
Heute steht sie hinter Panzerglas.Vor 30 Jahren war die Statuette von Aparecida in 200 Stücke zerschlagen worden, mühsam musste man sie wieder zusammen setzen.
Ein Pfingsprediger hatte vor 20 Jahren eine Kopie mit Füßen getreten und musste deswegen das Land verlassen.
Wo die Muttergottes verehrt wird, da kommt es leider immer zu solchen Auseinandersetzungen, denken wir auch an die Abgeschlagene Nase im Petersdom: Die Pietà Michelangelos steht seitdem im Petersdom auch hinter Panzerglas, wie Nossa Senhora Aparecida, unsere liebe uns erschienene Frau, wie man vielleicht übersetzen kann, die unbefleckte Empfängnis. Aparecida, das heißt: Erschienene.
Auch wenn es nicht immer physische Gewalt ist: Fragen Sie herum in unserer aufgeklärten Gesellschaft: Die einen finden es ganz zentral, die anderen lehnen Marienfrömmigkeit als etwas Überholtes ab. Einen versöhnenden Mittelweg scheint es nicht zu geben.
Warum konzentriert sich so viel überbordende Zuneigung einerseits und abgrundtiefe Abneigung andererseits auf die Muttergottes? Was ist es, dass uns in unserem Mitteleuropäischen Sprachempfinden die Marienfrömmigkeit anderer Kulturen als fremd – um es vorsichtig zu formulieren – empfinden lässt?
Ich hatte in Chile das Glück, das für einige Monate erfahren zu dürfen, mit den Menschen zu beten, zu sehen wie sie – wie in Aparecida der Papst – ganz selbstverständlich einen Rosenkranz um den Arm gewickelt trugen. Überall Bilder der Madonna.
Seitdem beschäftigt mich das. Ich würde gerne einige Gedanken anbieten, die mir helfen, die Vermittlung hin zu bekommen.
Einfacher Zugang, ganz menschlich
Erstens: „Mir geschehe nach deinem Willen“: Der Satz Mariens, der die Ganze Christus-Geschichte erst in Gang setzt. Dieser Satz hat ganz und gar nichts Unterwürfiges. Meiner Erfahrung nach sehen viele Menschen in Maria einen Zugang zu Gott, der ganz einfach ist. Maria predigt nicht, spricht nicht in Gleichnissen und auch sonst hat sie wenig Worte im Evangelium. Sie ist nicht Repräsentantin einer Macht, ist nicht denkerisch kompliziert in eine Dreieinigkeit eingefasst. Aber in dem Satz wird deutlich, wie jemand auch ohne die Kompliziertheit ganz nah bei Gott sein kann, näher als alle anderen.
Zweitens: Maria steht für as Ineffabile, das nicht zu fassende Menschliche. Wenn es komplex wird im Leben und wir nicht wissen, um was es eigentlich geht und wo genau Problem, Sünde, Versuchung oder Herausforderung liegen, wenn es um unser Innerstes geht, das wir mehr erspüren als erdenken, dann ist Maria eine natürlich Ansprechperson für uns.
Drittens: Maria ist nicht Gott. Sie ist uns näher. Ich habe früh von einem weisen Pfarrer gelernt, die „Säulenchristen“ zu achten, also diejenigen, die nie vorne in der Kirche, sondern immer hinten und verdeckt stehen. Manchen ist die Nähe zum Altar nicht geheuer. Und manche ist eine übergroße Nähe zu Jesus Christus nicht geheuer. Maria ist da ein anderer Zugang, eine Vermittlerin. Die Ansprüche sind nicht so hoch, die Augenhöhe im Gebet fällt einfacher.
Papst Franziskus hat sich und sein Pontifikat der Mutter Gottes geweiht, wie sie in Aparecida verehrt wird:
Allerheiligste Maria, durch den Verdienst deines Sohnes unseren Herrn Jesus Christus verteilst du durch deinen geliebtes Bild von Aparecida unzählige Wohltaten über ganz Brasilien.
