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Kategorie: Allgemein

Damals in Würzburg

Veröffentlicht am 5. Februar 20215. Februar 2021
Eine richtige Synode Synodaler Weg Januar 2020: Die Teilnehmerinnen

Der Synodale Weg startet nicht im Nichts. Themen und Debatte, Formen und auch Konflikte haben ihre Vorgeschichte. Ein Teil der Vorgeschichte ist, dass es ja so etwas Ähnliches schon mal gegeben hatte. Nein, ich meine nicht den Gesprächsprozess vor einigen Jahren, ich meinte die Würzburger Synode. Eine richtige Synode, über mehrere Jahre hinweg, zur Umsetzung der Konzilsbeschlüsse.

Allen Unkenrufen zum Trotz hatte diese gemeinsame Synode viel in Bewegung gesetzt, von Gremien über Religionsunterricht hin zu Laienbeteiligung. Und so würdigt Bischof Bätzing die Arbeit von damals auch mit Blick auf heute: „Ich würde mir wünschen, dass wir bei den nächsten Etappen des Synodalen Weges noch stärker eine Relecture der Texte der Würzburger Synode vornehmen“. Also dann wollen wir mal.

Eine richtige Synode

Ich möchte mich hier nicht verheben und gleich alle Texte lesen, sondern erst mal nur den ersten, „Unsere Hoffnung“ überschrieben. Er ist sowas wie der Schlüssel und das Grunddokument der gemeinsamen Synode. In der Einleitung (von Prof. Theodor Schneider) gibt es eine wichtigen Hinweis für den Text und für unsere Lektüre heute: der Text ist subjektiv. Soll heißen, er versteht sich nicht als offizieller Lehrtext in dem Sinn, dass er die gesamte Bandbreite des Glaubens abbildet.

Er ist zeitbezogen, ich würde hinzufügen auch kulturbezogen. Er fragt nach der Situation in Deutschland und versucht sich an einer Antwort. Das geht natürlich nur in Beschränkung, aber genau diese Beschränkung ist auch eine Stärke. So ein Text muss nicht „als die einzig mögliche Weise eines heutigen Bekenntnisses“ verstanden werden. Er kann sich auf Umstände beziehen, die vielleicht in andere Zeiten und Kulturen anders sind.

Konkret bleiben

Im Text selber klingt das dann so: „Nicht Geschmack und nicht Willkür lassen uns auswählen, sondern der Auftrag, unsere Hoffnung in dieser Zeit und für diese Zeit zu verantworten. Wir wollen von dem sprechen, was uns hier und jetzt notwendig erscheint“.

Das merkt man bei der Lektüre des Textes deutlich. Vieles von dem, was im Text angesprochen ist, ist nicht mehr unser Problem oder nicht mehr unsere Frage. Ich lese das als Ermutigung: nicht alles für alle zu erklären, sondern konkret bleiben. Dann mag das in einigen Jahren vielleicht etwas angestaubt klingen, es mag auch für andere Kulturen und Kirchen nicht so gelten wie für uns, aber das ist eben Inkulturation. Und zur Einheit in Vielfalt gehört das dazu.

Treue und Wandel

Ein Zweites: es mag wie ein Slogan klingen, der zweite Satz des Textes hat sich bei mir aber festgehakt: „Nichts fordert so viel Treue wie lebendiger Wandel“. Da steckt aber sehr viel drin, Spannung genauso wie Balance. Vor allem auch die Einsicht, dass sich das nicht gegeneinander ausspielen lässt. Auch das ist etwas, dem sich der Synodale Weg heute stellt.

Drittens finde ich den dritten Teil bemerkenswert, hier geht es um einige Wege der Nachfolge Jesu. Sich zu Jesus bekennen weist in Richtung seiner Nachfolge, und diese „Nachfolge genügt“. Ein wichtiger Teil dabei ist die Selbstkritik, das zieht sich durch den Text hindurch. Ein Beispiel gefällig?

Wir sind vielleicht „im kirchlichen Leben unseres Landes selbst schon zu fest und unbeweglich in die Systeme und Interessen unseres gesellschaftlichen Lebens eingefügt. Vielleicht haben wir uns inzwischen selbst schon zu sehr anpassen lassen, indem wir weitgehend jenen Platz und jene Funktion eingenommen haben, die uns nicht einfach der Wille Gottes, sondern der geheimnislose Selbsterhaltungswille unserer totalen Bedürfnisgesellschaft und das Interesse an ihrem reibungslosen Ablauf zudiktiert haben. Vielleicht erwecken wir schon zu sehr den Anschein einer gesellschaftlichen Einrichtung zur Beschwichtigung von schmerzlichen Enttäuschungen, zur willkommenen Neutralisierung von unbegriffenen Ängsten und zur Stillegung gefährlicher Erinnerungen und unangepaßter Erwartungen. Der Gefahr einer solchen schleichenden Anpassung an die herrschenden gesellschaftlichen Erwartungen, der Gefahr, als Kreuzesreligion zur Wohlstandsreligion zu werden, müssen wir ins Auge sehen. Denn wenn wir ihr wirklich verfallen, dienen wir schließlich keinem, nicht Gott und nicht den Menschen.“

Selbstkritik

Die Einleitung zu den Synoden-Texten berichtet davon, dass es in den Debatten gerade hier immer wieder Gegenstimmen gegeben habe, viele wollten genau diese Selbstkritik nicht. Schon gar nicht in aller Öffentlichkeit. Die Einleitung erzählt aber auch davon, dass die Mehrheit sich aber immer und immer wieder für die „offensive Gewissenserforschung“ ausgesprochen hat. Das gilt für uns heute genauso, Papst Franziskus kann in seinen Schreiben davon geradezu nicht genug bekommen. Und mindestens der Blick auf die MHG-Studie muss uns heute zur Selbstkritik zwingen.

Aber. Und das ist ein großes Aber: wenn das damals schon so klar war, warum ist dann nichts passiert? Oder zu wenig, viel zu wenig? Wenn wir heute auf unsere Kirche schauen, dann passt die Selbstkritik immer noch. Abgesehen davon, dass es eher noch mehr gibt, was sehr kritisch gesehen werden muss. Warum ist seitdem so wenig passiert? Waren das alles leere Worte?

Leere Worte? Warum ist so wenig passiert?

Beim Lesen des Textes hat mich dieser Gedanke nicht losgelassen. Das gehört auch zur Würzburger Synode dazu, dass dieselben Menschen, die damals Verantwortung trugen, eine Kirche geleitet haben, unter deren Decke Kriminelles passieren konnte und vertuscht wurde.

Und damit das nicht nur ein Vorwurf bleibt, drehe ich das auch mal um. Es ist eine starke Warnung an uns, dass Texte allein heute nicht reichen. Auch die Texte des Synodalen Wegs nicht. Da muss mehr passieren, sonst werden in 50 Jahren die Blicke zurück auf uns ähnlich unbarmherzig sein wie unsere auf unsere Vorfahren im Glauben.

Viertes: Dem Titel des Dokuments entsprechend wird für die Kirche formuliert: „Diese unsere Kirche ist eine Hoffnungsgemeinschaft“. „‚Die Welt‘ braucht keine Verdoppelung ihrer Hoffnungslosigkeit durch Religion; sie braucht und sucht (wenn überhaupt) das Gegengewicht, die Sprengkraft gelebter Hoffnung“. Das das ist eine Perspektive, die wir uns auch heute zu Eigen machen sollten.

