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Kategorie: Spiritualität / Geistliches Leben

Artikel und Beiträge über geistliches Leben

Baut nicht auf Sand!

Veröffentlicht am 23. September 202022. September 2020
angewendete Soziallehre der katholischen Kirche DER Ort der Nächstenliebe und Soziallehre: Assisi

Der Mensch lernt durch Wiederholungen. Ein pädagogisches Prinzip, dessen sich der Vatikan seit einigen Wochen wieder bedient. Es ist bekannt, dass der Papst eine Enzyklika veröffentlichen wird. Die Themen werden bis dahin schon gut vorbereitet: es ist Zeit für die aktualisierte und angewendete Soziallehre der katholischen Kirche.

Seit August etwa spricht der Papst bei den Generalaudienzen Themen der kirchlichen Soziallehre an, Auslöser ist immer die durch Corona ausgelöste oder auch sichtbar gemachte Krise. Er verbindet seine Aussagen zur Soziallehre der Kirche, wie er sie in Laudato Si’ formuliert hat, mit der aktuellen Krise: „Unsere Gesundheit hängt von der Gesundheit der Ökosysteme ab, die Gott geschaffen und die zu hüten er uns aufgetragen hat (vgl. Gen 2,15). Sie zu missbrauchen, ist eine schwere Sünde, die schadet und krank macht (vgl. LS, 8; 66)“.

Angewendete Soziallehre der katholischen Kirche

Oder eine Woche früher: „Die Krise, die wir wegen der Pandemie erleben, betrifft alle; wir können besser aus ihr herauskommen, wenn wir alle gemeinsam das Gemeinwohl suchen. … wenn die Lösungen für die Pandemie Spuren von Egoismus tragen, sei es von Menschen, Unternehmen oder Nationen, können wir vielleicht aus der Coronavirus-Pandemie herauskommen, aber sicherlich nicht aus der menschlichen und sozialen Krise, die das Virus hervorgehoben und akzentuiert hat. Seid also vorsichtig, nicht auf Sand zu bauen (vgl. Mt 7,21-27)! Um eine gesunde, alle Menschen einschließende, gerechte und friedliche Gesellschaft aufzubauen, müssen wir dies auf dem Fels des Gemeinwohls tun.“ Wir kennen unseren Papst, das ist alles schon Vorbereitung auf die Enzyklika, bzw. die Enzyklika wird diese Katechesen dann bündeln.

Aber nicht nur das: der Papst trifft sich mit Menschen, die seine Anliegen teilen. Und die Rede vor der UNO-Genertalversammlung kommt auch noch dazu. Und dann kommt dann nich ein Buch, das ein US-Amerikanischer Verlag schon angekündigt hat. Autor: Papst Franziskus. Titel: Let us dream! Alles umkreist derzeit diesen Themenkomplex, so scheint es.

Umkreisung des Themas

Den Rahmen oder die Entwicklungsspur dafür gibt der Kardinalstaatssekretär des Vatikan, Kardinal Pietro Parolin, in einem langen Interview wieder, er zieht die Linie der Sozialaussagen der Kirche von Benedikt zu Franziskus: „Benedikt sprach [Caritas in Veritate] von einer Ökonomie, in der die Logik des Gebens, das Prinzip der Unentgeltlichkeit, das nicht nur Solidarität, sondern noch tiefer menschliche Brüderlichkeit ausdrückt, Platz finden muss. Franziskus [Laudato Si’] hat das Thema der ganzheitlichen menschlichen Entwicklung im Kontext einer „integralen Ökologie” wieder aufgegriffen: ökologisch, wirtschaftlich, sozial, kulturell und spirituell.“ Die Soziallehre der Kirche sei eine solide Orientierung, die sich „ständig aktualisiere“. Genau das dürfen wir wohl von der Enzyklika erwarten.

Auch in Deutschland beraten die Bischöfe gerade bei ihrer Vollversammlung unter anderem die Corona-Auswirkungen auf die Kirche und die Antworten aus dem Glauben auf die Probleme, die entstanden sind oder die sichtbar wurden. Genau an diesen Antworten versucht sich der Papst: „Die gegenwärtige Pandemie zeigt, wie sehr wir alle miteinander verbunden sind – im Schlechten wie im Guten. Daher können wir nur gemeinsam und solidarisch diese Krise überwinden. … Solidarität ist mehr als die ein oder andere großzügige Geste. Es geht dabei um eine Mentalität, eine Gesinnung des „Wir“, für die jeder Mensch gleich wichtig und wertvoll ist. Solidarität bedeutet also auch Gerechtigkeit.“

 

Kategorien Allgemein, Benedikt XVI., Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Benedikt, Enzyklika, Laudato Si, Papst Franziskus, Soziallehre15 Kommentare zu Baut nicht auf Sand!

Synodaler Weg: Zum Beginn des Tages eine Frage

Veröffentlicht am 4. September 20204. September 2020
Ein Impuls für alle Schrift und Kreuz: Nürnberg, St Sebald

Im Anfang schuf Gott das Fragezeichen. So begann vor Jahren der Servitenpater Ermes Ronchi die Exerzitien für Papst Franziskus. Und so beginnen heute die Impulse bei den fünf Veranstaltungen des einen synodalen Weges, ein Impuls für alle. Und weil der Weg ja für alle da ist, nicht nur für die im Raum versammelten, mag ich den Impuls auch hier anbieten.

Also: Im Anfang schuf Gott das Fragezeichen. Fragen sind wichtig. Fragen – und nur Fragen – führen zu Neuem. Ein durchschnittliches vierjähriges Kind stellt angeblich über 400 Fragen am Tag, so wollen es Pädagogen in einer Studie gezählt haben. Alle Eltern mögen an dieser Stelle nicken oder seufzen.

Ein Impuls für alle

Fragen sind die Art, wie wir uns auf die Welt zu bewegen. Wir sind Fragende, Suchende. Und bleiben es auch, wenn wir uns nicht zu schnell mit dem, was ist, zufrieden geben.

Deswegen ist die Frage auch ein beliebtes Mittel Jesu, die Menschen um ihn herum auf den Weg zu Gott zu führen. Die Aussage, er lehre nur in Gleichnissen, ist so nicht ganz korrekt, so scheint es, ein Bibelwissenschaftler will 307 Fragen gezählt haben, die Jesus im Laufe der Evangelien stellt.

„Für wen haltet ihr mich?“, „Frau, warum weinst du?“, „Liebst du mich?“ oder auch „Wie viele Brote habt ihr?“

307 Fragen Jesu

Eine dieser Fragen habe ich deswegen an den Beginn des Tages gestellt:

Am nächsten Tag stand Johannes abermals da und zwei seiner Jünger; und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm! Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach. Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister –, wo wirst du bleiben? Er sprach zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen und sahen’s und blieben diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde.

Joh 1:35-39 (Lutherübersetzung 2017)

„Was sucht ihr?“ Die Frage kann nur hören, wer nicht betäubt ist von dem, was ist. Vom Erreichten. Vom Erfolg. Vom Status.

Fragen befreien von der Selbstbeschränkung. Wir haben doch genug. Wir sind doch schon. Wir haben doch schon. Aber auch von der Selbstbeschränkung im Kleinmachen: Wir können doch nicht. Das geht doch nicht.

Deswegen zum Impuls, vor all den Debatten, einige von der Frage Jesu abgeleitete Fragen an alle Teilnehmenden und in den Gemeinden Mitmachenden:

Was sucht ihr?

Was fehlt dir?

Was suchst du?

Was ist in deiner Berufung, in deinem Christsein lebendig? Was will da weiter werden, wachsen?

Was suchst du hier, heute, bei diesem Treffen?

