Man kann es mit einem Kopfschütteln wegschweigen. Man kann es als Argument für nicht satisfaktionsfähig halten und ignorieren. Man kann die Beleidigung, die drin steckt, erkennen und deswegen nicht darauf eingehen. Aber davon geht es nicht weg: die Aufforderung an Katholikinnen und Katholiken, doch bitte die katholische Kirche zu verlassen. Geht zu den Protestanten! Hilflos vielleicht, aber häufiger gehört als der Debatte lieb sein kann.
Seit ich selber im Synodalen Weg aktiv bin, kommt diese Aufforderung noch häufiger als davor. Bis dato war sie Papst Franziskus und seinem Anliegen einer Kirche der Umkehr vorbehalten, jetzt kommt es regelmäßig mit Bezug auf die Kirche bei uns daher.
Geht zu den Protestanten!
Ein Zitat aus der jüngsten Email, die mich dazu erreicht hat (anonymisiert):
„Da frage ich mich, warum gehen Sie nicht einfach zu den Protestanten? Dort finden Sie alles was Sie begehren! Dort finden Sie bestimmt Ihr Glück! Warum spalten Sie, ja vernichten Sie meine römisch-apostolische katholische Kirche in Deutschland?“
Das klingt so, wie es ist: hilflos. Da will jemand sich dem Wandel der Kirche nicht aussetzen und will, dass alles bleibt wie es ist. Oder besser: dass alles so wird, wie es durch die Scheuklappen aussieht. Aber dieses Argument gibt es nicht nur in dieser hilflosen Form, der Theologe Karl-Heinz Menke will einen „katholischen Protestantismus” ausgemacht haben.
„Katholischer Protestantismus“?
Zunächst überrascht die Wortwahl. Eigentlich sprechen wir von „katholisch“ und „evangelisch“. Nun aber wird „protestantisch“ gewählt, wohl um den Kontrast zu schärfen. Es geht also gar nicht um Ernst gemeinte Vorschläge (falls das überhaupt jemand je angenommen haben sollte), im Vorschlag steckt Streit.
Das allein reicht aber noch nicht, um dieser Aufforderung den Schleier herunter zu reißen. Da drin steckt noch mehr, und das alles steckt in mehr Köpfen und Herzen, als uns lieb sein kann.
Weiter verbreitet, als gedacht
Erstens: Es geht an der Realität der Kirchen der Reformation vorbei. Aufgegriffen werden Dinge wie die Frauenordination und eine echte parlamentarische Struktur, aber die durch und nach der Reformation entstandenen Kirchen sind ja mehr als das. Sie haben eine eigene geistliche und theologische Tradition. Die Reduktion auf wenige Phänomene geht an der Wirklichkeit vorbei.
Zweitens: Es geht an der Aufgabe der Ökumene vorbei. Seit Jahrzehnten, seit dem Konzil, ist das Streben nach Einheit Teil des katholischen Selbstverständnisses. Das bedeutet nicht, in Kontroversen nicht auch mal auf eigenen Standpunkten zu bestehen, aber grundsätzlich gilt, dass die Ökumene eine Herausforderung ist, die wir annehmen müssen. Und derlei Aufforderungen schaden der Ökumene.
Probleme mit der Wirklichkeit
Drittens: die hier zum Vorschein kommende Hilflosigkeit geht an der Wirklichkeit der Kirche vorbei. Mich erinnert das an den bis in die 80er Jahre gehörten Ruf älterer Westdeutscher an die Jugend, man solle doch in den Osten gehen, wenn es einem hier nicht passe. Dämlich damals schon, ist auch die heutige kirchliche Abwandlung nicht wirklich intelligent. Ein Feindbild (siehe: ‚protestantisch‘ statt ‚evangelisch’) wird angeschärft um damit die Unzulänglichkeiten des eigenen Systems zu kaschieren. Und das eigene Wohlbefinden nicht in Unruhe geraten zu lassen.
Ich darf noch mal aus der oben genannten Email zitieren:
„Ich möchte in Ruhe meinen Glauben in einer Kirche ausüben, die nicht ohne menschlicher Fehler ist, aber so wie sie ist, ist sie immer noch meine Kirche wo ich gerne komme um zu beten – nicht um zu kämpfen.“
Beten, nicht kämpfen?
