Gedanken zur Fastenzeit, 3
Missionarische Kirche: was vielleicht während meiner kirchlichen Jugend noch undenk- und unsagbar gewesen wäre, gehört heute zum Standartwortschatz kirchlicher Entwicklung, und zwar allüberall: Mission. Das Wort hat seine Bedeutung geändert. Als erstes sind wir über die Wucht gestolpert, mit der Papst Franziskus in Evangelii Gaudium von einer „missionarischen Kirche“ träumt. „Ich träume von einer missionarischen Entscheidung, die fähig ist, alles zu verwandeln, damit die Gewohnheiten, die Stile, die Zeitpläne, der Sprachgebrauch und jede kirchliche Struktur ein Kanal werden, der mehr der Evangelisierung der heutigen Welt als der Selbstbewahrung dient.“
Um dann festzustellen, dass „missionarisch Kirche sein“ gar nicht nur ein päpstliches Anliegen ist, sondern auch in unseren Breiten durchdacht wird.
Mittlerweile gehört es in jeden besseren Pfarreientwicklungsplan. Und das ist ja auch gut so. Spätestens aber seit Erscheinen des „Mission Manifest: 10 Thesen für ein Comeback der Kirchen“ wird auch wieder um den Begriff gestritten.
Aber was ist das nun, so eine Mission? Wie kann ich das heute verstehen, ohne dass sich das Wort entweder in der Vergangenheit verhakt oder bedeutungslos wird? Lesen Sie die Texte am besten selber. Wenn nicht, dann mag ich hier einen Gedanken anbieten. Er ist nicht meiner, wie so oft profitiere ich von der Klugheit anderer Menschen.
Wenn man sich in einschlägiger Literatur schlau macht, dann gibt es drei verschiedene Versionen von Mission. Ein exklusivistisches Modell, ein inklusivistisches und ein pluralistisches.
Besitz der Wahrheit?
Ein exklusiv agierender Missionar sieht sich allein im Besitz der Wahrheit. Ein inklusiver Missionar sieht dagegen Spuren der Wahrheit auch in anderen Religionen bzw. Kulturen. Das pluralistische Modell hingegen lässt Wahrheiten neben einander stehen, der Dialog ersetzt die Mission.
Das ist erst einmal ganz grob formuliert, wenn es für unsere Überlegungen nutzbringend sein soll, müssen wir etwas dahinter schauen, was das sein soll: Mission. Der Missionswissenschaftler Klaus Krämer hat dazu etwas geschrieben, was ich im Urlaub gelesen habe und was mir seitdem nachgeht: In einem Artikel „Mission im Dialog“ schreibt er: „Der Jünger ist nicht bloß ein Bote, der als Person hinter der Botschaft völlig zurücktreten könnte. Er ist vielmehr ein Zeuge, der mit seiner Person und seiner ganzen Existenz für die Botschaft einsteht.“
Es geht um Erfahrungen, Gewissheiten und um den Anspruch der Botschaft an das eigene Leben.
Mit dem Anderen
Krämer sagt aber noch etwas anderes, was dazu gehört. Als Zeugen für die Botschaft handelt man in Person Christi, allerdings nicht so, dass das eine Eigenschaft wird – Christusförmigkeit – sondern eine „Beziehungswirklichkeit“. Soll heißen, Zeuge bin ich nicht wie in einem Ausweis, sondern ob ich Zeuge bin erweist sich immer erst in Begegnungen. Das kann ich nicht sein wollen, das kann ich nicht anziehen oder üben, das hängt auch vom Anderen, vom Gegenüber ab, ob da wirklich Beziehung ist in der es von meiner Seite aus zum Zeugnis kommt.
Der Missionar lernt also auch in seiner Mission selber etwas, vom Anderen. Mission ist auch ein Empfangen. Der Missionar übergibt nicht etwas, was er selber empfangen hat, möglichst unverändert an jemanden, sondern wird selber auch bereichert.
Um ein anderes christliches Modewort (was zu Recht wichtig ist) heran zu ziehen: Dialog. Dialog ist also nicht etwas, was ein „Instrument“ wäre, das man zur Verkündigung gebrauchen kann. Er ist im Gegenteil die Rückseite derselben Medaille, untrennbar mit Mission verbunden.