Und lassen wir uns von Christus fragen: „Was soll ich dir tun?“, „Was soll ich für euch tun?“

Allen Beteiligten einen geistvollen Tag!

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Frage, Gebet, Impuls, Jesus, Johannes, Kirche, synodaler Weg17 Kommentare zu Synodaler Weg: Zum Beginn des Tages eine Frage

Synodaler Weg und Corona: Wir müssen reden

Veröffentlicht am 1. September 202029. August 2020
Der synodale Weg kann Corona nicht übergehen Dieses Mal nicht in Frankfurt, sondern an 5 Orten: der synodale Weg. Foto: Januar vor der ersten Vollversammlung

Es geht auch um Corona. In der kommenden Woche treffen sich die Regionalkonferenzen des synodalen Wegs, und das erste Thema wird „Die Corona-Pandemie – Herausforderungen für den synodalen Weg“ sein. Das ist gut so, die Erschütterungen durch die Pandemie sind massiv, darüber müssen wir reden. Der synodale Weg kann Corona nicht übergehen.

Die Debatte soll durch ein Impulspapier angeregt werden, das im Internet zu lesen ist. Die Seite katholisch.de fand das aber wohl nicht wirklich interessant, das einzige, was gemeldet wurde, ist dass es um Digitalisierung gehe.

Der synodale Weg kann Corona nicht übergehen

Ist das alles? Kann das alles sein? Nein, es geht um mehr. Die Herder-Korrespondenz macht es in der aktuellen Ausgabe vor, hier wird die Frage nach Gott und nach unserem Gottesbild gestellt, nichts weniger als das. Ich muss gestehen, dass mir das in dem Impuls-Papier fehlt. Natürlich hat das die Aufgabe, Corona auf den synodalen Weg hin zu reflektieren, aber ist das nicht etwas eng gedacht?

Mir fehlt die Erschütterung. Die Unsicherheit und die Sprachlosigkeit angesichts einer Pandemie, welche das Leben von so vielen Menschen schwer beeinträchtigt hat und noch beeinträchtigen wird. Die Erschütterung ist spürbar, sie macht sich Luft in Protesten, in Sorgen, in Angst.

Unruhe!

Das betrifft auch die Kirche. Angesichts einer Pleitewelle und den sozialen Erschütterungen bei uns, vom Rest der Welt ganz zu schweigen, nur von Digitalisierung und Kirchenreform zu sprechen, reicht mir nicht aus.

Corona hat uns unruhig gemacht. Unsere normalen religiösen Antworten passen nicht mehr. Und das gilt auch für die Reform-Debatten. Das meint nicht die reine Emotion, die Betroffenheit, wie wir es im Pastoral-Deutsch gerne nennen. Die Erschütterungen gehen tiefer. Wie tief und mit welchen Auswirkungen, das müssen wir noch ergründen, und genau dazu helfen solche Formate wie die Regionalkonferenzen.

Corona ist mehr als die Bestätigung des einmal eingeschlagenen Wegs. Corona stellt Fragen an uns, an unsere Weise Kirche zu sein, an unsere innerkirchlichen Gespräche und Debatten. Ich hoffe, dass das am Freitag in den Regionalkonferenzen Thema wird. Corona sagt uns “Weiter so” reicht nicht aus.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Corona, Glaube, Kirche, Reform, synodaler Weg31 Kommentare zu Synodaler Weg und Corona: Wir müssen reden

Christen der Zukunft

Veröffentlicht am 27. August 20202. August 2020
Das unmittelbare Gottesverhältnis Nikolaikirche, Berlin

„Das Erste und Wesentliche, was auch die Frömmigkeit von morgen bestimmen muss, ist das persönliche unmittelbare Gottesverhältnis.“ Ein Satz Karl Rahners aus seinem Artikel über die Zukunft des gelebten christlichen Glaubens, den Mystiker. Alle Reform, alle Veränderung, alle Tradition wird bestimmt durch den Blick auf Gott, direkt, unverstellt.

Das ist gar nicht so selbstverständlich, wie es zunächst klingt. Wir reden viel zu sehr über Sekundäres. Über Kirche, über Struktur, über Entscheidungen. Das ist nicht unwichtig, aber eben sekundär. Folgen wir Rahner, dann muss sich alles über die Frage nach Gott und das persönliche Gottesverhältnis bestimmen.

Das unmittelbare Gottesverhältnis

Nehmen wir den synodalen Weg: wie schwer ist es hier, aus den etablierten Debatten und Text-Diskussionen heraus zu kommen! Es soll ein geistlicher Weg sein, wurde und wird immer wieder betont. Aber es bleibt ein Ringen, diese Dimension tatsächlich unterzubringen. Damit will ich niemanden die Absicht oder Spiritualität absprechen, überhaupt nicht. Aber die Dynamiken der Debatte haben eben bei uns eine lange Tradition und damit eine eigene Kraft.

Um so wichtiger ist es, die Mahnung Rahners, der Fromme von morgen werde ein „Mystiker sein, einer der etwas „erfahren“ hat, oder er werde nicht mehr sein, ernst zu nehmen. Der Glaube ist nicht mehr selbstverständlich. Der Glaube ist nichts selbstverständliches, überpersonales mehr, das sich im soziologischen „Milieu“ manifestiert. Für Glauben ist jeder und jede selber verantwortlich.

Ein geistlicher Weg

Rahner verlegt aber in seinen Gedanken das Christliche nicht ausschließlich in eine rein geistig missverstandene Mystik, jeder und jede für sich mit Gott und so. Es geht ihm genauso um das Handeln, die „Welttat“, wie es in seiner manchmal uns eigenartig vorkommenden Sprache lautet. Um ein redliches uns verantwortetes Leben vor Gott und den Nächsten.

Dass diese beiden Dimensionen, das Gottesverhältnis und das Handeln, keineswegs veraltet sind, zeigen auch die Diskussionen um die Kirche und den Glauben heute: „Das Tun des Guten und die Bereitschaft, an geeigneter Stelle auch seine geistlichen Quellgründe offenzulegen, dürfte die wirksamste Antwort auf die Glaubenskrise sein.“

Neue Aszese

Und dann ist da noch die dritte Dimension des „Frommen von morgen“, des gelebten Glaubens: die „Neue Aszese“. Nun ist das ein Wort, dass fast ins Vergessen gerutscht ist. Früher war sie – so Rahner – die „geduldig getane Hinnahme der Kärglichkeit und Mühsal des Lebens“.

Das ist nicht mehr unsere Welt. Und das liegt auch daran, dass die Welt sich geändert hat, das ist kein Vorwurf an die Menschen heute. Wir leben nicht mehr in einer Welt, in der uns alles vorgegeben ist, sondern wir machen unsere Welt. Im Guten wie im Schlechten.

Selbstbeschränkung ist gefragt

Aszese heute bedeutet also eine Selbstbeschränkung mit Blick auf all die Macht der Welt gegenüber. Rahner wusste noch nicht, wie dramatisch die Macht der Menschen – einiger Menschen – die Welt in Sachen Umweltzerstörung prägen würde, aber ich kann an dieser Stelle nicht anders, als zum Beispiel genau daran zu denken.

Hier ist Aszese kein duldendes Hinnehmen mehr, sondern eine bewusste, frei gesetzte und im Glauben verantwortete Haltung der Welt gegenüber. Und zwar eine Beschränkung. Eine „solche neue Aszese gehört zur christlichen Frömmigkeit von morgen“, so Rahner.

Viele Frömmigkeiten

Drei Blicke vom Ende des Konzils her auf das gelebte Christsein der Zukunft, also auch auf uns. Zur Abrundung betont Karl Rahner noch einen weiteren Punkt: „Es wird in der Zukunft viele Stile christlicher Frömmigkeit geben. Das  gilt einfach auch deshalb, weil der Mensch, trotz der Massengesellschaft, schon im Weltlichen viel mehr und viel unterschiedlichere Lebensweisen als früher entwickeln kann“.