Sprengkraft gelebter Hoffnung

Und dazu braucht es vor allem eines, nämlich die Überwindung es Zwiespalts zwischen „der Lebensorientierung an Jesus und der Lebensorientierung an einer Kirche, deren öffentliches Erscheinungsbild nicht hinreichend geprägt ist vom Geist Jesu“. Das war Arbeitsauftrag damals, den die Kirche nicht erfüllt hat, und es bleibt Arbeitsauftrag heute.

Noch kurz vor seinem Tod schrieb Julius Kardinal Döpfner die Einleitung zu dem Band, der alle Synodentexte gemeinsam veröffentlichte.

„Als die Deutsche Bischofskonferenz im Februar 1969 den Grundsatzbeschluß faßte, (…) eine Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland abzuhalten, empfanden viele diesen Entschluß als ein erhebliches Risiko. Die Spannungen in der Kirche erschienen manchen als ein zu großes Hindernis, um ein solches Unternehmen in aller Öffentlichkeit zu wagen. Ja nicht wenige waren der Meinung, eine Synode könnte die Unsicherheit, Konfrontation und Verhärtung der Positionen innerhalb der Kirche nur fördern. Rückblickend darf man dankbar feststellen: Das Wagnis hat sich gelohnt. Nicht die Pessimisten haben Recht behalten, sondern jene, die auf das offene, wenn nötig auch harte Gespräch vertraut haben.“

Mit meinem eigenen Optimismus bin ich vorsichtiger geworden. Grundsätzlich sehe ich dasselbe auch für den Synodalen Weg, er ist eine große Chance, gerade auch weil er so ist wie er ist. Aber das Risiko gehen auch wir heute ein. Es ist es wert.

 

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Synodaler Weg, virtuell

Veröffentlicht am 1. Februar 202126. Januar 2021
nächste Schritte Unterwegs

Es geht weiter. Unter den schrägen Bedingungen, die Corona gebietet, und nicht wirklich in einer Form, die man sich aussuchen würde. Aber der Synodale Weg macht nächste Schritte. Rein virtuell. Anders als im eigentlich vorgesehenen Ablauf.

Zu Beginn des Prozesses hatten einige Beobachter geunkt, dass es dieses Format kirchenrechtlich eigentlich gar nicht gebe, es sei rechtlich unförmig. Dass diese Undefiniertheit sich aber auch auf anderer Ebene so drastisch ausdrücken würde, hatten wir alle nicht geahnt. Nicht nur inhaltlich, auch rein organisatorisch muss der jeweils nächste Schritt auf dem Weg neu gefunden und erfunden werden.

Nächste Schritte

Mit Freude sehe ich, dass die Frage, was genau es bedeutet, einen geistlichen Weg zu gehen, diskutiert wird. Mich freut es vor allem, dass diese Frage nicht an die „Offiziellen“ delegiert wird. Aber auch Organisationsfragen, Absprachen, Vorgehens- und Kommunikationswege, das alles will beim Gehen entwickelt werden. Das ist nicht immer einfach und droht auch manchmal, die eigentlichen Debatten zu überschatten. Aber es gehört halt alles dazu.

Bevor es nun in dieser Woche wieder konkret wird, vielleicht noch einmal die Erinnerung, was das alles eigentlich soll.

Missbrauch und Synodalität

Erstens: Der Anlass. Das war die MHG-Studie als Auslöser, aber dahinter liegt natürlich die gesamte Missbrauchsthematik. Es kann so nicht weiter gehen und braucht mehr als ‚nur‘ organisatorische Reformen, es braucht eine neue Selbstvergewisserung von Kirche. Und das bedeutet auch eine Debatte über die strittigen Punkte und den gemeinsamen Weg in die Zukunft.

Die Missbrauchsdebatte hat in den letzten Jahren gezeigt, dass die Wurzeln der Verbrechen und deren Vertuschung breit sind. Deswegen muss es die Debatte über die Kirche auch sein. Das macht dann längst nicht alles so wie vorher, die Illusion hat wohl niemand mehr, aber es ist die notwendige Klärung dafür, dass das christliche Zeugnis überhaupt wieder zum Vorschein kommt.

Leider gibt es da immer noch massive Hindernisse, man braucht nur den Namen „Köln“ zu erwähnen und allüberall versinken Gläubige vor Scham in den Boden. Das kann nicht außen vor bleiben und wird es auch nicht.

Zweitens: Synodalität. Kirche wandelt sich und braucht neue Formen von Einheit. Oder Leitung und Beratung und Entscheidung, wie man will. Und das Stichwort dafür ist „Synodalität“. Die neue Balance von Vielfalt in Einheit. Dazu trägt der Synodale Weg als Experiment bei. Er nutzt nicht vorgegebene Formen des Kirchenrechts, sondern wagt sich aus der Box heraus. Probiert was, wagt Offenheit. Und wenn wir achtsam sind, dann kann da was entstehen, was zur Entwicklung der Synodalität in der Kirche beitragen kann.

Dazu gehört drittens auch die Frage nach der Demokratie in der Kirche. Papst Franziskus hatte ja einige Bemerkungen gemacht, die von einigen als Kritik verstanden wurden. Auch sein – und nicht nur sein – Reden gegen „Parlamentarisierung“ kam nicht bei allen gut an. Mal so gefragt: kann das Hören auf den Willen Gottes nicht auch Ausdruck in demokratischen Prozessen haben? Dass das missbraucht werden kann ist kein Argument, dasselbe ist mit monarchischer Machtfülle auch passiert. Und zwar reichlich.

Demokratie in der Kirche?

Und dann sind da viertens noch die konkreten Themen. Wie die angegangen werden und was dann dabei heraus kommt kann hier nicht Thema sein, das entsteht alles erst noch. Aber vergessen wir nicht, dass diese Themen nicht einfach so gewählt sind. Sie fokussiere eine Debatte, die es schon lange gibt. Da kommt viel zusammen, an Fragen wie auch an Konflikten. Und es ist gut, dass das debattiert wird. Das allein wäre den Synodalen Weg wert.

Zum Schluss noch eine Bemerkung aus meiner eigenen Perspektive, der Perspektive des Geistlichen Begleiters. Es soll ein geistlicher Prozess sein. Das umzusetzen ist mindestens so schwer wie all die anderen Dinge. Aber ich finde es hilfreich, das als Hilfestellung zu sehen. Ein geistlicher Prozess ist eine Form des Realismus, nicht der Verschleierung. Und diesen Realismus brauchen wir mit Blick auf uns selbst, die Kirche, genauso wie auf das, was Gott von uns will.

 

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Von Unterscheidung und Entscheidung

Veröffentlicht am 29. Januar 202129. Januar 2021
Stimmen der Zeit Papstpredigt: Messe in Santa Marta 2013

Wie komme ich geistlich zu einer Entscheidung? In einem Text hier hatte ich das ja schon einmal thematisiert, jetzt habe ich das einmal konkret gemacht. Und zwar eher kritisch. In der Jesuitenzeitschrift Stimmen der Zeit gehe ich der Art und Weise nach, wie Papst Franziskus das von ihm im Rahmen von Synodalität immer wieder angesprochene Vorgehen der ‚Unterscheidung‘ anwendet, letztlich beim Schritt in die Entscheidung dann aber umdeutet.

