Was ist eigentlich mit dem Schutz des Lebens passiert? Irgendwie haben wir es zugelassen, dass die Bezeichnung „Lebensschützer“ einen negativen Beiklang bekommen hat. Das hat vor allem mit den USA zu tun, wo Teile der Kirche(n) sich vor allem auf einer Plattform artikulieren: gegen die Abtreibung.
Da gibt es eine ganze Reihe von Organisationen, die sich „for life“ oder „pro life“ nennen, aber das auf „gegen Abtreibung“ beschränken. Was im derzeitigen Wahlkampf ganz besonders zum Vorschein kommt. Da wird Donald Trump gelobt, dass er sich in den vergangenen Tagen öfters zum Thema geäußert hat und außerdem ankündigt hat, für den Obersten Gerichtshof nur Richter zu ernennen, die Rote vs. Wade revidieren wollen. Für alle, die damit nicht vertraut sind: Die gegenwärtige Rechtspraxis umkehren und Abtreibung ohne Ausnahme verbieten.
Dass Trump sich für Folter ausgesprochen hat, was man ja irgendwie auch ins Thema Schutz des Lebens einbeziehen kann, war egal. Selbst als konservativ bezeichnete Katholiken hatten hier einen deutlichen Strich gemacht, für Katholiken sei Trump deswegen nicht wählbar. Das sehen die Lobbyisten der „pro-life“ Plattformen anders.
Lebensschutz ist aber mehr. Um die Trias des Papstes zu zitieren: Schutz des ungeborenen Lebens, Schutz des jungen Lebens, Schutz des alten Lebens. Das bedeutet zum Beispiel auch Sorge für die Perspektiven der heranwachsenden Generation, damit sie nicht ausgeschlossen ist von Leben, Wirtschaft und Gesellschaft. Das bedeutet ein nicht ausschließen der „nutzlosen“ weil wirtschaftlich nur belasteten älteren Generation.
Und weil er diese Trias immer gemeinsam nennt, können die „ein-Thema-Plattform“ Lobbyisten damit nichts anfangen.
Reduktion auf nur ein Thema
Ein anderes Thema ist Krieg. Krieg anfangen zu wollen ist nicht wirklich im Sinne des Lebensschutzes. Trotzdem findet man auf den einschlägigen Plattformen – vor allem in den USA – dazu rein gar nichts. Wenn ein überzeugter Christ wie der ehemalige Präsidentschaftskandidat Ted Cruz sagt, er wolle „bombardieren bis der Sand glüht“, dann finde ich es schon sehr fragwürdig, dass das als christlich durchgehen kann.
Noch ein Thema ist die Manipulation, die wir zulassen. Immer mehr kleine erste Schritte werden getan, welche die Manipulation von Erbgut, das sich Aussuchen von Kindern etc. möglich machen können. Damit wird viel Geld verdient, aber auch hier höre ich wenig aus der Lobbyisten Ecke. Aber auch dieses Thema ist ein Lebensschutz-Thema, und genau so sollte es genannt werden.
Also, was ist eigentlich mit dem Schutz des Lebens passiert? Gefährdungen gibt es genug, in allen Lebenslagen. Aber wenn wir das Thema nur den Lobbyisten der einen Frage überlassen, verdrängen wir das in eine Ecke.
In diesen Tagen jährt sich die Veröffentlichung von Laudato Si’ zum ersten Mal. Beim Katholikentag in Leipzig darf ich dazu auf einem Podium sitzen. Dem Papst geht es um eine „ökoliogische Umkehr“, weil „alles mit allem zusammen hängt“ und wir zum „hüten“ berufen sind, nicht zum beherrschen. Das gilt für das menschliche Leben, das gilt für alles Leben.
Zeit, den Schutz des Lebens als umfassende Aufgabe wieder zu entdecken.
Ja, wo bleibt der Lebensschutz eigentlich? Wo waren die Stimmen der österreichischen Bischöfe, als der Abtreibungsbefürworter van der Bellen zur Wahl stand?
Ganz Ihrer Meinung, Pater Hagenkord. Lebensschutz ist nicht ein ideologischer Kriegsschauplatz, sondern eine Kultur, die es vorzuleben gilt, auch in der aktiven Unterstützung der Schwächsten, die die Kirche immer gelebt hat. Die Wahl zwischen politischen Zielsetzungen mit mehr nominalem Lebensschutz oder mehr Achtung vor dem Leben in allen Bereichen des Lebens ist keine, die man einfach an einzelnen Stichworten festmachen kann.
Was jedoch den rechtspopulistischen Bereich betrifft, sollte inzwischen allen, die die AfD anfangs für eine Lebensschutz-Partei gehalten haben mögen, bekannt sein, dass das inzwischen beschlossene Parteiprogramm, bis auf eine magere Absichtserklärung zum Thema Abtreibung, keinerlei politischen oder gesetzgeberischen Maßnahmen oder Haltungen zum Thema Lebensschutz beinhaltet. Themen wie Stammzellenforschung, Präimplantationsdiagnostik oder Euthanasie sind dort Fremdwörter, genauso wie überhaupt Achtung vor anderen Menschen und Einstellungen.
Nach Bert Brecht: Das Fressen=die Wirtschaft kommt vor der Moral=auch Religion.
Lebensschutz=Besitzstandswahrung
In meiner Diözese wurde damals in einer großen guten Veranstaltung über Laudatio Si diskutiert, Podiums-diskutiert.
Auf die Frage ins Plenum, wer von uns Zahlreichen Laudatio Si gelesen hatte, zeigten 3 Personen auf.
Die anderen hatten Besprechungen gelesen und genauso wird es mit ihren eigenen Alltagseinstellungen gewesen sein: Sich nicht wirklich berühren lassen.