Allein das „nicht ohne menschliche Fehler“ sollte stutzen lassen. In seiner Allgemeinheit klingt das irgendwie nett, aber wenn wir uns dann erinnern, was diese „menschlichen Fehler“ waren, spätestens dann sollten wir stutzen. Schließlich war eine Studie zum Missbrauch Auslöser des Synodalen Wegs.
Wenn wir jetzt schon etwas sagen können dann doch wohl das, dass es kein zurück gibt zu einer Kirche, wie sie aus den Zeilen des mich anschreibenden Katholiken hervor scheint. Wenn alle Opfer gehört, alle Maßnahmen ergriffen sind. Und wenn wir durch diese Geschichten durch sind und alles richtig gemacht haben sollten, selbst dann wird die Kirche eine andere sein.
Kirche wird eine andere sein
Das Ideal von Kirche wird es nicht mehr geben. Nicht nur weil es zunehmend schwerer wird, vor anderen und auch vor sich selbst zu begründen, weswegen man noch dabei ist. Sondern auch, weil wir einsehen müssen, dass das Sprechen vom Ideal vieles verdeckt und vielleicht sogar möglich gemacht hat, was so gar nicht zum Ideal passt.
Die Kirche ist jetzt schon eine andere. Diese Einsicht ist noch nicht überall gleich verbreitet, um so wichtiger ist, dass wir reden, reden, reden. In theologischen Seminaren und bei Konferenzen. Im Arbeitszimmer des Papstes und bei Bischofskonferenzen. Unter Katholikinnen und Katholiken wie auch ökumenisch.
Sich dem zu verweigern bedeutet eben nicht Treue, sondern den Auftrag zu verfehlen, den Kirche hat.
Auch ich gehe gerne in meine Kirche, um zu beten. Wer bewerten bedeutet nicht, dass alle Konflikte dann draußen bleiben. Beten bedeutet für mich, sich dann auch einzusetzen. Zu streiten, wenn nötig. Die Augen offen zu halten.
Der Versuch, alles Herausfordernde vor die Kirchentüre zu verbannen, hilft niemandem.
Faktum nach Beobachtung ist: die Kirche seit mindestens 2011 wird von ZentrifFUGALkräften erschüttert.
Keine Radialkraft, niemand schaut auf die Mitte
das zeichnet auch dieses Pontifikat aus. Kein streben zum Zentrum, egal ob das jetzt auf Erden der Papst sein soll, oder doch und hoffentlich, der dreifaltige Gott in Jesus.
Schauen wir kritisch hin, auf etwas revolutionäre Gruppen der Vergangenheit
i) Schaden aus 1. Vatikanum: die Altkatholiken WOLLEN NICHT zurück, auch wenn wir sie nehmen
ii) 2. Vatikanum: die Piusbrüder WOLLEN NICHT zurück, auch wenn wir sie nehmen
usw.
Das ist sehr traurig. Würden wir in eine “Ökumene mit amerikanischen Randgruppen (?)” einsteigen: dem heutigen Katholizismus würden die Mormonen (gut 17 Mio) die Verhandlung versagen, weil sie, die Mormonen, sich uns überlegen fühlen. Selbst die Zeugen Jehovas.
Es ist ein schlimmer Zustand. Und ich sehe viel Kritik an diesem Papsttum: er vereint nicht, er treibt eher auseinander.
Natürlich fühl ich mich in dieser katholischen Kirche so unwohl wie noch nie in meinem Leben. Dennoch bleibe ich. Man kann nur auf Besserung hoffen. Von oben. Leider hoffe ich sicher nicht auf den synodalen Weg.
Entschuldigen Sie, wenn ich etwas pedantisch bin: “Faktum nach Beobachtung” ist ein Widerspruch in sich. Beobachtungen hängen immer von der Perspektive ab, seit Kant ist das Teil wissenschaftlicher Debatte.
