Zwei Kirchenjournalisten, hinter ihnen ein projiziertes Feuer, vor ihnen etwa hundert Medien-Profis, ebenfalls aus der Kirche. Das Thema sollte Marke, Markenpflege und Kirchenreform sein, die Perspektive und Erfahrung des Vatikan war gefragt, deswegen war ich eingeladen, zu einem „Kamingespräch“, deswegen das Feuer. Aber wie das so ist, das Gespräch ging dann doch zielstrebig auf das Thema Krise und Missbrauch zu, anders geht es derzeit nicht. Die Marke Kirche hat es nicht leicht, allen Bemühungen zum Trotz liegt es nicht in der Hand der Medien-Macher, die Marke „Kirche“ zu definieren.
Der Konferenz #KIW19 habe ich also über die Vatikanmedien berichtet und meine Perspektive auf die Dinge. Ein voller Saal mit Praktikerinnen und Praktikern aus der deutschen Kirche und der Frage, wie das denn nun sei, mit Kirche als Marke, als Brand, als Identität, und wie man das pflegen kann und soll.
Marke Kirche
Bei der Rückfahrt sind mir dann einige Dinge noch einmal durch den Kopf gegangen. Zum einen sind da die beiden Begriffe Autorität und Authentizität. Beides sind Seiten derselben Medaille. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Soll heißen: Ich kann über Glauben, Auferstehung und Vergebung sprechen, das glaubt mir nur keiner, wenn es nicht gedeckt ist. Und zur Zeit ist sehr wenig in der Kirche gedeckt, jedenfalls mit dem Weitwinkelobjektiv gesehen, aufs Ganze geblickt. Die Vollversammlung der Bischofskonferenz ist so ein Beispiel: Man kann noch so oft über Erneuerung sprechen, wenn das nicht gedeckt ist von wahrnehmbaren und im Alltag ankommenden Tatsachen, bleiben das nur Worte. Und die schaffen keine Authentizität mehr.
Zweitens bin ich nachher noch mehr als vorher davon überzeugt, dass Missbrauch zum Markenkern Kirche gehört. Das ist hässlich. P Hans Zollner hat schon recht wenn er sagt, dass es gefährlich ist zu glauben, das Thema werde bald von der Bildfläche verschwinden. Das wird es nicht. Und wenn kein Bericht über Missbrauch auskommt, ohne die Kirche irgendwie zu erwähnen, dann steht fest, dass das zum Markenkern dazu gehört. Marke Kirche, das hat auch diese dunkle Seite.
Es wird nicht von der Bildfläche verschwinden
Bei der Rückfahrt habe ich lange überlegt, was das bedeutet. Wie wir da wieder heraus kommen. Der erste Schritt ist da der entscheidende: Sich eingestehen, dass das so ist. Hört sich erst mal selbstverständlich an, ist es aber ganz und gar nicht. Und ich will auch gar nicht behaupten, dass ich persönlich da weiter sei, weil ich das als Postulat so schreiben kann. Aber ich glaube schon, dass die Erkenntnis, dass diese Dimension der Kirche erst einmal bleiben wird, wesentlich und entscheidend ist.
Noch einmal, um über die Themen sprechen zu können, die uns am Herzen liegen, über Gerechtigkeit, Würde des Menschen, über Schöpfung und Dialog, und von den Kernthemen Sünde, Vergebung und Erlösung mal ganz zu schweigen, müssen wir uns dem auch als Marke stellen. Und als katholische Medienmacher. Das haben wir den Tätern und den Vertuschern zu verdanken. Das geht so bald nicht weg.
Ob das nun der Papst ist, ob das die Bischofskonferenzen sind, ob das Prozesse gegen Kardinäle, Bischöfe und Priester sind, spielt dabei keine Rolle. Wer sich anhören muss, dass man ja zu einer Verbrecherorganisation gehört, findet mit seinen Worten zum eigenen Glauben kein Gehör mehr.
