Anfang Februar wurde im Vatikan die Botschaft von Papst Franziskus für die Fastenzeit vorgestellt. Da diese Zeit der Vorbereitung auf Ostern jetzt beginnt, möchte ich diesen Text noch einmal hier nachlesen und schauen, was er für uns, für mich bedeutet.
„Er wurde arm, um uns durch seine Armut reich zu machen“: Diesen Satz aus dem zweiten Korintherbrief legt und Papst Franziskus für die jetzt beginnende Fastenzeit vor. Er verbindet die Gedanken von „Armut Christi“ und „Umkehr“, die grundsätzliche Bewegung, zu der wir in der Vorbereitungszeit auf Ostern aufgerufen sind. Und der Papst fragt: „Was sagt uns heute der Aufruf zur Armut, zu einem Leben in Armut im Sinne des Evangeliums?“ Anders ausgedrückt: Was sagt mir das? Was macht das mit mir? Was meint Paulus in mir, dass arm werden soll?
Um ein rechtes Verstehen zu ermöglichen, wiederholt der Papst zunächst die Weihnachtsbotschaft: Nicht durch Macht und Reichtum, sondern durch Schwäche und Armut kam Gott in die Welt. Das sei sein „Stil“ (vgl. Phil 2,7; Hebr 4,15). Hier zeige sich die besondere Liebe Gottes, „eine Liebe, die Gnade, Großzügigkeit, Wunsch nach Nähe ist und die nicht zögert, sich für die geliebten Geschöpfe hinzugeben und zu opfern.“ Jesus – wie das Zweite Vatikanische Konzil betont – habe mit Menschenhänden gearbeitet, mit menschlichem Geist gedacht und mit menschlichem Herzen geliebt (Gaudium et Spes, 22): „Die Liebe macht einander ähnlich, sie schafft Gleichheit, reißt trennende Mauern nieder und hebt Abstände auf. Und eben dies hat Gott mit uns getan,“ wie der Papst in der Botschaft sagt.
Der erste Schritt der Fastenzeit soll also eine Besinnung der Liebe Gottes sein: Was Gott für uns getan, wer Gott in Jesus für uns geworden ist, wie Gott geworden ist oder vielmehr, wozu er sich gemacht hat.
Die Logik Gottes
Der zweite Schritt: Die Armut. Und hier ist ganz wichtig, dass Armut kein Selbstzweck ist. Armut hat einen Sinn, nämlich darin, uns durch die Armut Christi reich zu machen. Das ist sehr paulinisch, der Apostel mag diese Gegensätze und scheinbaren Widersprüche, um seine Theologie den Menschen darzulegen. Aber, wie der Papst bemerkt, das ist keineswegs ein Wortspiel, es bringt „Logik Gottes auf den Punkt.“ Nichts weniger.
Gott überwältigt mit seiner Güte die Welt nicht, er lässt das Heil nicht auf uns „herabfallen“ wie ein Almosen dessen, der vom eigenen Überfluss abgibt. In Jesus gibt dem Armen nicht, er setzt sich sozusagen neben den Armen, neben uns, und Jesus tut das in Schwäche und Armut.
Und ganz wie Paulus beginnt der Papst dann den Abschnitt über die Armut Christi mit einer Frage: „Was also ist diese Armut, durch die Jesus uns befreit und uns reich macht? Es ist gerade die Art, wie er uns liebt, die Tatsache, dass er für uns zum Nächsten wird wie der barmherzige Samariter, der zu dem Mann hingeht, der halb tot am Straßenrand zurückgelassen wurde (vgl. Lk 10,25ff).“
In der Vergangenheit hat der Papst in den Morgenmessen häufiger davon gesprochen, dass die Armut nicht ideologisch verstanden werden darf, das gilt erst Recht mit Blick auf die Armut Christi. Die Frage nach Besitz und Wirtschaft ist zweitrangig, an erster Stelle steht der Satz „Die Armut Christi, die uns reich macht, ist seine Menschwerdung, dass er unsere Schwächen, unsere Sünden auf sich nimmt und uns so an der unendlichen Barmherzigkeit Gottes teilhaben lässt.“
Das macht aus der Armut einen Reichtum.
