In den zurückliegenden Wochen hat Papst Franziskus einige Reden gehalten, deren gemeinsame Nenner vielleicht etwas untergegangen sind. Jedenfalls meine ich, solche erkennen zu können.
Evangelii Gaudium gibt den Ton vor: „Bedauerlicherweise können sogar die Menschenrechte als Rechtfertigung für eine erbitterte Verteidigung der Rechte des Einzelnen (..) genutzt werden.“ Die am meisten begünstigten müssten „auf einige ihrer Rechte verzichten, um mit größerer Freigebigkeit ihre Güter in den Dienst der anderen zu stellen“, fügt der Papst an. Die Individualrechte schützen nicht den privilegierten Zugang zu Ressourcen, möchte ich das zusammen fassen.

Auf dieses Thema – die individuell verstandenen Menschenrechte – kam er in der letzten Zeit einige Male zurück.
Zum Beispiel in Straßburg: Vor dem Europaparlament würdigte er in starken Worten die Würde des Menschen, welche durch die Menschenrechte geschützt würde. Dann aber fügte er an: „Man muss aber Acht geben, nicht Missverständnissen zu verfallen, die aus einem falschen Verständnis des Begriffes Menschenrechte und deren widersinnigem Gebrauch hervorgehen. Es gibt nämlich heute die Tendenz zu einer immer weiter reichenden Beanspruchung der individuellen – ich bin versucht zu sagen: individualistischen – Rechte, hinter der sich ein aus jedem sozialen und anthropologischen Zusammenhang heraus gelöstes Bild des Menschen verbirgt, der gleichsam als „Monade“ (μονάς) zunehmend unsensibel wird für die anderen „Monaden“ in seiner Umgebung.“
Auch die Menschenrechte sind an das Gemeinwohl gebunden, nicht nur an den Einzelnen. Die Vorstellung von einer Ansammlung von Einzelwesen mit Einzelrechten führt eben nicht zu mehr Würde, sondern zu dem, was er in Evangelii Gaudium kritisiert hatte: Ausschluss von Menschen und Wegwerf-Kultur. Jeder und jede Einzelne und auch die Rechte der Einzelnen sind an ein Gemeinsames gebunden. In den Worten des Papstes: Ohne die Pflicht anderen gegenüber sind die Rechte nicht zu denken.
Mensch wird Maß seiner selbst
Am gleichen Tag sprach der Papst auch vor dem Europarat, dort drückte er den Gedanken so aus: Der Mensch hat „in Wahrheit und in Liebe“ das Gemeinwohl vor Augen, man dürfe nicht übersehen, dass „ohne diese Suche nach der Wahrheit jeder zum Maß seiner selbst und seines Handelns wird und so den Weg zur subjektivistischen Behauptung der Rechte bahnt. Auf diese Weise wird der Begriff der Menschenrechte, der von sich aus Allgemeingültigkeit besitzt, durch die Idee des individualistischen Rechts ersetzt. Das führt dazu, sich im Grunde für die anderen nicht zu interessieren und jene Globalisierung der Gleichgültigkeit zu fördern, die aus dem Egoismus entspringt und Frucht eines Menschenbildes ist, das unfähig ist, die Wahrheit aufzunehmen und eine authentische soziale Dimension zu leben.“
Ein Gedankengang, der ziemlich parallel zur vorher genannten Rede verläuft.
Aber auch in seiner Ansprache vor der UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung FAO, die in Rom ihren Sitz hat, fasste der Papst sein Anliegen kurz und knapp zusammen: „Heutzutage spricht man viel von Rechten, vergisst aber häufig die Pflichten.“ Und weiter: „während man von neuen Rechten spricht, sitzt der Hungernde dort, an der Straßenecke, und bittet um sein Bürgerrecht, er bittet darum, dass man seine Lage zur Kenntnis nimmt und dass er gesunde Ernährung bekommt. Er bittet uns um Würde, nicht um ein Almosen.“
Würde, nicht Almosen
Würde – die durch die Menschenrechte gesichert wird – ist also etwas, was ein Gemeinwesen betrifft, nicht nur den individuellen Menschen. Und umgekehrt: Kümmert man sich nur um seine eigenen Rechte, droht man Gefahr zu laufen, die Armen, die Menschen deren Rechte und deren Würde nicht geachtet werden, zu übersehen.
„Würde, nicht Almosen“ war auch Teil einer weiteren Ansprache des Papstes. Vor katholischen Ärzten sprach er von einem „falschen Mitleid“, „nach dem es eine Hilfe für die Frau ist, die Abtreibung zu befürworten; ein Akt der Würde, die Euthanasie durchzuführen; eine wissenschaftliche Errungenschaft, ein Kind ‚zu erzeugen’, das als Recht betrachtet wird, statt es als Geschenk anzunehmen; oder Menschen als Versuchspersonen im Labor zu benutzen, um vielleicht andere zu retten.“ Das wirft einen Seitenblick auf das Sprechen von den individuellen Rechten, denn sie können laut Papst den Gemeinsinn, der sich zum Beispiel in Mitleid ausdrückt, verzerren.
