„Die Bischofkonferenz von XZ ruft zum Frieden auf“: Das sind so Meldungen, die wenn sie auf meinen Schreibtisch kommen ich gerne ‚in die runde Ablage lege’, weil es so selbstverständlich klingt. ‚Bischofskonferenz spricht sich gegen Frieden aus’, das wäre eine Meldung. Eine unsinnige, aber sie würde Aufmerksamkeit erregen.
Was ich damit sagen will: Wenn Kirche für Frieden ist, wenn sie für Frieden spricht, dann kann das gerne ins Selbstverständliche und abstrakte abgleiten. Für Friedern, Toleranz, Geschwisterlichkeit ist man immer.
Nun ist Papst Franziskus in ein Land gereist, wo Frieden auf der Tagesordnung steht. Ein Abkommen dazu ist geschlossen, eine weitere Rebellengruppe scheint zumindest bereit zum Frieden zu sein. Der Papst hatte da seinen Anteil dran, das gab auch Staatspräsident Santos zu: Kolumbien scheint auf einem guten Weg, auf einem Weg zum Frieden.
In all seinen Reden hat Papst Franziskus während seiner Reise durch das Land vom Frieden gesprochen. Und er hat noch einen drauf gelegt, denn Frieden allein bleibt ja wie gesagt abstrakt. Der Weg dahin, das ist das Schwierige. Und den hat der Papst mit ‚Versöhnung’ benannt.
Frieden ist abstrakt, Versöhnung nicht
Frieden ist einfach, da sind wir alle für. Bei Versöhnung ist das schon anders. Nehmen wir etwa das, was der Papst am Freitag in Villavicencia, einer früher stark umkämpften Stadt, vor Tätern und Opfern der Kämpfe gesagt hat: Es ist schwer zu akzeptieren, dass die Täter, die mit den Waffen, jetzt Frieden finden und nicht Bestrafung. Das war ja auch das Problem und ist noch das Problem bei der Akzeptanz des Friedensprozesses im Land, viele wollen Bestrafung, und dafür gibt man natürlich nicht seine Waffen ab. „Es ist schwer, den Wandel derer zu akzeptieren, die grausame Gewalt angewendet haben“, ein klarsichtiger Satz der vielen sicherlich aus dem Herzen spricht.
Der Papst hat dazu etwas Bemerkenswertes, aber auch Gewagtes gesagt: Alle sind Opfer, „schuldig oder unschuldig, aber alle Opfer. Alle vereint in diesem Verlust von Menschlichkeit, den die Gewalt und der Tod mit sich bringen.“ Das ist gewagt, weil der Satz natürlich missverstanden werden kann, Täter und Opfer tragen eben nicht dieselbe Verantwortung für die Gewalt. Aber der Nachsatz, der Verlust an Menschlichkeit, hier stimmt der Satz eben und diese Einsicht ist der Kern für Versöhnung.
Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Wahrheit
„Auch wenn Konflikte, Gewalt oder Rachegefühle fortbestehen, dürfen wir nicht verhindern, dass Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sich umarmen und so die Leidensgeschichte Kolumbiens auffangen.” Also: die Konflikte gibt es weiter, auch die Rachegefühle sind da, sie sind verständlich. In sich sind sie aber noch kein Hindernis für den Versöhnungsprozess, sondern erst dann, wenn man ihnen nachgibt und sie die Realität und Mentalität beherrschen lässt, so verstehe ich den Papst.
Und dann ist da noch das Wort ‚Wahrheit’, auch das sehr wichtig und gleichzeitig unbequem. Denn wie soll man damit umgehen? Steht die dem nicht im Weg? Heißt Versöhnen nicht auch, diese Dinge nicht zu wichtig werden zu lassen und vielleicht sogar nicht genau hinzuschauen, nicht vor Gericht bringen, nicht laut benennen? Nein. „Die Wahrheit ist die untrennbare Gefährtin der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. .. Wahrheit heißt, den vom Schmerz zerstörten Familien zu berichten, was mit ihren vermissten Angehörigen geschehen ist. Wahrheit heißt, das zu bekennen, was den von den Gewalttätern angeworbenen Minderjährigen passiert ist. Wahrheit heißt, den Schmerz der Frauen anzuerkennen, die Opfer von Gewalt und Missbrauch geworden sind.“ Nur so wird daraus Vergebung und Versöhnung.