Und was niemand auf die Mitte schaut, stimmt einfach nicht. Da schauen die meisten hin. Gerade beim Synodalen Weg ist das so.
ja, die Formulierung ist tolpatschig, Sie haben Recht.
Ich wollte damit aber sagen, dass mein Befund ein subjektiver ist. Mehr maße ich mir nicht an.
Es steht mir zu, gewisses Unwohl zu formulieren. Wenn ich Auftreten und Reden von Papst Franziskus in den letzten Jahren höre, wird mir zu nehmend unwohl. Zu viel Tagespolitik.
Wir hatten sofort wie die Uno eine Impfstrategie bis zum kleinsten Jota, aber die Osterliturgie 2021 ist angeblich wieder digital. Soll das Fortschritt sein?
ABer bitte schön: man muss erdulden.
Wer schaut auf die Mitte, es ist wirklich eine schwere Frage.
Ich übertreibe: uns wird eine sehr große klare Marienerscheinung im 21. Jahrhundert helfen. Das könnte ein Ausweg sein.
Oder wie es andere sagen: den Betern kann es noch gelingen
“seit dem Konzil, ist das Sterben [sic!] nach Einheit Teil des katholischen Selbstverständnisses.”
Ein freudscher Versprecher? 😉
Ist korrigiert, danke für den Hinweis!
Nur ein kleines Detail: “Rübermachen” war Ost-West Richtung, “geh doch nach drüben!” war West-Ost Richtung öfters noch mit dem Kommentar untermalt: “Bei Adolf (oder: früher) (gabs das nicht, da) hätte man solche wie Dich gleich an die Wand gestellt” Das war vor der Wende.
Nach der Wende hieß es im Westen: “Geh doch wieder rüber”, im Osten: “Sind Sie einer von uns?” .
Eben nicht. Mir (Westler) ist das in bewusstem Zitat auch in der “Gegenrichtung” begegnet. Das war in den frühen 80ern.
Da gibt’s scheint’s noch Dialektunterschiede innerhalb des Westens.
“Der Versuch, alles Herausfordernde vor die Kirchentüre zu verbannen, hilft niemandem”
dableiben und dann wieder gehen – aber wohin???
das kleine Mädchen in mir erinnert sich sehr wohl: Die Großmutter väterlicherseits war sehr im protestantischen Glauben verwurzelt. Die betreffende Großmutter musste aber 1903 (Bayern) konvertieren um den katholischen Großvater heiraten zu können. Bei den Großeltern mütterlicherseits war es anders: Großvater (Preußen)katholisch wie seine Brüder (alle Schwestern hingegen protestantisch) und Großmutter (Bayern) kath. Meine Mutter wollte vorehelich mit ihrem jüdischen Verlobten nach Palästina auswandern- Da dieser gläubiger Jude war, hat meine Mutter erst einmal bei einem Rabbiner Unterricht nehmen müssen um sich im jüdischen Leben zurecht zu finden. Die Ehe kam nicht zustande, da die komplette mütterliche Seite sich plötzlich auf der Liste für Dachau fand. Von meiner Mutter wurde ich im großen und ganzen angepasst ans Katholische erzogen. Ich habe später einen serbisch-orthodox getauften Ehemann geheiratet, der alles andere als gläubig war (1941 geboren, im sozialistischen Internat erzogen), in dessen Familie es aber einen Patriarchen gab mit einer wunderbaren christlichen Ehefrau.
Diese ganze Vielfalt hat aber in meinem gelebten Glauben als Katholikin nur die Weite zu anderen Religionen betont. Wobei: Ein protestantischer Cousin (prot. Missionar) wollte mich immer mal wieder dran erinnern, dass ich den Fehltritt der väterlichen Großmutter sühnen soll und zum Protestantismus zurückkehren soll – die älteste Tochter eben dieser Großmutter hat mich mit nicht ganz 16 Jahren zu ihrer Oberin mitgenommen und dieser gegenüber behauptet, ich sei die nächste aus der Familie, die in den Orden eintritt…(Drittorden Franzisk.). Ich aber wollte nicht! Ja und da gab es noch ein Pendant dazu, eine Diakonisse, meine älteste Cousine (jetzt 101 Jahre) die gerne und gut in ihrer Art ihren Glauben zu leben verwurzelt. war.