Stimmen der Zeit

Es geht um die Viri Probati, aber das ließe sich auch auf andere Bereiche anwenden. Eine Unterscheidung ist kein Selbstzweck, und auch Synodalität ist es nicht. Es geht letztlich darum, zu Entscheidungen zu kommen. Es sind Mittel auf einem Weg zu Entscheidungen. Auch bei uns, auch auf dem Synodalen Weg. Und da muss man genau hinsehen, wie das gehen kann. Und das eben auch kritisch.

 

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US-Bischöfe: Back to normal?!

Veröffentlicht am 27. Januar 202127. Januar 2021
alle katholischen Themen Die USA haben die zweitgrößte Bischofskonferenz der Welt.

„Ein Gutes die Wahl von Trump ja“. Worte von vor knapp vier Jahren in Rom, ich hatte einen US-Kardinal nach seiner Einschätzung gefragt. „Wenn Clinton gewonnen hätte, dann wäre das katholisch wahrgenommene Thema Abtreibung gewesen. Dann Abtreibung und noch mal Abtreibung. Nun aber müssen wir über Lüge und Wahrheit sprechen, über brutal auseinander gerissene Familien, über Umwelt, Abtreibung und Lebenschancen, über Hispanos, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit. Über alle katholischen Themen halt.“ Die Reihenfolge mag nicht korrekt wiedergegeben sein, aber die Liste habe ich mir damals so notiert.

So gesehen sind wir nun, nach Amtsantritt von Joe Biden wieder zurück zum Normalzustand. Der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz hat in seinem Schreiben an den frisch ins Amt gekommenen Präsidenten überdeutliche Worte gefunden für dieses eine Thema. Und das, nachdem die US-Bischöfe Trump gegenüber nicht wirklich klar entgegen getreten sind. Hier wurde offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen. Biden wird mit deutlichen Worten angegangen, Trump wurde es nicht, nicht mal nach dem Sturm auf das Kapitol.

Alle katholischen Themen

Natürlich muss in jeder Debatte mit der Politik Abtreibungsgesetztebung ein Thema sein, keine Frage. Interessant find ich hier aber die Beobachtung des US-Theologen Massimo Faggioli: Immer wenn die Demokraten an der Macht seien, machten sie humane Sozialpolitik, die es schwangeren Frauen erleichtere, sich für ihr Kind zu entscheiden. Die Republikaner hingegen brächten „mit ihrer grausamen Politik Frauen in verzweifelte Situationen”, sagte der Wissenschaftler in einem Interview. Sie erklärten Frauen, die abtreiben, zu schlechten Menschen. Diese „allzu simple Logik” übernähmen auch viele Bischöfe.

Lebensschutz muss Thema sein, aber bitte nicht als Ideologie sondern in seiner gesamten Breite. Stattdessen inszenieren einige Kreise jetzt schon wieder den Kulturkampf, der in der Kirche so destruktiv wirkt. Und der weder den ungeborenen Kindern noch den betroffenen Frauen hilft.

Wenn wir als Glaubende wirklich beitragen wollen zu einer gerechteren Welt für alle, und auch für das ungeborene Leben, dann müssen wir aus den Schützengräben raus. Und die US-Bischöfe vorweg.

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Endlich frei! Aber ist das eine gute Nachricht?

Veröffentlicht am 23. Januar 202122. Januar 2021
Kern von Religion Mit Jesus das Kreuz tagen. Oder trägt Jesus mein Kreuz? Fenster in der Jesuiten-Kapelle in Pullach bei München

Religion bleibt weltweit bedeutend. In Deutschland nehmen aber die Kirchenaustritte zu. Das sind zwei Schlussfolgerungen aus einer internationalen Studie, aber was bedeutet das? Man kann das geographisch sehen: Während international Religion wichtig bleibt, nimmt sie bei uns ab. Das stimmt aber auch nicht so ganz, denn auch bei uns gibt es immer wieder Aufrufe, den Kern von Religion nicht zu verschleudern. Ganz egal ist das also auch hier nicht.

Die Frage nach dem Kern und der Bedeutung von Religion hier bei uns ist ja auch durch die Situation aufgegeben, hören wir also auf die Stimmen, die uns mahnen. Bei einer habe ich das ja hier schon gemacht, da gibt es aber noch viel mehr.

Kern von Religion

Da wäre zum Beispiel Peter Sloterdijk, Philosoph. Der sieht in einem Interview in der Augsburger Allgemeinen Religion endlich frei:

„Es gibt eigentlich nichts mehr, was die Religion für sich alleine hat, … . Das heißt aber, die Religion ist frei geworden: Sie braucht zu nichts mehr gut zu sein, sie muss nicht mehr funktionieren, sie hat keinen gesellschaftlichen Funktionsauftrag, der nicht auch anders wahrgenommen werden könnte. Und diese erhabene Sinnlosigkeit und Undienlichkeit des religiösen Empfindens ist der Grund ihrer Freiheit.”

Das ist ein starkes Stück: wir als Gemeinschaft der Glaubenden spielen keine Rolle, haben keine Funktion mehr in der weiteren Gesellschaft. Das bedeutet natürlich Relevanzverlust, aber dafür bekommt Religion Freiheit. Im Umkehrschluss wäre es falsch, diese Freiheit wieder aufzugeben, nur um weiterhin für die Gesellschaft wichtig zu sein. Abgesehen davon, dass uns die Entwicklung zeigt, dass das auch gar nicht mehr gehen wird.

Frei von Sozialarbeit?

Den Finger auf unsere innerkirchlichen Debatte legt Sloterdijk mit der Zustimmung zur These, dass Religion nur dann zu ihrem Kern komme, wenn sie sich frei mache von Sozialarbeit. Für ihn ist das interessanterweise eine Kontroll- und Machtfrage. Religion siedle dort, wo Selbstgefühl in Mitgefühl übergehe, aber eben nicht weiter.

Da trifft Sloderdijk auf das, was ich an dieser Stelle schob über den Text des Journalisten Ulrich Greiner geschrieben habe. Seine als Kritik formulierte Analyse sagt, dass sich Kirche statt ihren Auftrag zu erfüllen zu einem Teil der Zivilgesellschaft werden wolle.

Angestiftet durch Relevanzverlust

Nun hören wir noch einmal in die innerkirchlichen Debatten hinein, angestiftet vom andauernden und nicht aufzuhaltenden Relevanzverlust. Wir – Kirchen – seien nicht mehr sprachfähig. Wie litten unter Selbstverzwergung, weil wir uns nicht äußerten. Die wirklich großen Themen der Welt greife radikal nur noch der Papst an – Umwelt und soziale Fragen – während hier bei uns die Suche nach Ausgewogenheit gelte.

Das passt nun so gar nicht zu den Aussagen, die sich an Kirche reiben und den echten Kern des Glaubens einfordern. Das Heilige, die Sünde, die Erlösung.