Auch das etwas, was bei Papst Franziskus und vielen anderen vorkommt, wenn wir von Verschiedenheit in Einheit sprechen. Und wahrscheinlich wird das die größte der Herausforderungen sein: sich nicht gegenseitig die „Frömmigkeit“ – um Rahners Wort zu benutzen – abzusprechen, sondern die Vielgestaltigkeit zu akzeptieren.

Das gelebte Christsein von morgen ist kein einheitliches. Wenn es in der persönlichen und direkten Gottesbegegnung gründet, kann es das auch gar nicht. Und doch gilt, dass das gut so ist. Nur einfach ist es nicht.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Christ, Christsein, Glaube, Karl Rahner, Kirche, Mystik, synodaler Weg, Zukunft44 Kommentare zu Christen der Zukunft

… wird ein Mystiker sein

Veröffentlicht am 24. August 20202. August 2020
Christsein und Kirche-Sein Nikolaikirche, Berlin

Wer sich mit Kirche befasst, kann das halbe Zitat aus dem Titel automatisch füllen. Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein, oder er wird nicht mehr sein. so wird der Theologe Karl Rahner SJ zitiert. Die Art, Christsein und Kirche-Sein zu leben, bekommt durch dieses Zitat einen Vektor, eine Richtung. Und sie bekommt eine Kategorie, an der beide messbar sein werden, so scheint uns das Zitat zu sagen.

Nun ist das Wort „Mystiker“ ja besetzt. Wir vermuten zu wissen, was gemeint ist und vermuten auch, dass wir alle ungefähr dieselbe Vorstellung haben. Und deswegen gehen wir mit diesem Zitat etwas fahrlässig um.

Christsein und Kirche-Sein

Mystik, das hat den Klang des Individuellen, der direkten Verbindung mit Gott, ohne Lehr-Sätze. Eine auf persönliche Gotteserfahrung und nur auf diese bauender Glaube scheint anzuklingen.

Spätestens ein Zitat von Papst Franziskus kann daran etwas rütteln: „Heute (..) spüren wir die Herausforderung, die „Mystik“ zu entdecken und weiterzugeben, die darin liegt, zusammen zu leben, uns unter die anderen zu mischen, einander zu begegnen, uns in den Armen zu halten, uns anzulehnen, teilzuhaben an dieser etwas chaotischen Menge, die sich in eine wahre Erfahrung von Geschwisterlichkeit verwandeln kann, in eine solidarische Karawane, in eine heilige Wallfahrt.“ (EG 87)

Chaotische Menge, solidarische Karawane

Mystik ist hier etwas anderes als das vermutete Individuelle, ganz Persönliche. Und doch nimmt es in Anspruch, Mystik zu sein. Und der Papst führt das auch weiter, in seinem Schreiben „Gaudete et Exsultate“: „(aus der Gemeinschaft) erwachsen auch echte mystische und in Gemeinschaft gelebte Erfahrungen“ (GE 142). Da ist Mystik eben nicht aufs Persönliche und Gott-direkte reduziert, sondern öffnet sich für andere Glaubende.

Helfen uns Rahner und sein Zitat also überhaupt weiter? Das tun sie, meine ich. Vor allem dann, wann man sich genauer anschaut, was Rahner mit seinem Ausdruck gemeint hat. Und dazu schlage ich vor, den Artikel von 1966 noch einmal zu lesen, in dem das vorkommt. Erschienen ist er in der Zeitschrift Geist und Leben unter dem Titel „Frömmigkeit heute und morgen“.

„Frömmigkeit heute und morgen“

Und da sind wir schon bei der ersten Auffälligkeit. Rahner sagt gar nicht „der Christ von morgen …“, in dem Artikel sagt er „der Fromme von morgen …“. Das vollständige Zitat lautet: „Der Fromme von morgen wird ein „Mystiker” sein, einer der etwas „erfahren” hat, oder er wird nicht mehr sein.”

Das Erste, was auffällt: es geht darum, wie Christsein morgen gelebt werden kann. Was Rahner da „der Fromme” nennt, oder weiter gefasst die „Frömmigkeit”, um die es geht, meint ja nichts anderes als den gelebten Glauben. Und das Zweite: es geht tatsächlich um Erfahrung des Glaubens, um Gotteserfahrung, da passt das zum Thema Mystik wie oben beschrieben, aber auch wie vom Papst formuliert.

Gelebter Glaube

Der Artikel macht auf mit dem Bezug zum Zweiten Vatikanischen Konzil, das bei Erscheinen des Artikels erst zehn Monate in der Vergangenheit lag. Der Ankerpunkt der Überlegungen ist also die Frage nach Erneuerung von Glaube und Kirche. Nicht nach Struktur, sondern nach dem Kern. Es könne kein Zweifel bestehen daran, dass die Kirche in Unruhe sei, beginnt der Text.

Wobei sich schon in seinen Überlegungen von damals unsere Probleme heute abzeichnen: wir seien uns über die Unruhe einig, „selbst wenn viele vielleicht nur darüber besorgt sind, dass andere „keine Ruhe geben”, wieder andere aber gerade wünschen, daß diese Unruhe größer sei, als sie ist.” Es gibt also verschiedene Formen der Unruhe.

Ausgangslage: Unruhe

Das Wort „Unruhe” wiederum lädt einmal mehr dazu ein, den Papst zu Rate zu ziehen, denn für Franziskus ist diese Unruhe ja etwas prinzipiell Gutes. Auch für Karl Rahner SJ ist der Ausgangspunkt ein guter, denn ohne das Konzil und die dadurch ausgelöste Unruhe wäre es ja nicht besser gewesen.

„Wer (die Unruhe) dem Konzil zum Vorwurf machen wollte, muss sich ernstlich fragen, ob er wünschen kann, dass die Kirche diese Kenntnisnahme ihrer wahren Situation noch ein paar Jahrzehnte – länger hätte es gewiß nicht gehen können – hinausgeschoben hätte und dann erst, aber noch viel radikaler als jetzt, in die „Krise” geraten wäre, die jetzt tatsächlich gegeben ist.“ Das ist Rahner-Sprech und kommt sprachlich fremd daher, passt inhaltlich aber auch noch heute. Das Prophetische dieses Artikels gilt auch jetzt, denn die ausgelöste(n) Unruhe(n) sind ja noch nicht vorbei.

Die Krise von heute

Hier, bei der Unruhe, setzt Rahner mit seinen Überlegungen an, „die Frage, die wir stellen, heißt also: Wie sieht die nachkonziliare Frömmigkeit von morgen aus?“ Sie braucht eine schöpferische Unruhe, greift Rahner noch mal den Ausgangspunkt auf.

Wichtig: Frömmigkeit oder auch modern gesprochen ‚Spiritualität‘ (ein Wort, was in dem Artikel bei Rahner nur ein mal vorkommt und das auch in Anführungszeichen, ein Zeichen der Veränderung unserer Sprache): das gibt es nicht im Singular. Oder als Einheitlichkeit. Es gibt nicht DIE Frömmigkeit, ein Maß an dem alles zu messen wäre. Da ist Rahner eindeutig.

Das Erbe und das Neue

Bevor er auf einzelne Dimensionen dieser Frömmigkeit eingeht, betont er die Balance zwischen Erbe und Neuem. Beides ist ihm wichtig und er warnt geradezu davor, das eine gegen das andere auszuspielen. Schmunzelnd darf ich Rahner noch mal zitieren: „Identität innerhalb des geschichtlichen Wandels zwischen alter und neuer Frömmigkeit besagt zunächst einmal eine Selbigkeit durch Bewahrung eines geschichtlichen Erbes in seiner Faktizität.“ Schmunzelnd deswegen, weil das nun wirklich eine Sprache ist, die ihr Alter verrät.