Konkret geworden ist der Papst bei einer Ansprache bei einem Kongress in Rom zum Thema „Komplementarität“, individuell verstandene Rechte der Eltern könnten auf Kosten von Kindern gehen, so der Papst. Die Familie als solche habe auch Rechte, die sich nicht auf die Einzelrechte zurückführen ließen, Familie ist keine Assoziation von Einzelnen.
Man könnte anderes anführen: Auch die Umwelt hat Rechte, auch die kommenden Generationen haben Rechte, die sich nicht durch individuell verstandene Rechte begründen lassen.
Rechte stark machen
Noch einmal, es geht Papst Franziskus mitnichten darum, Menschenrechte zu verwässern: „Als Religionsführer haben wir die Pflicht, Attacken auf die Menschenwürde und die Menschenrechte zu verurteilen“: Sätze wie diese hört man immer wieder von Papst Franziskus, zuletzt in der Videobotschaft an die Christen des Irak von diesem Samstag.
Es geht also nicht darum, irgendwelche Rechte herunter zu spielen, im Gegenteil. Es gehe darum, sie stark zu machen, aber stark zu machen für die Menschen, und das bedeutet eben auch den Bezug auf die Gemeinschaft.
Man sollte nur sehr vorsichtig mit einer Umkehrung der Individualrechte in Gemeinschaftsrechte sein. Dann ist man vielleicht auch schnell beim Opfer einzelner Menschen zugunsten der großen Menge. Aber das meint der Papst sicher nicht, es stellt aber eine Gefahr dar.
Papst Franziskus muss die marxistische Gesellschaftskritik sehr genau studiert haben, denn seine Thesen stammen fast 1:1 und manches sogar wörtlich aus der Rezension von Karl Marx über zwei Aufsätze von Bruno Bauer.
Diese Rezension wurde unter dem Titel „Zur Judenfrage“ im Jahre 1844 veröffentlicht.
Darin kritisiert Marx die Menschenrechte „als die Rechte des Mitglieds der bürgerlichen Gesellschaft, d.h. des egoistischen Menschen, des vom Menschen und vom Gemeinwesen getrennten Menschen.“
Selbst der Begriff vom Menschen als eine isolierte, auf sich selbst zurückgezogene Monade taucht darin auf.
Nachzulesen hier: http://www.mlwerke.de/me/me01/me01_347.htm#S364
(Bei [364] geht es los)
Aber auch seine Religionskritik legt Marx in dieser Rezension ausführlich dar, und die umfasst wesentlich mehr als der zum Schlagwort gewordene Satz: „Religion ist Opium des Volkes.“
Es lohnt auf jeden Fall zu lesen, wenn man diese Religionskritik verstehen will und wissen möchte, auf was sie sich bezieht und auf welchen philosophischen Hintergrund sie beruht.
Ich bin theologisch zu wenig gebildet und verfüge auch über zu wenig religiöses Wissen um mir vorstellen zu könne, welche konkreten Auswirkungen diese, von Papst Franziskus immer wieder vertretenen Thesen, auf die katholische Kirche und ihre Glaubenslehre letztlich haben werden.
Es bleibt aber in jedem Fall hochinteressant und jetzt bin ich so neugierig geworden, dass ich beschlossen habe, das Apostolische Schreiben Evangelii Gaudium tatsächlich mal zu lesen.
Wer weiß, was sich dort noch alles findet.
Liebe Kalina, umgekehrt wir d ein Schuh draus. Nicht die katholische Lehre ist oder wird von Marx beeinfluss. Marx ist beeinflusst von dem was Jesus Christus uns im neuen Testament mit auf den Weg gegeben hat. Besonders die Bergpredigt sei hier genannt. Von allem ideologischem „Klumpatsch“ befreit bleibt Marx neben Rosa Luxemburg sicher einer/eine der wichtigsten deutschen politischen Philosophen, aber Franziskus kann auf einen wesentlich reicheren Schatz zurückgreifen, „Das neue Testament“. Es gab zu allen Zeiten in der Geschichte unserer Kirche Menschen die das neue Testament als Richtschnur für ihr sozialpolitisches Handeln genutzt haben. Franziskus ist genau durch diese Einflüsse geprägt weniger durch den Kollegen Marx. So wünsche ich Ihnen viel Freude beim Lesen von EG
Hallo Chrisma,
Ihre Behauptung, Marx sei beeinflusst vom Neuen Testament gewesen ist schon rein biographisch gesehen nicht plausibel.
