In Jahrestagen gerechnet sind wir noch im Pontifikat Benedikt XVI. Am 11. jährte sich die Ankündigung zum Amtsverzicht, am 28. wird sich dieser selbst jähren, und erst am 13. März ist dann Jahrestag der Wahl Franziskus’.
Trotzdem richten sich die Blicke vor allem auf letzteren Termine. In den vergangenen Tagen habe ich mit vielen Kolleginnen und Kollegen gesprochen, interessanterweise auch aus anderen Ländern, die meine Sichtweise der Dinge hören wollten, was den „neuen“ Papst angeht. Alle arbeiten gerade an den Titelgeschichten zur Papstwahl-Erinnerung und jeder möchte eine profunde Analyse abgeben.
Liberale Werte, Benedikt XVI. und die Frage nach den Entscheidungen
Drei Dinge möchte ich dazu an dieser Stelle loswerden, sozusagen als Synthese der Gespräche:
Erstens: Franziskus ist nicht der Kreuzritter der europäisch-liberalen Werte. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Frauenpriestertum, was auch immer alles auf der Agenda der sich selber als liberal verstehenden Menschen – Christen und auch nicht – steht, das ist nicht die Agenda des Papstes. Er will eine missionarische Kirche, und was das bedeutet, das hat er uns schriftlich gegeben (Evangelii Gaudium). Jede Frage, die mit „wann wird Franziskus endlich …“ beginnt, trifft unvermeidlich ins Leere.
Er selber hat von sich gesagt, dass er „vom Ende der Welt“ sei. Das heißt vor allem erst einmal, dass die bisherigen europäischen oder westlichen Schubladen oder Kategorien nicht mehr alleine bestimmen, wie die Welt funktioniert. An uns Europäern entscheidet sich nicht mehr die Zukunft. Das müssen wir einsehen lernen.
Zweitens: Jeder Vergleich Benedikt XVI. und Franziskus zeigt mehr eigenes Vorverständnis als dass er zum wirklichen Verstehen beiträgt. Die einen sehen kein Blatt zwischen den Beiden, die anderen wollen eine ganz neue Art sehen. Es ist hochmütig von mir, ich weiß, trotzdem mag ich hier den von Benedikt eingeführten Begriff der „Hermeneutik der Kontinuität“ anführen. Wahre Reform, so Benedikt mit Blick auf das Konzil, geht nur in Kontinuität, nicht im Bruch. So viel Neues Franziskus uns auch bringt, im Bruch zu Benedikt kann man ihn nicht verstehen.
Drittens: Franziskus ist ein Papst der Räume schafft, nicht einer der Klarheiten forciert. Was er will, bietet er uns an. er wirft nicht alles um, er wirbt um uns, er kommuniziert. All die Allmachtsfantasien, der Papst müsse jetzt sofort den und den oder das und das ändern, treffen nicht das, was der Papst will und wie es der Papst will. So versteht man Franziskus nicht. „Langfristig arbeiten, ohne davon besessen zu sein, sofortige Ergebnisse zu erzielen“ nennt er das (EG 223). Der Wandel der Kirche wird sich allmählich und in menschlichem Maß, nicht durch Manifestationen von Macht und Autorität, zeigen.
Wer auf den Punkten besteht, wird einen Jahrestag der Enttäuschung feiern müssen.
Mit dieser Kontinuität geht es mir sehr gut! Danke für Ihre Ausführungen!
Kontinuität: “Eine arme Kirche für die Armen”, ich meine auch wie verschiedentlich hier im Blog angedacht (oder in Ihrem Buch?), dass dies eine Verlagerung von Papst Benedikts “Entweltlichung” ins Konkrete und ins Handeln ist bei Papst Franziskus, womit es wieder ganz in die Welt hineinkommt, eine geniale Konkretisierung, wo für mich so stark der Heilige Geist am Werke ist.
Kontinuität: Gegen die “Diktatur des Relativismus”
Kontinuität: Ausgehend vom “Gut der Kirche”, dem Evangelium, und nicht von den “Gütern der Kirche” (wie ich es von Papst Benedikt in etwa formuliert in einem der Interviews mit Peter Seewald erinnere). Also wieder. Eine arme Kirche….die sich aufs Wesentliche besinnt. Papst Franziskus tut dies, wenn er drauf hinweist, dass und wo die Kirche nicht einfach eine NGO ist.
Ja, der Mann vom “anderen Ende der Welt” rückt unseren europäischen Blickwinkel dahin, wo er in der Weltkirche hingehört: Wir sind nicht der Nabel der Welt. Damit hilft er uns sehr.
Sie bringen das Jahr wunderbar auf den Punkt. Die zitierte Aussage EG 223 ist natürlich älter; man findet sie z.B. mit Worten aus einer anderen Zeit im ‘Gesang des Erhabenen’: “Bemühe nur dich um die Tat, doch niemals um Erfolg der Tat! Nie sei Erfolg dir Grund des Tuns, – doch meid’ auch Tatenlosigkeit! In Andacht fest, tu deine Tat! Doch häng’ an nichts, du Siegreicher! Laß den Erfolg ganz gleich dir sein, – der Gleichmut ist’s, der Andacht heißt.” Und schließlich: “Was irgend nur der Beste tut, das tun die andern Menschen auch, Was er als Richtschnur stellet hin, demselben folgt die Menschheit nach.” BvG II,47-48 und III,19