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Hitler und das Kreuzfahrtschiff: Vom Schiffbruch einer Debatte

Veröffentlicht am 28. Januar 2012

Der Tod von Senegalesen in Florenz („Italien: Rassistische Gewalt umgehend beenden“), Schlachtrufe in Stadien („Zigeuner“, „Neger“), die Zuwanderung über das Mittelmeer („In Italien grassiert der Rassismus: Ausländer gelten als Sicherheitsrisiko“), und auch gerne einmal ganz allgemein („Im Land des alltäglichen Rassismus“): Italien hat in Deutschland mindestens in den letzten Jahren einen eindeutigen Ruf bekommen. In den Klammern finden sich schell gegoogelte Überschriften deutscher Medien. Da passen die neuesten Interpretationen wunderbar zum Bild: Die Costa Concordia als Symbol eines gescheiterten Italien. Siehe Titelgeschichte im Spiegel.

Italienische Medien beschweren sich nun über den antiitalienischen Rassismus in den deutschen Medien. Jawohl: Rassismus. Das Parlament hat debattiert, der italienische Botschafter hat – so wird berichtet – zur Titelgeschichte im Spiegel Protest eingelegt.

Der Gipfel war der Titel am Freitag in der Zeitung Il Giornale: „A Noi Schettino, A Voi Auschwitz“. „Wir haben Schettino [den Kapitän des Kreuzfahrtschiffes], ihr habt Auschwitz“. Passend zum Holocaust-Gedenktag, der an diesem Tag auch in Italien begangen wird. Der Spiegel habe behauptet, die Italiener seinen ein Volk der Schettinos und so weiter und so weiter. Und dann schreibt der Journalist folgenden Satz: „Che i tedeschi siano una razza superiore lo abbiamo già letto nei discorsi di Hitler.” Übersetzt: „Dass die Deutschen eine überlegene Rasse sind, das haben wir schon in den Reden Hitlers gelesen.”

Das war der Moment, wo ich aufgehört habe, mich für die sogenannte Meinung des Herren Journalisten zu interessieren. Mir sind selber spontan unendlich viele passende und erklärende Stereotypen eingefallen, die meisten davon psychologisierender Natur und damit herablassend. Aber es gibt auch begründete Einwände oder besser noch Aufschreie gegen diesen sogenannten Journalismus.

Erstens: Der Vergleich Schettino – Auschwitz geht gar nicht. Das ist Hohn für die Opfer und ihre Angehörigen oder Nachfahren. Dass das durch die Redaktion geht, ohne gestrichen zu werden, spricht Bände über den intellektuellen Anspruch einer Zeitung, von Menschlichkeit mal ganz zu schweigen.

Zweitens: Spätestens der Hitler-Rassen-Satz macht deutlich, dass der Herr Journalist hier nichts anderes will als tiefsitzende Animositäten wach zu rufen. Er drückt den emotionalsten Knopf bei uns und gleichzeitig ordnet er die Deutschen (gleich alle, ohne Unterschied) unserer Vergangenheit zu. Als ob es so etwas hier in Italien nie gegeben hätte.

Hoch lebe das dumme Stereotyp.

Nachdem sich die Aufregung aber gelegt hat, darf dann aber das Nachdenken einsetzen. Besonders über das Verwenden von Stereotypen im Reden über „die Anderen“. Und die gibt es doch auch bei uns, oder? Eine kurze Nachdenkphase beim Lesen dieses Blogs: Was glauben Sie, über „die Italiener“ zu wissen?

Sehen Sie? Vergessen wir also im Norden bitte nicht, dass auch bei uns gerne mit Stereotypen gearbeitet wird: Wie häufig muss ich mir bei Diskussionen über den Unterschied zwischen Deutschland oder Österreich auf der einen und Italien auf der anderen Seite anhören? Vergleiche wie „Nordeuropäers“ gegen den „Mittelmeereuropäer“? Des Germanen gegen den Lateiner? Ganz besonders beliebt ist das bei peinlichen Erklärungsversuchen zum Thema Kirche: Die Römer würden ganz anders denken und hätten ein ganz anderes Verhältnis zu Recht und Regel und so weiter. Was als verständnisvolle Erklärung daherkommt, ist im Kern nichts anderes als Stereotyp, um den Holzhammer Rassismus zu vermeiden, und es ist dumm. Und was die Sache schlimmer macht: Es erklärt nichts. Aber auch ganz und gar nichts. Für alles gibt es Gründe und die sind meistens komplex.

Einfacher ist es, mit dem Drücken des Emotionsknopfes Erregung wach zu rufen, die sich schnell in Stereotypen verfestigt, denn irgendwo müssen wir ja hin mit dieser Aufregung. Es erklärt aber nichts.

Kommt uns das bekannt vor? Die „faulen Griechen“? Oder auch „spätrömische Dekadenz“? Billiges Stereotypen-Werfen der maximalen Aufmerksamkeit und Aufregung wegen, unter Vermeidung jeglicher Einsicht.

Seit zweieinhalb Jahren lebe ich nun zwischen den Welten, Italien einerseits, die deutschsprachigen Länder andererseits. Mir geht vieles auf den Nerv, hüben wie drüben, und mir gefällt sehr viel und ich fühle mich wohl, ebenfalls hüben wie drüben. Was aber auf die Dauer wirklich auf die Nerven geht, ist diese dumpfe Herumerklärerei.

„Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens” sagt uns Schiller, aber ganz und gar haben wir den Kampf doch noch nicht aufgegeben, oder?

