Kirche kann noch viel lernen. Etwa in der schönen Welt des Digitalen. Ermutigungen gibt es ja genug, auch gute Beispiele. Aber bis die „Dickschiffe“ das gelernt haben, dauert das noch. Eines dieser Dickschiffe sind wir hier, der Vatikan, und wir tun uns schwer. Digitalisierung will gelernt sein.
Das Beste ist, von denen zu lernen, die gar nichts mit uns zu tun haben, die auf dem Gebiet aber schon Erfahrungen haben, und das dann übersetzen. Klingt wie eine Selbstverständlichkeit, ist aber gar nicht so einfach, weil es im Zweifelsfall immer an der Einstellung scheitert, das sei auf Kirche so nicht anwendbar.
Digitalisierung will gelernt sein
Neulich in Frankfurt: Ich war eingeladen zu einer Veranstaltung des Medienmittwoch. Es sollte um den Vatikan und die Social Media geben, und ich habe auch meinen Teil dazu gesagt. Im anschließenden Gespräch kam dann aber jemand von der Bahn AG dazu, der die Erfahrungen aus der DB Systel einbrachte. Thorsten Ziegler heißt er, angekündigt als jemand, der den kulturellen und organisatorischen Wandel seines Teilunternehmens gestaltet hat. Und genau davon hat er berichtet.
Nun gibt es ja immer wieder Versuche, von den Profis zu lernen. Einige habe ich auch schon besucht. Aber ein rein kapitalorientiertes Dienstleistungsunternehmen ist dann doch etwas anderes.
Umstellung hierarchischer Strukturen
Thorsten Ziegler etwa sprach davon, dass bei der Umstellung auch die hierarchischen Strukturen in ihrem Betrieb geändert worden seien. Das habe unter anderem die Abteilungsleiter betroffen, die nun nicht mehr von oben ernannt, sondern durch die Mitarbeiter bestimmt würden.
Das ist noch nicht ur-digital, aber zeigt die Wirkungen, welche eine Umstellung auf die schöne neue Welt des „digitalen Kontinents“ haben kann. Man muss da mal neu denken und neues probieren. Andere machen es vor.
Sender – Empfänger: die Kanzel
Schlimm ist es, wenn man die Digitalisierung nur als zusätzlichen „Kanal“ sieht, auf dem dann die gleichen Botschaften vertrieben werden. So geht das aber nicht mehr. Das Sender-Empfänger Modell holt heute keinen mehr hinter dem Ofen hervor, vor allem die nachwachsenden Generationen nicht.
Da braucht es Beteiligung, vom ersten Gedanken an. Deswegen ist dann die Frage nach der inneren Hierarchie auch relevant: ist ein Unternehmen und ist Kirche bereit, Strukturen aufzulösen, die für andere Realitäten vielleicht funktioniert haben?
Das Ganze war natürlich nur ein Schlaglich, das muss sich immer in der Praxis erweisen. Aber wir müssen weiter an den festen Strukturen rütteln, wollen wir der Präsenz im Internet eine Chance geben. Ideen gibt es genug. Erfahrungen auch. Beides aber zu übernehmen, das ist nicht immer einfach.
Drei Gedanken dazu, die nicht fürchterlich neu sind, die aber meiner Erfahrung nach immer noch nicht wirklich überall angekommen sind:
- Inhalte mit denen entwickeln, für die sie bestimmt sind. Also nicht entscheiden wollen, was für andere interessant ist. Das kann man über Datenanalyse machen, aber auch ganz direkt durch Einbindung.
- Gedruckte Texte nicht ins Netz! Predigten, Vorträge und so weiter habe da nur eine geringe Chance, gelesen zu werden (Asche auch auf mein eigenes Haupt). Der berühmte „content“ muss unter den Bedingungen des Netzes entstehen und nicht nachher einfach per upload publiziert werden.
- Digitales verändert die Strukturen derer, die dort vertreten sein wollen. Wer dazu nicht bereit ist, kommt nicht weit.
2011 hielt Roger Willemsen eine Rede unter dem Titel „Das erblindete Medium“ (wieder abgedruckt in: „Nur zur Ansicht“, 2012). Die Anekdote, mit der er schließt, lässt erahnen, was passiert, wenn „Inhalte mit denen entwickelt werden, für die sie bestimmt sind“: „Als ich (=Willemsen) vor einigen Jahren Überlegungen zum Fernsehen bei Bertelsmann vortrug, fragte beim anschließenden Empfang Thomas Middelhoff einen amerikanischen Medienmann, ob er den Vortrag gehört habe. „No“, sagte der andere, „What was is about?“ „Content“, erwiderte Middelhoff. „And?“, fragte der andere und sah mich an, „are you for or against?“ Das ist die kürzeste Formel für den Status quo.
Sind die Einschaltquoten von Seifenopern, Musiksendungen, Sportübertragungen wirklich ein Beweis dafür, dass das Sender-Empfänger-Modell „niemanden hinter dem Ofen hervorlockt“?