Der zweite Schritt in der Fastenzeit soll also eine Besinnung auf die Menschwerdung sein, die sich in Armut zeigt, die Liebe ist. Und noch immer sind wir nicht bei uns selbst angekommen, bei unserem Tun und Machen. Das zeigt eine wichtige Perspektive: Es geht in der Fastenzeit nicht um uns und darum, das wir etwas tun. Es geht um den Blick auf Jesus Christus.
Zeugnis ablegen
In dieser Perspektive kommen wir zum dritten Schritt der Fastenzeit. Papst Franziskus beginnt mit einer Frage: „Wir könnten nun meinen, dieser „Weg“ der Armut sei eben jener Jesu gewesen, während wir, die wir nach ihm kommen, in der Lage seien, die Welt mit geeigneten menschlichen Mitteln zu retten.“ Die Versuchung aller Menschen, das Heil selber irgendwie machen zu können, soll in den Blick genommen werden. Denn diese Versuchung liegt in uns allen. Nur Gott rettet. Oder anders und provokanter formuliert: „Der Reichtum Gottes kann nicht durch unseren Reichtum vermittelt werden, sondern immer ausschließlich durch unsere persönliche und gemeinschaftliche, vom Geist Christi beseelte Armut.“ Auch Fasten ist erst einmal geschenkt, nicht unser Verdienst.
Dann beginnt unser Tun: Wir sollen Zeugnis ablegen für unseren „Meister“, durch das Beistehen unserer Brüder und Schwestern, durch Solidarität und Hilfe in der Not. Der Papst unterscheidet drei Formen von Not, die ich hier nicht wiederholen will, das findet sich sehr ausführlich in seiner Botschaft. Er kommt aber wieder beim Zeugnis an, das wir für die Armut Christi, seine Menschwerdung, ablegen sollen: „Der Herr fordert uns auf, frohe Überbringer dieser Botschaft der Barmherzigkeit und der Hoffnung zu sein! Es ist schön, die Freude an der Verbreitung dieser guten Nachricht zu erfahren, den uns anvertrauten Schatz mit anderen zu teilen, um gebrochene Herzen zu trösten und vielen Brüdern und Schwestern, die von Finsternis umgeben sind, Hoffnung zu schenken.“ Hier liegt die Nachfolge Jesu.
Der dritte Schritt der Fastenzeit wird also der des Handelns, der Schritt unseres Verhaltens. Hier geht es um Hilfe in der Not, nicht weil wir uns oder die Welt dadurch retten könnten, sondern weil wir darin Zeugnis ablegen für Jesus Christus. Hier liegt der Kern dessen, was der Papst uns in seiner Botschaft sagen will. Es ist nicht ganz unanstrengend, weswegen es ja extra die Fastenzeit gibt, dass wir uns vorbereiten können und neu einstellen. „Dies wird uns in dem Maße gelingen, in dem wir uns nach Christus richten, der arm wurde und uns durch seine Armut reich gemacht hat.“
Hierher gehört nun der Verzicht, die Hilfe, die Solidarität. Aber alles muss eine Perspektive haben: „Vergessen wir nicht, dass wahre Armut schmerzt: Ein Verzicht, der diesen Aspekt der Buße nicht einschließt, wäre bedeutungslos. Ich misstraue dem Almosen, das nichts kostet und nicht schmerzt.“
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen alle eine fruchtbare Fastenzeit.
“Warum auch Bonbons in der Fastenzeit gut tun”
Eines Tages beschlossen drei, die sich mehr Gedanken als andere machten, die Welt zu verbessern. Der erste ging zu den Völkern im Osten und Westen, sprach auf Versammlungen und grossen Plätzen über Frieden und Verständigung. Und siehe da: Die Völker im Osten spendeten Beifall, und die Völker um Westen spendeten Beifall – die einen so laut wie die anderen.
Doch eine Woche später kam ein Fremder zu den Völkern in Osten und Westen und sprach auf Versammlungen und grossen Plätzen von Bedrohung und von Pflichten gegenüber dem Vaterland. Und siehe da: Die Völker im Osten spendeten Beifall und die Völker im Westen spendeten Beifall – die einen so laut wie die anderen.