Der Vater von Karl Marx stammte aus einer bedeutenden Rabbinerfamilie.
Als Trier preußisch wurde, durfte er wegen seines jüdischen Glaubens seinen Beruf als Anwalt nicht mehr ausüben und die Familie konvertierte zum Protestantismus.
Diese erzwungen Konversion, sowie seine, an den Idealen der französischen Aufklärung orientierte Erziehung waren prägend und grundlegend für seine spätere Gesellschafts- und Religionskritik.
Sie waren für ihn die Prüfsteine, an denen er das Maß der tatsächlichen Freiheit gegenüber der rechtlich verbrieften sichtbar machte.
Bestimmt gab es zu allen Zeiten Menschen, die Inhalte des Neuen Testamentes zur Richtschnur ihres sozialpolitischen Handelns gemacht haben, Karl Marx aber gehörte ganz sicher nicht dazu.
So ganz wird das auch nicht stimmen, da sich Karl Marx sicherlich auch vom jüdischen Glauben hat beeinflussen lassen. Und wenn wir bedenken, dass Jesus Christus nicht gekommen ist, um genau diesen Glauben nicht aufzuheben sondern zu erfüllen, wird er wohl -vielleicht unbeabsichtigt/indirekt- auch das sog. „Neue Testament“ als dessen „Richtschnur“ für dessen „Doktrin“ genommen haben…
Jedenfalls schließe ich persönlich das nicht (ganz) aus.
Liebe Kalina, kurzfristig gesehen haben Sie völlig recht. Ich habe den Bogen gedanklich aber wesentlich weitergespannt. Was ist die Bergpredigt anderes als die Urmutter des kommunistischen Manifests? Bitte mit Humor lesen. Und stellen Sie sich die europäische Geistesgeschichte mal ohne das Neue Testament vor? Aus der römischen Gesellschaft hätte sich der Humanismus nicht entwickeln können. Dazu bedurfte es der „der guten Nachricht“. Soweit so kurz. Was ich Ihnen sagen möchte ist, das Franziskus aus anderen Quellen schöpft. Eine sachliche Analyse der Welt heute schließt Kapitalismuskritik zwangsläufig ein. Vielleicht noch eine kleiner Lesehinweis: Spe Salvi von Benedikt 16 em hier besonders „Die Umwandlung des christlichen Hoffnungsglaubens in der Neuzeit“ ab Punkt 16. Ich wünschen Ihnen eine gute Woche
http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/encyclicals/documents/hf_ben-xvi_enc_20071130_spe-salvi_ge.html
@ Chrisma, „den Humanismus“ gibt es nicht.
Das ist einfach nur ein Oberbegriff für epochal ganz unterschiedliche und auch gegensätzliche geistige Strömungen die eines gemeinsam haben: ein Weltbild, welches den Menschen als zentralen Gestalter seiner Lebensumstände sieht,sich an den Interessen des Menschen und seiner Würde orientiert und daraus Werte wie: Toleranz, Freiheit, Gewaltlosigkeit ableitet.
Der höchste Wert ist das Glück des einzelnen Menschen UND der Gesellschaft.
Die historischen Wurzeln dieses Menschenbildes sind eindeutig älter als die Bibel und liegen in der griechisch-römischen Antike.
Liebe Kalina, ach was hätte ich nun Lust auf ein längeres Gespräch. Klar sind es die ollen Griechen… der ganze Thomas von Aquin ist ohne sie nicht denkbar. „Humanismus“ ist so ein richtiger schwabbel Begriff. Ich hatte den Strang Donus Scottus-William von Ockham-Erasmus von Rotterdam-Thomas Moore im Hinterkopf. Aber wie gesagt ein Gespräch und wenn Sie mögen ein gutes Glas Wein dazu.
Liebe Kaline, das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die erste Soziallehre im Neuen Testament zu finden ist, nämlich die, die Jesus Christus uns gelehrt hat und auf die sich Papst Franziskus konsequent und nachdrücklich beruft.
Von daher gesehen kann man die katholische Soziallehre und unseren Papst nicht als von Karl Marx inspiriert betrachten, sondern eben umgekehrt, die Lehre Marx als vom NT inspiriert, auch wenn dies Karl Marx selbst vielleicht gar nicht bewusst war.
@Kaline, das Denken und Handeln Karl Marx kann schon die christlichen Wurzeln haben, ohne sie einer bestimmten Religion zuzuschreiben. Das Judentum, Christentum und Protestantismus haben den selben Ursprung – die Tora – vergl. Die zehn Gebote Moses. Die Interpretation der Menschheit führte zu den Einzel-Religionen und nicht selten zur Ausbeutung des Menschen selbst.