Es geht um ein „lebendiges Verhältnis zur Vergangenheit“, wie er verständlicher sagt. Das klingt selbstverständlich, war es aber in der wilden Phase direkt nach dem Konzil ebensowenig wie heute, die einen reklamieren das Neue für sich, die anderen die Tradition, beides ist verkürzt und verkürzend.

Gewohnheiten des Glaubens

Und noch ein wichtiger Punkt, bevor Rahner auf die einzelnen Dimensionen der Spiritualität von morgen eingeht: er nennt es die „inkarnatorische Kraft der christlichen Frömmigkeit“. Das Ausbilden von Gewohnheiten, von Institutionellem, von Form und Gestalt. „Man findet komplizierteste Yoga-Techniken sinnvoll und betrachtet alte christliche meditative Gebetsweisen, wie z. B. den Rosenkranz, als unmodern. Warum eigentlich?“

Es geht dabei nicht um das Festhalten an Formen, die nicht mehr die unseren sind. „All dieses Institutionelle der christlichen Frömmigkeit unterliegt vielfältigem Wandel. Gott sei Dank, dass es diesen Wandel gibt,“ so Rahner. Aber dabei dürfen wir eben nicht die Vorstellung von Gewohnheiten und Formen an sich über Bord gehen lassen.

Das ist die Basis. Danach geht es Rahner um drei Punkte, die ich in einem kommenden Post genauer anschauen möchte: um das persönliche und unmittelbare Gottesverhältnis – was ja das Wort Mystik legitimiert – es geht ihm um das Handeln als Teil des gelebten Glaubens und um eine „Neue Aszese“, wie er es nennt.

Aber schon in den vorausgeschickten Gedanken wird klar, in welche Richtung seine Mystik geht.

 

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Christ, Christsein, Glaube, Karl Rahner, Kirche, Mystik, synodaler Weg, Zukunft9 Kommentare zu … wird ein Mystiker sein

Eine Frage der Einheit

Veröffentlicht am 19. August 202019. August 2020
Reform der Kirche Viel und verschieden: Rückseite der Kreuze, welche alle Teilnehmenden am synodalen Weg erhalten haben

Spalten kann jeder. Einheit herstellen, und das auch noch in schwierigen Themen, ist schwer, das kann und will auch nicht jeder. Wenn es aber an Reform der Kirche geht, dann werden wir um diese Fragen nicht herum kommen. Ob man das nun als Aufholen der Moderne bezeichnet oder Neu-Evangelisierung ist dabei schon egal, Einheit braucht es immer. Diese Einheit ist Frage geworden. Nicht mehr selbstverständlich. Sie liegt hinter vielen Konflikten, welche in der Kirche derzeit ausgetragen werden, offen oder nicht.

Es gibt Dinge, die kann man lokal, kulturell, sprachlich verschieden handhaben. Es gibt Dinge, die katholische Kirche nur gemeinsam glauben kann. Aber es gibt unendlich viele Dinge, die irgendwo dazwischen liegen. In all dem Einheit und Gemeinsamkeit zu finden, ohne Themen zu brechen oder Konflikte wegzudrücken, das ist die Herausforderung heute.

Reform der Kirche

Nehmen wir ein Thema, das weltweit und über das Katholische hinaus mit viel Verve, Emotion und Aggression debattiert wird, das Thema Homosexualität: keine christliche Kirche weiß derzeit, wie damit umgehen. Oder besser: in allen christlichen Kirchen gibt es unterschiedliche und gegensätzliche Denk- und Umgangsweisen. Und das ist keine kulturelle Frage, schauen wir uns die methodistischen und pietistischen Gemeinden an, dann wird deutlich, wie stark die Gegensätze auch in Europa sind.

Die anglikanische Weltgemeinschaft droht sogar, an diesem Thema zu zerbrechen, hier geht es um Weihen von Priestern und Bischöfen, die einige Kirchen der Gemeinschaft nicht mitmachen wollen.

Spaltung statt Reform droht

Ein kurzer Aufriss nur über das Problem auf katholischer Seite. Außerhalb des meistens doch sehr kruden Sprechens über die „LGBT-Ideologie“ ist es vor allem die behauptete Verbindung von Homosexualität und Pädophilie, die immer wieder hervorgezogen wird. Auch wenn sie keinerlei wissenschaftlich begründeten Hintergrund hat, bleibt sie mächtig, zuletzt bei dem Versuch, die Missbrauchs-Studie (MHG Studie) im Rahmen des synodalen Weges zu de-legitimieren.

Auch dass jede Papst-Aussage im Großraum dieses Themas gleich große Aufmerksamkeit bekommt, ist ein Indikator für die Sensibilität des Themas. Von „wer bin ich zu richten“ bis hin zum Rat, Eltern von homosexuellen Kindern sollten sich psychologischen Rat holen ist alles gleich ein Aufreger.

Dass auch wir Katholiken uns damit befassen müssen, wird bei diesem kurzen Aufriss schon deutlich. Wenn im Rahmen des synodalen Weges etwa der Segen für homosexuelle Paare gefordert oder strikt abgelehnt wird ist die Aktualität des Themas auf dem Tisch.

Einheit, nicht immer gleich Einigung

Wie aber schaffen wir hier und in anderen Konflikten Einheit (erst einmal unter uns, von weltweiten Debatten spreche ich hier noch nicht)? Und ich sage bewusst Einheit, nicht Einigung, denn vielleicht gibt es ja Dinge, über die wir nie einig werden, über die aber die Einheit nicht zerbricht. Und was wäre ja schon ein guter Schritt in Sachen Reform der Kirche.

Ich glaube, das geht nur über eine gemeinsame Sprechkultur. Über eine belastbare Basis, die auch Konflikten und Gegensätzen Raum gibt, ohne gleich zu zerbrechen. Und ich glaube auch, dass man diese Basis nicht dadurch herstellen kann, dass man sich gleich an den schwierigsten Themen abarbeitet.

Das Gleich gilt auch im Großen, ich übersetze ja gerne „Synodalität“ mit „Balance von Lokal und Universal“, also der Frage, wie das Zusammen der in sich und untereinander so verschiedenen Ortskirchen gedacht und gelebt werden kann. Das muss belastbar sein, nicht einheitlich, aber eine Einheit in der Verschiedenheit. Auch hier glaube ich, dass das nicht gelingen kann, wenn man die komplexesten Themen zuerst behandelt.

Balance von Lokal und Universal

Papst Franziskus versucht es dadurch zu erreichen, dass er nicht direktiv, über Entscheidungen und Vorgaben regiert, sondern den Ortskirchen Raum lässt. Auch wenn es diese nervös macht, wollen doch die meisten Beteiligten lieber eine Macht-Aussage, eine Entscheidung.

Aber nur so geht es. Durch Tasten, Probieren und viel Debatte.

Auf den synodalen Weg bezogen: das Ding muss sich erst einmal bewegen. Es braucht erste vielleicht kleine Schritte und Einigungen, damit wir sehen, was trägt. Konkrete und praktische Schritte, um die Balance zu erreichen, die es für die dann schwierigen Dinge braucht.

Tasten, Probieren, Debatte

Der Verweis auf Papst Franziskus hilft auch, die Frage nach der Autorität über diese neue Balance zu stellen: die klassische Weise, dass nämlich Rom für alle und immer definiert, funktioniert nicht mehr. Bei den verschiedenen Synoden im Vatikan wird immer wieder deutlich, dass dieselben Antworten nicht auf unterschiedliche Realitäten passen. 

