Haben wir die Worte und die Sprache und das Konzept und die Ideen, heute über unsere Weise der Verkündigung zu sprechen? So würde ich die Suche beschreiben, die im Augenblick bei der Bischofssynode in Rom zu beobachten ist.
Vor allem in der ersten Woche wurde immer wieder ein Text zitiert, er bereits einige Jahre alt ist, aber erstaunlicherweise wenig von seiner Frische verloren hat: evangelii nuntiandi (1975) von Papst Paul VI. Auch dieser Text ist aus einer Synode heraus erwachsen, der dritten Bischofssynode.
Bei der Erstellung des Arbeitsdokumentes für die diesjährige Synode habe man sogar überlegt, evangelii nuntiandi noch einmal mit den Vorbereitungstexten zu verschicken, so einer der Mitarbeiter im Vatikan, nur halb scherzend. Aber er präzisiert dann auch: Die Theorie sei immer noch gültig, der Kontext sei aber ein völlig anderer geworden, die Szenarien der Verkündigung hätten sich gewandelt.
Werfen wir einen Blick auf den Text:
„Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde“
Das Dokument beginnt mit dem Gedanken der „Sendung“, des Auftrages Jesu, die frohe Botschaft weiter zu verkünden, wie er selber diese „Sendung“ vom Vater erhalten habe. „Alle Gesichtspunkte seines Mysteriums – die Menschwerdung selbst, die Wunder, die Unterweisungen, die Sammlung von Jüngern, die Aussendung der Zwölf, das Kreuz und die Auferstehung, das Verbleiben seiner Gegenwart inmitten der Seinigen – zielen auf diese vorrangige Tätigkeit: die Verkündigung der Frohbotschaft.” (Nr. 6)
Im Anschluss geht es erst einmal um den Inhalt, um das Reich Gottes und das Heil für die Menschen und die Vergebung der Sünden: All das habe Jesus mit Vollmacht verkündigt und den Menschen ebenfalls zur Verkündigung aufgetragen (Nr. 8-12). „Jene, die aufrichtig die Frohbotschaft annehmen, vereinigen sich also kraft dieser Annahme und des gemeinsamen Glaubens im Namen Jesu, um gemeinsam das Reich zu suchen, es aufzubauen, es zu leben. Sie bilden eine Gemeinschaft, die ihrerseits evangelisiert. Der Auftrag, der den Zwölf gegeben wurde – ‚Gehet hin, verkündet die Frohbotschaft’ –, gilt auch, wenngleich in anderer Art, für alle Christen“ (Nr. 13). Die Verkündigung sei ihr aber nicht zur Verfügung, sondern als Pflicht aufgegeben, zitiert das Schreiben den Apostel Paulus: Ruhm dürfe damit nicht erworben werden, im Gegenteil. Damit betont Papst Paul, dass die Verkündigung kein Selbstzweck sei oder um der Kirche Willen geschehen geschehe. (Nr. 14)
Kirche und Verkündigung, Verkündigung und Kirche
Verkündigung und Kirche stehen in einem gegenseitig abhängigen Verhältnis: „Die Kirche entsteht aus der Evangelisierung durch Jesus und die Zwölf. Sie ist deren normales, gewolltes, ganz unmittelbares und sichtbares Ergebnis”, beides ist nicht voneinander zu trennen: Kirche ohne Verkündigung ist nicht Kirche und Reden über Jesus ohne die Kirche, die Gemeinschaft der Hörenden, gibt es nicht (Nr. 14, siehe auch Nr. 16).
Das bedeutet aber nicht, das beide identisch sind. Aber es bedeutet, dass die Kirche niemals eine in sich abgeschlossene Sache ist, wenn sie sich nicht öffnet – etwas, was durch Weitergabe notwendigerweise passieren muss – dann verliert sie das, um dessen Willen sie da ist.
Aber sie ist nicht nur Subjekt dieser Evangelisierung, „die Kirche, Trägerin der Evangelisierung, beginnt damit, sich selbst zu evangelisieren“; noch einmal ein klarer Verweis darauf, dass die Kirche nicht Herrin des Glaubens ist, wie Paulus sagt, sondern selber immer wieder der Bekehrung bedarf (Nr. 15). Ein Gedanke, der auch bei der augenblicklichen Bischofssynode sehr stark ist.