Die Menschenrechte die Marx und Franziskus verteidigen sind dieselben. Es ist auch richtig, dass Franziskus dies zur Sprache bringt:
„Als Religionsführer haben wir die Pflicht, Attacken auf die Menschenwürde und die Menschenrechte zu verurteilen“.
Auch wenn Franziskus in Marx Schriften sein eigenes Verständnis (teilweise) für die Menschenrechte gefunden hatte, und in seiner Rede sich der Marx ähnlichen „Worte“ bedient – ist es berechtigt. Es ist keine Dissertation, die man des Plagiats verdächtigen sollte. Das wollten Sie bestimmt nicht sagen, aber es könnte jemand auf solche Gedanken kommen.
Keinesfall will ich Franziskus eines Plagiats bezichtigen, ich finde es einfach nur sehr interessant, aus welchen Quellen er schöpft.
Ich kenne einige Texte von Karl Marx sehr gut und als ich das hier las, war ich einfach nur überrascht, fühlte mich erinnert, schlug nach und voilá – Treffer.
Eine solche, konkret auf Europa bezogene Gesellschaftkritik, wie sie von Franziskus in seinen Reden vorm Europaparlament und vorm Europarat verübt wurde, setzt zwingend das Studium anderer Quellen, als allein die des Neuen Testamentes oder das der katholischen Soziallehre voraus.
Und da „verrät“ dann nicht zuletzt die Wortwahl einfach oft die Quelle.
Der „Fetischcharakter der Ware“ – um nur ein Beispiel zu nennen – ist ein feststehender Terminus in der marxistischen Theorie und es ist schon überraschend, dies und anderes in ähnlicher Form dann in einer Papstrede oder in einem Apostholischen Schreiben wiederzufinden.
Insofern wiederhole ich nochmal einen Satz aus meinem 1. Post: ich bin sehr gespannt, welche konkreten Auswirkungen diese, von Papst Franziskus immer wieder vertretenen Thesen, auf die katholische Kirche und ihre Glaubenslehre letztlich haben werden.
Ich finde Ihren Gedankengang gar nicht so schlecht und anscheinend greift Papst Franziskus das auch auf. Weshalb sollte man Humanismus , Sozialismus sich das was funktioniert und sich als gut erweist nicht miteinander verbinden.
Liebe Kommentar-Schreibende
Vielleicht täusche ich mich, aber habt ihr nicht auch den Eindruck, dass es hier vorallem um ‚Rechthaben‘ geht, gescheiter sein wollen, als der andere? Ich finde das recht lamgweilig und ziehe es vor, wieder an die konkrete Arbeit für das Reich Gottes zu gehen.
Klug sein wollen kann auch eine Versuchung sein, sich vor den konkreten Aufgaben zu drücken.
Na dann mutig wieder an die Arbeit. Aber leider genügt es nicht dem Herrn wieder und wieder Deckchen zu häckeln von Zeit zu Zeit muss auch gedacht werden und geschrieben werden…..ist auch Arbeit im Weinberg des Herrn!!!
@Chrisma, so ganz Unrecht hat Beat Schwab ja nicht. Und wenn diese es vorzieht für das Reich Gottes. zu arbeiten, anstelle mit Wissen zu wetteifern, dann kann dies nicht verkehrt sein: und wenn es „nur“ Deckchen häckseln ist…! Da es aber dem Menschen eben gerade in jenem konkreten Handeln im Namen Seines Reiches geht, so hat es uns eben auch um Seine Gerechtigkeit zu gehen und nicht um unsere eigene. Gerade das spricht ja Franziskus an, dass wir eine andere Gerechtigkeit suchen sollen und nicht jene, die wir uns von BGB und andere Gesetze erhoffen, sollte uns Unrecht widerfahren. Gerade hier ist die Nachfolge Jesu ja gefragt und läd uns ein auch im „Leiden“ Ihm die Treue zu halten. Da zählt also auch und gerade jene sog.“linke Wange“, die wir unserem Peiniger hinhalten sillei…, Gutes denen tun, die uns Feind sind und die segnen, die uns verfolgen auf diese oder jene Weise….
Da wird unser ganzes Wissen wohl eher hinderlich sein, wenn nicht sogar unser eigener grösster Feind, da wir ja um etwas wissen und belesen darin sind, aber jene Worte nicht mit uns selbst Fleisch und Blut werden lassen.
Nicht alles was Recht in unseren Augen ist, ist Gerechtigkeit vor Gott…
Liebe Kaline
Ich vermute die Auswirkungen werden marginal sein.
