Am Donnerstag nach der Messe zur Eröffnung des Jahres des Glaubens hat Papst Benedikt XVI. verschiedene Texte an Vertreter verschiedener Gruppen übergeben. Es waren dieselben „grandi messaggi“, die schon Papst Paul VI. aus Anlass des Endes des Zweiten Vatikanums an Vertreter derselben Gruppen übergeben hatte.
Einer der Vertreter der Intellektuellen und Wissenschafter – der Sucher der Wahrheit, wie es in der Botschaft heißt – war der deutsche Philosoph Robert Spaemann.
Nach der Übergabe habe ich ein Interview mit ihm führen können, dass ich – wenn mehr Zeit ist und keine Synode – sicher hier auch länger posten werde. Vorab aber schon einmal ein Stück, dass ich für das Radio gemacht habe.
Eines der großen Themen Benedikt XVI. und auch des Theologen Joseph Ratzinger ist die Verbindung von Glaube und Vernunft; ist deswegen das Jahr des Glaubens auch ein Jahr des Denkens?
Ich glaube ja. Ein Mensch muss letzten Endes mit sich im Einklang sein, und wenn seine Vernunft ihm etwas sagt und sein Glaube sagt ihm das Gegenteil, dann kann er das nicht einfach so stehen lassen. Er kann es auch nicht gewaltsam niederbügeln – entweder den Glauben oder die Vernunft –, sondern er muss versuchen, zu einer Einheit zu finden. Und diese Einheit gibt es von Anfang an. Der Apostel Paulus nennt den Glauben ein ,rationabile obsequium’, einen vernünftigen Gehorsam.
Die Wissenschaftsgläubigkeit der Gegenwart führt eigentümlicherweise dazu, dass der Vernunft nicht mehr getraut wird. Dass heißt, dass es so etwas wie Wahrheit nicht mehr geben soll. Das letzte Wort soll der Relativismus sein und die Vernunft ist eigentlich ohnmächtig, die Wahrheit zu erkennen.
Jetzt sind es die Gläubigen, die paradoxerweise die Fähigkeit der Vernunft verteidigen. Wenn sie heute jemanden finden, der mit Nachdruck die Wahrheitsfähigkeit der Vernunft behauptet, dann können Sie beinahe schon annehmen, dass es ein Katholik ist.“
In der Botschaft, die Papst Paul VI. den Intellektuellen überreichte und die Papst Benedikt XVI. gestern Ihnen noch einmal überreicht hat, heißt es „Habt Vertrauen in den Glauben, den großen Freund der Vernunft.“ Braucht das Denken Gott und den Glauben?
Ja. Ich glaube ja. Da, wo Gott geleugnet wird, bricht am Ende auch die Vernunft zusammen.
Eine Abdankung des Denkens.
Genau, eine Abdankung des Denkens, ein Zusammenbruch des Denkens. Denn entweder ist das Universum und ist der Mensch ein Wesen, hinter dem eine Absicht steht, oder es ist alles ein Zufallsprodukt. Dann ist aber auch unser Denken nur ein Zufallsprodukt und hat mit Wahrheit gar nichts zu tun.