Es geht nicht um die Zahlen
Die Verkündigung sei eine dynamische Wirklichkeit, so der Text weiter (Nr. 17), „Es ist unmöglich, sie zu erfassen, wenn man sich nicht darum bemüht, alle ihre wesentlichen Elemente in die Betrachtung mit einzubeziehen.“ Eine klare Absage an exklusive Listen oder Vereinfachungen, aus denen Erfolgsrezepte zu folgern wären. Auch hier gilt die Dimension der „inneren Wandlung“ (Nr. 18). „Für die Kirche geht es nicht nur darum, immer weitere Landstriche oder immer größere Volksgruppen durch die Predigt des Evangeliums zu erfassen, sondern zu erreichen, dass durch die Kraft des Evangeliums die Urteilskriterien, die bestimmenden Werte, die Interessenpunkte, die Denkgewohnheiten, die Quellen der Inspiration und die Lebensmodelle der Menschheit, die zum Wort Gottes und zum Heilsplan im Gegensatz stehen, umgewandelt werden” (Nr. 19): Das Denken und das Beten soll sich Bekehren.
Anschließend geht das Dokument auf die Verkündigung durch das persönliche Zeugnis und durch ausdrückliche Evangelisierung ein. Dazu gehöre auch immer die Zustimmung des Herzens des Hörenden, „So treten also jene, deren Leben umgewandelt ist, in eine Gemeinschaft ein, die selbst ein Zeichen der Umwandlung, ein Zeichen des neuen Lebens ist: es ist die Kirche, das sichtbare Sakrament des Heiles” (Nr. 23).
Das Was: Befreiung und Entwicklung
Teil Drei des Textes widmet sich dem Inhalt der Evangelisierung, es geht also um das „Was“. Es geht um die große Hoffnung auf das Kommen des Herrn, um Erlösung und Gemeinschaft in Christus. Ganz zentrale Themen des Glaubens sind automatisch auch ganz zentrale Themen der Verkündigung, die Dinge lassen sich nicht voneinander trennen.
In diesem Absatz findet sich auch das stärkste Statement aus dem Vatikan in Bezug auf die Theologie der Befreiung. „Es ist bekannt, mit welchen Worten (..) zahlreiche Bischöfe aus allen Kontinenten, vor allem die Bischöfe der Dritten Welt, mit einem pastoralen Akzent gerade über die Botschaft der Befreiung gesprochen haben, wobei die Stimme von Millionen von Söhnen und Töchtern der Kirche, die jene Völker bilden, miterklungen ist. Völker, wie Wir wissen, die sich mit all ihren Kräften dafür einsetzen und kämpfen, dass all das überwunden wird, was sie dazu verurteilt, am Rande des Lebens zu bleiben: Hunger, chronische Krankheiten, Analphabetismus, Armut, Ungerechtigkeiten in den internationalen Beziehungen und besonders im Handel, Situationen eines wirtschaftlichen und kulturellen Neokolonialismus, der mitunter ebenso grausam ist wie der alte politische Kolonialismus. Die Kirche hat (..) die Pflicht, die Befreiung von Millionen Menschen zu verkünden, von denen viele ihr selbst angehören; die Pflicht zu helfen, daß diese Befreiung Wirklichkeit wird, für sie Zeugnis zu geben und mitzuwirken, damit sie ganzheitlich erfolgt. Dies steht durchaus im Einklang mit der Evangelisierung.“ (Nr. 30).
Eine zweite Dimension sei die Entwicklung des Menschen in Freiheit und Würde, beides – Befreiung und Entwicklung – sei nur zusammen zu denken, „da man ja den Schöpfungsplan nicht vom Erlösungsplan trennen kann, der hineinreicht bis in die ganz konkreten Situationen des Unrechts, das es zu bekämpfen, und der Gerechtigkeit, die es wiederherzustellen gilt“ (Nr. 31). Ganz zentral werde dabei die Liebe, die beide Dimensionen verbinde. Das stelle auch sicher, dass die Befreiung nicht einseitig und politisch-wirtschftlich bleibe, sondern den ganzen Menschen mit allen seinen Dimensionen sehe, einschließlich seiner Öffnung auf das Absolute, auf Gott (Nr. 33) und sein Reich (Nr. 34). Dazu brauche es sowohl gerechte Strukturen als auch innere Bekehrung, das eine ohne das andere halte nicht (Nr. 36). Dazu gehöre auch die Gewährleistung von menschlichen Grundrechten, unter denen der Religionsfreiheit eine „erstrangige Bedeutung“ zukomme (Nr. 39).
