„Sechzig Prozent der Weltbevölkerung leben in Asien. Es ist ein junger Kontinent, die Mehrheit der Bevölkerung sind junge Menschen. Und deswegen ist auf vielerlei Weise Asien zentral für die Zukunft der Welt und für die Zukunft der Welt.“ Überhaupt nicht triumphalistisch trug der Erzbischof von Bombay und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der katholischen Bischöfe Asiens, Kardinal Oswald Gracias, diese Worte vor Papst Franziskus vor. Gestern war er noch bei uns im Studio, um dieselbe Botschaft loszuwerden: Schaut auf Asien, interessiert euch für Asien, nie wegen unseres Egos, sondern weil hier die Zukunft spielt
„Asien wird das Zentrum der Welt“ hatte es ebenfalls in unserem Studio der Erzbischof von Manila, Kardinal Luis Antonio Tagle, lächelnd gesagt.
1999 hatte Papst Johannes Paul als Ergebnis der Sonderversammlung der Bischofssynode zu Asien ein Dokument veröffentlicht, „Ecclesia in Asia“, einen Text, an dem sich Papst Franziskus in seiner Ansprache klar orientiert hat. Um den aktuellen Papstbesuch und auch die Zukunft besser zu verstehen, lohnt vielleicht ein Blick auf einige wenige Passagen.
Logik der Menschwerdung
Der eigentliche Synodenprozess bestätigte die Bedeutung des Dialogs als kennzeichnende Eigenschaft des kirchlichen Lebens in Asien. Ein aufrichtiges und ehrliches Teilen von Erfahrungen, Ideen und Vorschlägen erwies sich als ein Weg echter geistlicher Begegnung, als Weg zu jener Gemeinschaft des Geistes und des Herzens, die in der Liebe die Verschiedenheiten achtet und sie überwindet. (3)
Aber dieser Wille zum Dialog ist nicht einfach nur eine Strategie zur friedvollen Koexistenz zwischen den Völkern, sondern sie ist vielmehr ein wesentlicher Bestandteil der kirchlichen Sendung, da die Kirche selbst ihre Ursprünge im liebevollen Heilsdialog hat, den der Vater mit der Menschheit durch den Sohn und in der Kraft des Heiligen Geistes führt.
Die Kirche kann ihre Mission nur in einer Weise erfüllen, die jener entspricht, in der Gott in Jesus Christus gehandelt hat, welcher Mensch geworden ist, als Mensch mit den Menschen gelebt hat und die Sprache der Menschen gesprochen hat, um seine Heilsbotschaft mitzuteilen. Dieser Dialog, den die Kirche vorschlägt, erhält seine Grundlage in der Logik der Menschwerdung. Daher kann lediglich eine innige und selbstlose Solidarität dem Dialog der Kirche mit den Menschen Asiens einen Aufwind geben, die auf der Suche nach der Wahrheit in der Liebe sind. (29)
Zeugnis und Dialog
Das, was die Christen zu diesem Dialog beitragen, ist die feste Überzeugung, dass die Heilsfülle nur von Christus kommt und dass die Gemeinschaft der Kirche, aus der sie stammen, das ordentliche Mittel zu diesem Heil ist. Und ich wiederhole hier, was ich bereits an die Fünfte Vollversammlung der Föderation der asiatischen Bischofskonferenzen geschrieben habe: »Obwohl die Kirche gerne all das anerkennt, was in den religiösen Traditionen des Buddhismus, des Hinduismus und des Islam wahr und heilig, ja gleichsam ein Widerschein jener Wahrheit ist, die alle Menschen erleuchtet, so mindert dies dennoch nicht ihre Aufgabe, unaufhörlich Jesus Christus zu verkünden, der »der Weg, die Wahrheit und das Leben« ist (Joh 14,6).
Die Tatsache, dass auch die Anhänger anderer Religionen die Gnade Gottes empfangen und von Christus gerettet werden können, wenn auch nicht durch die Mittel, die er eingesetzt hat, hebt den Ruf zum Glauben und zur Taufe nicht auf, die Gott allen Menschen zugedacht hat«.