Deuten
Mission, Evangelisierung oder Verkündigung heißt, die Zeichen der Zeit zu deuten, prophetisch zu werden, Widerstand zu leisten oder zu unterstützen, je nachdem. Die Wirklichkeit der Welt zu deuten und im Licht des Botschaft Jesu dem Anderen und so auch sich selber verstehbar zu machen, das ist die Aufgabe des „Missionars“.
Und dann wandelt sich die Kirche vielleicht auch, orientiert am Wort und am Glauben und am Auftrag: zu Verkünden.
Zitate: Krämer, Klaus: Mission im Dialog. Aus dem Sammelband ‚Mission und Dialog. Ansätze für ein kommunikatives Missionsverständnis‘. Herder Verlag 2012, Seiten 28
„Ein exklusiv agierender Missionar sieht sich allein im Besitz der Wahrheit. Ein inklusiver Missionar sieht dagegen Spuren der Wahrheit auch in anderen Religionen bzw. Kulturen. Das pluralistische Modell hingegen lässt Wahrheiten neben einander stehen, der Dialog ersetzt die Mission.“
Welche Art von Missionar waren dann z.b. Paulus oder Petrus? Oder andere Christen, die sich durch Mission hervorgetan haben, z.b. Franz Xaver?
Man müsste ja eigentlich identifizieren können welchem der drei vorgeschlagenen Missionarskategorien die jeweiligen eher entsprachen.
Willkommen im Schubladendenken! Wir sprechen von heute! Nicht vom 17. Jahrhundert. Seitdem hat sich einiges getan in Sachen Verständnis von Verkündigung.
Entschuldigung, das Schubladendenken ist Ihnen hier zuzurechnen bzw. der einschlägigen Literatur, die diese 3 Kategorien vorgeschlagen hat.
Mir war bis zum Lesen Ihres Beitrags nicht mal bewusst, dass da eine Kategorisierung überhaupt Sinn macht.
Meinem Verständnis nach ist jeder, der sich darum bemüht anderen Gottes Botschaft zu verkünden Missionar; wann, wie, mit welchen Methoden, mit welcher Herangehensweise er/sie das probiert wird sich von Person zu Person unterscheiden, ja vielleicht sogar bei der Person selber, die vielleicht mal so und ein andermal anders agiert.
Das schon, aber es ist eben die Aufgabe von Wissenschaft, nicht Einzelfälle zu behandeln, sondern zu verstehen, und das bedeutet das Bilden von Kategorien. Die man dann diskutiert. Das ist auch was anderes als eine Schublade, um das gleich vorweg zu nehmen. Das passiert nämlich reflektiert und mit peer-review, also unter den kritischen Augen der Kollegen.
Kategorien in der Wissenschaft dienen aber im Allgemeinen dazu sowohl gemeinsame Muster in Einzelfällen sinnvoll zu erfassen als auch Einzelfälle mit diesen Kategorien in Verbindung zu bringen.
Beispielsweise gibt es gerade in den USA durchaus evangelikal geprägte Leute, die sich mit Bibel in der Hand an die Straßenecke stellen und loslegen.
Diese Vielzahl an Einzelfällen kann man als Rechtfertigung für die Kategorie des die Wahrheit nach eigener Meinung innahabenden Missionar sehen, dessen Wirken wenig Dialog beinhaltet (der redet ja erstmal einseitig an Leute ran, die meist nur auf den Weg von A nach B sind und gerade keine religiösen Dinge geplant hatten).
Aber gleichzeitig fällt mir konkret ein Sendung ein, die ich mal über einen gesehen habe; der parkte mit seinem Auto in Uninähe, rüstete sich mit Kreuz, Bibel und Gewandung (er war Prediger in einer Gemeinde) und stellte sich dann auf ein Grünfläche eines Unicampus wo 18-25 jährige gemütlich in der Sonne lagen und versuchte ihnen zu vermitteln, dass sie doch dem Satan verfallen werden, wenn sie nicht umkehren.
Ein Grüppchen fand das nachvollziehbar in gewisser Weise komisch und versuchte ihn mit Fragen zu verspotten und aus der Reserve zu locken; einer fragte, als es gerade über Homosexualität ginge, wo denn geschrieben stünde, dass es Sünde sei; Antwort des Missionrs: „I am glad you ask,“ eine Griff in die Bibel und passende Stelle in Levitikus vorgelesen mit besonderer Betonung und Lautstärke auf „abomination“.
Natürlich kann man, wenn man mal die 3 Kategorien hat, wissentschaftlich dann diesen Einzelfall einordnen; und der konkrete Missionar hatte halt ganz viel von Kategorie 1, hätte Kategorie 2 vermutlich als „abomination“ geschimpft und war in Kategorie 3 eher schwach.