Das Wie: Kühn und umsichtig
Teil Vier des Schreibens befasst sich dann mit dem „Wie“, den Wegen der Evangelisierung. Zunächst wird das scheinbar Selbstverständliche festgestellt: Die verschiedenen Umstände lassen die Mittel und Wege variieren. Es ist nur scheinbar selbstverständlich, weil gleichzeitig Kühnheit und Umsichtigkeit von den Verkündern in der Wahl der Mittel erforderlich sei. So ganz einfach scheint das Erkennen der richtigen Wege dann doch nicht zu sein (Nr. 40).
Zu den Mitteln selber werden acht unterschiedliche Bereiche benannt: Das Zeugnis, die Predigt, die Wortliturgie, die Katechese, die Massenmedien, der persönliche Kontakt, die Rolle der Sakramente und die Volksfrömmigkeit (Nr. 41-48).
Wie es Paul VI. an anderer Stelle ausgedrückt hat: „Der heutige Mensch hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind“. Dieser von ihm selbst zitierte Gedanke zieht sich durch alle acht Bereiche. Gegen die Wort- und Bildflut ist echte lebendige Predigt zu setzen. In der liturgischen Verkündigung und der Katechese müssen der Verkünder und sein Glaube selber sichtbar und erkennbar sein, was auch für die „moderne Kanzel“, die Massenmedien, und erst recht für den persönlichen Kontakt gelte.
Das letzte Wort hier gilt der Volksfrömmigkeit, die ihre Grenzen habe, weil sie dem Eindringen religiöser Fehlformen ausgesetzt sei, wie zum Beispiel dem Aberglauben. Aber: „Ist sie aber in der rechten Weise ausgerichtet, (..) dann birgt sie wertvolle Reichtümer in sich. In ihr kommt ein Hunger nach Gott zum Ausdruck, wie ihn nur die Einfachen und Armen kennen. Sie befähigt zur Großmut und zum Opfer, ja zum Heroismus, wenn es gilt, den Glauben zu bekunden. In ihr zeigt sich ein feines Gespür für tiefe Eigenschaften Gottes: seine Vaterschaft, seine Vorsehung, seine ständige, liebende Gegenwart. Sie führt zu inneren Haltungen, die man sonst kaum in diesem Maße findet: Geduld, das Wissen um die Notwendigkeit, das Kreuz im täglichen Leben zu tragen, Entsagung, Wohlwollen für andere, Respekt.“ (Nr. 48)
Wen? Die gesamte Schöpfung!
Ambitioniert wird der Auftrag Jesu zitiert, den er zum Abschluss des Markusevangeliums den Aposteln gibt und der die Grundlage aller Verkündigung wird: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet der gesamten Schöpfung das Evangelium“. Diesem Auftrag gelte es treu zu bleiben, gegen alle Versuchung, der Einfachheit halber den „Bereich des missionarischen Einsatzes einzuengen“ (Nr. 49).
Wie im vierten Abschnitt wird auch hier im fünften eine Liste von Bereichen genannt, welche die Frage nach dem Adressaten der Evangelisierung zu umreißen sucht, zum Beispiel die Fernstehenden und die „erneute Verkündigung an die entchristlichte Welt“ (heute: Neuevangelisierung): „die zwar getauft sind, aber gänzlich außerhalb eines christlichen Lebensraumes stehen, dann für einfache Menschen, die zwar einen gewissen Glauben haben, seine Grundlagen aber kaum kennen, ferner für Intellektuelle, die das Bedürfnis spüren, Jesus Christus in einem anderen Licht kennenzulernen als bei der Unterweisung in ihrer Kinderzeit, und schließlich für viele andere“ (Nr. 51-52).
Spannend werden die Gedanken, wenn dann die nichtchristlichen Religionen angesprochen werden, und das unter dem Stichwort ‚Verkündigung’. Alle Menschen hätten das Recht, von Jesus zu hören; der Dialog dürfe nicht in ein Schweigen umkippen. Gleichzeitig – und damit beginnt der Absatz – wolle und müsse man dem Evangelium gemäß den anderen Religionen und Suchern mit Achtung und Wertschätzung begegnen (Nr. 53). Das wirft die schwierigste Frage der Evangelisierung auf: Wo ist die Grenze? Der Text gibt keine einfache Antwort und keine vorgeblich klare Trennlinie. Aber es wird deutlich, dass die Verkündigung sich nicht zurückziehen dürfe. Wie gesagt: Dialog dürfe nicht in Schweigen umschlagen, wenn es um Jesus Christus geht. So ernst wir die Religionen anderer nehmen, so ernst müssen wir auch die eigene Religion und damit den Auftrag Jesu nehmen (meine Worte, nicht die des Textes).