Gleichzeitig braucht es auch die Universalität, schon allein deswegen, weil nur sie eine kritische Distanz zur eigenen Kultur und Geschichte erlaubt, was immer schon eine Stärke des Katholischen war.

Spalten kann jeder. Die autoritative Geste einfordern, die dann alles lösen soll, auch. Eine Macht-Lösung, die – selbstverständlich in meinem jeweils eigenen Sinn – die Lösung bringt. Synodalität ist aber schwerer. Und synodale Wege sind es auch. Es gibt sie nicht, die Macht-Handlungen durch die sich alles löst. Geduld ist gefragt.

Einheit erneuert schaffen bei der Reform der Kirche, das ist die Aufgabe, die allen anderen Themen zu Grunde liegt.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Die deutschsprachige Kirche, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Einheit, katholisch, Kirche, Konflikt, Papst Franziskus, synodaler Weg24 Kommentare zu Eine Frage der Einheit

Demontage

Veröffentlicht am 14. August 202014. August 2020
Was dürfen Laien in der Kirche? Unterm Kirchturm wird immer mehr unklar: Pfarrei im Westfälischen

Die Gewitterwolken haben sich schon verzogen. Und ich komme mit diesem Beitrag etwas spät. Aber auch noch Wochen später bleibt die uns Debatte um die viel diskutierte Instruktion aus dem Vatikan ja erhalten. Was dürfen Laien in der Kirche? Und was folgt praktisch aus der Instruktion für die Strukturprozesse in den Bistümern und für den synodalen Weg?

Nur haben sich die Themen etwas verschoben. Mittlerweile ist klar geworden, dass es sich um einen Text handelt, der seine ersten Schritte während des Pontifikats Benedikt XVI. gemacht hat. Und deswegen klingt er vielleicht auch so zweigeteilt, die vielen Franziskus-Zitate zu Beginn lesen sich wie ein Aufhübschen.

Was dürfen Laien in der Kirche?

Mir zeigt sich in der Debatte neben all den anderen noch ein weiterer Punkt: die Frage der Autorität und der Legitimierung von Autorität in der Kirche. Die schon im Titel der Instruktion genannte Bekehrung und die Frage der Autorität gehören für Papst Franziskus ja immer schon zusammen. Aber sie reiben sich auch aneinander, auch nach sieben Jahren Papst Franziskus noch.

Der Papst betont, dass es in der Kirche nicht allein um Autorität gehen kann. Es müsse „glaubwürdige Autorität“ sein. Die kann man nicht mit einer Mitra oder einem roten Kardinalshut einfach aufsetzen, die komme vom Menschen. Darum muss man werben. Das ist kein Populismus, sondern die Unterfütterung der Ausübung. Autorität ist in unserer Gesellschaft nicht mehr selbstverständlich, man kann sie nicht einfach herbei behaupten.

„Glaubwürdige Autorität“

Und genau hier ist die Vatikan-Instruktion problematisch. Am besten vielleicht kann man das an dem Verantwortlichen zeigen, dem Kurienkardinal Beniamino Stella. Der hat scheinbar zur Versachlichung der Debatte zum Gespräch geladen. Aber das mit der Versachlichung hat nicht recht hingehauen, weil das Angebot nicht wirklich ein Werben um Zustimmung ist, sondern ein Pochen auf Autorität.

Wie berichtet, würde man nämlich gerne in Rom die „Zweifel und Ratlosigkeit“ der deutschen Bischöfe ausräumen. Diese Formulierung hat schon etwas Anmaßendes. Es sind die deutschen Bischöfe, die ein Problem haben, und der Vatikan sei die Instanz, das auszuräumen. Kein Dialog, keine Offenheit, sondern die versteckte Behauptung, der Vatikan habe alles richtig gemacht und nun müssten nur noch Unsicherheiten ausgeräumt werden. Was das Problem derer sei, die unsicher seien.

Kein Dialog, keine Offenheit

In der Vergangenheit war immer wieder auch aus dem Mund des Papstes davon die Rede, dass Autorität bedeute, wachsen zu lassen, „und zwar in der Originalität, die der Schöpfer für sie gewollt und vorgesehen hat. Autorität auszuüben bedeutet also Verantwortung im Dienst der Freiheit zu übernehmen, nicht eine Kontrolle zu bewerkstelligen, die den Menschen die Flügel stutzt und sie in Ketten hält” (Vorbereitungsdokument der Jugendsynode).

Das ist eine Form der Autorität, die keine Probleme damit hat, Anerkennung zu finden. Nicht immer nur Applaus, hier geht es nicht um Beliebtheitswerte, schließlich gehört auch der Gehorsam immer noch dazu. Davon spürt man recht wenig, wenn die die Instruktion und die Begleitgeräusche aus Rom dazu betrachten. 

Vatikanische Autorität wird hier über ein Beharren auf ihr demontiert.

Beharren demontiert

Nehmen wir noch mal die Jugendsynode, an den kommenden Generationen wird der Verfall und die Demontage von Autorität in der Kirche ja besonders deutlich. Im Abschlussdokument ist von Pfarreien die Rede:

„Daher ist ein pastorales Umdenken darüber, was Pfarrei ist, notwendig, und zwar aus einer Haltung der kirchlichen Mitverantwortung und des missionarischen Schwungs heraus, indem Synergien in der Fläche entwickelt werden. Nur so kann sie dann als bedeutsamer Raum erscheinen, der die jungen Menschen in ihrem Leben abholt. In dieselbe Richtung einer größeren Offenheit und eines gemeinsamen Erlebens ist es wichtig, dass sich die einzelnen Gemeinschaften hinterfragen um zu prüfen, ob die Lebensstile und eingesetzten Strukturen den Jugendlichen ein leicht verständliches Zeugnis des Evangeliums vermitteln.“ (Nr. 129, 130)

Mir geht es nun nicht darum, Texte gegeneinander auszuspielen. Aber im Synodendokument ist der Geist der Frage spürbar. Es braucht Offenheit. Der Schwung – wenn ich es polemisch formulieren darf – kommt nicht daher, dass ich das Kirchenrecht dogmatisiere.

In der Instruktion aus dem Vatikan wird sichtbar, dass es Ungleichzeitigkeiten in der Kirche und auch in der Leitung der Weltkirche gibt. Die Synodendebatten, die nun wirklich nicht als Hort der Revolution bezeichnet werden können, sind trotzdem viel offener und interessierter an der Dynamik der Weitergabe des Glaubens, als der Geist der Instruktion. Und letztlich ergibt sich nur daraus wirkliche Autorität. Die Instruktion hat dieser Autorität, die sie ja einbetonieren möchte, einen Bärendienst erwiesen. Und Papst Franziskus sich selbst damit auch.

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Rom, Spiritualität / Geistliches Leben, VatikanSchlagwörter Autorität, Gemeinde, Gemeindeleitung, Instruktion, katholisch, Kirche, Klerikalismus, Laien, Papst, Papst Franziskus, Pfarrei7 Kommentare zu Demontage

Von einem, der auszog in die virtuelle Welt. Oder war es doch die reale?

Veröffentlicht am 10. August 202010. August 2020
digitale Überdosis Screenshot des Videos

Mein Hemdkragen saß schief. Eine der vielen Kritiken an einem Video, das ich für den synodalen Weg aufgezeichnet habe, im Sommer machen Maria Boxberg und ich abwechselnd jede Woche einen Video-Impuls. Meine Idee: ich greife den mir selber überall fassbaren Wunsch nach mehr Normalität nach all der erzwungenen Virtualität auf, „digitale Überdosis“ war der Titel und Grundgedanke.