Ein wichtiger Aspekt wird nicht angesprochen. Ein Verkünder (vom Kaplan bis Papst) ist in der Regel Christ von und seit Geburt an und ab initio nicht Christ durch den Ruf: „Komm, folge mir“. Erst wenn er den in kirchlicher Sozialisation erworbenen Sachglauben hinter sich lässt wie Petrus und Andreas ihre Netze und Boote und er sich wie ein Jünger Jesu in die eigentlichste Möglichkeit seines Wesens gerufen weiß, wird er spontan und frei, die Botschaft mit Leben erfüllt zu verkünden. Sonst bleibt sein Verkünden ein vergebliches Unterfangen, sei es exklusiv, inklusiv oder pluralistisch, und das Verwandeln-Wollen wird bloß ein Ausdruck kirchlich-institutioneller Betriebsamkeit.
Der unterstellten negativen Wirkung kirchlicher Sozialisation muss ich widersprechen. Ganz persönlich: ohne die wäre ich nicht hier. Und bitte interpretieren Sie jetzt nicht an meiner Berufungsgeschichte herum! Ich habe nichts hinter mir gelassen wie Netze, ich habe es weiter getragen und bin weiterhin tief darin verwurzelt. Trotzdem meine ich den Ruf hören zu können. Ihre Gegenüberstellung, bei der der Ruf an den Einzelnen gewinnt und das Leben in Gemeinschaft verliert, kann ich nicht teilen.
Ohne Paulus oder Petrus wären wir wohl alle nicht hier. Soviel Fairness sollte selbst in eine Schublade passen.
Ein schöner Allgemeinplatz. Aber das heißt immer noch nichts über das Verwenden moderner soziologischer Termini auf antike Geschichte.
Na ja, ob Jesus seine Verkündigung von soziologischen Aspekten abhängig gemacht hätte ist reine Spekulation, die ich nicht teile. Er kam als die Zeit erfüllt war. Das war nun mal vor 2000 Jahren und nicht 2018.
Weder habe ich tatsächlich eine ’negative Wirkung‘ unterstellt noch eine ‚Gegenüberstellung‘ vorgenommen: Hintersichlassen heißt ja nicht etwas zerstören. Petrus und Andreas haben ihre Netze und Boote nicht auf einmal als negative Gegenstände empfunden und unbrauchbar gemacht. Sie lassen einfach alles liegen und stehen, so eindringlich und unwidersprechlich erleben sie Jesu Aufforderung, dass Netze und Boote für sie künftig nicht mehr existentiell wichtig sind. Der Ruf geht immer an den Einzelnen. Dass sich mehrere so Berufene anschließend zu einer Gemeinschaft von Freunden verbinden, steht dem keineswegs entgegen, ist aber nicht zwingend, wie es die Lebensweise vieler Wüstenväter zeigt.
Das ist eine theologische Debatte, die schon seit langer Zeit geführt wird. Ich wäre da nicht so sicher, was den Ruf Gottes angeht. Wie Sie von der kirchlichen Sozialisation sprechen, hört sich das sehr wohl negativ an, und als etwas zurück zu lassendes. Warum sollte ich etwas zurück lassen, wenn ich es nicht als negativ oder nicht mehr tragend oder nicht mehr wichtig empfinde?
Der Ruf geht immer an den Einzelnen, aber Christ sein kann man nur in Gemeinschaft. Mit dieser Spannung müssen wir leben.
Ich habe davon gesprochen, den Sachglauben, der (von kleinauf) durch kirchliche Sozialisation erworben wird, hinter sich zu lassen und nicht die kirchliche Sozialisation als solche. Das ist ein Unterschied, von Person zu Person verschieden ausgeprägt, zumal der reine Sachglauben, das bloße Fürwahrhalten, auch ohne eine persönliche Beziehung auf rein intellektueller Ebene auskommen kann. Hintersichlassen schließt ja eine mögliche Dankbarkeit für das, was man konkret hinter sich lässt, nicht aus oder kann auch transformatorisch geschehen – aus Fischfischern werden Menschenfischer.
Dennoch, die nicht mehr vorhandene Möglichkeit, Jesus persönlich und mit allen Sinnen als lebendem Menschen begegnen zu können, ist und bleibt ein Manko. Wir kennen nur den Jesus aus zweiter Hand.
Was man auch Tradition nennt.