Auch wenn ich selber unwürdig bin, zu deinen Söhnen und Töchtern zu gehören, bin ich doch voller Verlangen, an den Gaben deiner Güte teilzuhaben. Hingestreckt vor dir weihe ich dir meinen Geist, so dass er immer an die Liebe denke, die dir gebührt; ich weihe dir meine Zunge dass sie dich immer lobt und deine Verehrung verbreitet; dir weihe ich mein Herz, so dass es nach Gott dich über alles liebt.
Nimm mich auf, unvergleichliche Königin, die du uns vom gekreuzigten Christus als Mutter gegeben wurdest, unter deine Söhne und Töchter; nimm mich auf unter deinen Schutz, steh mir bei in meiner geistlichen und zeitlichen Not, vor allem in der Stunde meines Todes.
Segne mich, himmlische Mitarbeiterin, und ermutige mich in meinen Schwächen so dass ich nach meinem treuen Dienst in meinem Leben, dich loben, dich lieben und dir danken kann im Himmel, in alle Ewigkeit.
So sei es.
Soweit das Gebet. Und das übersetzt sich dann in zwischenmenschliche Beziehungen: Worte des Heiligen Vaters nach der heiligen Messe in Aparecida, es waren spontane Worte, deswegen wechselte der Papst auch die Sprache.
Brüder und Schwestern … Brüder und Schwestern, ich spreche kein „Brasilianisch“. Verzeiht mir, ich werde auf Spanisch sprechen. Verzeiht! Vielen Dank. Danke, dass ihr hier seid. Ganz herzlichen Dank, von ganzem Herzen bitte ich die Jungfrau Maria, Unsere Liebe uns erschienene Frau, dass sie euch segne, dass sie eure Familien segne, dass sie eure Kinder segne, dass sie eure Eltern segne, dass sie eure ganze Heimat segne.
Nun, jetzt werde ich sehen, ob ihr mich versteht. Ich stelle euch eine Frage: Vergisst eine Mutter ihre Kinder? [Laute Rufe: Nein …]. Sie [die Jungfrau Maria] vergisst uns nicht, sie liebt uns und sie sorgt für uns. Nun bitten wir sie um den Segen. Der Segen des allmächtigen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, komme auf euch herab und bleibe bei euch allezeit.
Ich bitte euch um einen Gefallen, einen jeitinho, einen kleinen Gefallen, betet für mich, betet für mich, ich brauche euer Gebet. Gott segne euch. Unsere Liebe Frau von Aparecida schütze euch. Und auf Wiedersehen 2017, wenn ich wiederkomme …
2017 ist das 300jährige Jubiläum der Findung der Statue von Aparecida.
Die Frage nach der Abneigung, denke ich, lässt sich beantworten:
Zumindest im deutschen Sprachraum ist Maria und die Marienverehrung längst fest in den Händen der Ezkonservativen, die ihrerseits immer wieder selbstgerecht auf die – angeblichen- geradezu apokalyptisch anmutenden Drohbotschaften der Muttergottes bei ihren – kirchlich anerkannten und nicht anerkannten – Erscheinungen verweisen.
Dazu der immer wieder zu hörende Verweis auf weinende Marienstatuen u.ä., ein völlig überholtes Frauenbild, das man mit dem Hinweis auf Maria zu rechtfertigen versucht, dazu die schwer bis gar nicht verständlichen Mariendogmen.
All das versperrt vielen Menschen den Zugang zu Maria.
Ich hatte nie den Zugang zu Maria gefunden. Ganz im Einklang mit der historisch-kritischen Theologie konnte ich die Verehrung Mariens nie in meinen katholischen Glauben integrieren. Zu wenig kann man von von ihr im NT lesen; wenn Jesus von seinen Verwandten sprach, war es -wenn man es ohne Einordnung liest- auch eher negativ. Dann war ich vor einigen Jahren zu Besuch in der St. Patrick´s Cathedral in New York, wo es eine sehr schöne Ecke zur Marienverehrung gibt. Ich stellte mich eine Weile davor und plötzlich war mir ihr Platz im Glauben vollkommen klar. So war es bei mir im Glauben sehr oft: Solange er (nur) über den Kopf geht, ist da nicht viel. Erst wenn man sich darauf einlässt und erworbene Vorbehalte oder Vorurteile -wenn auch nur für einen Moment- nicht präsent sind, erklärt sich alles von alleine.