Ich hatte also in meinem Leben alle Möglichkeiten die abrahamitischen Religionen zu erleben – die islamische dann – als ich in meinem Haus bis vor 4 Jahren auch Sprachschüler dieser Richtung aufgenommen habe.
Manchmal hat mich das Handeln der kath. Kirche als Institution so entsetzt, dass ich wirklich drauf und dran war die Institution zu wechseln – am liebsten ins altkatholische, da immerhin katholisch, aber keine Dogmen der Unfehlbarkeit, synodal verfasst mit allen 7 Sakramenten auch für Frauen lebbar. Das ist bis heute eine Option für mich, die am katholischen Leben hängt, aktiv in der Gemeinde mitwirken will. Wegen Corona ist es derzeit nicht möglich die Mitarbeit in Seniorenarbeit und Pfarrcafe und Kirchenchor zu leisten.
Wenn man das so liest denkt manch einer vielleicht ich sei heimatlos – stimmt nicht! Bin katholisch! Auch wenn ich vor 4 Jahren wirklich aus Bayern nach Oberösterreich gezogen bin und mich da pudelwohl fühle .Dass wir eine weibliche Pfarrleitung haben ist dem hiesigen Bischof und der Abwesenheit von ausreichend Pfarrern zu verdanken – stört mich aber auf gar keinen Fall.
Am liebsten wäre mir eine ökumenische Zusammenarbeit der christlichen Glaubensrichtungen! Ohne! die betont trennende der Auslegung unseres Glaubens unter der Anerkennung der Richtungen und die Möglichkeit auch so im Glauben jeweils miteinander zu leben. Einfach Für mich näher am Evangelium!
Ihnen sind Strukturen wichtiger als Glaubensinhalte?
Nach so einem langen Kommentar so eine Killerfrage ist schon heftig. Ich springe mal ein: das eine geht gar nicht ohne das andere. Das ist jedenfalls die katholische Version. Glaube geht ohne Kirche nicht und die ist notwendigerweise beides.
@ LORENZO
sehr geehrter Herr Lorenzo, da liegen Sie aber ganz und gar falsch!!! die Freiheit von Gesetzen und deren Strukturen die un-nachgefragt einfach so über die Menschen und deren religiösen Glauben gebieten ist mir SEHR wichtig, so wie das auch Jesu Gesinnung war! Mein ganzes Leben habe ich mich in Ehrenämtern eingebracht und es war mir nicht so wichtig welcher “Struktur”, welcher Glaubensrichtung, diese zuzurechnen waren! wichtig war das, was zu schaffen war, was zur Hilfe anderer beigetragen hat!!! Ich habe jedenfalls in meinem Leben erfahren, dass der christliche Glauben, das Evangelium, die Bergpredigt mir wichtiger waren als die Zugehörigkeit zu einer “Struktur”, die letzten 74 Jahre wenigstens und so lange ich es noch schaffe auch in Zukunft!
@Herlinde Schmid
Liebe Frau Schmid, DANKE FÜR. DIESEN!!!! Beitrag!
Sie formulieren auch meine Auffassung besser als ich es vermag
Wunderbar!!!
“Mein” erster Pfarrer, dem ich ministrierte, hatte in diesem Winter 6 Wochen Corona-Infekte. Er blieb zu hause, wurde vom Arzt gepflegt und überlebte gut. Ach ja, er ist im 87., wird im Sommer hoffentlich das 60. Jubiläum seiner Weihe feiern, das ist schon was. Er hat einige Vorerkrankungen. Am Ende der Covid-Behandlung hat man sein Alters-Diabetes neu “eingestellt” und ihm einen “Stent” Katheter bei den Herzgefäßen eingeschossen.
Heute feiert er nach langem Krankenstand in einer Kapelle, die wir irgendwann “gemeinsam” restaurierten die erste hlg. Messe nach langem. Verstorben im Winter ist zB der Organist aus der Pfarre. Ihm wird heute u.a. gedacht.
