Man geht in einem Kreuz aufwärts. Eine Art Gang oder Gerüst, umzogen von weißer Kunstoffplane und beleuchtet, bildet eine Kreuzform, im Innenraum einer Kirche in Berlin. Ein Kunstwerk zu Frieden und Europa. Aber eben auch ein Kreuz.
Die Künstlerin Mia Florentine Weiss nutzt die Nikolaikirche für ein spannendes Projekt, es geht um den Frieden in Europa 100 Jahre nach den Versailler Verträgen, es geht um Begegnung in dem durch das Kreuz entstehenden Raum, um Bewegung.
Frieden und Europa
Die Kreuz-Symbolik ist fest in unserer europäischen Kultur verankert, über das religiöse hinaus. Das Kreuz ist auch mal für einen Streit gut, zuletzt prominent in Bayern, aber auch sonst wenn es um Schulen oder Gerichte geht. Immer geht es dabei um die Frage, für was es steht. Für Christus und sein Leiden? Das Abendland? Kultur? Tradition?
Nicht zuletzt damit spielt die Künstlerin, die ein großes begehbares Kreuz in eine Kirche gelegt hat. Oder hat hinfallen lassen? Wer weiß.
Spiel mit der Bedeutung des Kreuzes
Aber mindestens ich kann nicht anders, als bei dieser Kunst auch die Befragung des Religiösen zu sehen. Oder besser: vor allem eine Befragung des Religiösen. Ein Kreuz ist ja nicht nur ein Kreuz, schon gar nicht wenn das alte, spätgotische Kreuz samt Corpus im Kirchenschiff darüber steht.
Wenn man durch das Kreuz in der Kirche hindurch geht, stellt sich zuerst die Frage, was das sein soll. Man weiß um die Form, wenn man drinnen ist sieht man sie aber zuerst nicht. Man begegnet auch anderen Menschen im Kreuz, so das Museum nicht vollständig leer ist. Was soll das sein, oder bildlich mit der Installation gesprochen: Welchen Stellenwert, welchen Ort nimmt das Kreuz ein?
Welchen Ort hat das Kreuz?
Wir Christen verehren das Kreuz als Ort der Erkenntnis der eigenen Sünden und deren Vergebung. Es ist eine Verbindung. Es ist Ort der Begegnung mit Christus. Es ist auch Ort des Leidens in der Welt, auch wenn wir es nicht gleichsetzen können mit den Leiden des Menschen. Das Kreuz verweist gleichzeitig auf Gott und auf den Menschen.
Die Künstlerin Mia Florentine Weiss lädt dazu ein, das noch einmal aus einer künstlerischen Perspektive zu bedenken. Es mag ihr um ganz andere Themen gegangen sein, um Frieden und Europa, aber wie gesagt Christen verbinden mit dem Kreuz auch etwas anderes.
Verweisen auf Gott und Menschen
Haben wir die Deutungshoheit über das Kreuz verloren? Anfang der 2000er benutzte Madonna ein Kreuz bei ihrer Tournee-Show, Umhängekreuze sind Mode-Acessoires, ich will hier keine Litanei anstimmen aber es sind halt nicht mehr wir Christen, die entscheiden, wofür es zu stehen habe. Wir haben das Kreuz irgendwie verloren. Das Kunstwerk erinnert auch an diese Verlusterfahrung. Das schöne daran: das ist wiederum sehr christlich.
Denn ohne Verlust ist das Christentum nicht zu denken. Hier passt das Kreuz hin: Ich muss abgeben, wenn ich auf das Kreuz schaue und das Kreuz ernst nehme. Und dann kann ich das Kreuz auch neu entdecken. Etwa in dem Kunstwerk in Berlin.
Das Ganze ist noch bis Ende November zu sehen.
Und hier noch das Ganze im Film:
Schönes Foto, schönes Video, schöner Artikel…
Interessant in dem Zusammenhang ist das Hinschauen auf die Freikirchen, die Neuapostolischen, die Evangelikalen etc. vor allem aus USA. Die haben das Kreuz doch auch oft abgeschafft oder ersetzen es durch neue Symbole. Unlängst stolperte ich über einen Vortrag der Mormonen (heißt jetzt: Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten ….), dort wurde das z.B. auch betont. Heute ja ein ganz tagespolitischer krimineller Zwischenfall mit vielen Toten (auch Kinder dieser Glaubensrichtung) im grausigen Drogenkrieg von Mexiko, sogar Trump setzte dann den Tweet ab und ruft zum Gegenschlag (das hat nix mit dem Aufsatz zu tun).