Danke @Pia dass Sie sich an Roger Willemsen erinnern . Ich schätzte ja ich möchte ihn..
Meine“Lieblingsgeigerin“! Isabelle Faust
interpretierte Bachs Chaconne für ihn
Wir leben sicherlich in DEM Zeitalter der Manipulation und Propaganda. Gut, dass vor 80 Jahren die Technik noch nicht so weit war. Kirche muss beim Digitalisieren also sehr vorsichtig sein. Man schaue sich die Kommentare auf kirchliche Beiträge in Medien an, eine Welle des Zynismus kommt zurück.
Andererseits: sogar die sehr konservativen Mönche auf dem Berg Athos, die das heilige Überbleibsel der Urform eines byzantinisches Reiches sind (damit auch der Kern von Südosteuropa), stellen viele Ihrer Klöster ins Internet. Wenn Männer den Berg Athos be-pilgern wollen, können sie damit die Bewilligung anfragen. Und Frauen können sich digital alles anschauen.
http://www.hilandar.org/
http://www.sveta-gora-zograph.com/
https://www.vatopedi.gr/
https://www.imiviron.gr/gr/
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Ich hatte mal eine Idee oder einen Wunsch, weiß nicht, ob es sowas gibt. Ein Portal, das alle Übersetzungen der Sprachen der Menschheit des Vater Unsers darstellt. Der Bildschirm wäre in der Regel halbiert und ich könnte z.B. das VaterUnser rechts in INUIT-Sprache mit LInks in einer Urform Latein vergleichen.
Dann könnte man noch Audio-Dateien sammeln. Auch von VIP´s. Also wenn zB die Kriegsgefahr zwischen Trump und Putin sehr real wäre (was sie nie war), kann man beiden deren Vater Unser vorspielen.
Hier ein Pater Noster von PIUS XII und JPII auf Youtube
https://www.youtube.com/watch?v=_S6q2uIoIQg
https://www.youtube.com/watch?v=PyWBaIEkZ7w
Mir fehlte die Ausdauer, vielleicht in der Rente. Aber ein junger Kaplan von VA News hätte dazu viel bessere Möglichkeiten. Man könnte mit dem Sammeln der Sprach-Texte beginnen. Da werden viele mittun, hoffte ich
Mir persönlich gefällt der Begriff „Digitalisierung“ eigentlich nicht, weil er nicht den Kern der Sache trifft.
Die Mobiltelefone der 90er und 00er Jahre waren auch schon digitale Geräte, trotzdem kann man sie nicht mit den „Büros in der Hosentasche“ vergleichen, die wir heute mit uns herumtragen. Diese sind vollwertige kleine Computer, mit denen man alles tun kann, was man mit einem vernetzten Computer eben so tun kann.
Die Vision vom anytime, anywhere, anything und anyone ist wahr geworden und (fast) jeder Mensch kann immer und überall am digitalen Geschehen teilnehmen.
Der Begriff „Computerisierung“ trifft es besser oder noch besser der Begriff „Virtualisierung“.
Lassen Sie es mich am Beispiel der „Einbahnstraße“ erklären.
Kommunikation „von unten nach oben“ hat es immer schon gegeben. Der Speakers Corner, Luthers Thesen an der Kirchentür, der Frühschoppen nach der Messe usw.
Aber durch Web2.0 zum Beispiel durch das Bloggen, wurde diese Kommunikation einfacher und sie wurde für viele Menschen erst dadurch möglich.
Durch die Digitalisierung werden also Dinge für den „einfachen Mann“ möglich, die bisher nur wenigen Menschen möglich waren.
Fürchten wir uns davor?
Meint
Euer Christoph
Oder, anders formuliert.
Die Menschheit ist gerade dabei, sich eine virtuelle Welt zurecht zu zimmern, in der es sich leichter leben lässt.
Die Kirche sollte den Menschen in diese Welt folgen, um sie auch dort nicht alleine zu lassen.
Ja genau dieser Gedanke scheint sehr wohl angesagt. Die Digitalisierung ist ein sehr umfassendes Thema. Es ist ein Medium mit vielen neuen Möglichkeiten. Auch für die Kirche. Vielleicht auch eine neue Art von „Kanzel“, mitten drin.
Bezüglich der Datenanalyse als wichtiges Kriterium scheint mir dies jedoch einseitig und gefährlich. Und Massenphänomene sind meist nicht objektiv, siehe deutsche Geschichte. Zudem gibt es sehr wohl Ablenkthemen, die den Zentren der Macht sehr willkommen scheinen „Zerstreuung durch eine mediale Überflutung mit Nichtigkeiten, () Ausbildung von Falsch-Identitäten oder Infantilisierung“ (Mausfeld 2018). Zudem kann eine „exklusive“ Beteiligung mit Verstrickungs- u. mögl. ausufernden Endlosstatements ein Infochaos schaffen, das niemand hilft und neue Probleme schafft.
ABER
Es kann sehr wohl auch die Möglichkeit geschaffen werden, konstruktiv über best. Themenbereiche zu sprechen, die eigentlich von best. Funktions- und Machteliten aus dem öffentlichen Diskussionsraum gebannt werden sollten.