Die Bergpredigt ist 2000 Jahre alt. Hat das die Menschen/angeblichen Christen je daran gehindert auf den NÄCHSTEN einzuschlagen? Auf dem deutschen Koppelschloss stand bis 1962 Gott mit uns. Die Menschen sehnen sich danach etwas Besseres als der Andere zu sein, zu den Guten zu gehören. Da wird dann unter dem Vorwand dass ganz große Gute zu erreichen schon gerne mal in Kauf genommen selbst böse zu sein. Und so laufen sie immer wieder jenen nach, welche trennen und Hass sähen. Wieder ganz aktuell. Westen und USA gut, Russland böse. Und auf der anderen Seite genau die gegenteilige Meinung, bis es kracht.
Dagegen kommt keine Bergpredigt dieser Welt, kein Kommunismusgedanke keine Rechtslehre an. Deren Normen für eine Gesellschaft lassen sich in der Endkonsequenz in ein Universalgesetz zusammenfassen: Schade niemand Anderen.
Alles andere ist nur religiöses, philosophisches Beiwerk.
Liebe Kalina, zum einen freue ich mich über jeden Menschen der sich sowohl mit Marx als auch mit „katholisch sein“, mit Glauben beschäftigt. Marx und Kirche ist nix neues. Die Klügeren unter den den klugen katholischen Theologen haben alle Marx gelesen. Klar schöpft der Papst aus einem reichen Fundus der mehr als die Bibel und unsere Soziallehre umfasst. Ich möchte Ihnen einen Menschen vorstellen. Henri Kardinal de Lubac SJ Lubac war einer der führenden Köpfe der der sog. „Neuen Theologie. Sie stellte sich dem Problem der Unveränderlichkeit und der Geschichtlichkeit der Wahrheit auf neue Weise. Suchte den Dialog mit den nichtchristlichen Religionen und dem Marxismus. Damit haben er und seine Mitstreiter die Hauptthemen des Zweiten Vatikanischen Konzils vorgedacht. Diese Theologen verstanden ihre „neue“ Theologie nie in dem Sinne, als sei die Tradition der Kirche fortan unbeachtlich und Theologie „vernünftig“ nur im Rahmen des derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes möglich. Lubac SJ beeinflusste im deutschsprachigen Raum vor alle Theologen wie Karl Rahner SJ, Hans Urs von Balthasar,Josef Ratzinger, Karl Lehmann und Walter Kasper. Ich denke dies ist Teil der geistigen Welt von Franziskus. Er ist Lateinamerikaner und sehr vertraut mit den wichtigsten Vertreter der sog. Theologie der Armut/Befreiung. Es gibt vom dem wunderbaren brasilianischen Mystiker Helda Kamara, Mitbegründer des Katakomenpakt während des zweiten Vatikanischen Konzils einen sehr bezeichnenden Ausspruch: „Wenn ich den Armen Essen gebe, nennen sie mich einen Heiligen. Wenn ich frage, warum sie arm sind, nennen sie mich einen Kommunisten. Den Anwurf die „Befreiungtheologen“ seien verkappte Marxisten kennen diese bereits. Dazu gibt es wenn es interessiert einen sehr schönen Aufsatz in „Stimmer der Zeit“ von Roul Fornet-Betancourt „Der Marxismusvorwurf gegen die lateinamerikanische Theologie der Befreiung. Aber dann ist da noch der Namensgeber unseres Papstes, der heilige Franziskus. Um gegen die Armut der Masse zu protestieren übernahm er die Lebensumstände der Armen. In Opposition zum aufkommenden Kapitalismus verweigert sich Franz von Assisi und findet in der gleichen Lebenssituation den ungeheuren Reichtum der armen Menschen. Wir können sicher gespannt sein wie sich der Umgang mit Marx entwickelt, wenn seine Thesen vom „ismus“ befreit werden, wenn also Diktaturen sich seiner nicht mehr bemächtigen. Zum Ende kommend möchte ich etwas ausführlicher Papst Benedikt em zitieren aus „Spe salvi „21. Aber mit ihrem Sieg (der Oktoberrevolution) wurde auch der grundlegende Irrtum von Marx sichtbar. Er hat zwar sehr präzise gezeigt, wie der Umsturz zu bewerkstelligen ist. Aber er hat uns nicht gesagt, wie es dann weitergehen soll. Er setzte einfach voraus, daß mit der Enteignung der herrschenden Klasse und mit dem Sturz der politischen Macht, mit der Vergesellschaftung der Produktionsmittel das neue Jerusalem da sein werde. Nun sind ja alle Widersprüche aufgehoben, der Mensch und die Welt sind endlich im reinen mit sich selber. Nun geht alles von selber auf dem richtigen Weg, weil allen alles gehört und alle einander das Beste wollen. So hat Lenin nach der geglückten Revolution sehen müssen, daß beim Meister nichts darüber zu finden war, wie es weitergehen solle. Ja, er hatte von der Zwischenphase der Diktatur des Proletariats als einer Notwendigkeit gesprochen, die aber dann von selber hinfällig werden würde. Diese „Zwischenphase“ kennen wir sehr genau, auch wie sie sich dann entwickelt