Als ob die Synode alles entscheiden würde: In der Kirche ist Familie im Augenblick ein großes Thema, vor allem natürlich mit Blick auf die Synode. Leider erweist sich das oft nicht als eine Debatte, wie sie sich der Papst gewünscht hatte, sondern eher als ein Anrühren von Beton auf allen Seiten: Dies und das darf und muss und soll auf jeden Fall …
Dabei wird immer deutlicher, wie man sich gegen einige Ideen, die unter anderem – aber nicht nur – aus deutschsprachigen Ländern kommen, wehrt.
Kirchensteuer ist das eine, darüber habe ich ja schon zweimal geschrieben, einmal über die „ideologisierende Verbindung von leeren Bänken und theologischen Anliegen“ und einmal über den Kurzschluss, der passiert, wenn man zu wenig nachdenkt.
Dazu kommt nun die etwas komplexere Sicht der kraftlosen Kirche. La Stampa – eine italienische Tageszeitung – hat online zum Beispiel einen Kommentar, in dem über den Bericht der deutschen Bischofskonferenz referiert wird; die Idealisierung der Familie in der Kirche, das Suchen nach neuen pastoralen Initiativen für Menschen, die dieses Ideal nicht erreichen (übersetzt: wiederverheiratete Geschiedene). Und dann schließen die Überlegungen mit dem Hinweis, die deutschen Bischöfe führten ins Feld, dass eine Mehrheit der Menschen eine Entwicklung der Lehre wolle und damit eine größere Öffnung für die Realität des Lebens heute.
Das wird einfach referiert, vielleicht verkürzt, aber das ist kein Problem. Das entsteht erst im Nachsatz, denn an diese Zusammenfassung schließt sich eine kurze Überlegung an, was denn diese Realität eigentlich ist. Und zwar die Realität in Deutschland, an die sich die Kirche anpassen soll. Und dazu nutzt der Artikel eine Studie über die Seelsorgerinnen und Seelsorger, die vor kurzen vorgestellt wurde, diese habe unter anderem herausgefunden, dass etwa die Hälfte aller Priester nicht mehr als ein Mal im Jahr beichten und dass nur zwei Drittel der Priester überhaupt jeden Tag beteten.
Die unausgesprochene Frage dahinter – ob vom Autor intendiert oder nicht muss hier gar keine Rolle spielen – ist natürlich die, wie eine geistlich schwache Kirche, wo das tägliche Gebet noch nicht einmal bei Priestern selbstverständlich ist, in der Weltkirche maßgeblich mitreden will. Und dass diese Kirche sogar in Sachen Lehre mitreden will. Das Argument, ein Blick auf die Realität sei nötig, wird durch den Hinweis auf den geistlichen Hintergrund sozusagen entwertet.
Ein Blick auf die Realität hilft
Die Schwäche der Kirche bei uns – behaupte ich jetzt einfach mal ohne genaue Zahlen zu haben – liegt aber gar nicht in der Schwäche des Gebetes. Sie liegt darin, dass es bei uns Studien dazu gibt. Wer sich seine eigene Realität nicht anschaut, der kann ganz einfach auf die Schwächen der anderen blicken.
Dabei will ich anderen Ortskirchen gar nichts Spezielles unterstellen, ich sage nur, dass die Kirche immer aus Sündern besteht, das sagt mir mein Theologiestudium und das sagt mir auch mein Geschichtsstudium. Bei uns wird nun einfach auf diese Realität geblickt, um sie besser zu verstehen.
Ich kann mir schon gut vorstellen, wie das außerhalb wirkt. Es wäre ja bei mir selber nicht anders: Es gibt einen kurzen Bericht über etwas, was so richtig schief läuft, und hier reagieren wir sofort mit Assoziationen. In einem hypothetischen Land in Asien oder Afrika leben nur X Prozent der Priester den Zölibat: Das wird dann sofort in ein Argument hier eingebaut (alles hypothetisch, kein Bezug zu irgendeinem Land intendiert). Hier wird eine emotionale Reaktion hervor gerufen, die sich als eine rationale Reaktion tarnt.
