An diesem Dienstag jährt sich der Todestag von Papst Paul VI. zum 35. mal, für die einen war er der Papst, der das Konzil zu Ende führen konnte ohne dass dieses dabei zerbrach, für die anderen ein Zauderer, der im Zweifel immer auf Nummer sicher ging.
Ein Intellektueller, ein belesener Mann, engster Mitarbeiter von Papst Pius XII. für lange Jahre, ein Reformer in seinem Erzbistum Mailand, von wo aus er zum Nachfolger von Johannes XXIII. gewählt wurde. Von Anfang an hatte er in den engsten Kreis der Konzilsvorbereiter gehört und durch seine Eingriffe – so urteilen Historiker – dafür gesorgt, dass es nicht zum offenen Konflikt kam.
Im vergangenen Jahr wurde während der Bischofssynode im Vatikan immer wieder die Enzyklika Evangelii Nuntiandi zitiert, ein bis heute maßgeblicher und unübertroffener Text, wie die Bischöfe fanden. Ich möchte hier einen anderen Text zitieren, aus der Antrittsenzyklika Ecclesiam Suam, in der der oft geschmähte Papst den Dialog beschreibt, ein Anliegen, das Papst Franziskus gerade erst an Papst Paul hervorgehoben hat.
Dialog ist eine anerkannte Methode des Apostolats. Es ist eine Weise, geistlich in Kontakt zu treten. Er sollte die folgenden Charakteristiken tragen:
1) Vor allem anderen sollte er klar sein; Dialog verlangt, dass das Gesagte verständlich ist. Wir können ihn als eine Art von „Gedankentransfusion“ verstehen. Es ist die Einladung, die höchsten geistigen und geistlichen Kräfte des Menschen zu benutzen und zu entwickeln. Das allein würde schon genügen, solch einen Dialog zu einem Ausdruck größter menschlicher Aktivität und Kultur zu machen. Um diesem ersten Bedürfnis zu genügen, sollten wir alle, die wir den Ansporn des Apostolates spüren, genau unsere Sprache untersuchen. Ist sie einfach zu verstehen? Kann sie von normalen Menschen verstanden werden? Ist sie zeitgenössisch?
2) Unser Dialog muss von der Bescheidenheit begleitet werden, von der Christus wollte, dass wir sie von ihm lernen: „Lernt von mir, denn ich bin bescheiden und von Herzen demütig“. Es wäre wirklich eine Schande, wenn unser Dialog von Arroganz geprägt wäre, von scharfen Worten oder offensiver Bitterkeit. Was ihm Autorität gibt ist die Tatsache, dass er die Wahrheit bestätigt, (…) dass er unabweisbare Sprache vermeidet und nichts verlangt. Er ist friedlich, hat keine Verwendung für extreme Methoden, ist geduldig im Widerspruch und neigt zur Großzügigkeit.
3) Nötig ist auch die Zuversicht, Zuversicht nicht nur in die Macht der eigenen Worte, sondern auch in den guten Willen der Teilnehmer des Dialoges. Deswegen fördert Dialog die Vertrautheit und die Freundschaft auf beiden Seiten. Es verbindet sie in gegenseitigem Festhalten am Guten und dem Ausschluss von Egoismus.
4) Letztlich braucht er die Klugkeit eines Lehrers, der die psychologischen und moralischen Umstände seines Zuhörers berücksichtigt, besonders wenn es ein Kind ist, unvorbereitet, argwöhnisch oder feindselig. Der Sprecher bemüht sich immer darum, die Sensibilitäten seiner Zuhörer kennen zu lernen und, wenn die Vernunft es gebietet, sich und die Art seines Beitrages an die Aufnahmefähigkeit und das Maß der Intelligenz der Zuhörer anzupassen.
In einem in dieser Art von Vorsorge geführten Dialog verbindet sich Wahrheit mit Nächstenliebe und Verständnis mit Liebe.