Wobei das Wort ‚Tradition‘ die irrende Vorstellung nährt, Jesus habe uns auf seine Lehren (und nachfolgend auf das gewaltige, mitunter erdrückende Lehrgebäude der Kirche) verpflichten wollen anstatt auf das hingebungsvolle Wesen seiner Person. Das wäre auch das richtige, wenn nicht sogar einzige Kriterium für den gemeinsamem Kommunionsempfang konfessionsverschiedener Ehegatten, das ein Seelsorger zu ‚prüfen‘ hätte. „Fühlen Sie sich auf das Wesen Jesu verpflichtet und, wenn ja, welche Sehnsucht haben Sie, dies in und mit Ihrem Leben zum Ausdruck zu bringen?“ Da kann einem ja etwas einfallen, was über die Beendigung einer „schwerwiegenden geistlichen Notlage“ und einer „Gefährung von Ehe und Glauben“ hinausgeht.
Dahinter steckt aber ein statisches Verständnis von Tradition: Weitergabe bedeutet nicht einfach einen ferstig gepackten Karton mit Inhalt übergeben, sondern anvertrauen. Natürlich entwickelt sich das, wird Wahrheit entdeckt, und natürlich geht dabei auch einiges schief, wie wir nicht erst seit 2.000 Jahren wissen.
Tut all dies zu meinem Gedächtnis scheint mir die Antwort zu sein, nach der die Volkstradition/das Leben handeln sollte, um Gott damit den Dienst zu erweisen, mit dem jede Person ihre Sendung erfüllen kann.
Es gibt unzählige Möglichkeiten Gott zu dienen, das Problem scheint eher darin zu liegen, als Mensch zu handeln und nicht im Sinn des Affen nach der eigenen Existenz zu bohren und dabei wertvolle Zeit zu vergeuden, die bereits durch Jesus im Namen des Herrn erfüllt ist.
Treffender wäre es sicherlich dann von einer ‚Transmission‘ (des jesuanischen Geistes) zu sprechen anstatt von der Tradition (des Glaubensgutes), welches in einer Kiste fertig hinterlegt jemandem anvertraut wird. Denn sonst könnte der Inhalt der Kiste wichtiger werden als der, der sie als erster gepackt hat und dessen Wesen erst ein uneitles Vertrauen hervorruft.
Ich glaube aber nicht, dass es „nur“ der „Geist“ Jesu ist, der hier weiter gegeben wird. Wir glauben auch an Vollmachten und damit an eine Beauftragung, die weiter gegeben – tradiert – wird.
Das mag sein. Aber spiegelt sich nicht in den Vollmachten und in der Beauftragung der Geist Jesu wider bzw. kommt so zum Ausdruck?
@ lieber Pater Hagenkord,
ich habe eine sachliche anfrage:
es gibt den „VATICANHISTORY-NEWS BLOG..
hat dieser Blog irgendetwas mit offiziellen Verlautbarungen wie Vatikan News oder Ihrem Blog gemein?
frage DESWEGEN weil aktuell ein eher verleumderischer „Kommentar“ zu Kardinal Kasper und Franziskus abgedruckt ist….
„hat dieser Blog irgendetwas mit offiziellen Verlautbarungen wie Vatikan News oder Ihrem Blog gemein?“
Gemäß dem Impressum der Seite ist ein Mertin Malker haftungsrechtlich verantwortlich.
Gemäß diesem kurzen Artikel von der Seite selber, der wohl im Original in einer Zeitung oder so veröffentlich worden sein soll:
http://www.vaticanhistory.de/presse/150405_Oberpfalznetz.htm
„Ein Theologe ist an dem Weiherhammerer aber nicht verloren gegangen. „Ich betrachte meine Arbeit einfach nur als Hobby.““
betreibt er die Seite als Hobby. Hat also nichts mit vatikan news zu tun.
Der Vollständigkeit halber, wenn vatican news daran gedacht hat, sich „Vatican News“ oder ähnliches als Marke zu schützen, dann bestünde ganz eventuell eine Chance, den Seitenbetreiber zu einer Änderung des Domainnamens rechtlich zu zwingen.
Aber das ist eine ziemlich komplexe Sache, die einen Anwalt für Markenrecht erfordern würde, um überhaupt sauber einzuschätzen, ob da was machbar wäre oder nicht.
Ups, Tippfehler, er heißt:
Martin Malker
http://www.vaticanhistory.de/wordpress/?page_id=109