Kardinal Woelki hat mal eine Marienpredigt gehalten,Arnd, die sehr eingeschlagen hat in der Hedwigskathedrale. Nicht das, was man so hört von priesterlich-männlicher Seite oft: die idale Frauengestalt, mögen doch alle Frauen…..nein: sie ist s e i n Vorbild, denn sie hat nie nein gesagt…wenn Gott sie gefragt hat.Wenn er sich gefürchtet hat vor einem neuen Amt, hat er an Maria gedacht.. Mein Vorschlag:Allen Marienskeptikern und die Frau schweige in der Kirche Verfechtern sei gesagt: ohne Maria wäre Jesus nicht auf der Welt.
Es gibt da allerdings auch die ikonographische Tradition von „Mariä Tempelgang“.
Sehen Sie sich etwa den Marienzyklus in der Cappella Scrovegni in Padua von Giotto an: Maria soll von ihrem dritten bis zu ihrem 12. Lebensjahr im Tempel gelebt und dort erzogen worden sein. Sie soll dort Lesen und Schreiben gelernt und die Bibel studiert haben. (die Quelle? Natürlich nicht die Bibel… die weiß ich leider jetzt nicht… das kann man aber nachschlagen… wahrscheinlich im „Lexikon der christlichen Ikonographie“)
Wäre dies tatsächlich so gewesen, wäre sie eine für damalige Verhältnisse überaus gebildete Frau gewesen.
Tatsächlich wird sie in traditionellen „Verkündigungsdarstellungen“ zudem sehr oft mit einem Buch/der Bibel in der Hand dargestellt. Der Engel überrascht sie dabei beim Lesen.
Soviel zum Thema „überholtes Frauenbild“ bzw. Maria „das Heimchen hinterm Herd“.
Aber Spaß bei Seite, ich denke, dass gerade, wie von Frau Brückner bereits erwähnt, das Dogma der „unbefleckten Empfängnis“ ein Problem für einen tieferen Zugang zur Person Mariens darstellen könnte. Nicht, weil man daran nicht glauben könnte. Man glaubt als Christ ja schließlich auch an Jesus, den Sohn Gottes. Folglich kann bzw. muss Maria eigentlich auf unnatürliche Weise ein Kind empfangen haben.
Dieses Dogma verstehen viele Menschen vielmehr als Angriff. Sie wollen nicht, dass sich die Kirchen in ihr Privatleben/Sexleben einmischt.
Einem Vorbild Maria nachzueifern scheint für viele Frauen unseres Kulturkreises heute unmöglich zu sein. „Moderne Frauen“ stehen unter enormen Druck: beruflich müssen sie erfolgreich sein und zudem äußerlich das Bestmöglichste (und dies so lange wie möglich) hermachen. Das wird ihnen zumindest von der Unterhaltungsindustrie und der Werbung von Kindheit an so eingeredet… auch wenn sie noch so intelligent sein mögen, irgendwie fallen sie alle darauf rein.
Jedenfalls wollen sie dann auch Bestätigung für ihre erbrachten „Leistungen“ (im Beruf, im Fitnessstudio etc.)… und deshalb kleidet man sich u. a. auch freizügiger. Nie zuvor hatten wir einen vergleichbaren Körperkult wie heutzutage (vielleicht überbot uns nur noch das heidnische Griechenland).
Ist das zu vereinbaren mit Keuschheit oder Jungfräulichkeit? Wo man den Körper zur Schau stellt, da ist die Versuchung natürlich umso größer… Also Spaß ohne Ende.
Dass die Marienverehrung „längst in festen Händen der Erzkonservativen“ sein soll, denke ich nicht. Ich muss Ihnen gestehen, dass ich dieses Jahr das erste Mal in meinem Leben an einer Maiandacht teilgenommen habe und zwar in einer kleinen, aber äußerst feinen, barock-bayerischen Dorfkirche (mit der so typischen rosafarbigen Marmorausstattung). Und das hat mich sehr bewegt. Die Lieder die dort vom Chor vorgetragen wurden, hatten eine unglaubliche Kraft/Aura… weil es alles so zart und fragil auf mich wirkte… ja, ich würde tatsächlich hierfür die Wörter „keusch“, „jungfräulich“, „rein“ verwenden wollen.