Sprechen über Glauben findet kein Gehör
Schwierig ist dabei nur, dass Kirche ja auf anderem Gebiet sehr geschätzt wird, in Schulen etwa, bei Krankenhäusern, Jugendverbänden, und so weiter. Im Alltag, im Konkreten, da gibt es viel Gutes. Nur übersetzt sich das nicht ins Allgemeine. Und es ist eine Versuchung, jetzt auf diese guten Dinge hinzuweisen, um das andere weniger dramatisch zu machen.
Wie kommen wir da wieder raus? Indem wir die Dinge beim Namen nennen. Durch Ehrlichkeit. Durch Offenheit. Das ist brutal vor allem für all die Ehrenamtlichen, die Zeit schenken und sich dann doch mit den Verbrechen der anderen identifizieren lassen müssen. Deswegen ist es vor allem an ihnen, den vielen welche die Kirche tragen, die Ehrlichkeit und das Nennen-beim-Namen einzufordern. Kopf-in-den-Sand geht nicht. Hoffen dass es vorbei geht auch nicht.
Es war eine Rückfahrt in Moll, sozusagen. Die Marke Kirche ist beschädigt, weil in der Kirche Menschen Schaden erlitten haben. Und um zum Thema des Abends zurück zu kehren: Der Weg zur Markenpflege muss nun der sein, genau das ins Zentrum zu stellen. Kirche ist ehrlich, weil die Menschen in der Kirche ehrlich damit umgehen.
Und wenn Kamingespräche dabei helfen, dann war dieser eine Abend eine gute Erfahrung.
Der Begriff Markenprodukt hat auch etwas Negatives. No-Name Produkte und Markenprodukte werden nicht selten von derselben Fabrik erzeugt. Mit denselben Maschinen, mit denselben Lohnkosten, mit demselben Management.
Nur die Verpackung ist anders – die Marke – und der Preis.
Aber wer ist der Shareholder der Kirche? Was will er? Was gewinnt Gott durch die Kirche? Welche Rendite will er?
Mit welcher Maßzahl sollen wir die Marke Kirche bewerten?
Im Katechismus steht, der Sinn des Universums besteht darin, Gott zu ehren und zu lieben.
Das ist der Kern des Missbrauchs. Gott missbraucht uns zu seiner Ehre.
Halt! Ist das jetzt nicht ein bisschen weit hergeholt?
Spricht nicht das Leben Jesu eine andere Sprache?
Macht sich Gott nicht zum Trottel für uns? Am Kreuz? Aus Liebe zum verjagten, den er wieder sucht?
Diesen alten verliebten Trottel müssen wir predigen.
Und jetzt steinigt mich.
Die Sache mit der Ehre muss man noch ein wenig klarstellen.
Natürlich gereicht es Gott zur Ehre, wenn der gefallene Mensch bereut und umkehrt.
Aber es wäre vermessen zu behaupten, dass der Mensch fallen MUSSTE, damit er zur größeren Ehre Gottes gerettet werden kann.
Gott hat Ehre genug.
Auch in der Genesis ist die Rede von zwei Bäumen. Das deutet darauf hin, dass es Gott der Freiheit des Menschen überlassen hat, von welchem der beiden Bäume er als erstes nimmt.
Gott gewinnt nicht durch die Kirche, den Gedanken halte ich für nicht wirklich passend. „Unser Lob kann deine Größe nicht mehren“, beten wir. Von daher stimmt auch der Gegensatz nicht, die „Torheit des Kreuzes“, den Sie im zweiten Schritt aufmachen.
Eben. Wie Sie schon in Ihrem Artikel angedeutet haben, führt uns das Markendenken in die Irre. Dann ergibt sich automatisch der Missbrauch.
Wenn ein Pfarrer anfängt die Messbesucher zu zählen, dann ist das schon der Beginn von Mißbrauch.