Wir brauchen als Christen nicht um die Gunst der Mächtigen zu buhlen. Auch wenn bei uns Religionsfreiheit herrscht. In das Netz gestellte Predigten können sehr wohl fundamentale Kritik und Sichtbarmachen an gesellschaftlichen Zuständen, Fakten und menschlicher Nöte für eine größere Community /für die Politik und auch International zugänglich machen. Und wenn z.B. jemand in Afrika zu einer Problemlösung in Europa schreiben würde wäre dies doch lebendige Weltkirche.
Vielleicht würden Sie, Herr Pater Hagenkord in diesem Kontext ihren Gedanken, Predigten und theologische Texte möglicherweise nicht mehr ins Internet zu stellen, nochmals überdenken!
Und vielleicht lernen wir durch den schriftlichen Austausch in den Communities uns wieder präziser auszudrücken. Und viele Stimmen kommen zu Wort. Vielleicht würden wir es auch schaffen, kritikfähiger, reizreduzierter, differenzierter und „lebenswissender“ zu werden. Von der Großfamilie über die Kleinfamilie zu einer Social Comunity. Und vielleicht unterstützt es sehr wohl auch eine demokratische Grundhaltung. Jedoch scheint es wichtig, dass es Professionen gibt, di e vor Missbrauch und Kollektivtäuschungen schützen. Und dies im Rahmen des Grundgesetzes.
Schon im frühen Mittelalter war Bildung in den Händen christlicher Kirchen und jüdischer Lehrern. Und hierbei gab es viele positive Beispiele. Menschen wurden gebildet, ihnen wurden ganz neue Perspektiven ermöglicht. Denken wir an die 7 freien Künste (Logik, Rhetorik, Dialektik, Philosophie, u.a.) Manchmal vergessen wird dies.
Vielleicht schafft das Internet es, eine neue Art von „Wissens-, Lösungs- u. Ethikgrundlage jedes Bürgers“ zu schaffen, (hoffentlich datengeschützt), auch als Seismograph/ Datenanalyse für politische Entscheidungsträger, nicht nur als Debattenraum. Und Ethikdiskurse im Lichte christlicher Werte hätten eine neue Plattform. Dieser (Vatikan-) Blog ist ein sehr schönes Beispiel für persönlichen kirchlichen Austausch, über Länder hinweg.
Noch ein paar interessante Ergänzungen: 1992 meinte Neil Postman „Wir informieren uns zu tote“. Vor knapp 20 Jahren konnte er nicht erahnen, wie durch die Digitalisierung die Kommunikation sich verändert hat. Er weist u. a. daraufhin: Infos sind wahllos und nicht direkt, es geschehen auch Erfindungen im Kontext. Zudem scheint die Kluft zwischen Info und sinnvollem Handeln sich in Unterhaltung zu verändern. Zudem könne es zur Ohnmacht führen, Unfähigkeiten entstehen lassen. Auch könne ein eigenartiger Egoismus entstehen, indem man viele Dinge kennt, aber nicht imstande ist, Einfluss auf sie zu nehmen.
Es lohnt sich über diese Gedanken bezogen auf Social Media nachzudenken.
Zum Schluss noch ein Gedanke: Social Media User können sehr wohl unterschiedliche regressive Bedürfnisse mitteilen … mit samt den Gefühlen. Und es gibt sehr wohl Kampagnen wie Hashtag mit bes. Phänomenen, unvorhersehbar, mit Interaktionsraten. Hier scheint ein kompetenter Umgang und professionelle Begleitung notwendig
Vielleicht würde Jesus heute sowohl der Kirche als dem Einzelnen sagen:
„Schreibe, damit sie dich sehen.“ (nach Sokrates: Sprich, damit ich dich sehe)
Sehr geehrter Pater Hagenkord,
ich schreibe hier nur sehr selten, lese aber regelmäßig gerne Ihre Artikel. Schon vor einiger Zeit habe ich Ihren Beitrag gelesen, aber er lässt mir keine Ruhe. Ich gehöre zwar nicht zu den „Digital Natives“, nutze aber gerne die positiven Möglichkeiten der Digitalisierung. Warum soll es denn eigentlich so „schlimm“ sein, gedruckte Texte ins Netz zu stellen? Es ist damit auch noch mal eine Möglichkeit für Nutzer, Gläubige, kirchlich Interessierte etc., eine seriöse Quelle zu haben und Dinge nachzulesen.
Die nachfolgenden Generationen mögen tatsächlich anders kommunizieren, aber deswegen muss ja nicht die ganze bisherige Art der Kommunikation „über den Haufen geworfen“ werden.
Ich kann hier @Blütenwege mit „Vielleicht würden Sie, Herr Pater Hagenkord in diesem Kontext ihren Gedanken, Predigten und theologische Texte möglicherweise nicht mehr ins Internet zu stellen, nochmals überdenken!“ nur zustimmen.
@Bayer
100 % Zustimmung, das sind genau auch meine Gedanken dazu.