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LTI – eine Relecture

Veröffentlicht am 29. Januar 201329. Januar 2013

– oder: was Berlusconi uns über Sprache verrät –

Sprache denkt und dichtet für dich. Ein Satz, der sich einige Male im Buch LTI von Victor Klemperer findet. LTI – das ist eine ironisierende Benennung der Sprache des Dritten Reiches: Lingua Tertii Imperii. Klemperer hatte als Jude die Nazis überlebt, obwohl er in Deutschland geblieben war. Er beobachtete und schrieb auf und so heißt sein Buch im Untertitel auch ‘Notizbuch eines Philologen’.

Dieses Buch ist eine Art Notwehr. Klemperer wehrt sich dagegen, dass so viele Begriffe der Sprachdiktatur immer noch präsent waren, sich tief eingefressen hätten und nach dem Krieg weiterlebten.  Er wehrt sich gegen die Vergiftung, wie er es nennt. Man kann ein ehrlicher Mensch sein, gegen die Nazis, und doch deren Sprache und damit deren Denken aufsitzen. Aus seinen Tagebuchnotizen während des Krieges macht er also ein Buch, um diese Vergiftungen zu zeigen. Es ist kein wissenschaftliches Buch, es sind Beobachtungen. Seine Quelle ist er selbst: was er gelesen, gehört, diskutiert hatte. Das macht aus LTI ein sehr menschliches Buch.

 

Sprachkritik als Notwehr

 

Er demaskiert die lügnerischen Euphemismen in ruhiger Sprache. Seine Beobachtungen klagen nicht an, rechnen nicht ab. Aber hinter der Ruhe liest oder vermutet man vielleicht auch nur etwas anderes: Die Überzeugung, dass man durch kluges Hinsehen den vielen Lügen auf die Schliche kommen könne. Es sind sprachliche Aufräumarbeiten, die er 1947 leisten will, seinen Teil zur Befreiung des Menschen aus der Unmündigkeit.

Das alles ist immer noch gute Lektüre, weil auch wir dem ‘denken und dichten’ unserer Sprache aufsitzen, nicht mehr der Nazis, aber anderer lügnerischen Euphemismen. Und so wäre das Buch heute eine allgemeine Schule des Sprach- und Sprechbewusstseins und vielleicht nicht viel mehr, wenn, ja wenn da nicht das vergangene Wochenende gewesen wäre. Silvio Berlusconi meinte sagen zu müssen, dass Mussolini ja auch Gutes geleistet habe. Und da ist sie wieder, die Sprache, die in zu vielen Hirnen noch drin steckt. In Deutschland sind es die Autobahnen, die doch angeblich so gut waren. Historische Lüge, eingepackt: in Sprache. Was uns zeigt, dass Klemperer – und andere – immer noch als Lektüre lohnen.

 

Wahlkampfgetöse

 

Verpackt in scheinbar historische Wertungen sagt Berlusconi die immer noch präsente Verehrung für Mussolini aufgreifend: Wir waren nicht so schlimm wie die Deutschen. Es geht ihm gar nicht um Mussolini, was die Entgleisung noch einmal schlimmer macht, da das Ganze Wahlkampf, also Verzweckung ist. Nebenbemerkung: vor dem foro italico in Rom – dem Olympiazentrum aus der Faschismuszeit – steht auch heute noch der Obelisk mit der Aufschrift ‘Mussolini Dux’. Frisch renoviert. Aber zurück zu Klemperer:

Weil es ein Notizbuch ist und auf Tagebucheintragungen zurückgreift, ist LTI unter all den Sprach-Büchern vielleicht das zugänglichste, am wenigsten abstrakte. Und weil Klemperer nicht von oben herab schreibt, sondern unter den Sprach-Benutzern stehend, liest es sich so wunderbar. Keine Lektionen, nur Anleitungen zum selber denken. Damit die Sprache nicht denken und dichten für uns übernimmt.

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Kategorien Allgemein, Glaube und Vernunft
Schlagwörter Goebbels, Hitler, Klemperer, Linguistik, LTI, Nazis, Sprache

3 Kommentare zu “LTI – eine Relecture”

  1. Teresa_von_A. sagt:
    29. Januar 2013 um 08:49 Uhr

    Wer Verwandtschaft und Bekanntschaft hat, die den Krieg miterlebt haben, wird merken: die Deutschen haben zwar den Krieg verloren, aber nicht automatisch etwas begriffen. Auch im 2. Weltkrieg gab es die Fleischtöpfe Ägyptens. Die halten sich wie die Pest.Die Moral bei unserm Adolf war ja perfekt. Da hätte keiner dem Anderen etwas getan…..aha. Und wie lange hat es gedauert, bis dass unsere Widerstandskämpfer, auf die man heute stolz ist,aber es gibt auch Menschen, die dises Opfer nicht nachvollziehen können und dumme Sprüche machen… anerkannt wurden?Wer befaßt sich denn über dieses stolze Gefühl hinaus mit deren Lebensweg? Dieser traurige Satz von Pater Delp am Ende seines Lebens, dass die Widerstandskämpfer sterben müssen, damit andere später besser leben können……selber Denken ist bis heute ein Problem.

    Antworten
  2. KRP sagt:
    30. Januar 2013 um 11:34 Uhr

    Man braucht keinen Krieg mit Waffen es genügt die vielfalt der Worte – hier ein Gedicht das ich gefunden habe das passt sehr gut zu Ihrem Eintrag:
    …“Worte können sein wie winzige
    Arsendosen: sie werden unbemerkt
    verschluckt, sie scheinen keine
    Wirkung zu tun, und nach einiger
    Zeit ist die Giftwirkung doch da”…

    Antworten
  3. Peter Enders sagt:
    12. Februar 2013 um 22:26 Uhr

    Schön, dass LTI doch nicht vergessen ist!
    Ich stimme allem zu, außer dem letzten Satz. Die Werkzeuge des Denkens sind die Begriffe. Die Begriffe werden mit Hilfe von Wörtern formuliert. Es ist an uns, die geeignete Sprache zu wählen und nicht die LTI-Ausdrücke von heute (wie “es ist kein Geld da”) zu kolportieren. Die Benutzung der LTI befördert das Denken hinter der LTI: das vor allem wollte Klemperer deutlich machen.

    Antworten

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