Warum soll das Zählen der Beginn von Missbrauch sein? Erstmal ist zählen der Versuch des Erkenntnisgewinns. Die Frage ist, warum er das tut und was er damit erreichen will.
Ich habe lange gebraucht, bis ich das a.m.D.g. des Hl. Ignatius verstanden habe. Am Anfang war das „wenn Du schon kein Danke dafür bekommst, dann mach’s wenigstens für Gott.“
Sehr kindlich.
Dann war es so etwas ähnliches wie „sammelt Euch Schätze im Himmel, dort wo sie nicht vergehen“.
Und nach einigen Tiefen, die ich durchschreiten musste, ist es jetzt ein „mach Dir keine Sorgen, wenn Du keinen Erfolg hast, Gott hat Ehre genug“. Stressvermeidung.
Und ich möchte mich entschuldigen, dass ich schlampig und missverständlich formuliert habe. Ich hätte mir mehr Zeit nehmen sollen.
Am vergangenen Sonntag Abend hat der Priester zu Beginn des Gottesdienstes sich bei der Gemeinde bedankt, dass sie gekommen ist, trotz des Missbrauchs und dess wie die Institution Kirche sich zum Missbrauch verhält. (Auf arte war vorher die Dokumentation über die missbrauchten Nonnen gelaufen, worauf er auch Bezug nahm.) Das tat gut! Er hat auch sehr offen formuliert, dass unser Kommen ja doch wohl zeigt, dass wir trotz des Missbrauchs und trotz des Versagens der Institution Kirche weiter unsere Hoffnung in Gott versuchen zu setzen.
Da ist mir noch mal so klar geworden, wie sehr sich die Institutionsträger der Kirche durch ihr Vertuschen und nicht wahr haben wollen, an den ganz normalen Gottsuchern versündigen. Das hat mich sehr wütend und sehr traurig gemacht. Und ich war froh in dieser Gemeinde zu sein, wo dies so seinen Platz hat!
Sehr gut tat auch das Bild, das ihm hilft mit „Kirche“ zu leben und das er uns zur Verfügung stellte:
Dass es soetwas wie instituition Kirche gibt ist eben der Erbsünde geschuldet. Wenn sich Menschen im Glauben zusammen tun brauch es eben Struktur. Das ist nichts heiliges, dass ist notwendig, weil Menschen so funktionieren. Im Kirchensprech eben. Das ist erbsündlich bedingt. Dass Menschen dass dann ausnutzen um Verbrechen zu verüben oder Verbrechen zu vertuschen wird dadurch nicht entschuldigt. Aber es entkleidet es endgültig von jeglichen heiligen Schimmer.
Ich merke, wie mir solche klaren Worte gut tun. Sie sind nötig. Auch im binnenraum der Kirche.
Da mag ich widersprechen: Wir sind Gemeinschaftswesen, als solche geschaffen und als solche sind wir erlöst, als Volk Gottes und nicht als getrennte Einzelne. Von daher ist Kirche, die Gemeinschaft der Glaubenden, nicht der Erbsünde geschuldet und das „notwendige Übel“, das es zu ertragen gilt. Es ist Teil der Heilsgeschichte.
Kirche ist eben mehr als nur das, was die Soziologie beschreiben kann.
Ja und nein.
Ich gebe Ihnen Recht im Bezug auf das, was Sie über die Kirche als Gemeinschaft der Erlösen schreiben.
Das meine ich aber nicht. Darum habe ich von der Institution Kirche geschrieben. Und diese Seite der Kirche, von der es in den Evangelien aus dem Mund Jesu heißt :“Bei euch aber soll es nicht so sein!“ Wo es bei uns aber eben doch so ist, weil wir eben Menschen sind. Das meine ich, wenn ich das Wort des Pfarrers von der erbsündlichen Bedingtheit zitiere.