und nicht die heile Welt freigelegt, sondern eine trostlose Zerstörung hinterlassen hat. Marx hat nicht nur versäumt, für die neue Welt die nötigen Ordnungen zu erdenken – derer sollte es ja nicht mehr bedürfen. Daß er darüber nichts sagt, ist von seinem Ansatz her logisch. Sein Irrtum liegt tiefer. Er hat vergessen, daß der Mensch immer ein Mensch bleibt. Er hat den Menschen vergessen, und er hat seine Freiheit vergessen. Er hat vergessen, daß die Freiheit immer auch Freiheit zum Bösen bleibt. Er glaubte, wenn die Ökonomie in Ordnung sei, sei von selbst alles in Ordnung. Sein eigentlicher Irrtum ist der Materialismus: Der Mensch ist eben nicht nur Produkt der ökonomischen Zustände, und man kann ihn allein von außen her, durch das Schaffen günstiger ökonomischer Bedingungen, nicht heilen.“ Und eben dieses Heil – Jesus Christus ist das was unseren Papst trägt, was EG prägt und sein ganzes Wollen und Handeln.
@ Chrisma: ein längeres Gespräch und einen schöner Wein dazu sind ganz in meinem Sinne. 🙂
Was heißt für Sie „Heilen“ im gesellschaftlichen Zusammenhang?
Marx hatte in der Tat keine Antwort und es gibt im gesamten Werk nur wenig Hinweise, wie er sich diese zukünftige klassenlose Gesellschaft vorstellt.
Was sich finden lässt, klingt eher nach einer romantischen Gesellschaftstopie, als nach einer konkreten Gesellschaftsordnung: morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden.
Insofern war Marx auch nur ein Prophet von vielen.
Prophezeites Heil ist immer eng mit der Hoffnung und der Verheißung auf einer bessere Zukunft verbunden.
Die Konkretisierung dieser Zukunft aber, bleibt bei Vor-Denkern immer im Dunkeln, denn über diese positive Erwartung hinaus kann einfach niemand verbindliche Aussagen machen.
Marx nicht, aber – und ich denke, dieser Satz trennt dann Gläubige endgültig von Atheisten – auch die katholischen Kirche nicht.
Insofern müsste der Katholizismus dann auch von seinem -ismus befreit werden.
Liebe Kalina fang ich mal mit dem Ende an: ich möchte die Welt nicht vom „ismus“ befreien nur den guten Karl Marx. Dem ist ja mit Vereinnahmung durch die diversen Diktaturen schlimmes geschehen, aus dieser Umklammerung herausgelöst ist er ein in der Tat ein Utopist. Aber genau das brauchen wir hier auf Erden. Utopisten, die eine gerechtere Welt denken. Oder um es mit Che Guevara zu sagen: Seid realistisch! Fordert das Unmögliche. Ob diese Utopien nun aus mehr gläubigem Spektrum (Utopia von Thomas More/Morus, auch ein spannender Vorläufer von Karl Marx) oder aus dem mehr atheistischen/agnostischen Lager können wir erst mal dahingestellt lassen. Und seit Vatikanum II und Lebac SJ sind wir hoffentlich alle in einem spannenden Dialog miteinander.
Was heißt für mich „Heilen“ in gesellschaftlichen Zusammenhang??? Ich will es mal so beantworten und das Wort „Heil“ auf den Satz anwenden: vom Kreuz geht heil aus. Ich bin römisch katholisch. Geprägt durch lange Lebensjahre in Lateinamerika ist für mich dem neuen Testament auch ein politischer Auftrag zu entnehmen. Ausgehend von der Bergpredigt und Jesus Wort: was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, habt ihr mir getan. Hier geht das Heil welches für mich ja vom Kreuz ausgeht in konkretes politisches Handeln über. Papst Franziskus fasst das in Eindeutigkeit in EG zusammen. HIER NUR EIN KURZER Auszug „49. Brechen wir auf, gehen wir hinaus, um allen das Leben Jesu Christi anzubieten! Ich wiederhole hier für die ganze Kirche, was ich viele Male den Priestern und Laien von Buenos Aires gesagt habe: Mir ist eine „verbeulte“ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist.“……. Strukturen, die uns einen falschen Schutz geben, in die Normen, die uns in unnachsichtige Richter verwandeln, in die Gewohnheiten, in denen wir uns ruhig fühlen, während draußen eine hungrige Menschenmenge wartet und Jesus uns pausenlos wiederholt: » Gebt ihr ihnen zu essen! « (Mk 6,37).Der Blick in die Welt heute könnte uns mutlos stimmen, ich habe in zwei Kontinenten (Lateinamerika und Afrika) bitterste Armut gesehen – so wie Engels es in „Zur Lage der arbeitenden Klasse in England“ beschreibt, nein mutlos hat es mich nicht gemacht, ehe mutiger und die Kraft für diesen „Mut“ nehme ich aus dem Leben Jesu hier auf Erden. Nein das Paradies bekommen hier auf Erden nicht hin, aber vielleicht finden wir es nach unserer Zeit hier auf Erden. Aber dazu gehört eben auch unser Glaube. Soweit erst mal.