Ich dachte, damit eine Grundeinsicht des Christlichen näher bringend zu können, der Körperlichkeit Jesu, der Menschwerdung. Und was lag ich da falsch! Kritik gab es. Und nicht zu knapp.

Digitale Überdosis

An dieser Stelle nur ein erster kurzer Hinweis, das natürlich das passiert, was gerne passiert: man geht nicht auf das Gesagte ein, sondern greift die Person an. Geschenkt. Wird ignoriert.

Dann gibt es immer auch die Kommentare, die gar nicht so richtig zugehört oder gelesen haben, was ich da sage. Die mir unterstellen, Vertreter einer jahrhundertelangen Einstellung von irgendwas zu sein. Auch das lasse ich hier mal beiseite.

Aber neben all dem gab es auch eine ganze Reihe von interessanten Erwiderungen. Ich habe da noch mal viel gelernt.

Viel gelernt

Der Hauptkritikpunkt an dem, was ich da sage, scheint mir eine Gegenüberstellung von Realität und Virtualität zu sein. Ich würde die beiden gegeneinander ausspielen. Dabei sei Virtualität eher als erweiterte Realität zu verstehen – ich verkürze hier – und meine Kritik ginge an einem modernen Verständnis von Virtualität vorbei.

Zum einen: ich beobachte, dass gerade junge Menschen und digital Natives nach all dem Corona nicht schnell genug zurück kehren wollen in eine Realität, die nichts mit Computern, sondern mit Rasen im Englischen Garten, mit Feiern und menschlicher Nähe zu tun haben. Es gibt also mindestens eine signifikante Größe von mit Digitalem vertrauten Menschen, denen das nicht reicht.

Ich habe nichts gegen das Digitale

Zum zweiten: ich bin überhaupt nicht gegen das Digitale. Was Menschen, die mich kennen, bestätigen können. Oder Leserinnen und Leser des Blogs hier. Und selbstverständlich ist das eine Bereicherung unserer Lebenserfahrung, überhaupt keine Frage. Nicht nur ein Mittel, nicht nur Ersatz oder so. Sondern neuer Raum, nicht zuletzt neuer Freiheitsraum.

Aber wenn ich mit Menschen bete und dabei mit denen im selben Raum bin ist das eine andere Erfahrung als ein gemeinsames Gebet über den Bildschirm.

Wie ist das mit der Menschwerdung?

Und jetzt kommt die Crux: ich glaube eben auch, dass mit der Menschwerdung Gottes eine Grundentscheidung unseres Glaubens gefallen ist. Jemand im Netz warf mir vor, dass gerade ich – Vertreter einer lange körperfeindlichen Religion – die Körperlichkeit als Argument anführe. Aber genau da ist der Unterschied: wir sind körperliche Wesen. Ein Avatar ist nicht dasselbe wie ein Spaziergang durch den Wald oder ein gemeinsamer Tee irgendwo in der Stadt.

Ich halte den Unterschied nicht für konstruiert. Und den „Fleisch“-gewordenen Gott für so zentral und wichtig, dass ich nervös werde, wenn das aus dem Zentrum gerät.

Auf unserer, der menschlichen Seite entspricht dem das Sakrament. „Sakramente sind als konkrete Zeichen rückgebunden an eine leibhaftige und gemeinschaftliche Gegenwart.” Das entwertet nicht anderer Glaubens-Erfahrungen, ist aber auch nicht einfach gleichberechtigt.

Nehmen wir ein anderes Medium – auch das Gegenstand der Kommentare – nehmen wir das Buch. Ich bekenne: vor die Wahl gestellt, denselben Artikel auf dem Bildschirm oder in einem Buch zu lesen, greife ich zum Buch. Aber selbst das Buch, selbst die Bibel, ist nicht dasselbe wie gelebter Glaube in einer Gemeinschaft.

Wessen Internet?

Noch einige Nachbemerkungen, wenn ich darf: die Debatte um die Realität der Virtualität ist immer auch eine Luxusdebatte. Die muss man sich leisten können. Das können aber nur Menschen, die einen Arbeitsplatz haben, der einen ständigen Zugriff auf einen Bildschirm erlaubt. Das haben aber nicht alle Menschen, weit entfernt.

Und: Digital ist nicht neutral. Vergessen wir nicht, dass hier, im digitalen Raum, Regeln herrschen, die wir nicht kennen, die wir nicht gemacht haben und von denen wir nicht wissen, wann die sich ändern. Mir fehlt bei all dem Jubel über das Digitale die Dimension der Kritik. Wessen Internet ist das eigentlich?

Und ja, mein Hemdkragen saß wirklich schief. Ich gelobe Besserung.

 

Und hier ist das Video:

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Kirche und Medien, Neulich im Internet, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Christus, digital, digitalGod, Glaube, real, synodaler Weg, virtuell22 Kommentare zu Von einem, der auszog in die virtuelle Welt. Oder war es doch die reale?

„Eine Haltung treuen Bewahrens genügt nicht“

Veröffentlicht am 6. August 20206. August 2020
jetzt wird der synodale Weg konkret Ein kurzer Blick nach Rom, bevor es in Deutschland weiter geht Foto (c) Bartkoviak

Es ist wieder Dialogzeit. Oder besser: Vorlaufzeit für die nächste Veranstaltung des synodalen Weges der Kirche in Deutschland. Es gibt ja keine Vollversammlung, sondern leider Dank Corona eingeschobene Regional-Versammlungen, also „Fünf Orte – Ein Weg”. Über die Corona-Krise hinweg war es etwas ruhiger geworden um den Synodalen Weg, aber die Anliegen sind nicht verschwunden. Im Gegenteil. Und jetzt wird der synodale Weg konkret. Auch über die Hindernisse hinweg, siehe Dokument zur Leitung von Pfarreien. Aber dazu ein andern Mal mehr an dieser Stelle.

Die Erwartung ist jedenfalls, dass die Grundanliegen weiter behandelt werden, auch wenn es bei diesen Regionalversammlungen noch keine Texte geben wird. Aber ohne jegliches Ergebnis werden diese Versammlungen sicherlich nicht bleiben. Dafür haben die Gruppen auch schon zu viel Vorarbeit geleistet.

Jetzt wird der synodale Weg konkret

Ich erlaube mir dazu kurz einen Blick nach Rom zu werfen. Nein, nicht auf Papst Franziskus und seinen Brief, das habe ich ja zur Genüge getan. Aber auch andere Päpste können uns ja helfen, zum Beispiel der „Lieblingspapst“ von Franziskus, Papst Paul VI.

In seiner ersten Enzyklika, seinem für sein Pontifikat programmatischen Text, lassen sich auch heute noch viele Dinge finden, die uns helfen können. Eben auch der im Titel zitierte Satz: „Eine Haltung treuen Bewahrens genügt nicht“. [Die Enzyklika trägt als Datum den 6. August, sie feiert also Geburtstag].

Paul VI. und der Dialog

Das Konzil war damals, zum Zeitpunkt der Enzyklika, noch im vollen Gange, deshalb beschränkt er seine Gedanken zur Reform in einer Bestärkung der Konzilsidee, ausdrücklich auch des Gedankens des ‚aggiornamento‘, das in der deutschen Übersetzung im italienischen Original auftaucht (Nr. 52).

Aber er warnt auch: zum einen vor der Vorstellung der „kleinen Herde“, einer kleinen aber dafür ‚wahren‘ Kirche der Guten und Glaubenden. Und zum zweiten vor einer Struktur der Kirche, die nur den eigenen Ideen entspringe. Das nennt er „künstliche Erneuerungen“ (Nr. 49).

„Künstliche Erneuerungen“

Aber das ist doch alles eher allgemein in die Kirche gesprochen. Im dritten Teil der Enzyklika – welcher die Hälfte des gesamten Textes ausmacht – findet sich noch viel mehr. Denn der steht unter der Überschrift „Dialog“.

