seiner Macht stand.
Es begann mit dem „Kanzelparagraphen“, der kritischen Predigern Haftstrafen androhte. Dann wurden einige Ordensgemeinschaften, unter ihnen die Jesuiten, aus Deutschland vertrieben.
In den so genannten Maigesetzen sollte der Klerus letztlich staatlicher Kontrolle unterworfen werden.
Bismarck schaffte aber das genaue Gegenteil dessen was er angestrebt hatte: Der Katholizismus unterwarft sich nicht. Der Stimmenanteil der katholischen Zentrumspartei stieg, Bismarck war gescheitert. Da passte es gut, dass 1878 mit Leo XIII. ein Papst gewählt wurde, der am Ausgleich interessiert war. Was allerdings auch dazu führte, dass die Einigung zwischen Vatikan und Berlin ohne den streitbaren Parlamentarier verlief. Aber das war wohl der einzige Weg, Bismarck einzubinden. Bis heute hängt in der Residenz der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl ein Bild dieses Papstes.
Von Bismarck ist der Satz überliefert: „Mein Leben erhalten und verschönern zwei Dinge, meine Frau und Windthorst. Die eine ist für die Liebe da, der andere für den Haß.“
Im Katholizismus Deutschlands hoch verehrt starb Ludwig Johann Ferdinand Gustav Windthorst im März 1891.
Aus der Mitte der Politik
Der Kulturkampf war in seiner Schärfe eine preußische Erscheinung. Und dem setzte Windthorst einen unpolemischen, aber klugen und scharfen Verstand entgegen. Er ließ sich nicht einschüchtern, schloss keine falschen Kompromisse und stand so für die Rechte vieler.
Sein Widerstand – so lese ich das heute – kam nicht aus Selbstgerechtigkeit oder in Abgrenzung zur modernen Gesellschaft. Er wollte Politik machen, Gesellschaft gestalten, prägen. Und das hieß für Ludwig Windthorst, sich für Rechte einzusetzen. Die eigenen wie die von anderen.
Es gibt heute keine katholische Partei mehr, die Christen haben in der Unterdrückung und dann den KZs gelernt, dass ihre Anliegen nur gemeinsam umzusetzen sind. Daraus ist nach dem Krieg die CDU/CSU entstanden. Geblieben aber ist die Überzeugung, dass der Einsatz für Interessen und Werte ins Parlament gehört. Man muss sich einmischen, um gestalten zu können. Der Glaube gehört nicht ins Ghetto, nicht ins Private, er will gestalten und gelebt werden. Das geht nur in der Debatte und der Auseinandersetzung – nicht zuletzt auch unter Christen und unter Katholiken – und es geht nur, wenn ich bereit bin, mich dem zu stellen und mich nicht in die Kreise der Gleichgesinnten verziehe.
Eben genau so, wie die Katholiken damals und unter ihnen Ludwig Windthorst sich eingemischt haben und so dem Papst die Möglichkeit gaben, für alle Seiten gesichtswahrend diesen Konflikt zu entschärfen.
Die Beziehung zwischen Politik und Christentum ist immer noch spannend, genau so wie am ersten Tag.
Und heute?
Das Vorbild Windthorst und christliche Politik heute: Ein Interview mit Maria Flachsbarth, Mitglied des Deutschen Bundestages für Hannover, Katholikin, Beauftragte für Religionsfragen der CDU/CSU Fraktion:
https://blog.radiovatikan.de/wp-content/uploads/2012/01/windthorst-flachsbarth
Sehr schönes Interview und danke für die Information über Windthorst. Wenn Christen sich über ihre Werte im Klaren sind und Kirche aufhört, sich selber zu Säkularisieren, kann sie eingreifen in die Politik, die inzwischen dank Parteienvielfalt unübersichtlich geworden ist.Nicht zu vergessen das, was P.Hagenkord immer wieder erwähnt..Fehlinformationen der Medien.
Mir “gefällt” hier die Unterscheidung zwischen “Christen” und “Katholiken”. Das erinnert mich an einen Autoaufkleber auf dem steht:
“It is nice to be a Price”, but it is higher to be a Bayer.
Ansonsten lasse ich das Thema einfach mal so im Raum stehen.
Was heißt hier Unterscheidung? Sie lesen da Dinge herein, die da nicht stehen. Mit ist nicht klar, was Sie uns mitteilen wollen.
Naja, ich verstehe nicht ganz, warum Katholiken und Christen jeweils
gesondert aufgeführt werden. Sind “Katholiken” bessere oder die wahren “Christen”? -> “Das geht nur in der Debatte und der Auseinadersetzung – nicht zuletzt auch unter Christen und Katholiken…” Also dastehen tut es auf jeden Fall, so dass ich Sie einfach darum höflich bitte, mir das zu erklären: ich verstehe es nicht, so dass es auch mir nicht klar ist, was man mir damit sagen will.
Ich habe nicht zwischen Katholiken und Christen getrennt, sie lesen das falsch. Und das Wort “wahre” Christen taucht gar nicht auf.
Ja, P. Hagenkord, trotz solcher zum Denken zwingenden Beitraegen
https://blog.radiovatikan.de/vom-nutzen-des-missverstaendnisses-fuer-das-verkaufen-von-zeitungen/
lesen wir immer wieder wie einem die nicht existierenden Worte in den Mund gesetzt werden. Es ist ein schönes Beispiel an alle Postschreiber, mind. In diesem Blog hier, bei sich anzufangen, anstatt direkt die Zeitungen anzugreifen. Uns steht immer noch zur Auswahl “erneut Lesen”, gut “Zuhören” und Nachfragen bevor wir jemanden Aussage zu schnell verfälschen. Ansonsten bleibt ständige Streiterei und Verweisen auf die Korrektheit der Wörter, anstatt sich mit dem Thema, wie das obige hier zu befassen 🙂
ein wahres wort, anna. :-)ich entschuldige mich für alles, was ich in ihrem fall falsch verstanden und vorschnell kommentiert habe.
Entschuldigung angenommen, Annemarie 🙂
…aber dass man sich nicht in die Kreise von Gleichgesinnten verziehen soll, das finde ich gut.
Dabei fällt mir Franz von Assisi und dessen Predigt ohne Worte ein. Kennen Sie diese Geschichte?
Und doch braucht man wieder Gleichgesinnte, darin man ja das eine tun soll und das andere nicht zu unterlassen hat. Ich denke, da können wir uns schon irgendwo treffen.
BITTE, Herr Herbert Sattel – fangen Sie hier nicht auch noch diese unendlichen “Freide-und-Heil”- Geschichten wie im Gästebuch von RV an!!! Bringen Sie bitte IHRE eigenen Heilsbotschaften dort an, wo sie verständnisvolle Schäflein finden … – wir verstehen uns wohl ?
Danke an den Webmaster RV für diese längst überfällige Anmerkung.
was nützt es ihm, herr dr. strauss? die hoffnung stirbt zuletzt.