Der zweite sammelte Geld. In allen grossen und kleinen Städten sammelte er wochenlang, monatelang, jahrelang – bis er einen riesigen Betrag zusammen hatte, den er zu verschenken gedachte. Und er teilte auf: Ein Viertel fuer die Kirche; ein Viertel für ein Land, das Hunger litt; ein Viertel für die kranke Frau, die er im Treppenhaus getroffen hatte; ein Viertel für Menschen, die Bäume, Wiesen und Tiere zu schützen versuchten.
Die Kirche freute sich über das Geld und bekehrte damit Ungläubige. Das Land, das Hunger litt, freute sich über das Geld, besonders sein Präsident, und ganz besonders dessen Frau. Die kranke Frau im Treppenhaus freute sich auch über das Geld und konnte endlich die teure Behandlung bezahlen. Leider war es schon zu spät. Und die Menschen, die Bäume, Wiesen und Tiere zu schützen versuchten, freuten sich ebenfalls über das Geld. Sie konnten damit Millionen von Papieren bedrucken und verteilen, in denen sie alle Bürger des Landes aufforderten, Bäume, Wiesen und Tiere zu schützen. “Recht haben sie, diese Leute”, meinte jemand, verwöhnte seinen Dackel und mähte den Rasen.
Der dritte ging in einen nahen Park und setzte sich dort auf eine Bank.
“He, du?” sagte ein kleiner Mensch von fünf Jahren und kletterte neben ihn.
“Guten Tag”, sagte der dritte. “Das ist meine Bank!” sagte der kleine Mensch.
“Hmm”, sagte der dritte und kramte verlegen in seinen Hosentaschen. Zwei vergammelte Bonbons kamen zum Vorschein. “Kannst ja eins haben.”
“Joooh.” Der dritte und der kleine Mensch betrachteten angestrengt ihre Schuhe.
Der kleine Mensch malte mit seinen Zehen Kreise in die Luft: “Kannst auch ein Stück von meiner Bank haben.” Schweigend saßen sie dann lange Zeit nebeneinander und lutschten leise an ihren Bonbons herum.
(Originial “Der kleine Weg zum Frieden” von Bert Losse)
@Rumpelstilzchen, es mag ja seinen Grund haben warum Sie diese Geschichte zum Thema „ Arm sein vor Gott“ einstellen, allein ich kann den Grund nicht sehen. Dem ersten Protagonisten kann ich noch folgen, aber schon beim zweiten wird mir doch ein wenig „plümerant“ : Christen egal welchen Bekenntnisses brauchen kein Geld um „zu bekehren“ sie haben das wertvollste bei sich: das Evangelium und damit den Gedanken der Liebe Gottes „Die Liebe macht einander ähnlich, sie schafft Gleichheit, reißt trennende Mauern nieder und hebt Abstände auf. Und eben dies hat Gott mit uns getan“ (EG ). Die Liebe Gottes gibt es also völlig umsonst!!! Alles was nun danach in der „Geschichte des Zweiten“ vorkommt ist der reine Defätismus, „wir können tun was wir wollen es hilft sowie so nix“ aber, und nun kommt der Dritte: wenn wir uns subjektiv auf eine Parkbank setzten und persönlich ein Bonbon teilen….pip pip pip wir haben uns alle Lieb und singen dann noch „Ein bisschen Frieden…. Bleiben wir bei den Kindern: ist das alles was Sie den Kindern von Homes, in den Flüchtlingslagern des Libanon, den Kindern im Gazastreifen, den Kindern im Sudan, den Kindern in den Krisen- und Kriegsgebieten Afrikas, den Kinder von Lampedusa und nicht zuletzt den chancenlosen Kindern die in arme Familien unserer Wohlstandsgesellschaft hineingeboren werden??? Hier nehme ich den dritten Schritt in der Betrachtung von Pater Hagenkord zur „Hand“: Der dritte Schritt der Fastenzeit wird also der des Handelns, der Schritt unseres Verhaltens. Hier geht es um Hilfe in der Not, nicht weil wir uns oder die Welt dadurch retten könnten, sondern weil wir darin Zeugnis ablegen für Jesus Christus.“ Das „esoterische gewabere“ ist ein weites Feld, dem ich sehr skeptisch gegenüberstehe, da es im Überwiegenden Teil von einer nicht mehr zu überbietenden Belanglosigkeit ist.