Sünde und Erlösung

Einen dritten Text aus der Fülle der Weihnachtsbetrachtungen darf ich an dieser Stelle anführen, aus dem Standard. Der bricht die Debatte schön herunter: wir würden zu wenig über die zentralen Themen Sünde und Erlösung sprechen. Der Glaube an den Dreifaltigen Gott habe Folgen, die Folge der Umkehr, aber das erschöpft sich nicht in guten Taten.

Wichtig hier auch der Hinweis, dass allein das Machen unserer Hausaufgaben – Missbrauch – allein Kirche nicht wieder attraktiv werden lässt. Es braucht Verkündigung. Der Journalist schrieb zu Weihnachten provokant sogar von Mission, aber der Begriff ist eher verbrannt.

Um nicht banal zu werden: natürlich reicht es nicht, nun einfache Begriffe oder vorgestrige Konzepte wieder aufzurufen. Wir müssen heute antworten, das ist die Aufgabe.

Erst einmal die Frage zulassen

Aber der Kern hat ja was: sprechen wir außer auf den Kanzeln noch von Sünde und Erlösung, wenn es um unseren Glauben geht? Spielt das eine Rolle?

Vielleicht haben wir ja noch gar keine fertige Antwort. Vielleicht sind diese Texte uns ja eine Hilfe, erst einmal die Frage zuzulassen, ob da nicht was dran sei? So weiter geht es jedenfalls nicht, ein Wiedererstarkten der Bedeutung von Kirche in der Gesellschaft ist ausgeschlossen. Und so können uns die Texte helfen bei der Unsicherheit, die eben auch zum Glauben dazu gehört, wie Papst Franziskus es wunderbar formuliert hat:

„Ein Glaube, der uns nicht in eine Krise führt, ist ein Glaube in der Krise; ein Glaube, der uns nicht wachsen lässt, ist ein Glaube, der wachsen muss; ein Glaube, der nicht Fragen aufwirft, ist ein Glaube, über den wir uns Fragen stellen müssen; ein Glaube, der uns nicht belebt, ist ein Glaube, der belebt werden muss; ein Glaube, der uns nicht erschüttert, ist ein Glaube, der erschüttert werden muss.“

 

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Die Tücken des Geistlichen: Zum Synodalen Weg

Veröffentlicht am 16. Januar 202110. Januar 2021
der geistliche Charakter der Kirche Quo Vadis, Kirche?

Die Aufmerksamkeit wird von Maximalforderungen geprägt: wer über den Synodalen Weg spricht ist sich der medialen Aufmerksamkeit sicher, wenn er oder sie Forderungen stellt: dies oder jenes dürfe auf keinen Fall passieren, dieses oder jenes müsse auf jeden Fall passieren, solche Formulierungen prägen die Debatte.  Aber sie zerstören auch das, was der Synodale Weg eigentlich sein soll: ein geistlicher Prozess. Schnell hatten sich DBK und ZdK auf diese Dimension geeinigt, als es los ging, das Ganze sollte nicht nur „wir reden miteinander“ sein, der geistliche Charakter der Kirche solle den Weg prägen.

Wer die Debatten in Frankfurt zu Beginn des vergangenen Jahres im Stream verfolgt hat, hat mitbekommen, wie schwierig das ist. Geschäftsordnung und Satzung sind nicht wirklich Themen des Gebetslebens und die Debatte von Texten hat eine eigene Dynamik, die sich als sperrig herausstellt, wenn man geistliche Dimensionen einführen will.

Der geistliche Charakter der Kirche

Aber was will das überhaupt sein, so ein „geistlicher Prozess“? 

Er ist geistlich, wenn er sich um ‚Unterscheidung‘ bemüht, würde ich nach einem Jahr Synodaler Weg sagen. Ein Begriff aus der ignatianischen Tradition, der mit Papst Franziskus in den allgemeinen kirchlichen Sprachgebrauch gefunden hat. Aber es ist ein sperriger Begriff, besonders in der deutschen Sprache, in der das Wort eine Alltagsbedeutung hat, die nicht sofort beim Verstehen des Geistlichem hilft. Versuchen wir also eine Annäherung:

Die Kirche in Deutschland hat sich Themen gesetzt, von Autorität und deren Kontrolle über die Rolle der Frauen bis zu Moraltheologie und priesterlicher Lebensform. Das große Problem dabei ist, dass nicht wirklich klar ist, wohin das führen wird. Zu Entscheidungen? Zu Forderungen an Rom und die Weltkirche? Wird es sich verlaufen, wie frühere Prozesse auch schon? Wird es nichts bringen?

Der Begriff der ‚Unterscheidung‘ kann uns aus diesem Dilemma befreien, auch wenn er keine schnellen Lösungen anbietet. Lange vor seiner Papstwahl hatte Pater Jorge Mario Bergoglio eine wunderbare Formulierung dafür gefunden: „Ideen werden diskutiert, Situationen werden unterschieden.“ Unterscheidungen schauen auf Situationen, sie sind keine Werkzeuge, Fragen zu beantworten. Es gilt, sauber ‚Unterscheidung‘ von ‚Entscheidung‘ zu trennen.

Ideen und Situationen

Es ist also gar nicht so einfach, ‚Unterscheidung‘ für den synodalen Prozess anwendbar zu machen. Aber nur so, davon bin ich überzeugt, wird es gelingen, die Unterschiede in Balance zu halten und kreativ und gemeinsam voran zu gehen. Es werden eben nicht die Abstimmungen der Maximalforderungen sein, die einen Erfolg ausmachen.

Nicht selten begegnet dem Begriff „geistlicher Prozess“ ein gewisses Misstrauen. Hier solle etwas auf die fromme Ebene gehoben werde und den Problemen die Spitze genommen werden, könnte man vermuten. Aber das Gegenteil ist der Fall. Unterscheidung ist keine Verharmlosung von Themen. Wenn es geistlich wird, dann wird es erst wirklich ernst, weil Gott ins Spiel kommt.

Eine zweite Überlegung: Die Frage bei jedem Unterscheidungsprozess – ob individuell oder in Gemeinschaft – ist und bleibt die nach den Eingrenzungen durch Vorgaben und Regeln. Dazu gilt es, das Verhältnis von Unterscheidung und Rahmen zu verstehen. Und das ist eindeutig.

Und was ist mit Vorgaben und Regeln

Bei der Unterscheidung geht es um das, was Karl Rahner einmal die „Konkretheit und Unableitbarkeit des menschlichen freien Handelns“ genannt hat. Soll heißen: man kann die Entscheidungen des Handelns nicht vom allgemein Gültigen her klären, sonst wäre das „Konkrete zu einem bloßen Fall des Allgemeinen“ degradiert.

Die sich auf Ignatius von Loyola berufende Tradition will nichts weniger, als den Betenden in Kontakt zu bringen mit dem Willen Gottes. Nicht mit allgemeinen Prinzipien. Es geht nicht um eine Übung der Anwendung allgemeiner menschlicher, christlicher und kirchlicher Normen auf einen Einzelfall, es geht nicht um die Einzelrealisation des Allgemeinen. Wenn Gott ins Spiel kommt, dann immer über alle allgemeinen Normen hinaus.

Eine Wahl – das Ergebnis der Unterscheidung – erfolgt in der Einmaligkeit der Begegnung zwischen Gott und Mensch.