Das ist das eine. Aber natürlich hat das auch eine andere Seite: wenn wir diese Hinweise auf die Schwierigkeiten und Schwächen nicht als Aufforderung begreifen, uns auch an unsere eigene Nase zu fassen, dann treffen sie uns. Wenn uns die fehlende geistliche Kraft nicht wenigstens eine Fragestellung wert ist, ob das denn stimmt oder nicht oder wo vielleicht diese geistliche Kraft bei uns liegt, dann kann ich verstehen, dass außerhalb unserer Ortskirchen Christen sagen, dass sie uns nicht wirklich ernst nehmen.
Also: Ich glaube, dass das Blicken auf die Realität nicht einfach ist, dass sie schmerzvoll sein kann, aber dass wir sie brauchen, um ehrlich mit uns sein zu können. Und dann zählen auch die Argumente.
Ich glaube, dass viele Priester selbst nicht zur Beichte gehen, sonst würden sie die Beichte öfters anbieten. Wenn man bei uns zur Beichte gehen will, hat man den Eindruck, dass man die Priester in ihrer Ruhe stört… Zum Beispiel hat mir einmal ein Pfarrer auf meine Frage, warum er nicht regelmäßig die Beichte anbietet, gesagt, die Leute beichten eh immer das Gleiche… (nach dem Motto, das braucht man eh nicht mehr zu beichten…).
Ich gehe nur noch bei Mönchen beichten, da diese regelmäßig selber die Barmherzigkeit Gottes erfahren dürfen (weil sie selbst alle 2 Wochen beichten gehen). Das strahlt aus. Man hat den Eindruck, dass die mönchischen Beichtväter sich freuen, dass man umkehrt. Sie wissen selbst zu gut, wie gut die Beichte einem tut. Für mich ist die Beichte jedesmal eine Begegnung mit Jesus.
Mich hat auch schwer beeindruckt, dass Papst Franziskus selbst gebeichtet hat, bevor er die Beichte abgenommen hat.
Ich denke in Deutschland gibt es leider viele Priester, die selbst die Gegenwart Christi nicht mehr suchen (können?), und das färbt auf die Gläubigen ab. Wie schon gesagt, die “ausländischen” Priester strahlen eine Liebe, eine Gegenwart Christi aus, ohne dass sie viele Worte machen. Das überzeugt. Wenn man Predigten aus dem Internet zieht, setzt man sich selbst sicherlich auch nicht mit Christus auseinander. Denn nur das, was ich für mich selbst erfahre, kann ich auch an andere weitergeben.Das Christentum ist keine Lehre, sondern eine gelebte Beziehung zu Jesus.
Was ich noch nie verstanden habe (vielleicht kann mir das jemand erklären): Wieso liegt der Fokus auf wiederverheiratete Geschiedene? Wenn ich von Personen spreche die das (katholische) Ideal der Familie nicht erreichen gibt es doch auch andere Katholiken, viele leben nichtehelich zusammen, andere sind geschieden und in neuer Partnerschaft aber ohne staatliche Eheschließung. So mancher Vermieter in Deutschland wird bestätigen, dass es immer weniger “klassische” Ehepaare gibt – zu denen ich auch die wvG zählen würde.
Was ich ebenfalls nicht verstehe (rein logisch): Für was genau sollen die wiederverheirateten Geschiedenen eine Bußzeit absolvieren nach der sie dann wieder zu den Sakramenten dürfen? Mein bisheriges Verständnis ist, dass die Fehler einer gescheiterten Ehe (ganz normal) in der Beichte (oder Gebet usw.) vergeben werden. Also für was wäre genau die Bußzeit? Für das Eingehen der neuen Ehe?? Irgendwie komisch, oder?
Ihr Verständnis ist meines Wissens nach kirchenrechtlich nicht korrekt. Leute, die nach gültiger (kirchlicher) Eheschließung eine zweite Zivilehe eingehen, leben nach geltender Lehrmeinung ständig in einem Zustand schwerer Sünde. Ich bezweifle, dass die Beichte einem eine Sünde vergeben kann, die man aktuell immer noch begeht.
Wenn die Rechtsprechung da eine andere wäre, würde die Bußzeit aber dennoch Sinn ergeben: Sie dürfen Vergebung nicht mit Ablass gleichsetzen. Siehe hierzu auch [1].