Der ist nicht einfach nur eine Anleitung zum Gespräch. Wenn Papst Paul von ‚Dialog‘ spricht, meint er natürlich den Dialog über den Glauben. Er ordnet ihn in die Verkündigung ein oder der Verkündigung zu, dem Auftrag der Kirche. Und hier fällt dann auch das Zitat mit dem Bewahren. Verkündigung des Evangeliums, Feier und Weitergabe des Glaubens, mündet also in Dialog, in Gespräch.

Für Papst Paul waren das die Dialoge mit Atheisten, die Ökumene, die „Menschheit als solche“, wie er schreibt. Kurz: „Dialog mit der Welt, in der [die Kirche] nun einmal lebt“. Aber die Prinzipien gelten auch für unseren innerkirchlichen Dialog.

„Klarheit, Sanftmut, Klugheit, Vertrauen“

„Klarheit, Sanftmut, Klugheit, Vertrauen“ sind die vier Prinzipien, die er anführt. Klingt ein wenig altbacken, aber wenn man sich das genauer anschaut, steckt da viel drin. Klarheit erklärt sich von selber, auch wenn es sicherlich hilfreich ist, immer wieder mal darauf hinzuweisen. Sanftmut weist auf die Haltung Jesu hin. Klugheit ist nicht gleich Intelligenz, sondern eher die Tugend des Maßhaltens und des Einschätzen von Konsequenzen. Und Vertrauen, nun ja, ohne das geht gar nichts.

Ohne Vertrauen geht nichts

„Im Dialog entdeckt man, wie verschieden die Wege sind, die zum Lichte des Glaubens führen, und wie es möglich ist, sie alle auf dasselbe Ziel hinzulenken. Auch wenn sie voneinander abweichen, können sie doch zur Ergänzung beitragen, weil sie unsere Überlegungen auf ungewohnte Bahnen lenken und sie zwingen, ihre Forschungen zu vertiefen und ihre Ausdrücke neu zu gestalten. Die Dialektik dieses Denkens und dieser Geduld läßt uns auch in den Meinungen der anderen Wahrheitselemente entdecken“ (Nr 86). Wie gesagt, das ist auf Verkündigung/Dialog hin geschrieben, ich finde es aber auch als Inspiration für uns sehr passend.

„Ja, vielfältig sind die Formen des Dialogs, der zum Heile führt. Er folgt den Bedürfnissen der Erfahrung, wählt die geeigneten Mittel, bindet sich nicht an nichtssagende Apriorismen, legt sich nicht auf starre Ausdrücke fest, wenn diese die Kraft verloren haben sollten, den Menschen etwas zu sagen und sie zu bewegen“ (Nr. 88).

Dialog folgt den Bedürfnissen der Erfahrung

Viel Inspiration auch für die Kirche auf dem synodalen Weg. Meint vielleicht auch Paul VI.: „Bei genauer Betrachtung scheint es, dass die Hauptarbeit erst noch zu leisten ist. Die Arbeit beginnt heute und hört nie auf.“ (Nr. 121)

Prophetische Worte.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter Glaube, Kirche, Reform, synodaler Weg6 Kommentare zu „Eine Haltung treuen Bewahrens genügt nicht“

Immer weniger und weniger

Veröffentlicht am 28. Juni 202027. Juni 2020
Zahlen zu Kirchenaustritten In der Kirche: Was machen wir hier noch? Morgens im Petersdom, Rom

Es ist schlimmer, als vorher gesagt. Eine Studie – die so genannte Freiburger Studie – hatte schon ein hartes Licht auf die Realität der Kirchen in Deutschland geworfen. Die jetzt vorgestellten Zahlen zu Kirchenaustritten sagen, dass es 2019 noch viel schlimmer gekommen ist, als gedacht. Und alles vor Corona.

Analysen und Kommentare dazu gibt es viele, und die meisten sind auch richtig. Es gibt eine Aushöhlung des Systems Kirche, es gibt eine brüchig gewordene Bindung und Bindungsbereitschaft, eine schwindende Relevanz von Kirche für das eigene Leben. Und da haben wir das Thema Missbrauch noch nicht einmal angeschnitten.

Zahlen zu Kirchenaustritten

Die Frage ist nun, was daraus folgt. Zahlen sind ja nicht unschuldig, man muss sie lesen.

Mein erster Eindruck ist der eines nüchternen Realismus. Die Kirche von früher, die ist nicht mehr und kommt auch nicht mehr. Und jegliche Reform-Bemühungen, sei es im synodalen Weg oder sonstwo, bringen das nicht zurück. Reform bewahrt nicht, sie schafft für morgen, nicht für heute.

Außerdem ist das ja nicht das erste Mal, dass wir vor solchen Zahlen stehen. Jahr um Jahr schauen wir drauf und werden wieder geschockt, dass es schlimmer ist als gedacht.

Immer wieder schlimmer als gedacht

Was ja auch dazu führt, dass hektische Panik-Rufe ausbleiben. Zu sehr haben wir uns an die Abwärtsbewegung gewöhnt. Und die meisten Katholikinnen und Katholiken, die ich kenne, können all die Austritte gut nachvollziehen.

Mein zweiter Eindruck hat mit der Frage zu tun, was eine Zukunftsperspektive sein kann. Nicht zahlenmäßig, das steht in den Sternen. Nein, was Kirche sein will. Rückzug aufs Kerngeschäft auf der einen Seite oder immer mehr gesellschaftlich relevantes Engagement? 

„Wir müssen uns fragen, wie wir Menschen eine Heimat in der Kirche vermitteln können“ steht über dem Artikel zur Kirchenstatistik 2019 auf der Webseite der DBK. Die Frage beantwortet sich eigentlich von selber: die „Heimat Kirche“ ist weg. Kirche ist Option. Eine unter vielen. Und als solche muss sie erleben, dass sich mehr und mehr Menschen gegen sie entscheiden.

Heimat? Welche Heimat?

Das ist also nicht mehr Zukunftsperspektive. Aber was dann? Da stochern wir noch im Nebel. Und die Hoffnung, durch gut ausdiskutierte Papiere beim synodalen Weg daran etwas ändern zu können, wird uns betrügen.

Im Kern wirft uns der Realismus dieser Zahlen zurück auf das Geistliche. Was Kirche ist eben nicht nur unter uns verstehbar. Es entspricht einem gesunden Realismus, hier an dieser Stelle nach Gott zu fragen. Nicht weil Kirche keine Antworten auf Sinnfragen mehr hat, das wäre funktional und das hat die vergangenen Jahrzehnte ja auch schon nicht funktioniert. Sondern weil wir selber vor uns nicht wissen, was Gott mit der Kirche will. Wir haben Phantasien, wir haben vorfabrizierte Antworten, aber all das passt nicht mehr.

Erst wenn wir Kirchen-Verbliebenen wieder lernen, interessiert aneinander von Gott zu sprechen, werden uns die anderen abnehmen, dass es wirklich um Gott geht. In all den Debatten, die wir führen, zu Gerechtigkeit und Schöpfung gfehauso wie zur Frage nach dem Sinn des Lebens. Wenn Gott ins Spiel kommt, dann ist das eine Infragestellung von allem, was wir unter uns ausmachen. Dann ist das mehr als das, was wir selber entscheiden und abwägen. Das möchte ich zu den Zahlen noch einmal deutlich wiederholen.

Die Zahlen von 2019 verweisen uns. Nicht auf uns selber, nicht auf die Sozialstruktur Kirche, auf Relevanz-Verluste und finanzielle Ängste und Engpässe. Sondern auf die Frage, was Gott mit uns zu tun hat. Und das ist kein frommes Ablenken vom Thema, das ist Kern des Problems. In der Kirche von Gott zu sprechen ist Realismus, nicht Eskapismus. Und nur so kommen wir dem auf die Spur, was Kirche in Zukunft sein kann. Ganz gleich, wie groß sie sein wird.