Begegnung mit Gott

Rahner besteht darauf, dass die Kirche als Handelnde in dem Gebetsprozess des Individuums nicht vorkommt. Sie ist Rahmen, sie ist Ort, sie ist Vorgabe und Vermittlung, handelt selber aber nicht zwischen Gott und Mensch, wenn es um Unterscheidung geht. Das macht den Einzelnen nicht zum Herrn über die Kirche, Rahmen und Ort bleiben Rahmen und Ort, es gibt kein „für mich ist das aber so oder so“. Aber es gilt auch die Unmittelbarkeit im Gebet. „Der Wille Gottes ist nicht einfach und restlos vermittelt durch die objektiven Strukturen von Welt, allgemeiner Gültigkeit des Christlichen und der Kirche“, um noch einmal Rahner zu zitieren.

Zu dieser Leitplanke gehört aber auch notwendigerweise ihr Gegenstück: Regeln und Normen geben den Rahmen vor, lehrt uns Ignatius. Sie sagen uns, wo überhaupt eine Unterscheidung stattfinden kann und wo nicht. Regeln werden nicht ungültig, wenn ich auf den Geist Gottes höre. Aber es kann zu Reibungen kommen. Ein Missverständnis besteht zum Beispiel darin, dass Unterscheidung der Weg zum Individualismus oder gar Voluntarismus sei. Was mir richtig erscheint, das gilt. Das ist nicht gemeint. Die Gemeinschaft, die Traditonsgemeinschaft der Kirche, die heilige Schrift, die Worte des Herrn, all das wird natürlich nicht meinen – fehlbaren – Unterscheidungsprozessen unterworfen.

Wo kann überhaupt eine Unterscheidung stattfinden?

Ein Beispiel: In den geistlichen Übungen des Ignatius geht es darum, die eigene Berufung zu finden und zu unterscheiden. Aber Ignatius ist sehr streng wenn es darum geht, wo alles eben keine Unterscheidung möglich ist. Nämlich immer dann, wenn bereits eine Entscheidung getroffen ist.

Ich bin bereits Priester? Ordensfrau? Oder habe eine andere Berufung angenommen? Dann ist die Unterscheidung eben nicht die Methode, das jetzt ungültig zu machen. Wenn Ordensleute nach zehn oder fünfzehn Jahren in ihrer Ausbildung noch einmal den Monat der Exerzitien durchlaufen, ist die Suche deswegen nicht die, ob ich eine Berufung habe. Es kann nur um die Suche nach Bestätigung durch den Geist gehen und um die Frage, was daraus jetzt für das Leben folgt. Unterschieden wird, wie sich die eigene Berufung weiter ausgestalten kann, vertiefen kann.

Die Unableitbarkeit des Prozesses aus den Normen auf der einen und die Rahmengebung durch die Regeln auf der anderen Seite scheinen einen Widerspruch zu bilden. In jedem Fall stehen sie in Spannung zueinander. Hier gilt es gilt nun, eine Balance zu finden. In jedem Fall ist deutlich, das ich Unterscheidung weder als Umsetzungsvehikel für eigene Einsichten noch für Begrenzungen der Offenheit des Prozesses benutzen darf.

Konsequenzen!

Das Ganze bleibt aber fruchtlos, wenn es keine Konsequenzen hat. Und das ist ja auch ein wenig die Problemperspektive des synodalen Wegs: was folgt nun daraus? Unterscheidung ist eine „innere Haltung, die in einem Glaubensakt verwurzelt ist”, so nennt das der Papst. Bleiben wir bei Franziskus, auch wenn es viele andere Referenzen dafür gibt.

Unterscheidungen in einem geistlichen Prozess erschöpfen sich nicht darin, intellektuelle Übung zu sein. Sie sind kein Abwägen, sondern immer ein Hören auf den Geist Gottes. Und das ist immer die Frage, wohin der Geist uns führen will. Wir können fast gar nichts über Gottes Geist sprechen, ohne Vokabeln der Bewegung oder Aktivität zu benutzen.

Keine Produktion von Eindeutigkeit

Weil es um die Umsetzung und Praxis der Unterscheidung geht, muss an dieser Stelle noch einmal betont werden, was Unterscheidung nicht ist. 

Erstens geht es nicht darum, Zeichen zu suchen, die Gott sendet. Das ist ein Missverständnis, das einem häufiger begegnet. Ein Zeichen würde ja die ‚Unterscheidung‘ aufheben, weil sich daraus eine Eindeutigkeit ergäbe. Bekomme ich ein Zeichen, ist ja alles eindeutig. Es geht bei Unterscheidung um Sorgfalt, um Gebet und immer wieder Gebet, es geht um Nuancen und innere Freiheit, es geht um das Handeln Gottes in mir, es geht um Erfahrung und Wahrnehmung. Das ist das Gegenteil von Eindeutigkeit.

Das kann Angst auslösen, weil es keine automatisch sich ergebenden Lösungen für Probleme gibt. Und das ist das Zweite, das Unterscheidung in einem geistlichen Prozess nicht ist: Methode. Ich kann nicht einfach eine Situation in einen Entscheidungsgenerator hinein geben und heraus kommt ein durch Ethik, Moral, Gesetz und Tradition gedecktes Ergebnis. Ohne eigenes Zutun. Genau das ist Unterscheidung nicht.

Geduld, Geduld

Letzte Zutat: Geduld. Unterscheidung ist kein „jetzt, sofort“ Generator. Die Zeitmaßstäbe Gottes entsprechen niemals den unseren. Wir müssen uns zurück lehnen können, beten und warten können, großherzig sein, das Unkraut auch mal wachsen lassen. Der Unterscheidungsprozess des Synodalen Wegs hat vielleicht hier seine größte Schwäche: die Ungeduld vieler Katholikinnen und Katholiken mit der Kirche scheint zu drängen, die Enttäuschungen und der Vertrauensverlust von Kirche ebenso. Aber Gott lässt sich nicht drängen.

Unterscheidung in Gemeinschaft, wie sie der synodale Weg vorhat, hat viele Klippen zu umschiffen. Eines ist klar: ein gemeinsames geistliches Vorgehen garantiert keinen Erfolg und produziert nicht quasi automatisch Ergebnisse. Stattdessen fügt sie dem auch so schon anspruchsvollen Programm noch weitere Problemdimensionen hinzu.

Aber es gibt keine Alternative, wenn der synodale Weg tatsächlich ein geistlicher Prozess sein soll. Machen wir uns – jeder einzeln und in Gemeinschaft – dieses Vorgehen zu eigen, dann hat der Geist Gottes eine Chance, uns zu verwandeln. Und damit wären wir dann beim Grundanliegen, das Papst Franziskus dem synodalen Weg mitgegeben hat: der Umkehr und der Verwandlung in eine Kirche, die den Glauben lebt, bezeugt und verkündet, statt um sich selbst zu kreisen.

