Die USA und Kuba, Kuba und die USA, bei der Papstreise scheint es kein anderes Thema gegeben zu haben als die gesellschaftlichen, politischen und nicht zuletzt wirtschaftlichen Veränderungen auf Kuba stehen im Vordergrund. Dahinter tritt die kirchliche Wirklichkeit und der Glaube der Menschen auf Kuba, die der Papst besucht hat, zurück. Noch weiter im Hintergrund ist noch ein Thema, und zwar das der Familie.
„Die Familie rettet uns vor den Phänomenen der Gegenwart: Der Trennung und Spaltung, der Vermassung. In beiden Fällen werden die Menschen zu vereinzelten Individuen, die einfach zu manipulieren und zu regieren sind.“ So Papst Franziskus beim Familientreffen in Santiago, das den Kuba-Teil der Reise abschloss. Und: „Die Familie ist die Schule der Menschlichkeit“, Familien „sind echte Räume der Freiheit“. Das sind Aussagen, wie sie vom Papst öfter fallen, was anzeigt, wie wichtig ihm das ist.
Das ist aber nicht alles: In seiner Meditation darüber, was Kirche ist, definiert er sie nicht vom Zentrum her. Es ist nicht das Amt, der Papst, die Bischöfe, die er zur Grundlage macht. Es sind – das sagt er auch in der letzten Ansprache bei der Reise – die Familien. Wenn er jetzt in die USA reist, wird sich wiederholen, was in Kuba schon passiert ist: Die Aufmerksamkeit wird auf dem Kongress und der UNO liegen, der eigentliche Grund – das Weltfamilientreffen in Philadelphia – wird dann weniger interessieren, auch wenn kurz darauf die Synode zum Thema stattfinden wird. Vielleicht Zeit, den vielleicht aufgebrauchten Satz von Che Guevara umzuformulieren und auf den Papst zu münzen: ¡Hasta la familia siempre!
Sehr geehrter Pater Hagenkord,
vielen Dank für Ihre veröffentlichte Reflexion zum Verhältnis von Familie und „Kirche“ und „Menschlichkeit“, auch vor dem Hintergrund der anstehenden Synode und angesichts eines kulturalen und menschheitsbildenden Grundproblems und Verhältnisses.
Ich möchte in aller Offenheit als Mitglied der katholischen Kirche, als Philosoph und als am Gemeinwohl Interessierter sprechen. In gedrängter Frageform, umstandshalber.
Wenn heute und mit der Pastoralkonstitution des Vatikanums die Kirche die Familiarität als eines der wesentlichen Pastoralfelder entdeckt und behauptet hat, so kann nicht unerwähnt bleiben, dass dieses Dringlichkeitsbewußtsein aufgrund einer Krisenerkenntnis erwachsen ist. Vielfältig scheint das „Prinzip“ der Familarität in Auflösung begriffen zu sein oder zumindest vor seine Fraglichkeit geführt.
Das wäre noch nicht alarmant. Liegt es doch im Zentrum gerade des Evangeliums das Prinzip und Konzept der Familiarität wesentlich und elementar hinterfragt und transformiert, wenn nicht sogar transsubstanzialisiert zu haben. Die Relativierung der jüdisch allmächtigen Blutsbandefamiliarität durch Jesu Worte und Leben selbst und die Geschichte des Zölibats und familienlosen Priester- und Ordentums erwirken kulturgeschichtlich eine Relativierung und darin inbegriffen Auflösung mancher Naturgegebenheit des Familialen. Hinzu kommt die eigentümliche Legitimation des Personalen und damit auch des Individuationsprinzips und in gewisser Weise damit des Individualismus im Christentum, welche in einem verantwortlichen Selbst- und Anderenverhältnis zwar optimal zur Ausführung kommen, aber eben doch Individuation und Individualität sind.
Wenn nun also das Bewußtsein der Verantwortlichkeit für das Allgemeinwohl einerseits und andererseits das Individuationsprinzip (z.B. eben des Priestertums) gleichzeitig werden und die Gegebenheiten Vorgaben der Auseinandersetzung und Befriedungsnotwendigkeit liefern, dann kann nicht mehr in vorgängigen und auch vielleicht primitiven Logiken der Aufstellung verhandelt werden, was nicht mehr ist.
Das Problem der Familie kann nicht letztlich durch eine (vielleicht schuldbewußtseinsmäßige?) Nostalgisierung des Verhältnisses verhandelt werden, um es so zu pointieren.
Das Problem muss, wenn es wirklich gelöst werden soll und im Einklang mit dem Geist und Leib Jesu gelöst werden soll, einzig nach Vorne verhandelt werden.
Die Familie ist die Menschheitsfamilie, sie ist die Familie der Freundschafts- und Befreundungsverhältnisse und Partnerschaften und sie ist die Familie der biologischen Zeugungs- und Gattungsverhältnisse. Und sie ist die Familie der zölibatären Gottes-freundschaftsverhältnisse. Wohl stellt sich auch die Frage der Notwendigkeit und Gebotenheit der trinitären Aufklärung und damit wirklichen Christianisierung „der Familie“.
Nur so wird auf eine lange und eigentliche Sicht eine befriedende Funktion unter ausdifferenzierten und entbundenen Verhältnissen wieder eingerichtet und soz. sakramental wirksam sein können. Jegliche Nostalgisierung oder Idealisierung wird hier keine haltbare Lösung bringen und wird sogar vielleicht noch die Auflösungsbewegung beschleunigen. Deswegen die hohe Dringlichkeit und Verantwortung.
Die Kirche entdeckt doch die Familie nicht heute, sie ist mit dieser Familie durch Jesus als jungfräuliches Kind verbunden, um als Mutter den menschlichen Werdegang so zu reflektieren, das er am Ende Gott ins Leben führt. Das Volk, das aus diesem Werdegang erwachsen ist, das trägt in sich das Vermögen der bisherigen Zeit. Damit ist Kirche in der Verantwortung als Mutter, sich dem zu unterwerfen, was Gott ins Leben führt, jetzt und in Ewigkeit. Als Person findet Jesus damit die Erfüllung im Auftrag Gottes. Heiliger Geist wandelt Zeit in Leben, um die Kinder Gottes so zu nähren dass sie das Ende der Zeit erblicken können, um sie in einen neuen Anfang zu führen. Der Mensch steht im Vordergrund allen Bestrebens und nicht Ämter und ihre Amtsinhaber, deren individuelle Ansichten zwar zur Aufklärung des Sachverhaltes beitragen können, jedoch letztendlich auch dem Naturgesetz Gottes unterworfen sind. Allein Gott ist Richter über Recht und Gesetz des Lebens. Würde ist der Ertrag aus dem täglichen Leben und gewinnt dann ihre Bedeutung, wenn sie als Mensch dem gegenübertritt, der sie als solche annehmen kann. Papst Franziskus ist als Würdenträger ein von Gott berufener Mann, dessen Ausstrahlung für die Kirche von großer Bedeutung ist. So kann ich das als einfacher Bürger sehen, der im Volk Gottes dem dient, der dieses Volk führt. Von Gott berufen ist der, der diesen Ruf in Wort und Tat in ein Leben wandeln kann, das den Ansprüchen Gottes gerecht ist.