Kirche ist eben nicht per se Heilig. Es braucht eine Differenzierung. Und ein Gegenlesen an der Wirklichkeit. Sie ist die Gemeinschaft der Erlösten. Ja, das glaube ich. Aber die Realität setzt meinen Glauben auch auf eine harte Probe. Pauschale Heiligsprechunen tun mir da nicht gut.
Wieso sind die Kommentare so in Moll gestimmt? Jeder Markenartikler wäre doch heilfroh über die öffentliche Aufmerksamkeit, die sein Produkt gerade erfährt. Über Wochen als Top-Thema in der Tageschau – das muss uns doch einmal jemand nachmachen!
Die Kirche bewegt die Menschen, und das ist doch wirklich eine gute Nachricht. Das „verdanken“ wir den Tätern und Vertuschern. Nicht dass dies ihre fromme Absicht gewesen wäre, eher können wir von „unintended consequences of social action“ sprechen, der Hl. Geist hat also quasi dem Bösen etwas Gutes abgewonnen. Die Öffentlichkeit wirft einen Blick in die Kirche. Das ist doch unsere Chance, die eigene Identität zu profilieren und ihren Markenkern zum strahlen zu bringen!
Konkret: Die gründliche Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in all seinen Facetten ist in der Institution Kirche unabdingbar; hier wird uns die Öffentlichkeit auch nicht vom Haken lassen. Daneben sind für die Profilierung des Markenkerns aber vor allem wir Laien gefragt. Was bedeutet die sonntägliche Feier der Eucharistie weltweit für das konkrete, alltägliche Leben vor Ort? Was macht den entscheidenden Unterschied aus? Wenn wir Laien darauf eine glaubwürdige (Perfektion ist nicht notwendig) Antwort vorleben können, dann haben wir eine überzeugende USP (unique selling proposition) gefunden und den Markenkern der Kirche freigelegt.
Das ist aber sehr teuer erkauft, erkauft mit dem Leiden von Menschen, die nichts dafür können. Das ist überhaupt kein Grund zur Freude. Sondern eher für Moll.
Wenn der Eindruck entstanden sein sollte, das Leid der Betroffenen sei ein Grund zur Freude, dann muss ich mich dafür entschuldigen. Das war wirklich nicht meine Absicht!
An der Intention des Blog-Beitrags, dass in der Krise auch eine Chande liegt, halte ich dagegen fest.
„Zweitens bin ich nachher noch mehr als vorher davon überzeugt, dass Missbrauch zum Markenkern Kirche gehört. Das ist hässlich. P Hans Zollner hat schon recht wenn er sagt, dass es gefährlich ist zu glauben, das Thema werde bald von der Bildfläche verschwinden. Das wird es nicht. Und wenn kein Bericht über Missbrauch auskommt, ohne die Kirche irgendwie zu erwähnen, dann steht fest, dass das zum Markenkern dazu gehört. Marke Kirche, das hat auch diese dunkle Seite.“
Das glaube ich auch. Man wird nach meiner Einschätzung noch in einigen Jahrhunderten darüber reden, dass Ministranten/Ministrantinnen (und damit junge Menschen, die gerade in das Kirchenleben eingeführt werden sollten) missbraucht und Nonnen (die ihr Leben Gott und der Kirche geweiht haben) von Kirchenmännern vergewaltigt worden sind. Ähnlich wie beim nachhaltigen Thema Hexenverbrennung.
Und genau darin liegt die große, einmalige und (über-)lebenswichtige Chance der katholischen Kirche. Die Kirche muss sich diesem erneuten schwersten Fehler in aller Offenheit und Transparenz stellen und z.B. ihre Sexualmoral vollkommen neu und am tatsächlichen Menschsein ausrichten.
Dann wird sie nicht nur überleben, sondern von den Menschen auf dieser Welt eine enorme Attraktivitätssteigerung erfahren und vielleicht sogar unter den verschiedenen Religionen fast konkurrenzlos sein, da sie zweifelsohne gegenüber anderen Religionen zum Teil wichtige Vorteile aufweist.