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Dieser Beitrag ist die stark gekürzte Version eines Artikels, die Vollversion finden Sie in der Zeitschrift „Ordens Korrespondenz“, Heft 4/2020.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter geistlich, Kirche, synodaler Weg9 Kommentare zu Die Tücken des Geistlichen: Zum Synodalen Weg

Zwei Päpste voller Kontraste. Und voller Kontinuität: Franziskus und Benedikt

Veröffentlicht am 10. Januar 2021
Zwei Päpste Vorgänger und Nachfolger: Foto vom 5. Juli 2013. Quelle: Wikimedia Commons

Franziskus ist nun länger Papst als es sein Vorgänger Benedikt war. An diesem Wochenende „überholt“ er seinen Vorgänger, was die Länge der Regierungszeit angeht. Der gleiche Zeitraum, aber trotzdem zwei Pontifikate voller Unterschiede. Aber auch voller Kontinuität. Zwei Päpste, die das Amt geprägt haben und prägen, beide bis heute.

Für das Domradio habe ich mir die beiden Pontifikate einmal vergleichend vorgenommen. Das möchte ich hier nicht wiederholen, aber drei Punkte dann doch zur Diskussion stellen.

Zwei Päpste

Erstens sind da die Kontinuitäten, etwa in der fortgesetzten Abkehr vom monarchisch-sakralen. Auch wenn es hier bei Benedikt XVI. immer mal wieder geruckelt hat, etwa in liturgischer Kleidung oder Inszenierung, und auch wenn Franziskus hier unzweifelhaft viel stärker aufs Gaspedal drückt, bleibt es eine Kontinuitätslinie, die bereits weit vor Benedikt beginnt.

Kontinuitäten gibt es aber auch im Negativen, etwa in den Dauerskandalen. Schon Benedikt war eigentlich gewählt worden, um den dysfunktionalen Vatikan in de Griff zu bekommen. Piusbrüder, Vatileaks und andere Skandale blieben ihm aber nicht erspart. Unter Franziskus ist das noch eimal schlimmer geworden, was sowohl eine gute als auch eine schlechte Nachricht ist.

Vatileaks und Finanzskandale

Schlecht, weil für alle sichtbar ist, wie dilettantisch mit Geld umgegangen wurde. Gut, weil das nicht mehr unter dem Teppich bleibt. Aber auch bei Franziskus wird deutlich, dass er das nicht in den Griff bekommt. Seine Reformen bleiben unübersichtlich und im Monatsrhythmus kommen neue Geschichten ans Licht. Dass von der groß angekündigten Vatikan-Reform so gar nichts zu sehen ist, ist nach sieben Jahren schon enttäuschend. Auch das ist – leider – Kontinuität.

Zweitens sind da die „points of no return“, die Papst Franziskus gesetzt hat. Entscheidungen über die Art und Weise, Papst zu sein, hinter die keiner seiner Nachfolger wieder zurück kann. Während Benedikt XVI. sich in allem bis hin zu Hermelin und Brokat bemüht hat, Tradition zu inszenieren, liegt Franziskus die gelungene symbolische Kommunikation am Herzen. Sicherlich selber kein Revolutionär will er aber die Symbole nicht übermächtig werden lassen, sie sollen dem Amt und der Botschaft dienen. Das Amt soll und darf sich der Macht der Symbole beugen.

Das Papstamt wird nie mehr sein wie vorher

Roter Schulterumhang, rote Schuhe, all das gehört der Vergangenheit an. Was Benedikt in einem einzelnen Akt – seinem Rücktritt – an Prägung geschafft hat, da machte und macht Franziskus fast täglich weiter. Das Papstamt wird nach Franziskus nie mehr das sein, was es davor hat sein wollen.

Drittens möchte ich aber noch einmal auf das eingehen, was beide in ihrer Unterschiedlchkeit verbindet: es gibt kein Papstamt jenseits der Persönlichkeit des Inhabers. Der eher schüchterne Theologe und sein Amtsverzicht genauso wie der alles umarmende Kommunikator „sind“ Papst, sie haben das Amt nicht inne, sie sind das Amt. Nur so konnte überhaupt der Rücktritt seine Kraft entfalten.

Person und Amt verschmelzen

Nun haben wir aber in den vergangenen Jahrzehnten lernen müssen, was für Gefahren in der charismatischen Verankerung von Autorität und Macht liegen. Keiner der beiden Päpste, weder Franziskus noch Benedikt, haben dem etwas entgegen gesetzt. Wenn überhaupt, dann war Benedikt eher noch Diener des Amtes als Franziskus, dessen Persönlichkeit wie die von Papst Johannes Paul II. vollständig mit dem Amt verschmilzt.

Das wird so nicht mehr sehr lange gut gehen können. Die Aufgabe, die Weltkirche zusammen zu halten übersteigt schon jetzt die Kraft dieses Papstes. Ein neu aufgestellter und reformierter Vatikan könnte helfen, eine neue Rolle von Synoden auch, da gibt es viele Möglichkeiten. Aber je vielgestaltiger und vielstimmiger die katholische Weltkirche wird, um so weniger wird die Authentizität und das Charisma eines Einzelnen ausreichen, hier Einheit zu garantieren.

Hier wird sich ein Nachfolger – wann auch immer und wer auch immer – mindestens so stark von Franziskus absetzen müssen wie Franziskus von Benedikt.

 

Kategorien Allgemein, Benedikt XVI., Franziskus, Geschichte, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Rom, VatikanSchlagwörter Amtszeit, Papst Benedikt, Papst Franiskus, Papstamt, Rücktritt, Vatikan9 Kommentare zu Zwei Päpste voller Kontraste. Und voller Kontinuität: Franziskus und Benedikt

In den USA sind wir nicht nur Zuschauer

Veröffentlicht am 7. Januar 20217. Januar 2021
Destruktion Jasper Johns: American Flag, MOMA, New York. Bild aufgenommen während des Papstbesuches in den USA 2015.

Vier Tote und viel demokratischer Schaden: zum Schluss zeigt das System Trump noch einmal, worauf es aufgebaut ist. Auf Lüge. Auf Destruktion. Wobei das Schauspiel innerhalb des Kapitols in Washington noch schlimmer ist das das, was der Mob draußen angerichtet hat. Wir haben das Gesicht dieser Destruktion gesehen, “Es ist hässlich und ruft uns zum Handeln auf,” wie ein US-Bischof sagt.

Mit der Bemerkung könnten wir Beobachter es bewenden lassen. Könnten. Aber auch hier,  in einem religiösen Blog, gilt es die Auswirkungen zu registrieren. Zum Beispiel, dass es in einem nie dagewesene Maß in den vergangenen Jahren darum gegangen ist, die Bedeutung von Wahrheit zu zerstören.

Destruktion

Wobei es dabei gar nicht um den philosophischen Sinn von Wahrheit geht, sondern schlicht um das Übereinstimmen von Fakten und Aussagen. Darum, dass Behauptungen belegt werden müssen.

Machen wir uns nichts vor, im Kleinen ist das auch in andere Zusammenhänge eingesickert. Verunglimpfung sind prägender Teil der Debatte geworden. Auch wenn es Minderheiten sind, unsere Mediengesellschaft kann von Kontrast gar nicht genug bekommen. Also geben wir den Schreihälsen Macht über uns.

Und Stichwort US-Kongress: es gibt auch bei uns, es gibt auch in der Kirche Menschen, die meinen, ihr Süppchen auf solchen Feuern kochen zu können. Die auf Verunglimpfung und Faktenfreiheit und nur auf Applaus setzen.