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Ablass
Ah, ich glaube ich verstehe jetzt: Sie sehen die erste Ehe als Fehler an und wollen diese beichten? Aber das wäre schon ein bisschen ironisch, oder? Da man nur Sünden beichten kann, würden Sie somit die gültig geschlossene Ehe als Sünde ansehen.
Eigentlich habe ich schon gemeint, dass das Scheitern der (ersten) Ehe das ist wofür Kardinal Kasper die Bußzeit möchte. Aber, das wäre ja eine Verschärfung der jetzt gültigen Regeln. Momentan reicht ja daür kirchenrechtlich die Beichte, oder? Aber Sie haben recht: Wenn man die erste Eheschließung selbst als Sünde ansieht (unüberlegt geschlossen, wir hätten gar nicht heiraten sollen etc.), würde das mit der Bußzeit Sinn machen. Die Frage ist nur: Meinen das die Befürworter der Bußzeit?
“Momentan reicht ja dafür kirchenrechtlich die Beichte, oder?”
Nein, das ist falsch. Nochmal: die Beichte ergibt nur für Sünden Sinn. Die Ehe im kirchlichen Sinn ist aber ein lebenslanges Versprechen, welches – wenn es gültig abgegeben wurde – unauflöslich ist. Man ist also im kirchlichen Sinne bis zum eigenen Tod oder dem des Partners in dieser Ehe. Auch nach einer Trennung oder zivilrechtlichen Scheidung. Der “Ehebruch” (welcher die Sünde darstellt) entsteht dann, wenn man sich mit einem anderen Partner einlässt, weil ja die erste Ehe immer noch besteht. Wäre das ein einmaliger Akt, wäre das wie Fremdgehen und daher sicherlich mit der Beichte regelbar. Nur als Dauerzustand eben nicht tragbar und daher “ständig im Zustand der Sünde”. Übrigens kein Problem (etwas überspitzt formuliert) ist eine zweite Zivilehe, wenn diese enthaltsam gelebt wird.
Abgesehen davon sei noch zu erwähnen, dass es durchaus vorkommen kann, dass die erste Ehe eben nicht gültig geschlossen wurde (beispielsweise, wenn einer der beiden gar nicht wirklich wusste, was die kirchliche Ehe wirklich bedeutet – was heutzutage bei vielen in Deutschland der Fall sein dürfte). In so einem Fall lässt sich das durch einen aufwändigen Prozess feststellen (der nach Willen des Papstes künftig verkürzt werden soll), sodass am Ende kirchenrechtlich gesehen die erste Ehe gar nicht bestanden hat.
Dass die Beichte nur für Sünden Sinn ergibt ist mir schon klar, aber für was diese Bußzeit? Gut, dann muss ich wohl warten, ob eine derartige Bußzeit mit anschließender Sakramentenzulassung überhaupt kommt. Eigentich verstehe ich es eh nicht, das ganze ist doch sowieso eine Frage der Individualseelsorge und keine Frage für öffentliche Diskussionen. Nicht jede ungülige Ehe kann anulliert werden. Ich kenne eine Frau die im Ehenichtigkeitsverfahren gelogen hat aus Rache dem Mann gegenüber. Der Mann geht trotz erneuter Heirat zu den Sakramenten was ich – jedenfalls für diesen Einzelfall – gut finde. Er kann ja nur deswegen nicht kirchlich heiraten, weil die Ungültigkeit seiner ersten Ehe nicht offiziell festgestellt werden konnte. So etwas könnte doch öfter vorkommen.
Vielleicht geht es darum, ein gemeinsames Leben wieder zu finden, das in der ganzen Menschheit begründet ist, denn man kann ja nur teilen, was man bereits selbst erreicht hat oder gemeinsam aufbauen, was man gerne erreichen möchte. Wenn die kirchliche Ehe nicht mehr als Sinnbild für ein gemeinsames Leben steht, dann stellt sich mir die Frage, wie man es denn erreichen sollte und warum ist es so wichtig für jemanden kirchlich zu heiraten. Wer keine Sünde im Ehebruch sieht, der kann meines Erachtens auch den Sinn einer kirchlichen Ehe nicht erkennen und sollte lieber nur standesamtlich heiraten, bis er Einsicht gewonnen hat.
