„Predigen grenzt an Hybris“ schreibt Johannes Leitlein in der aktuellen Ausgabe von Christ & Welt (4. Januar), der Beilage der Zeit. Und damit der Satz auch nicht untergeht, ist es der Titel. Und ich stimme aus ganzem Herzen zu, als einer, der selber ab und zu da oben steht, liturgisch gekleidet ist und sprechen muss/darf/soll.
Das Ganze ist natürlich Ergebnis der Debatte, was Predigten politisch sagen dürfen oder müssen, wo sie sich zurückhalten oder nach vorne stürzen dürfen, wenn es um im weitesten Sinn politische Themen geht. Und welches Thema heutzutage ist nicht politisch?
Im Artikel heißt es: „An kaum einem Ort wird Zuhörern noch ein 20-minütiger Monolog zugemutet, gar erwartet, jemand ließe sich davon trösten oder bekehren.“ Wie wahr! Es ist eine Kommunikationsform, wie es sie sonst fast nur noch in Hörsälen gibt und bei Festakten, wo viel geredet wird. Trost und Bekehrung sind dort aber keine Kategorien, jedenfalls ist mir das noch nie aufgefallen.
Selber daran glauben
Prediger „sind gefordert, die gute Botschaft zu übersetzen, zu deuten und dabei zumindest den Eindruck zu erwecken, sie würden selbst daran glauben und daraus Kraft und Hoffnung schöpfen,“ heißt es in dem Artikel. In den Worten des Papstes „Die Homilie ist der Prüfstein, um die Nähe und die Kontaktfähigkeit eines Hirten zu seinem Volk zu beurteilen“. Das ist eine steile Ansage und stammt aus dem Text, der immer noch Leitfaden für das Verstehen dieses Papstes ist, Evangelii Gaudium (ab Nr. 135, von da stammen auch die Zitate). Dort findet sich nämlich einen eigenen Teil zur Predigt. Die Gläubigen, heißt es da, „wie die geweihten Amtsträger selbst, leiden oft, die einen beim Zuhören, die anderen beim Predigen. Es ist traurig, dass das so ist.“
Kein Vortrag, keine Unterhaltungsshow, nicht wichtiger als die liturgische Feier, kurz: so soll die Predigt sein. Das Wichtigste: Die Vorbereitung. Deswegen widmet er Papst genau dem überraschend viel Text in seinem Schreiben.
Teil der Liturgie, keine Show
Warnungen – wie die implizite von der Hybris – kommen eher als Ratschläge daher, aber gehen in die gleiche Richtung: in einer Welt, die eigentlich ganz anders kommuniziert, muss man genau wissen, was man da tut und wie man das tut, die Predigt „entspricht nicht der Logik medialer Möglichkeiten“, sagt der Papst. Ein fast schon böser Satz, denn er trennt das, was wir Predigt nennen, vom normalen Kommunikationsgeschehen, das ja notwendigerweise den medialen Logiken folgen muss.
An dieser Stelle muss man natürlich auch über das Setting reden, meistens sitzen wir da ja in Kirchen in Jacke und wie in der Schulbank, das ist nicht wirklich das sich-Versammeln-um-den-Altar, von dem die Gebete sprechen. Das Problem ‚Predigt‘ ist also in Wirklichkeit noch viel größer, aber bleiben wir für jetzt erst einmal beim gesprochenen Wort.
Die Predigt ist zuerst und vor allem anderen ein geistliches Geschehen. Keine Belehrung, keine Information, nicht Vortrag oder Vorlesung. In immer neuen Ideen und Formulierungen dreht sich der Papst um genau diesen Grundgedanken. Ich behaupte einmal, dass viele Menschen beim auswählen, wo sie Sonntags hingehen, das zumindest instinktiv mitbedenken. Es geht auch um anderes, aber wenn man spürt, dass da ein geistliches Geschehen ist, dann ist das anziehend und bildet Gemeinde.
Nichts davon beantwortet die Frage, was denn eine Predigt darf und was nicht, wo Politik vorkommt und wo nicht. Aber wenn es zu Christus führt und Christus im Leben Widerhall finden lässt, dann ist das schon ein guter Schlüssel für das, was Thema einer Predigt sein kann.