Verdrängen wäre einfacher
Das ist der schwierige Weg. Vergessen und Verdrängen wäre einfacher, würde aber den Frieden vergiften. Das gab es oft genug, auch Deutschland nach 1945 hat vorgezogen, viel zu vergessen und viele ehemalige Täter sind ins neue System rübergerutscht, vielfach kam die Wahrheit erst ab den 60er Jahren ans Licht. Südafrika hat versucht, mit der Wahrheitskommission einen anderen Weg zu gehen. Hoffen wir, dass es Kolumbien auch gelingt.
„Ich komme in Ehrfurcht und im klaren Bewusstsein, mich wie Moses auf heiligem Boden zu befinden“, hatte der Papst zu Beginn gesagt, viel religiöser kann man ein Friedenstreffen gar nicht aufladen. Moses hatte Gott zu sich sprechen gehört, auf diesem heiligen Boten. Wenn zwischen diesen Menschen, die dort versammelt waren und offensichtlich zu Versöhnung bereit, die auch schaffen, dann wäre das tatsächlich nichts weniger als das: Das Hören der Stimme Gottes.
Meine Ansicht zum Frieden auf dieser Welt:
„Frieden ist einfach, da sind wir alle für.“ Ich glaube, wenn dem so ist, dann haben Menschen, insbesondere Regenten, massive Probleme damit, sich für das einzusetzen, was ihnen wirklich am Herzen liegt. Vielleicht ist Frieden der Wille aus dem Potential, das uns als Menschheit zur Verfügung steht, um damit die Versöhnung unter den Menschen zu erreichen.
Ich muss mir nur die verbale Auseinandersetzung zwischen Deutschland und der Türkei ansehen, um darin zu entdecken, wie machtlos man letztendlich als gleichwertiger Mensch den Regenten gegenübersteht, wenn nicht die Wahrheit das Wort führt sondern das Wort die Wahrheit bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Warum kann man in dieser verfahrenen Situation nicht einlenken, um dem Gift, das verspritzt wird seine Wirkung zu nehmen? Wer hält wen davon ab, Worte nicht als Kriegsaufforderung zwischen die Völker zu sähen sondern als Lösung für den Frieden einzusetzen? Angst ist der beste Klebstoff für einen Krieg zwischen den Menschen, denn mit Angst wird das wahre Potential des Menschen, die Wahrheit als geistvolle Substanz unterdrückt, und der Lüge geopfert die im unbedingten Wunsch nach endgültigem Frieden durch ihre geteilten Ansichten auf der Suche nach gemeinsamen Lösungen feststeckt.
Manchmal fehlt es dadurch an dem Nachdruck, der durch Handlungen entsteht, die dem verbalen Austausch folgen, um den Worten auch Gehalt zu verleihen, das im Potential der Wahrheit steckt. Jeder Moment ist dafür geeignet, sich mit Leib und Leben hinter das zu stellen, was man damit zum Ausdruck bringt. Was nützt es, sich auf ein Volk zu berufen und ihm dann nicht den Rücken zu stärken indem man die eigene Position für das gemeinsame Ziel im Frieden einsetzt.
Frieden beginnt im familiären Umfeld und endet in dem Volk für das er steht, um sich auch über die Grenzen hinaus zu verbreiten. Es ist schwer als Familienglied eines so gewachsenen Volkes den Heiligen Vater als gleichberechtigten Partner anzunehmen, wenn man sich nicht davor bewahrt, ihn als solcher zu ersetzen. Damit meine ich, die Kirche ist Mutter im geistigen Anspruch den sie durch die Substanz der Wahrheit aus dem Wort selbst bieten kann und sollte deshalb nicht von menschlichen Grenzen eingeengt, in sich selbst versinken sondern an der Gemeinschaft mit Gott in einem Weltbild wachsen, dessen Inhalt von einer unsagbaren Vielfalt geprägt ist.
Was ist mit “Wiedergutmachung”? Bei “Gerechtigkeit” bzw. “Wahrheit” klingt dies für mich an.
Vielen Dank für die Sendungen/Interviews von Radio Vatikan zu Kolumbien, FARC, Versöhnungsprozessen. Ich habe manches mehrfach angehört. Das ist richtig gut gemacht und sehr interessant.