Hinsichtlich des Dialogsprozesses habe ich in der Enzyklika Redemptoris missio folgendes geschrieben: »Dabei darf es keine Verzichtserklärung und keine falsche Friedfertigkeit geben. Es braucht das gegenseitige Zeugnis für einen gemeinsamen Fortschritt auf dem Weg der religiösen Suche und Erfahrung. Dies dient zugleich der Überwindung von Vorurteilen, Missverständnissen und Intoleranz.« Nur wer einen gereiften und von Überzeugung getragenen christlichen Glauben hat, ist für die Einbeziehung in einen genuinen interreligiösen Dialog geeignet. »Nur jene Christen, die tief in das Mysterium Christi eingetaucht und in der eigenen Glaubensgemeinschaft glücklich sind, können ohne unnützes Risiko und in der Hoffnung auf positive Früchte in den interreligiösen Dialog eintreten.«
Es ist daher für die Kirche in Asien wichtig, dass geeignete Modelle für den interreligiösen Dialog zur Verfügung gestellt werden (Evangelisierung durch den Dialog und Dialog für die Evangelisierung) und dass diejenigen, die daran beteiligt sind, auch adäquat dafür vorbereitet werden. (31)
Asiatische Lehrmethodik
Die Synode hat empfohlen, dass die zukünftige Katechese »eine evokative Pädagogik anwendet, die sich der für die asiatische Lehrmethodik so charakteristischen Geschichten, Gleichnisse und Symbole bedient«. Der Dienst Jesu selbst ist eindeutig durch den persönlichen Kontakt gekennzeichnet. Das wiederum verlangt von jemandem, der in der Evangelisierung tätig ist, sich in die Situation des Zuhörers zu versetzen und seine Verkündigung durch geeignete Formen und Redeweisen dessen Reifegrad anzupassen.
Diesbezüglich haben die Synodenväter mehrmals die Notwendigkeit unterstrichen, das Evangelium so zu verkünden, daß dabei die Sensibilität der Völker Asiens berücksichtigt wird, was bedeutet, dass man ein der asiatischen Mentalität und den asiatischen Kulturen verständliches Bild von Jesus entwirft, welches aber auch gleichzeitig der Heiligen Schrift und der Tradition treu bleibt.
Ein solches Bild ist zum Beispiel: »Jesus Christus, der Meister der Weisheit, der Heilende, der Befreier, der Seelenführer, der Erleuchtete, der mit den Armen Mitfühlende, der barmherzige Samariter, der gute Hirt, der Gehorsame.« Jesus könnte als die menschgewordene Weisheit Gottes dargestellt werden, dessen Gnade die »Saat« der göttlichen Weisheit zur Reife bringt, die bereits im Leben und in den Religionen der Völker Asiens enthalten ist.
Bei all dem Leid, von dem die Völker Asiens heimgesucht sind, könnte Jesus am besten als der Retter verkündet werden, »der das Dasein all jener mit Sinn erfüllt, die unsäglichen Schmerz und Leid erdulden«. (20)
Martyrium
So wichtig Bildungsprogramme und Strategien auch sein mögen, am Ende ist es das Martyrium, das die wahre Natur der christlichen Botschaft offenbart. Das Wort »Märtyrer« selbst bedeutet Zeuge, und jene, die ihr Blut für Christus vergossen haben, bezeugten den wahren Wert des Evangeliums bis zum Äußersten.
In der Verkündigungsbulle des Großen Jubiläums des Jahres 2000, Incarnationis mysterium, habe ich darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, das Andenken der Märtyrer zu pflegen: »Vom psychologischen Gesichtspunkt her ist das Martyrium der eindrucksvollste Beweis für die Wahrheit des Glaubens, die selbst dem gewaltsamsten Tod ein menschliches Gesicht zu geben vermag und ihre Schönheit auch in den grausamsten Verfolgungen zum Ausdruck bringt.«(239)
Im Laufe der Jahrhunderte hat der asiatische Kontinent der Kirche und der Welt eine Vielzahl dieser Helden des Glaubens geschenkt, und im Herzen Asiens erklingt der große Lobgesang: »Te martyrum candidatus laudat exercitus« [Dich preist der Martyrer leuchtendes Heer].« Das ist die Hymne jener, die in den ersten Jahrhunderten der Kirche für Christus auf asiatischem Boden gestorben sind, und auch der freudige Ruf von Männern und Frauen einer weniger entfernten Vergangenheit, Heilige wie Paulus Miki, Lorenzo Ruiz, Andrea Dung Lac, Andrea Kim Taegon und ihre jeweilige Gefährten.
Mögen die zahlreichen alten und neuen Märtyrer Asiens der Kirche ihres Kontinents stets vor Augen halten, was es bedeutet, Zeugnis zu geben für das Lamm, in dessen Blut sie ihre Gewänder gewaschen und weiß gemacht haben (vgl. Offb 7,14)! Mögen sie stets unbeugsame Zeugen jener Tatsache sein, dass die Christen immer und überall berufen sind, nichts anderes als das Kreuz des Herrn zu verkünden! Möge durch das Blut der Märtyrer Asiens heute und immerfort in jedem Winkel des Kontinents neues Leben für die Kirche entstehen. (49)