“Im Artikel heißt es: „An kaum einem Ort wird Zuhörern noch ein 20-minütiger Monolog zugemutet, gar erwartet, jemand ließe sich davon trösten oder bekehren.“ Wie wahr! Es ist eine Kommunikationsform, wie es sie sonst fast nur noch in Hörsälen gibt und bei Festakten, wo viel geredet wird. Trost und Bekehrung sind dort aber keine Kategorien, jedenfalls ist mir das noch nie aufgefallen.”
Sind 20 Minuten vielleicht nicht etwas lang?
Laut der Quelle:
https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/1026.html
sollen Papst Franziskus eigene Predigten eher 10 Minuten lang sein:
“Franziskus benennt kein konkretes Richtmaß für die Dauer einer Homilie. Dann aber darf gefragt werden: Wie lang sind seine eigenen Predigten? Bei einer kleinen Suche im Predigtarchiv auf der Website des Vatikans[6] finde ich nur wenige Predigten mit mehr als 1000 Wörtern (in der italienischen Fassung etwa 1291 Wörter beim feierlichen Amtsantritt). Die Homilie zum Abschluss des Konklaves umfasste sogar nur 453 Wörter. Meist sind es 700–900 Wörter. Im Sprechtempo bewegt sich die Dauer der päpstlichen Predigten etwa zwischen 6 und 15 Minuten[7], der Durchschnitt dürfte bei etwa 10 Minuten liegen.”
Wobei ich damit leben kann; habe nur mal erlebt, wie jemand ohne besonders leise oder unauffällig zu sein mit deutlichem Raunen hinsichtlich der Zeitdauer während der Predigt – die auch für meinen Geschmack zu lang war – den Gottesdienst verließ.
Es kommt auf den den Inhalt der Predigt und die Authentizität des Predigers an, gleich ob dieser drei oder dreißig Minuten predigt. Ein ‘geweihter Amtsträger’ leidet sicherlich nicht an der Dauer des Sprechens – außer er ist erkältet -, sondern an der Diskrepanz, dass der alte Wein, den er ausschenken soll, in zwei- bis dreitausend Jahren mitunter zu Essig geworden ist; denn ohne Kosmologie (stellvertretend für das aufgeklärte, autonome menschliche Erkennen der Weltbezüge und ein daraus abgeleitetes biophiles Handeln) wird die Theologie weltfremd, wie man in einem Interview in freundlicher, freimütiger Klarheit nachlesen kann: http://www.deutschlandfunk.de/katholische-kirche-wir-brauchen-keine-priester-und-keine.694.de.html?dram:article_id=340730
Ein sehr interessanter Link, vielen Dank dafür.
Eine Vertiefung des Vorgenannten: http://www.wir-sind-kirche.at/artikel/unseren-glauben-zeitgemaess-leben-und-verkuenden
Ich danke Ihnen.
Die Predigt ist zu lang, wenn sie nichtssagend, langweilig oder am Thema vorbei ist.
Dann lieber nicht predigen. Bitte, dann lieber die Liturgie sprechen lassen.
Ich gehe auch wenn es ein Priester einfach nicht kann und meint er könne es doch.
die Predigt von PF bei der gestrigen Taufe entstammt vermutlich aus keinem “Lehrbuch…”
aber sie hat die Menschen ergriffen!!
das ist der Punkt!
oder um es mit Beethoven`s eigene Intention seiner “Missa solemnis” zu sagen:
VON HERZEN_MÖGE ES ZU HERZEN GEHEN
Sollten Gläubige eigentlich irgendwie darauf reagieren, wenn der Prediger erkennbar nicht selber an die gute Botschaft glaubt?
Um ein übertriebenes hypothetisches Beispiel zu nennen, wenn der Prediger z.b. an Ostern die Auferstehung Jesu und das leere Grab als rein symbolisch darstellen würde und in der realen physischen Welt natürlich der Körper im Grab liegen blieb und sich in üblicherweise zersetzte.
(Nein, habe sowas nicht erlebt; dem am nächsten kommenende war eine Mitchristin von der “sola scriptura” evangelischen Kirche, die in der Predigt die wörtlich im Lesungstext von Jesus genannte Verdammnis bestritt)