Das historische Menschenbild eines an Gott glaubenden Menschen ist zugleich das Menschenbild der Zukunft, darin es eben dem Menschen aufgetragen ist, in dieses historische Menschenbild um- und wieder einzukehren: Ab-bzw. Ebenbild des unsichtbaren Gottes (wieder) sein zu dürfen. Da alles durch den Willen Gottes geworden ist: der Geist Gottes alles belebt und lebendig macht, sowie auch in dessen Weisheit den Menschen führt und leitet, so ist es doch m.E. unerheblich ob etwas biblisch und somit schriftlich erfasst ist oder nicht, denn: auf was kann sich der Mensch berufen? Kommt nicht alles Gute, alle Weisheit und Erkenntnis von Gott? Mag die Geschichte Ihnen recht geben, darin sich der Mensch einer solchen Entwicklung rühmt. Der Glaubende weiß, dass es der Geist des Herrn ist, mit, in und durch den der Mensch solche Früchte hervorbringen kann, welche Sie, geehrte Kaline, hier aufzeigen und der römisch-griechischen Antike zuschreiben, bzw. deren damaligen Geist und das eben nicht dem Menschen zuzuschreiben ist…wie geschehen und Sie es bezeugen. Aber ist nicht genau darin mitunter die Wurzel allen Übels zu finden, darin sich eben der Mensch in den Mittelpunkt stellt?…von ihm, dem Menschen, alles auszugehen scheint?,.diese Egozentrik des menschlichen Geistes eben zu jenem Chaos führt, welches wir heute vor Augen haben…und über diesem auch heute, wie vor Urzeiten, der Geist Gottes schwebt um eben dieses Chaos wieder der göttlichen Ordnung zuzuführen…?
@ Guardianus: Sie sagen einerseits: alles Gute, alle Weisheit und alle Erkenntnis käme von Gott und andererseits: die Wurzel allen Übels sei der sich selbst in den Mittelpunkt stellende Mensch.
Nun, da aber der Mensch ein Geschöpf Gottes ist und, wie sie es ausdrücken, von ihm geleitet wird, muss diese Egozentrik ja in der Schöpfung irgendwie als Möglichkeit im Menschen angelegt worden sein oder wie sollte der Mensch sonst auf solche Ideen kommen?
Wenn Sie, geehrte Kaline, die (absolute) Freiheit, die der Mensch von Gott geschenkt bekommen hat und gerade darin dessen wirkliches wie auch lebendiges Ebenbild Gottes ist, als Möglichkeit zu dieser falschen, bzw. krankhaften Ichbezogenheit sehen wollen, dann haben Sie damit recht. Gott hat dieses Risiko einer falsch genutzten Freiheit auf sich genommen, ohne die aber -logischer Weise- der von Gott geschaffene wie auch von IHM lebendig gemachte Mensch niemals wirklich Sein Ebenbild wäre, da Sein Wesen eben die absolute Freiheit wie auch das absolute Gute ist.
Es wird Sie vielleicht, geehrte Kaline, nicht zufrieden stellen, aber ich denke, dass das Dasein des Bösen im Menschen, bzw. die vom Menschen genutzte Möglichkeit sich diesem absolut Guten zu widersetzen, in einer Sphäre verborgen ist, die sich unserem Wissensdurst ewiglich zu verschließen scheint: für immer (vielleicht) ein Geheimnis bleibt. Und Geheimnisse, so sagt ein weiser und kluger Mensch, sollte man(n) wie auch Frau: der menschliche Geist, nicht aufstöbern wollen. Wenn sich dieses Geheimnis nicht von selber preis gibt, dann sollten wir es in Ruhe lassen und diesem ehrfürchtig begegnen. Alles andere, so jener Mensch, würde sich dann furchtbar rächen.