Trotz aller Mängel gibts immer noch sehr viele gute Priester, das kann ich aus dem persönlichen Umfeld bestätigen. Priester, die sich bemühen und bei denen man sich gut aufgehoben fühlt. Das Thema “Beichte” war und ist auch für mich eher unangenehm, gerade auch wegen schlechter Erfahrungen als Jugendliche. Andererseits durfte ich in den letzten Jahren einige geradezu außergewöhnliche positive Erfahrungen machen: Beichtgespräche, die gut getan haben. Allerdings wurde dazu immer ein eigener Termin vereinbart. Positiv war auch eine Beichte im Petersdom auf einem Stuhl neben der Wand.
Nach meinen Erlebnissen kann es auch nicht funktionieren, wenn man z. B. kurz vor der Messe im Beichtstuhl in wenigen Minuten beichten will. Zur nötigen Entspannung darauf fehlt die Zeit – sowohl dem Pfarrer als auch einem selber! Dazu kommt der Vorhang am Beichtstuhl, der nur sehr schlecht die Stimme dämpft und ein Gespräch in Wohlfühllautstärke unmöglich macht. Auch eher unangenehm.
Es sollten allgemein die positiven Seiten der Beichte hervorgehoben werden – durch ein gutes Beichtgespräch ließen sich wohl etliche Termine beim Psychologen sparen.
Ich sehe das Problem auf einer ganz anderen Ebene:
Wir leben in einer Zeit des radikalen Wandels. Genau das macht vielen Menschen Angst. Wenn nun der Wandel auch die Kirche erfasst, so erscheint das manchen als eine grosse Katastrophe. Wohin sollen sie sich in einer ihnen immer fremder werdenden Welt wenden, in der sie sich nicht mehr zurecht finden? Was ist, so lautet die Furcht, wenn das, was heute noch schwerste Sünde ist, vielleicht morgen schon auf einem Mal keine mehr ist? War dann alles für die Katz? War alles umsonst?
Ich glaube, da liegt das Problem und ich glaube, die Fragestellung wäre eigentlich mal untersuchenswert.
sünnerklaas:
Das ist meiner Meinung nach ein sehr interessanter Aspekt dieser Diskussion, der zu wenig beachtet wird. Das wäre sozusagen die Frustration des daheim gebliebenen Bruders in der Geschichte vom Verlorenen Sohn.
Übrigens sehr passend zum Thema die Predigt von Papst Franziskus gestern. [1] “Ohne Gebet gibt es keinen Platz für den Geist.” Gerade darum ist es problematisch, wenn ein großer Teil der Priester nicht mehr täglich betet. Sie laufen Gefahr, das zu wollen, was die Menschen wollen, und nicht das, was der Geist will.
[1] http://de.radiovaticana.va/news/2015/04/28/papstmesse_%E2%80%9Eoffen_sein_f%C3%BCr_die_%C3%BCberraschungen_des_geistes%E2%80%9C/1140154
Das Problem ist doch nicht, dass zwei Drittel der Priester nicht mehr täglich beten (ergänze: und der Diakone und Pastoral- und Gemeindereferentinnen und -referenten).
Das “Problem” ist, das der überwiegende Teil der Christinnen und Christen kaum noch betet.
Ich wage zu sagen: weil Ihnen nur wenige Menschen gezeigt haben, wie es geht. Wie schön das ist. Wie gut das tut.
Und dass es nicht um Pflichterfüllung geht (Breviergebet!) sondern um Kontakt zu Gott, der mir im Gebet entgegenkommg und mich berührt.
Aber ich habe keine Sorge. Denn der Geist weht so er will.
Mir begegnen viele Menschen mit einer großen Sehnsucht nach Gott.
Ob wir den Mut haben, ihnen zuzuhören – und mit und vor allem für sie zu beten?
Was ist beten? Daher gesagte alte “Formeln” oder Gespräch mit Gott: Danke, dass mir gerade geholfen hast, den Mund zu halten und nicht gleich zu explodieren? Oder auch einfach nur dasitzen und schweigen, darauf zu hören, was Gott mir sagen will – kann manchmal lange dauern …..