Ich bin jedenfalls der Auffassung, dass die Welt um einiges Besser wäre, wenn sich die Mehrzahl der Frauen Maria zum Vorbild nehmen würden… das heißt, genauso gebildet, so weise und zeitlos schön wie die Jungfrau wären 🙂
Und noch eins: Michelangelo soll auf die Frage, weshalb er denn die Jungfrau bei der „Pieta“ im Petersdom jünger dargestellt habe als den Sohn, geantwortet haben, dass eine jungfräuliche Lebensführung auch länger jung halten würde… Vielleicht ein guter Tipp für die schönheitsbewussten jungen Frauen von heute:-):-)
Das Dogma von der unbefleckten Empfängnis besagt, dass Maria selbst ohne Erbsünde empfangen wurde, also der einzig sündenlose Mensch ist und war.
Mit dem Dogma von der Jungfräulichkeit Mariens hat das nichts zu tun, hätte P. Hagenkord aber auch erklären können.
Ja, schauen Sie, dass ist doch schön… da hab‘ ich wieder was dazu gelernt. Danke sehr! Und wie bezeichnet man dann das Dogma das ich meinte… oder ist das gar keines?
Aber vielleicht ist die „unbefleckte Empfängnis“ ja auch der Grund weshalb sie unter all‘ den Fräulein von Gott ausgewählt wurde. Insofern ist meine Aussage dann nicht zu 100% sondern nur zu 70% falsch… oder so. 🙂
Ich glaube mich sogar daran zu erinnern einmal etwas von der heiligen Emmerenzia gelesen zu haben. Und korrigieren Sie mich bitte (ich muss in Glaubensangelegenheiten nämlich noch einiges nachholen, und das haben Sie, liebe Frau Brückner, zu 100% richtig erkannt 🙂 ), aber die war doch die Großmutter von Maria und manche Kirchengelehrte haben doch auch behauptet, dass sogar Emmerenzia unbefleckt empfangen wurde (und Elisabeth sowieso). Darüber hat sich etwa Wilhelm Busch in seiner „Knopp-Trilogie“ (1. Teil, Kapitel „Abschreckendes Beispiel“) indirekt lustig gemacht (der alte Jesuiten- und Katholikenfeind, der Schlimme!).
Nein, dass ist wirklich sehr interessant… und ich habe mir sogar ein äußerst teures Buch bestellt, dass ich jetzt erst einmal lesen werde, bevor ich hier weiter Irrlehren verbreite (die mir hier allerdings sowieso keiner abnehmen würde): Karl Rahner, „Maria, Mutter des Herrn“… wenn das nicht weiter hilft, dann weiß ich auch nicht weiter! Ein schönes Wochenende!!!
Verzeihung, Verzeihung… das war jetzt wieder sehr schusselig: Ich meint Anna nicht Elisabeth (aber Gott mag mich trotzdem)
Hallo Veruschka, das, was Sie meinen, ist auch ein Dogma, und zwar das von der immerwährenden Jungfräulichkeit Mariens.
Was die unbeleckte Empfängnis, also „Maria ohne Erbsünde empfangen“, wie die Kirche lehrt, angeht, so war es wohl umgekehrt:
Gott hat Maria vor der Erbsünde und damit jeder Sünde bewahrt, weil er sie von Anfang an als Mutter seines Sohnes ausersehen hatte. Was die Großmutter Mariens angeht, so weiß ich nicht Bescheid. Ich verstehe dieses Dogma aber so, dass Maria die absolute Ausnahme unter allen Menschen war.
Ich gehe übrigens auch gerne in Maiandachten, hier entfaltet sich eine gesunde Volksfrömmigkeit, die kaum etwas mit dem zu tun hat, was ich in meinem ersten Beitrag schrieb.
Sehr schön. Jetzt ist alles klar. Wissen Sie, ich gehe jetzt seit einem Jahr regelmäßig am Sonntag in die Kirche und das gefällt mir wirklich sehr gut … also es ist nicht nur Pflicht für mich. Ich fand Papst Benedikt einfach so großartig und habe mir gedacht, ein so kluger Mann muss es wohl wissen. Und der wirkt auf mich zudem äußerst „jungfräulich“ :-)))
Danke für Ihre Infos!