Also die amerikanischen neuen Christengemeinden haben es nicht mehr so mit dem Kreuz. Und das, haben wir in der Amazonassynode gelernt, schwappt ganz schnell nach Brasilien.
Kreuz als Symbol am Rückzug? Pathetisch – verschwindet dann das Kreuz aus dem Urwald, und ist es dann ein Problem?
Die Orthodoxen andererseits werden das nie machen. Ihnen sind Kreuz und Ikonen heilig. Mir auch, ich trug immer ein kleines Ketterl, und wurde noch nie darauf angesprochen (doch einmal, ich meine irgendwo im Rheinland, die gute Bekannte war sehr engagiertes Mitglied der FDP, was mich an der Stelle irritierte. Sie kam wieder mit der Trennung Staat/Kirche).
Rückblick auf Allerseelen. Frische Gräber mit Holzkreuz drauf. oft Sehr schlicht. Die Familie vertraut auf das größte Symbol der christlichen HOFFNUNG. Und im Dreiklang Glaube, Liebe, Hoffnung ist die Hoffnung wohl die schwierigste Disziplin. Nach den Paulusbriefen :”wer in CHristus gelebt und gestorben ist, wird auch in ihm auferstehen”.
Hoffe, ich fasse das richtig zusammen. Warum wir das Kreuz über Jahrtausende bewahrt haben.
Also mich wundert es zB bei den Mormonen (und das sind fast 17 Mio, man unterschätzt das), dass sie ein Problem damit haben. Gut aber ihre Geschichte mit dem goldenen Buch Mormon ist ja wirklich eine geniale Sache, das führt aber zu weit.
Ich will/kann auf das Kreuz nicht verzichten. Das imposanteste fand ich für mich auf einer kleinen kroatischen Insel vor einer Sakristei. Der Körper war so erschreckend fleischlich echt, eben ein durch Kreuzigung Gefolterter, der endlich erlöst war. Wie viele Millionen Kreuze die Kunstgeschichte hervorbrachte?? Und die wenigsten waren erzwungen.
Wir haben die Deutungshoheit über das Kreuz längst verloren. Nur wollen wir (egal ob wir Katholiken, oder wir Christen) es nicht wahr haben, weil wir dann einsehen müssten, dass wir keine gestalterisch relevante Größe mehr in der Gesellschaft sind.
Ich gebe ein Seminar für Jugendliche. Zwei haben eine Handytasche mit Kreuz drauf. Ich: Oh ihr seid Christen. Die: Unverständliche Blicke. Aber nein. Das ist das Symbol einer Coolen Musikgruppe.
Ein anderer trägt einen Rosenkranz um den Hals. Auf eigene Aussage hat er den coolen Umhänger beim Ausräumen der Wohnung der Oma gefunden.
Ein verstorbener Freund hat ein Kreuz in seiner Trauer Anzeige. Er war nicht getauft. Auf Nachfrage: Aber das steht doch für Trauer und Tot.
Wir Kabel die Deutungshoheit über DAS KREUZ längst verloren. Ich trauere dem nicht nach. Aber ich halte es für falsch es nicht wahrhaben zu wollen.
Uuuuuuuups, das wie ich finde interessanteste Beispiel hab ich vergessen zu schreiben.
Ein Bekannter von mit hat ein Kreuz mit Corpus über seine Brust tätowiert. Warum? Er ist schwul und steht auf SM.
Ich hatte es glaube ich erwähnt …. wir haben die Deutungshoheit über das Kreuz längst verloren.
Das Thema vom Kreuz, es ist ein sehr umfassendes Thema, im Persönlichen wie im Allgemeinen. Es werden einige Aspekte aufgeführt, die mich auch zum Nachdenken bringen. Ja die meisten Kreuze entstanden sicherlich als Hoffnungszeichen und Dankbarkeit.
Das Kreuz ist auch für mich das christliche Symbol – viele Erinnerungen und besondere persönliche Glaubenserfahrungen sind darin verdichtet. Wenn ich am Schreibtisch auf das Kreuz schaue, scheint es wie eine Zentrierung.
Aber auch an öffentlichen Plätzen schafft es Begegnung im christlichen Sinne. Habe gerade das schlichte Holzkreuz von Helmut Kohl vor Augen – vielleicht hätten sich viele ein Monumentalgrab gewünscht. Trotzdem ist dort auch besondere und dankbare Begegnung möglich – dieses Schlichte weißt trotz enormer Verdienste auf die eigene Vergänglichkeit hin. Trotz Schlichtheit gab es eine Begegnung mit Menschen aus den neuen Bundesländern, die bewusst aus tiefer Dankbarkeit an dieses Kreuz gingen. Es ist nicht das monumentale Kreuz, das es in der Nazizeit sehr wohl gab, mit völlig verkehrten Hintergrund und einem menschenverachtenden Heilsversprechen.