Versuchung Authentizität

Und hier wird es spannend, auch für Kirche. Die Versuchung in alldem lautet, es mit Authentizität zu probieren. Wo die Wahrheit unsicher wird, wo die Unsicherheit regiert, auf die überzeugende Persönlichkeit zu setzen. Das ist eine Versuchung, weil eben auch die Authentizität, das Charismatische, zunächst keinen Wahrheitsbezug hat, sondern einen Selbstbezug. Wir brauchen mehr als gewinnende Persönlichkeiten, um die Probleme zu lösen, die sich uns stellen.

Wir schauen mit entsetzen auf die USA, aber irgendwo im ganz kleinen gilt es die Lektion auch für uns zu ziehen.

Kategorien Allgemein, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und VernunftSchlagwörter Authentizität, Kongress, Politik, Trump, USA, Wahrheit12 Kommentare zu In den USA sind wir nicht nur Zuschauer

Weihnachtsgrüße, verspätet

Veröffentlicht am 6. Januar 20217. Januar 2021
der Blog war stumm Die Krippe auf dem Petersplatz, 2017

Liebe Leserinnen und Leser meines Blogs, in den vergangenen Wochen habe ich einiges an emails bekommen: der Blog war stumm. Und das auch noch ganz ohne Ankündigung. Ganz uncharakteristisch.

Dafür bitte ich um Nachsicht. Das Ganze hatte gesundheitliche Gründe – kein Corona, Gott sei Dank – und war nicht wirklich eine Entscheidung von mir. Es ging nicht anders.

Der Blog war stumm

Aber nun soll es weiter gehen. Und zwar am letzten Weihnachts-Hochfest, dem Tag der Erscheinung des Herrn, mit verspäteten Wünschen zum Fest. Möge der Mensch gewordene Herr an unserer Seite bleiben und sein Segen und seine Präsenz und durch dieses Jahr begleiten.

Alles Gute Ihnen, auf bald an dieser Stelle

P Bernd Hagenkord SJ

Kategorien Allgemein, Neulich im InternetSchlagwörter Blog, Weihnacht10 Kommentare zu Weihnachtsgrüße, verspätet

Päpstliche Weihnachtsworte, alle Jahre wieder

Veröffentlicht am 18. Dezember 202017. Dezember 2020
Reform der Kurie Eingang zum Apostolischen Palast: Was hinter diesen Türen vorgeht, bleibt immer noch verborgen

Eine Liste von vatikanischen Krankheiten wird es nicht noch einmal werden. Auch die Tugend-Liste gab es schon. Was wird Papst Franziskus zur Reform der Kurie in diesem Jahr zu sagen haben?

Am kommenden Montag ist es wieder soweit: der Papst wird die Spitzen seiner Kurie – also seiner Verwaltung – zum Weihnachtsfest empfangen und seine Jahresansparache halten. Gelegenheit für Grundsätzliches, das war schon in den vergangenen Jahren so.

Reform der Kurie

Das Grundthema war immer schon die „Reform“ der Kurie, was auch immer genau das heißen mag. Immer wieder hat der Papst angekündigt, diese dem künftigen Papst von den Kardinälen vor der Wahl aufgegebene Reform zügig umzusetzen. Und doch lesen wir immer und immer wieder von neuen Skandalen, vor allem aber nicht nur finanziellen. Das zeigt zum einen, wie wichtig diese Reform ist. Das zeigt zum anderen aber auch, wie wenig diese bisher voran gekommen ist.

Aber seinen wir ehrlich: vieles von dem, was wir als Skandal wahrnehmen, ist Heilungsschmerz. Es gibt Aufräumarbeiten in Sachen Finanzen, Dinge werden nicht mehr unter den Teppich gekehrt, sondern sie kommen ans Licht. Das ist erst einmal etwas Gutes.

Nach sieben Jahren Papst Franziskus

Aber dass es nach fast sieben Jahren Franziskus immer noch so viele Baustellen gibt, das verwundert schon.

Angefangen hatte Papst Franziskus sehr geistlich, sehr grundsätzlich, und sehr scharf: Die berühmten und heute schon fast vergessenen „15 Krankheiten der Seele“. Danach wurde er realistischer, aber auch dann noch stand der Zentralbegriff seines Verständnisses von Reform im Zentrum: der Bekehrung.

Das ist das eine. Aber er ist eben als Papst auch verantwortlich für die Umsetzung und die strukturelle Absicherung der Reformschritte. Seit Jahren tagt der Kardinalsrat, um eine neue „Vatikan-Verfassung“ zu erarbeiten, einmal gab es schon eine Fassung, fertig um an die Bischöfe der Welt verschickt zu werden. Aber seitdem: Schweigen.

Seitdem: Schweigen

Ab und zu wird es laut hinter den Mauern, ab und zu kommen gute Nachrichten über eine Neubesetzung oder die Neueinrichtung dieser oder jener Stelle. Auch hat es in diesem Jahr neue Vorschriften zur Vergabe von Aufträgen gegeben, was kluge Beobachter für den radikalsten der Schritte in der Unkultur der Arbeit dort sehen.

Aber Beobachtern fällt auch auf, dass einige Stellen eben nich neu besetzt wurden, die des Finanz-Revisors etwa dauerte ein ganzes Jahr. Oder auch die Nachfolge für Kardinal Pell, der ein Jahr vor Gericht stand und dessen Posten in Rom unbesetzt blieb. Man wird von außen den Eindruck nicht los, dass das mit der Reform wenn es praktisch wird dann doch nicht so einfach ist. Oder gewollt.

Viele kleine Schritte hat der Papst getan, etwa bei der Besetzung von Stellen. Darauf weist er in seinem Buch hin, da geht es etwa um den Frauenanteil und darum, Fachleute in Kontrollgremien zu holen. Aber die Kurie präsentiert sich nicht in einem Zustand, dass kleine Schritte reichen.

Kleine Schritte reichen nicht

Priester seien wie Flugzeuge, hatte der Papst in seiner Weihnachtsansprache 2014 gesagt: sie fallen nur auf, wenn sie abstürzen. Da ist was dran, auf die guten Seiten schauen wir zu wenig. Aber als Entschuldigung reicht das nicht mehr.

Es gibt Reformbemühungen in der Kirche, sehr viele. Es wäre zum Beispiel hilfreich, diese konstruktiv zu begleiten und nicht durch sehr allgemein gehaltene Kritik von oben zu schwächen. Und das schon gar nicht, wenn die eigene institutionelle Glaubwürdigkeit immer wieder neu in Frage gestellt wird.

Wenn die Institution Kirche nicht ihrem Sinn – des Lebens und der Verkündigung des Glaubens – im Wege stehen soll, dann muss sie sich entwickeln. Dann muss sie reformiert werden. Das ist eine Aufgabe für Bekehrung. Aber auch eine für die Verantwortung der Autoritäten in der Kirche. Und besonders im Vatikan. Es wird Zeit. Nicht nur zu Weihnachten.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Rom, VatikanSchlagwörter Geld, Korruption, Kurie, Papst Franziskus, Reform, Vatikan, Weihnachtsansprache20 Kommentare zu Päpstliche Weihnachtsworte, alle Jahre wieder

Im Chor der Rechtschaffenen?