@chrisma; es ist der ‘kleine’ Weg zum Frieden, den der Autor des Textes beschreibt, und nicht der ‘große’ – und die Geschichte, entstanden vor dem Internetzeitalter dürfte auf hiesige Verhältnisse abgestellt sein und nicht auf globale, vernetzte, aus denen wir ununterbrochen mit zum Himmel schreienden Ungerechtigkeiten von überall her bombardiert werden. Es sollen die kleinen Friedensgesten des Alltags betont werden, die sich hic et nunc umsetzen lassen, wie sie u.a. auch Papst Franziskus öffentlich vorlebt, statt irgendwelchen großen Programmen und Wunschvorstellungen nachzuhängen, wie und wo man voll guter Absicht helfen sollte, könnte, müßte. Sehr wohl braucht eine organinsierte Mission Finanzmittel für Reisen, Ausbildung, Schulen, Druckkosten usw., also Bekehrung ohne Tauschmitteleinsatz dürfte nur singulär, aber nicht strukturiert, wie es die Kirche als Auftrag pflegt, gelingen. Frieden ist übrigens etwas, was man noch unmittelbarer als Armut oder Reichtum spürt – denken wir an unsre Allerkleinsten.
@ Pater Hagenkord Für diesen „Dreiklang“ sage ich Ihnen, lieber Pater Hagenkord von Herzen danke. Sie haben es sehr, sehr gut verstanden die Worte von Papst Franziskus aufzugreifen und in eine kleine Meditation zu verwandeln. Diese Meditation wird mich durch die Fastenzeit begleiten, die für mein persönliches „Glauben“ die wichtigste Zeit des Kirchenjahres ist.
@chrisma danke für ihr Worte dem ist nichts hinzu zufügen. Danke
Auch ich sage Dank und erlebe den Text als kleine kostbare Meditation zur Fastenzeit!
Und er führt mich in eine ganz seltsame befremdliche Tiefe meiner selbst beim Denken an eine Armut, die schmerzt:
Ich habe es als westliche Christin dieser Zeit nicht mal ansatzweise gelernt, es wohl auch nie versucht, wirklich und wahrhaftig die Perspektive der Armen zu beziehen, also wirklich arm zu werden, ohne Ausweg, ohne eine Geberhaltung, die doch irgendwie über der Armut schwebt. Mit der Gefahr, in dieser Armut völlig in Vergessenheit zu geraten. Kein Jesus, kein Heiliger Franziskus, kein Papst der Armen, keine Mutter Teresa.
Selber zu meiner tiefen und durch mich selber gar nicht heilbaren Bedürftigkeit durchzudringen, sie zu ertragen und Zeugnis dafür abzugeben, komplett der Rettung zu bedürfen, ausweglos! Und nicht zu flüchten!
Wirklich zu begreifen, dass ich selber heillos in Not bin. Kaputt, verdorben, hilflos, obdachlos, missachtet, misshandelt, misshandelnd, Opfer und Täter. Dass ich keine wirklichen heilbringenden Almosen geben kann, weil ich gar nicht über das wirkliche Heil verfüge! Und schon gar nicht über die Kraft!
Auch dies zu sehen: Die Erkenntnis, dass aber auch Bedürftige nicht dankbar für Almosen sein wollen, sind sie doch nur Beleg für tiefste Ungerechtigkeit.
Aus der sicheren Ferne Almosen geben ist bei Papst Franziskus gemeint damit, arm zu werden. Unter die Armen zu gehen und dort Almosen zu geben, trifft es auch noch nicht genug,so wichtig es ist. Selber komplett am Ende sich zu wissen ohne selber heraus zu flüchten, dies schmerzvoll auszuhalten und die völlige Verlassenheit auch, das meint es schon eher.
Ich glaube, Papst Franziskus mahnt uns, zu versuchen, wirklich arm nach Jesus Vorbild zu werden, weil wir nicht mal annähernd eine Ahnung haben, wie es aus der Armutsperspektive ausschaut. Und wenn wir das wirklich schaffen, erkennen wir dann womöglich, dass wir nie woanders standen?
P.S.: Ein Wort fehlt in der ersten Zeile im vorletzten Abschnitt meines Beitrags: Da soll es heißen “…ist bei Papst Franziskus NICHT gemeint.”