Das Kreuz als Symbol „Für Christus und sein Leiden“ dies scheint in meinen Augen nur ein Aspekt zu sein. Für mich auch die Konfrontation mit meinem eigenen Kreuz (Jesus spricht darüber) – aber auch dem Wissen das etwas anderes geschieht – das Kreuz nicht das Ende ist. Anders als das NS -Verständnis mit einer „totbereiten Kameradschaft“ und einem Fanatismus, der die Reihen der Kreuze auch im Ausland als Symbol für die Heimatliebe die Schlachtfelder riesigen Kreuz-Feldern machte. Die Tragik eines Fanatismus.
Aus dieser Sichtweise bin ich etwas kritisch mit dem Bild von der Künstlerin, durch das Kreuz zu gehen.
Zum anderen Thema, was in Bayern auch Empörungen hervorgerufen hat. Es scheint natürlich schwierig, im öffentlichen Raum Kreuze anzuordnen. Und trotzdem ist es in meinen Augen das christliche Zeichen – auch mit christlichem Menschenbild – das bestimmtes Verhalten erwartet bzw. nicht zulassen darf. Auch nicht bei einer Behörde. Vielleicht auch als Hinweis, die Menschenwürde und das Schwache zu achten und keine Unterschiede zwischen Religionen und Herkunft zu machen. Dann komme ich auch nicht so sehr in die Überlegung, welche Bedeutung hat es bei best. kirchlichen Gruppierungen. Während der Nazizeit wurde eine Nonne ins KZ gebracht, weil sie im Wiener Krankenhaus verbotener Weise ein Kreuz aufhängte.
Hier würde ich natürlich auch die Frage stellen, wie eine manipulierende kommerzielle Gesellschaft sich als „Kirche“ bezeichnet (Scientology), die überhaupt keinen Bezug zu Christus hat.
Zum anderen scheint es so einiges zu geben, das mittlerweile so christlich entfremdet ist, dass der Begriff völlig andere Inhalte hat (Pater Noster, Orden, Engel, Cloud, Worms als Nibelungenstadt … ).
Die Deutungshoheit hat sich verändert und die Begrifflichkeiten aus dem christlichen Kontext lösen sich auf … unmerklich. Es ist schon lange passiert.
Nette Sentenzen zu möglichen Gedanken zum Kreuz. Aber sorry, das mag was sein, wenn man die Lebensmitte überschritten hat.
Ich bin Christ und praktizierender Katholik. Und ich komme ohne Kreuz aus. Weder in meiner Wohnung noch an meinem Hals noch als Zeichen mit dem ich mich bei anderen öffentlich kenntlich machen muss.
Geht also auch ohne Kreuz.
Es ist NUR ein Christliches Symbol, neben anderen, das sich auch schon profan reger Beliebtheit erfreut.
Haben wir kein Symbol, dass in unserer Zeit eindeutiger ist?
auch wenn ich hoffe, das Kreuz bleibt mit Respektabstand die Königin der Symbole …. (um eine profane Bierwerbung zu zitieren)…
es kann sein, dass einige Angst/Verständnisprobleme vor einem antiken Foltermittel haben, ich meine, man muss das dann mit der Hoffnung und der Theodizee erklären. Unlängst las ich was über den Hedonismus in einer materiellen Welt, das führt zu weit. Ich finde, man sollte die Leute schon auf dieser Welt nix vorgaukeln (was Werbung reihenweise macht) – für viele ist das Leben ein Kreuz; auf Erden lauern viele Risiken. Das Kreuz ist ehrlich
Der Regenbogen ist das Siegel für das Alte Testament und nach jüdischer Legende die wahre Unterschrift Gottvaters.
Wie wäre es mit dem ewigen Licht. Oder nur Schriftzügen für Jesus: JHS oder AEIOU – zB in Form einer Hostie
In Zeiten des beinahe Bilderverbotes bis ca. zur Trullanischen Synode um 690 hat man sehr abstrakte Symbole genommen, was ich weiß: Fisch, Anker.
Die Muslime sind beim abrahamitischen Bilderverbot geblieben, wehe, wenn jemand Mohammed in Worte beleidigt (siehe Paris vor einigen Jahren).
Aber ich hätte noch eine Präferenz für eine lupenreine klassische Jesusikone (also die nach dem Muster Sinai etc. ppp.)
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Das “ewige Licht” ist etwas sehr Einzigartiges in unseren (katholischen) Kirchen.
…
Mehr an Ergänzung fällt mir jetzt nicht ein