Weiter geht es um Hilfe für die Gläubigen im Umfeld der säkularen Welt. Es geht um die Nichtglaubenden: „Was verbirgt sich nicht alles hinter dieser allgemeinen Bezeichnung: welche geistigen Strömungen, Werte und Unwerte, verborgene Sehnsüchte oder Keime von Zerstörung, alte Überzeugungen, die verschwinden, und neue Überzeugungen, die sich aufdrängen. Aus geistlicher Sicht gesehen, scheint die moderne Welt stets verstrickt zu sein in das, was ein Autor unserer Zeit ‚das Drama des atheistischen Humanismus’ [Pater Henri de Lubac] genannt hat.“ (Nr. 55). Es geht dem Text um die nicht Praktizierenden, die heute ‚Taufchristen’ genannten. Und zum Schluss geht es um die christlichen Basisgemeinschaften, die in der aktuellen Debatte der Synode „kleine Gemeinschaften“ genannt werden und sich in ihrer Form seit den 70er Jahren auch gewandelt haben.
Allen Abschnitten gemeinsam ist, dass der Text geistlich fragt. Es geht nicht um Taktik oder um die schnelle Antwort, sondern der Text reflektiert. Der Text lässt sich nicht instrumentalisieren, er will gedacht und vielleicht sogar meditiert werden.
Und im Sinn des zu Beginn Gesagten gilt auch immer, dass jede Bemühung immer zwei Richtungen hat: Zu den Menschen und immer auch den Verkünder und die Kirche betreffend. Niemand bleibt ohne Wandel, will man der Verkündigung gerecht werden.
Wer? „Ein zutiefst kirchliches Tun“
Niemand kann den Glauben verkünden, ohne gesandt zu sein. Der sechste Abschnitt beginnt wie die übrigen mit einem Bibelzitat. Die nachfolgenden Gedanken werden zusammen gefasst mit Gedanken des Zweiten Vatikanums: „Die ganze Kirche ist missionarisch, und das Werk der Evangelisierung ist eine Grundpflicht des Gottesvolkes“ (Ad Gentes 35, siehe auch Dignitatis Humanae 13).
„Zunächst: Evangelisieren ist niemals das individuelle und isolierte Tun eines Einzelnen, es ist vielmehr ein zutiefst kirchliches Tun.“ (Nr. 60). Hier löst sich also das Ich des Einzelnen in das Wir derer, die die Verkündigung als Auftrag erhalten haben. Das bedeute kein Aufgehen im Allgemeinen oder eine Abgabe von Verantwortung, im Gegenteil. Aber es bedeutet, dass „kein Verkünder des Evangeliums absoluter Herr seiner Glaubensverkündigung [ist] so dass er darüber selbst nach seinen persönlichen Maßstäben und Ansichten entscheiden könnte. Er muß es vielmehr tun in Gemeinschaft mit der Kirche und ihren Hirten“ (Nr. 60), ebenfalls ein Gedanke, der schon zuvor vorgekommen ist. „Die universale Kirche ist ohne Schranken und Grenzen, außer denen, die Herz und Geist des sündigen Menschen leider setzen.“
Der Text spricht dann über die Vielgestaltigeit, die diese Kirche vor Ort annimmt und über die Notwendigkeit der Treue in der Sprache. Der letzte Punkt ist vor allem deswegen interessant, weil hier die Spannung von Sprache der Menschen und unwandelbare Wahrheit thematisiert wird. Aber auch hier gibt es keine klare Lösung oder vereinfachende Vorgaben, sondern Reflexionen und geistliche Anleitung: „Die Frage ist zweifellos schwierig. Die Evangelisierung verliert viel von ihrer Kraft und Wirksamkeit, wenn sie das konkrete Volk, an das sie sich wendet, nicht berücksichtigt und nicht seine Sprache, seine Zeichen und Symbole verwendet, nicht auf seine besonderen Fragen antwortet und sein konkretes Leben nicht einbezieht. Aber andererseits kann die Evangelisierung auch ihre Seele verlieren und innerlich leer werden, wenn man unter dem Vorwand, sie zu übersetzen, sie aushöhlt oder verfälscht; wenn man, um eine universale Wirklichkeit an Ortsverhältnisse anzupassen, diese Wirklichkeit selber opfert und die Einheit zerstört, ohne die es keine Universalität mehr gibt.“ (Nr. 63)
Der Text spricht dann von den verschiedenen Aufgaben von Papst, Bischöfen und Priestern, von Ordensleuten, Laien, Familien und der Jugend.