Sowas ist schon was und viele freuen sich drauf. Das ist Kirche!!! Mir erschloss es sich nicht ganz, warum er diese für uns sehr wichtige Messe am Dienstag ansetzt. Nun, er nimmt den Kalender und die Zeit generell nicht so wichtig. Er ist ein Spitzenrhetoriker weiterhin und fährt natürlich selbst mit dem Auto zur Kirche.
Nun wird der alte Herr Pfarrer seinen Alltag weiter alleine stemmen. Er soll über Mittag eine Betreuung bekommen, damit er einmal am Tag warmes Essen hat.
Angeblich hat ein Apparatschik aus dem Ordinariat den Kommentar fallen lassen: “hättest mehr gespart im Leben, könntest Dir eine 24h-Betreuung leisten”. Ganz erfunden halte ich die Aussage nicht, es zeigt, wie rau die Umgangstöne im Alltag sind.
Ich denke, dass solche Priester die Kirche im 20. JH getragen haben und dass es solche tolle Menschen auch weiterhin geben wird.
Wenn man dann als Antithese von einem ebenfalls sehr traurigen Suizid in der Kölner Diözese liest, dann sollten wir alle, Kleriker wie Laien, in der Kirche vor allem Konesequenz und Barmherzigkeit leben.
Mir kommen solche Aussagen wie “meine Kirche” sonderbar vor. In unserer Pfarrei sagte vor kurzem jemand: “Das ist nicht mehr meine Kirche”. Ich habe mir gedacht: es ist und war doch nie deine Kirche. Es ist und war doch immer die Kirche Jesu Christi. Und er kann doch mit eben dieser seiner Kirche machen, was er möchte und zulässt und muss uns nicht fragen, ob es uns so passt. Und gehört zum konsequenten Leben des Glaubens nicht auch der Kampf hin und wieder dazu, am Ende vor allem mit sich selbst? Wir singen doch auch im Lied, sofern wir irgendwann wieder singen dürfen: “Wir sind im Kampfe Tag und Nacht…”
Mitte der Siebziger wurde einmal ein Freund, US-Amerikaner, der in Deutschland mit einem Stipendium für eine Habilitation über Walter Benjamin war, beim Betreten einer Münchner Kirche an einem hohen Feiertag bei schönstem Wetter im Mai von einem Gottesdienstbesucher in gestandenem Alter mit den übellaunigen, unfreundlichen Worten begrüßt: “Was wülgst’n du hier, drecketer Saubär, drecketer!” Das hat mich sehr beschämt und ihn und mich nachhaltig beeindruckt. Bin nciht so sicher wie Paulus, daß die Gemeinde so fest im Glauben steht und ein bisschen mehr Evangelium wenigstens nicht schaden könnte. Ist zwar schon bald 50 Jahre her, jedoch wurde ich ähnlich unfreundlich letztes Jahr beim Besuch einer evangelischen Kirche in Wolljacke angefahren; “Geht man denn mit Strickjacke in die KIrche!”.Ich halte mehr von den alten, mystischen Richtungen, Hildegard von Bingen, Meister Eckhart, Teresa von Avila, daß der Glaube etwas ist, um es sich zu erarbeiten und etwas hervorzubringen, zu erschaffen, und nicht um andere zu treten und sich überlegen zu fühlen, wie das leider zu oft zu sehen ist. Einen furchtbaren Eindruck macht auf mich die beobachtbare herablassende Selbstherrlichkeit und demütigende Aggressivität gegenüber Kardinal Wölki und das unbegrenzte, offenbar von primitiver Rache geleitete Strafbedürfnis gegenüber den Missbrauchstätern, am besten noch lange in die Vergangenheit zurückreichend. Da machen doch anscheinend wieder Leute ihr eigenes Ding daraus. Oder wie H.v.Bingen sagte, “hat der Teufel einmal einen Fuß im Haus, ist er so leicht nicht mehr herauszubringen”,
Hildegard von Bingen hat in ihren Briefen mit Kritik an den Bischöfen ihrer Zeit nicht gespart. Es bleibt unserer Phantasie überlassen, was sie einem Kardinal Woelki geschrieben hätte, wenn er sie um Rat gefragt hätte. Auf jeden Fall hat sie sehr klar zwischen Spiritualität, Glauben, Moral, Politik und Recht unterschieden. Und genau das würde uns auch guttun. Mystik kann keine Antwort auf Missbrauch sein! Vielleicht nutzen tatsächlich einige die Fehler Woelkis für eine Abrechnung mit den ungeliebten Traditionalisten, aber wenn dem so wäre, wäre das zynisch gegenüber den Missbrauchsopfern, zu denen, wie wir inzwischen wissen, nicht nur Kinder, sondern auch erwachsene Frauen und Männern gehören. Und die Dunkelziffer ist hoch, sehr hoch!