 

 

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Kategorien Allgemein, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Rom
Schlagwörter Auschwitz, Costa Concordia, Deutschland, Hitler, il giornale, Italien, Medien, Rassismus, Schettino, Schiffbruch, Stereotypen, Wahrnehmung

10 Kommentare zu “Hitler und das Kreuzfahrtschiff: Vom Schiffbruch einer Debatte”

  1. A.Wachsmann sagt:
    28. Januar 2012 um 11:33 Uhr

    Dabei genügt doch ein Fußballspiel Deutschland gegen England, um einen Hass zu provozieren, der jeden Krieg ersetzt. Ziehen Sie mal als Preuße nach Bayern und umgekehrt. Schwabenbashing in Berlin.Touristen raus, denn sie zerstören die Stadt.Katholiken leben auf Kosten der Atheisten. Ein Erzbischof, der allein deswegen an den Pranger kommt, weil er Kölner Migrationshintergrund hat (mit dem entsprechenden Kardinal). Wir brauchen den Sündenbock, Herr P. Hagenkord, weil wir nicht wissen, wie wir mit unseren eigenen Macken klar kommen sollen.Wir brauchen das Ghetto, weil wir sonst über unsere eigene Weltanschauung und Religion anfangen nachzudenken und ins Schwitzen kommen.Das Seltsame ist: Urlaub in “widerlichen” Ländern..dafür wird gespart, dass man sich dort erholen kann?!?

    Antworten
  2. Petra Krafft sagt:
    28. Januar 2012 um 11:35 Uhr

    Wenn wir den Kampf aufgeben dann resignieren wir und das glaube ich wäre ganz der falsche Ansatz, stellen wir uns dem Kampf und gehen in die offensive. Ich denke in jedem Land gibt es diese Vorurteile, dieses Denken und keiner muss sich gegen den anderen erheben, weder der Norden, Süden, Osten oder Westen jeder hat seine Vergangenheit und Zukunft und keiner muss oder sollte gegen den anderen aufrechnen.

    Antworten
  3. Dr. Peter Strauß sagt:
    28. Januar 2012 um 17:12 Uhr

    Da macht es sich die Presse mal wieder sehr leicht, auf beiden Seiten. Das Schiffsunglück ist letztlich nichts anderes als ein gründlich missglücktes Imponiergehabe eines verantwortungslosen Menschen, der diese Verantwortungslosigkeit ja auch in der Folge weiter unter Beweis gestellt hat. Der weitere Verlauf wird hier wohl noch einiges zu Tage bringen. Die Ära Berlusconi hat solche Verhaltensweisen sicher begünstigt. Insgesamt eine kriminelle Handlung eines einzelnen mit unübersehbarem Schaden. Alle anderen Interpretationen sind ein Hohn für die Betroffenen des Holocaust. Man lese die Ansprache von Reich-Ranicki!! Sie hat mir heute bei der Lektüre in der SZ die Tränen in die Augen getrieben. Die angebotenen 11000 Euro Schadensersatz halte ich im übrigen ebenfalls für einen Hohn.

    Antworten
    1. A.Wachsmann sagt:
      29. Januar 2012 um 11:27 Uhr

      Guten Sonntag, Herr Dr. Strauss, es läuft auch dort wie gehabt: Die Opfer sind nicht das Thema.Die Berliner Überlebenden sind schon so mürbe, dass sie sich mit der Wiedergutmachung abfínden..

      Antworten
  4. Graf sagt:
    28. Januar 2012 um 18:18 Uhr

    Die massive Schieflage der Costa Concordia gleicht der selbstverschuldeten Schieflage Italiens. Beides ist sehr tragisch, doch niemand will bezeichnender- und typischerweise die Verantwortung übernehmen!

    Antworten
  5. Mattia sagt:
    28. Januar 2012 um 19:27 Uhr

    Ich will nicht “Il Giornale” von Berlusconi helfen. Aber ich sage dass der Zeitungsartikel vom Spiegel gegen alle Italiener war. Jede Form der Diskriminierung und Generalisierung ist zu bekämpfen.
    Saluti

    Antworten
  6. Paul Seifert sagt:
    30. Januar 2012 um 10:56 Uhr

    Meiner Meinung nach ist jeder von uns von Stereotypen geprägt. Das lässt sich überhaupt nicht vermeiden… Wichtig ist sich dessen immer bewusst zu sein und in entscheidenden Momenten zu realisieren, woher gewisse Denkmuster herrühren. Im richtigen Moment diesen Teufelskreis zu unterbrechen, wird viel helfen auch in anderen Meinungen das Bild zu verändern…
    mfg
    Paul Seifert

    Antworten
    1. A.Wachsmann sagt:
      30. Januar 2012 um 11:46 Uhr

      stereotype sorgen auch dafür, dass man sich sicher fühlt. man hat den eindruck, man kennt den anderen. es ist aber nicht so, weil man auf die art die veränderungen ignoriert, die der andere macht. wenn italien so wäre wie die vorurteile einreden, wäre es lange untergegangen. feindbilder geben einem das gefühl, zu den guten zu gehören. sehr kindlich gedacht.

      Antworten
  7. Thomas Busch sagt:
    31. Januar 2012 um 07:57 Uhr

    Die Germanen, die Römer, die Muselmanen – warum kommt mir das bloß so bekannt vor? Sancta simplicitas!

    Antworten
  8. A.Wachsmann sagt:
    31. Januar 2012 um 10:06 Uhr

    wie gesagt, herr busch, das gibt sicherheiten…das peinliche heute ist: wir können uns rundum informieren und tun es nicht, oder werden konfus und gehen dann lieber zu altbewährten “wahrheiten” zurück.

    Antworten

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