Glaubt ihr wirklich an das, was ihr verkündet? Lebt ihr, was ihr glaubt? Predigt ihr wirklich, was ihr lebt?
Der siebte und letzte Abschnitt ist mit „Der Geist der Evangelisierung“ überschrieben, es geht um die innere Haltung und Überzeugung, die zugleich die eigene und auch Geschenk des Heiligen Geistes sei. Es brauche Vertrauen im Gebet: „Die Methoden der Evangelisierung sind sicher nützlich, doch können auch die am meisten vervollkommneten unter ihnen das verborgene Wirken des Heiligen Geistes nicht ersetzen. Ohne ihn richtet auch die geschickteste Vorbereitung des Verkündigers nichts aus. Die eingängigste Dialektik bleibt auf den Menschen wirkungslos ohne ihn. Ohne ihn erweisen sich auch die höchstentwickelten soziologischen und psychologischen Methoden als wert- und inhaltlos.“ (Nr. 75)
Paul VI. bedenkt die Bedeutung des Heiligen Geistes und sein Wirken heute. Er ermahnt „die Träger der Evangelisierung, wer immer sie auch seien, unablässig voller Glaube und Eifer den Heiligen Geist zu erbitten und sich von ihm führen zu lassen als dem entscheidenden Inspirator ihrer Pläne, ihrer Initiativen und ihrer Verkündigungstätigkeit.“ (Nr. 75). Daraus würden erst die Echtheit des eigenen Zeugnisses und auch die Einheit aller Bemühungen erwachsen (Nr. 76-77).
Dieser ganze Teil ist eine lange Meditation und ein gleichzeitiges Nachdenken über das Wirken des Heiligen Geistes in uns Menschen, über die Echtheit des Lebens und die Kraft, die daraus erwächst. Paul VI. spricht über die Einheit als Erweis der Vollmacht, aber auch über den Skandal des Fehlens dieser Einheit. Er spricht über Wahrheit und Freiheit: „Wahrheit über Gott, Wahrheit über den Menschen und seine geheimnisvolle Bestimmung, Wahrheit über die Welt; eine schwierige Wahrheit, die wir im Worte Gottes suchen und von der, noch einmal gesagt, gilt, daß Wir weder ihre Meister noch ihre Besitzer sind, sondern nur die Verkünder, die Diener“ (Nr. 78).
Es ist fast ein suchender Text, er fordert nicht, deklariert nicht, sondern denkt und meditiert. Ein lohnenswerter Absatz, vor allem auch für das Nachdenken über die Verkündigung heute. Mit ausführlichen Meditationen zu Liebe und Eifer endet dann der Text. Im letzteren taucht dann noch einmal die Spannung auf, die Paul VI. bereits mit den Gedanken zu Verkündigung und nichtchristliche Religionen erkundet hatte: Der Respekt vor der Gewissensentscheidung des Anderen dürfe nicht zu einem Alibi werden, die Hände in den Schoß zu legen. Die Dynamik der Verkündigung müsse Christen ergreifen und umformen. Alibis schadeten der Botschaft, dem Botschafter und seiner Gemeinschaft, der Kirche.
Vor allem dieser Teil ist es, der dem ganzen Projekt der – in unseren Worten – Neuevangelisierung eine Sprache gibt. Es ist kein Rezeptbogen oder eine Marschroute, es ist keine Liste, was alles wichtig ist oder getan werden muss. Der nachdenkende und meditative Ton Pauls VI. gibt vielmehr die Art und Weise des Vorgehens an, eben eine Bekehrung des Denkens und des Betens. Die Kategorien unserer Entscheidungen müssen sich wandeln, oder besser: Sich durch das Evangelium verwandeln lassen.
Nirgendwo wird das klarer als bei den abschließenden meditativen Absätzen zum Schluss von evangelii nuntiandi.
Danke für die relecture von evangelii anuntiandi. Auch für das Interview von prof. Söding Danke! Pastoral und Theologie gehören eng miteinander verklammert. eine tiefer führende Reflexion wäre bei der Bischofssynode erwünscht gewesen, etwa wie Papst Benedikt bei der Predigt am Petersplatz, als er auf die Erfahrung von „Wüste und Leere“ als Glaubensthema der Gegenwart Gottes verwies. Weniger Klagelieder über „Glaubensverfall“ und mehr gläubiges Staunen über Gottes Präsenz und Treue auch in der gegenwärtigen Glaubens- und Kirchensituation in der westlichen Welt. Ist ein Wachsen im gläubigen Hoffen und im liebenden Glauben als Weg der Neuevangelisierung aufzuspüren?