Lieber Herr Stephan,
vielleicht hat Ihr sich der nach Hildegart von Bingen zitierter Fuss des Teufels irgendwo im Erzordinariat zu Köln schon in einem (und hoffentlich nur in einem) Haus festgesetzt? Keiner weiss das und Sie werden es vermutlich vehement verneinen. Aber warum sollten hiesige Blogmitglieder, die anderer Meinung sind, nun grad selbst des Teufels sein? Da zeigt sich so etwas, was als des Teufels Schwanz immer noch in unsere Gegenwart hineinreichen könnte: Man kann sich als vom Bösen verführt sehen. Da hilft die Beichte. Aber oft, und das scheint mir der Knackpunkt zu sein, geht es weiter wie vorher, nur dass das Gewissen halt wieder rein ist wie zuvor. Die Erinnerung kann zwar nicht mit einem Reset gelöscht werden, aber das Leben läuft weiter und die Zeit und das Vergessen und. Vergebung wie oft mal für selbiges? Wenn das die Hoffnung der Kirche sein soll, alles Gut, nur Teufel in der Tür, Beichte, Wallfahrt, neue Marienerscheinungen etc. na dann : Gut Nacht., Kirche. Aber:
Die Deinen Höchsten wollens so, grad so, denn sonst ging was anderes.
Dieses, lieber Herr Stepan, ist nicht gegen Sie gerichtet, aber lhnen zu widersprechen fordern Sie ja gradzu heraus.
PS. Einiges ist aus den obigen Wünschen (Dietmar) einbezogen, aber es schien mir passend.
Danke für Ihre Antwort. Nein, ich sehe, daß Ihr Schreiben nicht gegen mich ist. Es bezieht sich ja doch überhaupt nicht auf das, was ich geschrieben habe. Sie beginnen mit Unterstellungen und fügen dann Vermutungen und Anmutungen hinzu, die sie dann angreifen. Ich hatte an die Hildegard und andere Mystiker gedacht, weil sich hier ein erstes Aufschimmern des Lichts der Aufklärung zeigte, was ich sehr interessant finde, heute noch, wie das Denken doch begann! Hildegard war eine kluge, gebildete und kecke Frau! Mit dem “Haus” meinte sie doch sicher das eigene Selbst, ihres und Ihres. Wenn man in sich geht, kann man da evtl. eher dem Teufel begegnen und klar, das kann einem selbst etwas unangenehm sein, aber man sieht dann vielleicht besser? Anlass zu meinem post war eine kleine Zeitungsnotiz, wonach irgendein Bischof sich für die Planierung eines jahrzehntealten Priestergrabes einsetze, der zu seinen Lebzeiten im Amt sexuellen Missbrauch ausgeübt habe; und das mit der Begründung, man sei das den Opfern schuldig. Das ließ mich schaudernd an Shakespeares Hamlet denken, der nicht lieben kann, weil er mit Rache, möglichst schon ein paar Generationen zurückliegend sich beschäftigen muss. Und das war ja im Mittelalter so, daß man mit Toten Verträge geschlossen hat oder gegen sie prozessiert hat. Ich meine, auch Meister Eckhart wurde post mortem von der Inquisition als Ketzer (=zum Tode) verurteilt, dann aber doch durch Heiligsprechung mehr als rehabilitiert. Der Pater hat ja ein email an sich mit so einem biedermeierlich anmutenden Inhalt zitiert, und das Verjagen aus seiner Erfahrung, das dazugehört. Wir kennen das von Wilhelm Buschs Witwe Bolte, dem Schneider, Lehrer Lampe etc.. Ich will sagen, man muss auch mal Grenzen im Wunsch, sich moralisch überlegen zu fühlen finden, sonst – guck da! Guck mal nach, ob der Teufel schon seinen Finger drin hat bei diesem Spiel das du machst! Im Moment scheint es da ja eine Gespaltenheit zu geben, schwarz oder weiß, was einer sagt, ruckzuck steht er am Pranger und wird verdächtigt.