Veröffentlicht am 13. Dezember 202013. Dezember 2020
Der Kern des Glaubens Der Blick nach oben: Trinität und Maria

Wenn das Christliche über das Christliche hinaus langt, dann erntet es gemischte Reaktionen. Erst neulich beklagte eine große deutsche Zeitung, dass Kirchen „das Profane“ predigen und „im Chor der Rechtschaffenen“ singen. Austauschbarkeit sei die Folge.

Der Kern des Glaubens sei aber das Heilige, die Hinwendung zu Gott, vor allem die liturgische. Immer wieder hören wir diese Kritik: statt sich um ihren Auftrag zu erfüllen werde Kirche zu einem Teil der Zivilgesellschaft.

Der Kern des Glaubens

Bis zu einem gewissen Punkt kann ich das nachvollziehen und sehe die Kritik als wertvoll an, weil sie auf Schwachpunkte hinweist. Aber auch nur bis zu einem gewissen Punkt, und der kommt in diesem Text auch vor. Denn das „Eigentliche“ des Glaubens ist nicht dem Diesseits entgegen gesetzt, wie der Journalist schreibt. Es ist kein Widerspruch. Die Anbetung des Heiligen ist kein Rückzug aus der Welt. Und wenn sie das wird, dann verpasst sie Gott.

Diesem als Widerspruch formulierten Gedanken begegnet man leider immer wieder. Schmerzhaft ist das vor allem, wenn christlich engagierte Menschen das Geistliche als Ablenkung oder als weniger wichtig oder als „konservativ“ oder dergleichen abtun.

Als Christinnen und Christen gehört aber beides in unseren Glauben. Das eine ohne das andere wird leer, das andere ohne das eine Austauschbar. Rückzug ist keine Option. Denn in Gott zeigt sich nicht die Verneinung, sondern die Bejahung der Welt und des Menschen. Das Christliche muss über das Christliche selbst hinaus langen, das ist die Dynamik des Festes, auf das wir zugehen. In diesem Sinne Ihnen noch gesegnete Adventstage.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Anbetung, Christentum, Diesseits, Engagement, Gesellschaft, Glaube18 Kommentare zu Im Chor der Rechtschaffenen?

Francescotopie

Veröffentlicht am 9. Dezember 20209. Dezember 2020
Unsere Welt ist nicht alternativlos Dynamik und Bewegung: Stillstand geht nicht mehr

Unsere Welt ist nicht alternativlos. Auch wenn wir so leben, als ob. Wir tun so, als ob unsere Welt und unsere Form von Gesellschaft der Gipfel des Zivilisatorischen wären. Fortschritt, Messbarkeit, Rationalität und Vorrang des Ökonomischen sind die Grundkonstanten unseres Denkens. So haben wir uns unsere – westliche – Welt gebaut. Und wir tun so, als müsse das so sein.

Aber die Welt ist nicht alternativlos. Behauptet auch Papst Franziskus: „Die COVID Krise hat sichtbar werden lassen, dass unsere Lösungen und unsere Weise die Welt zu organisieren nicht der Realität entspricht. … Eine Wirtschaft, die Wachstum um jeden Preis als oberstes Ziel betrachtet, ist nicht weiter haltbar.“

Unsere Welt ist nicht alternativlos

Dahinter verbirgt sich eine Vision. Keine gesetzte Vision, kein genaues Konzept, keine Prophetie einer besseren Welt. Dahinter verbirgt sich vielmehr eine Dynamik, beginnend mit der Einsicht, dass es so nicht weiter gehen kann. Ich möchte diese besondere Version einer Vision Franziskotopie nennen.

Das Wort habe ich sozusagen geklaut. Oder geliehen. Und zwar vom senegalesischen Autor Felwine Sarr, dessen Buchtitel „Afrotopia” ich etwas abgewandelt habe. Sarr spricht davon, dass wir die „Vorstellung von menschlichem Vorschritt“ aus der kollektiven Vorstellung der Welt verdrängen müssen. Nur so schaffe man Raum für andere Möglichkeiten. „Das Offene denken bedeutet, das Leben, das Lebbare, das Gangbare anders zu denken als im Modus der Quantität und der Habgier.“ (Sarr, S.14)

Anders denken als im Modus der Quantität

Ganze Kapitel dieses Buches klingen wir mit Papst Franziskus parallel gelesen. Sarr spricht natürlich über Afrika und dessen genuine, nicht von außen bestimmte Zukunft. Bisher würde ein ganzer Kontinent von außen beschrieben, die Mythen des Westens, ausgedrückt in „gängigen Worthülsen wie ‚Entwicklung‘“, abzulösen. Interessant ist, dass das ein geistiges Buch ist, das von Vorstellungen von Welt und von Mythen spricht. Besonders hier gibt es starke Parallelen zum Papst, auch wenn die Absichten unterschiedlich sind.

Ähnlich argumentieren aber auch die vom Papst in seinem Buch genannten Wissenschaftlerinnen. Oder die sich in deutscher Sprache gut verkaufende Ökonomin Maja Göbel, die von Denkbarrieren spricht und schreibt.

Franziskotopie, das wäre also der „andere Ort“ – Topos – von dem man aus denkt. Ausgangspunkt für den Papst ist der Rand, von dem man aus schauen muss, um neue Perspektiven zu entdecken. Aber sind auch allgemein religiöse Überzeugungen, die einzigartige und nicht von Fortschritts-Vorstellungen geprägte Einsichten schaffen können. Religionen „sind Quelle des Guten“, sagt Papst Franziskus. „Sie erzeugen Überzeugungen der Solidarität und des Dienstes, welche die Gesellschaft als Ganzes stärken können. Sie sind Orte der Versöhnung, an denen die Menschen erfahren, aus dem Markt Ihnen niemals wird geben können: ihren Wert als Menschen, und nicht nur ihren Wert als Arbeitnehmer oder Verbraucher.“

Keine Statik, kein Stillstand

Franziskotopie – das Wort ist aber auch geliehen von Michel de Certeau SJ und seiner Idee der Heterotopie, des „Andernorts”. Das sind keine statisch verstandenen Orte, sondern dynamische Räume des Vorläufigen. Orte organisieren Dinge, nebeneinander, in Beziehung zueinander, übereinander, all das folgt vor allem der einen Regel, dass nicht zwei Dinge gleichzeitig am selben Ort sein können. Räume hingegen oder Andern-Orte entstehen erst durch Richtungen und durch Zeit, schreibt Certeau. Raum besteht in der Begegnung von beweglichen Dingen. Er ist nie stabil, wie auch das gesprochene Wort nicht.

Sehr abstrakt, zugegeben, aber man darf ja ruhig mal den Kopf anstrengen. In jedem Fall soll das sagen, dass die Ideen des Papstes nicht in freiem Raum schweben. Er ist mit seinem spirituellen Beitrag Teil einer weiteren Debatte.

Und dass wir die führen müssen, dass machen uns die Krisen klar. Ein zurück kann es nicht geben, wie der Papst formuliert: „Lange Zeit dachten wir, wir könnten in einer kranken Welt gesund sein. Aber die Krise hat uns vor Augen geführt, wie wichtig es ist, für eine gesunde Welt zu arbeiten“.

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Corona, Covid, Gesellschaft, Papst Franziskus, Papstbuch, Vision, Zukunft1 Kommentar zu Francescotopie

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