Das „furchtbarste“, was uns Gott geschenkt hat, das ist eben diese absolute Freiheit: die freie Entscheidung für Ihn (und nennen wir diese Entscheidung einmal: Liebe) oder eben die freie Entscheidung gegen Ihn: grundsätzlich wie auch in so vielen kleinen Verfehlungen, die ich einmal Ungehorsam gegenüber Gottes Willen bezeichnen möchte……
Gott hilft uns dabei, unseren armseligen Geist stark für das Gute zu machen: nicht was der Mensch allgemeinhin als „gut“ bezeichnet, sondern was wirklich und wahrhaft gut und heilsam ist…
Sie haben zwar nicht mich gefragt, aber ich hätte eine Antwort: die Freiheit. Gott hat keine Marionetten geschaffen, sondern freie Wesen. Da Gott im innersten Liebe ist, will er niemanden zwingen. Lieben muß man immer freiwillig. Daher kann Gott nicht zwingend bewiesen werden – es gibt zwar deutliche und unwiderlegbare Argumentationen, aber alle verlangen einen Selbstbezug und das ist wiederum ein Akt der Freiheit.
Freiheit und Wahrheitsfähigkeit – und damit die grundsätzliche Möglichkeit zur Gotteserkenntnis greifen aber beide von ihrer Struktur her auf Absolutes aus, und dieses Bewußtsein -so diffus es auch sein mag – irgendwie strukturell über den endlichen Dingen zu stehen führt meistens zu einem gewissen Größenwahn, bei dem man sich für das Zentrum des Universums hält. Im günstigsten Fall ist das ein Durchgangsstadium und geht wieder vorbei, das Ego schrumpft und läßt Platz für die Entdeckung, daß das Absolute in mir Geschenk und Versprechen Gottes, Verpflichtung gegenüber den Mitmenschen und reine Gnade ist. Im der Mehrzahl der Fälle bleiben die Leute aber leider irgendwo in dieser Entwicklung stecken. Da bauen sie sich dann ihre eigene Welt. Dessen ungeachtet betrachtet, begleitet und erwartet Gott jeden einzelnen von uns in Liebe. Und das sollten wir Menschen auch untereinander so halten, da jeder von uns ein Kristallisationspunkt der Unendlichkeit ist.
Wir sind nicht nur alle ein Kristallisationspunkt der Unendlichkeit, wir sind vor allem auch alle endlich.
Das Bewusstsein um die eigene Endlichkeit relativiert im Prinzip jegliches materielles Gut, jeden Erfolg, jeden Ruhm, jeden noch so klugen Gedanken aber auch das eigene Schicksal und das eigene Glück.
Unter dieser Prämisse sind wir alle angetreten, das macht uns alle einander gleich und doch zugleich auch jeden von uns einzigartig, weist uns über uns selbst hinaus in einen größeren Zusammenhang.
Jeder kann nur sein Leben leben und seinen Tod sterben.
Jedes individuelle Leben und jeder Tod wirkt einerseits auf die Gesellschaft ein, in der dies stattfindet, aber wirkt auch auf uns zurück.
Das beschreibt unsere Abhängigkeit und heißt im Letzten auch, dass es keine absolute Freiheit im Sinne einer vollkommenen Autonomie geben kann, weder gesellschaftlich noch individuell.
Freiheit, Gleichheit, Individualität so verstanden – sind Spannungsfelder in denen wir uns alle bewegen müssen, ob wir wollen oder nicht.
Meine Betonung liegt dabei auf dem Wort „Bewegung“.
Diese abstrakten Begriffe lassen sich nämlich geschmeidig mit jedweder Weltanschauung und jeglichen Menschenbild verbinden um daraus entsprechende Normen, Werte und Rechte abzuleiten.
Freiheit, Gleichheit, Individualität kann man nicht gleichsetzen mit dem Guten oder der Wahrheit oder gar einem „Endziel“.
Das sind vielmehr unsere Aufgaben, denn die Annahme, es seien bereits die Lösungen oder gar Heilmittel für menschliche, gesellschaftliche oder politischen Probleme führt, wie die Geschichte zeigt, zu einem Größenwahn, der auch in einem Völkermord noch das Gute zu erkennen glaubt.
Wer sagt, dass der Mensch endlich ist, bzw. wer kann es beweisen? Und was hat dies mit diesem Thema zu tun?…Um was geht es Ihnen wirklich?
…und wenn Sie sich fragen, welche konkreten Auswirkungen die Thesen des Papstes Franziskus auf die katholische Kirche und deren Glaubenslehre haben wird, so liegt doch die Antwort hierfür quasi ja schon parat, wenn wir auf das Wort Gottes schauen…auf Jesus Christus.Welche konkrete Auswirkungen hat es bis heute….? Dem Diener geht es nicht besser wie dessen Herrn….sagt das Wort Gottes. Und haben Sie dann nicht die Antwort…?