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Glaube und Vernunft, Kirche und Medien, Neulich im Internet, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Austritt, Deutschland, Glaube, Kirche, Kirchensteuer47 Kommentare zu Immer weniger und weniger

52 Papstversteher

Veröffentlicht am 26. Juni 202025. Juni 2020
Was meint der Papst damit Das besprochene Buch

Manchmal ist er schwer zu verstehen. Wenn Papst Franziskus von „Satan“ spricht, von „Unterscheidung“ oder eine seiner Sprachmetaphern wie das „Feld-Krankenhaus“ benutzt, dann sind es manchmal schon die Worte, die Verstehen nicht einfach machen.

Klerikalismus ist auch so ein Wort. Synodalität. Barmherzigkeit. Was meint der Papst damit? Wir können nicht einfach unser eigenes Verständnis dieser Worte darunter legen, soviel ist mal sicher. Da braucht es Verstehenshilfen.

Was meint der Papst damit?

Gleich zu Beginn des Pontifikates schon gab es erste Listen über Worte, die Papst Franziskus besonders oft benutzt. Die sozusagen seine Absichten sprachlich markieren. Auch hat er seinen ganz eigenen Sprachstil, den man erst einmal verstehen muss, um dahinter zu kommen.

Über Jahre habe ich versucht, immer mal wieder Verstehenshilfe zu liefern, hier im Blog. Nun ist mir eine andere Hilfe in die Hände gefallen, kurz und praktisch. Es ist ein Buch, „A Pope Francis Lexicon“ heißt es. Wie der Titel vermuten lässt, ist es Englisch, und hier ist auch gleich der Nachteil. Denn man muss um das Buch lesen zu können nicht nur Englisch können, sondern auch einen englischen kirchlichen Verstehenshorizont mitbringen. Für diejenigen aber, die damit was anfangen können, ist das eine gute Übersicht.

Eine gute Übersicht über die zentralen Worte

Satan. Barmherzigkeit. Tränen. Begegnung. Immigranten. Klerikalismus. All das sind so Worte, die im Buch behandelt werden.

52 recht kurz und übersichtlich gehaltene Artikel von ebensovielen Autoren zu diesen und anderen Begriffen sind im Buch versammelt. Unter den Autorinnen und Autoren sind einige Kardiäle, Vatikan-Insider, Papst-Kennerinnen und Kenner, aber auch Theologinnen und Theologen.

Alle vereint die Aufgabe, den Gebrauch von bestimmten Worten und Begriffen bei Papst Franziskus zu erklären. Was macht er mit den Worten und was will er damit aussagen? Manchmal ist es der argentinische Hintergrund, der hilft. Oder es sind es genaue Lektüren der Texte. Manchmal ist es die Spiritualität der Jesuiten. Oft genug aber eine Kombination von alldem.

Die Herausgeber – City Wooden und Joshua J. McElwee – kennen sich gut im Vatikan aus und haben ihre Autorinnen und Autoren gut gewählt. Ihnen gelingt es, ohne lang und breit zu zitieren zu erklären, was der Papst will. Und wie er zu verstehen ist, wenn er eines seiner Lieblingsworte benutzt.

Kategorien Allgemein, Franziskus, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Barmherzigkeit, Buch, Lexikon, Papst Franziskus, Sprache17 Kommentare zu 52 Papstversteher

üben, üben, üben

Veröffentlicht am 19. Juni 202018. Juni 2020
Sprache schafft Wirklichkeit Beten heißt üben. Foto: Pixabay

Sprache schafft Wirklichkeit. Aber schaffen wir auch durch das Verändern der Sprache neue Wirklichkeiten? Die Diskussion hier und anderswo über die Frage nach dem Wort „Rasse“ hat die Frage neu aufgeworfen. 

„Ich bin generell skeptisch, wenn Worte ausradiert oder manipuliert werden in der Hoffnung, mit dem Wort werde auch der böse Gedanke verschwinden“, sagt ein Kommentator bei Facebook. „Das klappt noch nicht einmal mit Büchern. Oder Portraits. Es ist das Denken, an das wir ‘ran müssen, nicht die Vokabel.“

Sprache schafft Wirklichkeit

Oder auch hier im Blog: „Wenn wir aber auf jedes Wort verzichten wollen, das in der Menschheitsgeschichte schon einmal mißbraucht worden ist, dann können wir unsere Sprache vergessen. Ich brauche keine Sprachpolizei.“

Es wird niemanden überraschen, dass ich hier widerspreche. Natürlich geht es nicht um das erzieherische Verbieten, um Sprachpolizei und ein Besserwissertum, das sich über andere Menschen ergießen will. Mein Antrieb ist ein anderer, und zwar geht es mir um eine Grundeinsicht, die letztlich in der DNA der Spiritualität meines Ordens eingeschrieben ist.

Es geht um das Üben.

Keine Sprachpolizei

Wer mit Ignatius von Loyola und den Männern und Frauen dieser Spiritualität unterwegs ist, der übt. Wobei üben nicht als ‚ausprobieren‘ zu verstehen ist, sondern als Einübung. Geistliche Übungen, Lateinisch: ‚exercitium, eingedeutscht ‚Exerzitien‘.

Für Ignatius war Beten – darum geht es ihm erst einmal – nicht ein frei fließender Gedankenstrom, kein leer-Werden, kein Seelen- oder Bewusstseinszustand. Sondern ein strukturiertes Tun. Mit Tendenz zu richtiger Arbeit. Mit Anleitungen, Wiederholungen und klarer Ausrichtung soll man üben, mit Gott zu sprechen. Oder auf Gott zu hören, Gott im eigenen Leben wahrzunehmen. Und das meint Ignatius sehr physisch und vergleicht das geistliche Üben mit „Umhergehen, Wandern und Laufen”, also „leibliche Übungen”.

„Umhergehen, Wandern und Laufen”

Und wenn ich viel übe, dann lerne ich. Wie beim Yoga, wie beim Fußball, wie in der Reha. Dann wird es Teil meines Lebens und meiner Sichtweise auf die Dinge. Darum geht es Ignatius: permanent mit Christus auf die Welt, die Menschen und sich selbst zu schauen. Und das geht halt nur mit Übung.

Zurück zum Sprachproblem: wenn wir uns reflektiert dazu entscheiden, ein Wort nicht zu benutzen, dann üben wir eine andere Sicht auf die Dinge. Wenn wir ‚Rasse‘ nicht mehr benutzen, dann müssen wir überlegen, was wir eigentlich sagen wollen. Und das will dann geübt werden.

Und dann ändert sich unsere Sicht auf die Welt und uns selber.

So schaffe ich Veränderung

Nicht automatisch, auch nicht immer so wie unser Wille sich das vorstellt – weswegen man das nicht als Voluntarismus bezeichnen kann – aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und wie es das Gebet und die geistliche Betrachtung vormachen: das lässt sich nicht dekretieren, nicht vorschreiben, auch nicht von außen. Das geht nur allmählich, dann aber tragfähig.

Verbote ändern keine Haltungen. Das ist richtig. Aber reflektiertes Einüben einer nicht ausgrenzenden Sprache hat die Chance, eine andere Sicht auf Menschen und uns selbst einzuüben. Und das wäre es doch wert, oder?

 

Kategorien Allgemein, Die deutschsprachige Kirche, Neulich im Internet, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter Beten, Exerzitien, Rasse, Sprache, üben, Wirklichkeit29 Kommentare zu üben, üben, üben

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