Und das ist noch nicht alles. Denn es wird in einem Dialog offensichtlich, dass es verschiedene Wege gibt, zum Licht des Glaubens zu kommen und dass es möglich ist, sie auf dasselbe Ziel zulaufen zu lassen. Wie verschiedenartig diese Wege auch sein mögen, können sie sich doch gegenseitig vervollständigen. Sie ermutigen uns, anders zu denken. Sie zwingen uns, tiefer in das Thema unserer Untersuchung einzudringen und bessere Wege zu finden, uns auszudrücken. Es wird ein langsamer Gedankenprozess sein, aber es wird zur Entdeckung von Teilen der Wahrheit in den Überzeugungen der anderen führen und er wird uns unsere Lehre mit mehr Fairness ausdrücken lassen. … Es wird uns weise machen, es wird und zu Lehrern machen.
Verfahren des Dialogs
Denken wir nun an die Form, die der Dialog der Erlösung nimmt, und die Art und Weise des Ausdrucks.
Er hat viele Formen. Wenn nötig, wird er aktuelle Erfahrungen aufnehmen. Er wählt angemessene Mittel. Er ist unbelastet von Vorurteilen. Er hält nicht an Ausdrucksformen fest, die ihre Bedeutung verloren haben und den Geist der Menschen nicht mehr anregen kann.
Die entscheidende Frage
Wir begegnen hier einem schwierigen Problem: Wie soll die Kirche ihre Mission an die jeweilige Zeit, die Umwelt und die Bedingungen von Gesellschaft und Bildung im Leben der Menschen anpassen?
Wieweit soll sich die Kirche anpassen an die historischen und örtlichen Umstände, unter denen sie ihre Mission auszuüben hat? Wie schützt sie sich gegen die Gefahr des Relativismus, der sie der eigenen Lehre und den eigenen moralischen Überzeugungen gegenüber untreu machen würde? Andererseits: wie kann sie wirklich alle Menschen ansprechen und allen Menschen Erlösung bringen und so zu einem Beispiel zu dem werden, was der Apostel Paulus „allen alles werden“ genannt hat, damit alle gerettet werden?
Aus der Enzyklika Ecclesiam Suam, Nr. 81-97, eigene Übersetzung
Eine gute Überschrift und wäre für jede Art von Kommunikation und Dialog gut, was nicht nur unter Klerikern und Gelehrten hilfreich wäre sondern überall gelten sollte.
@ KRP
Aber vor allem bei Klerikern und Gelehrten sollte es so sein, weil ich meine, dass das ihr Bildungsniveau und ihre Stellung verlangt, auf die sie sich gerne berufen und nach außen gelegentlich auch immer wieder mal herauskehren sowie den Anspruch eines “Primus inter pares” geltend machen und sich auch so benehmen.
Mit gefällt dieser Text auch sehr gut.
Und mich erinnern diese Richtlinien auch etwas an die Platonischen “Dialoge”, wo ja Sokrates das Zentrum bzw. die Position des “Lehrers” einnimmt. Diese “Dialoge” haben sogar etwas zeitloses, weil die Sprache sehr einfach gehalten ist und die Gedankengänge gut nachvollziehbar sind. Sie demonstrieren, dass der wirklich kluge oder sogar weise Mensch im Grunde keine Fachtermini und komplizierte Satzkonstruktionen benötigt.
Und nicht umsonst was der Wirkungsbereich des Sokrates kein Studierzimmer, sondern der Marktplatz und die Gassen von Athen… Orte an denen er mit Menschen aller Bildungsniveaus (ob Frauen ob Männern) zusammenkam und diskutierte.
Manche Athener haben diese Dialoge aber auch verurteilt:
“Sokrates, der Lehrer, tritt regelmäßig als Schüler auf. Nicht er will andere belehren, sondern von ihnen belehrt werden. Er ist der Unwissende, seine Philosophie tritt auf in der Gestalt des Nichtwissens. Umgekehrt bringt er seine Gesprächspartner in die Position des Wissenden. Das schmeichelt den meisten und provoziert sie, ihr vermeintliches Wissen auszubreiten. Erst im konsequenten Nachfragen stellt sich heraus, dass sie selbst die Unwissenden sind.” (Lit.. Wolfgang H. Pleger, Sokrates. Der Beginn des philosophischen Dialogs, Reinbek 1998, S.57)
Also insofern sind die Ausführungen von Papst Paul VI. menschenfreundlicher: man solle sich im Dialog Freunde, nicht Feinde, schaffen.
Ich denke auch, dass Papst Franziskus auch ein bisschen was Sokrates hat (aber einem christlichen).