Ich finde, das kann man gut durch einen Gang ins Innere überwinden, und einem befreienden nach vorne gehen, wie es die Mystiker angefangen haben.
Diese Woche blieb mir in Erinnerung: die heilige Revival Messe des 87 jährigen Priesters besuchten mehr als 50 Personen. Es war berührend. Alle trugen Filtermaske. Dennoch war der Abstand in der Kapelle nicht einzuhalten. Als ewiger Ministrant wollte ich auf den Priester noch einwirken, er soll in die Hauptkirche gehen. Da ich nach vielen Jahren seine Mimik lesen konnte, erkannte ich nach wenigen Tausendstel Sekunden, dass er ja sehr immunisiert ist.
Paul VI: das mit dem Satan ist viel gefährlicher. Er kommt wie der Rauch durch jede Ritze. Hüten wir uns immer davor und vertrauen wir vor allem auf dem Segen der Mutter Gottes. Denn dem Leibhaftigen alleine sind wir ohne Schutz der Muttergottes, und auch der apostolischen Kirche ausgeliefert.
Ich bin auch ein Verteidiger von kardinal Woelki. Einfach so, weil ich gerne zur Konterposition neige. Lange hab ich in Köln gearbeitet, und ich fand dort viel Gutes. Gestern schrieb der bekannte Theologe und Arzt Dr. Lütz, Kölner, einen wichtigen Artikel zum Missbrauch und seiner Interpretation im Kontext der Gesetze und Medienstimmen um 1970, jawohl.
Ehrlich, war ich auch immer gegen den Synodalen Weg, der auf der MHG Studie beruht. Mich erinnert es an die Szene bei Umberto Eco, wie die Dominikaner im Anhänger immer Martergeräte oder gar das Anheiz-Harz für den Scheiterhaufen mitbringen. Das “Vertuschen von Missbrauch” ist rein rechtlich ein Pfusch und eben genug Potenzial für Inquisition.
Die Aussagen von Stephan gefallen mir sehr gut. Ich sag so, vereinfacht: wenn man sich mit der Kirche im Außen nicht mehr so gut im Einklang spürt, dann gibt es ja noch die Kirche und vor allem Jesus im Inneren. Das meinte unser dreifaltiger Gott vermutlich mit dem “Heiligen Geist” auch. Ich kann mich schweigend zurückziehen und das Heilige im Inneren suchen. Das ist Mystik, oder.
Freilich bin ich viel zu neugierig, als dass ich nicht jeden Tag den Vatican-News-Letter aus Rom lese, um dann zu resümieren, nur für mich: verkehrt, das war aber früher anders, das ist irgendwie gegen den Katechismus, das wiederum ist sogar gegen das Evangelium, wieder verkehrt.
So geht es mir derzeit in 98% der Aussendungen meiner Kirche.
Aber wir haben einen Ausweg: erstes ist das einzelne Glied des Weinbergs nicht so wichtig; zweitens kann sich der Andersdenkende nach Innen kehren und die große Kirche mal reformatorisch umbauen lassen.
Das meine ich weit weniger zynisch, als es sich eventuell liest.
Vertuschen von Missbrauch ist rein rechtlich Pfusch? Haben Sie schon mal was von Fürsorgepflicht gehört? Vertuschung ist sehr wohl rechtlich zu fassen.
Und was unser Eigenrecht angeht, das Kirchenrecht: das Phänomen des Vertuschens weist darauf hin, dass wir dort ein Rechtsproblem haben.
Bei all dem mit “Inquisition” zu winken, wird der rechtlichen Problematik nicht gerecht. Und den Betroffenen schon gleich gar nicht.