Es ist vielleicht nicht das Papstportrait, was jemand wie ich, der Benedikt XVI. jahrelang fast täglich auf dem Bildschirm und auf Fotos sah, zufrieden zurück lässt. Seit Dienstag Abend hängt in der Botschaft Deutschlands beim Heiligen Stuhl ein Gemälde. Es kommt ihnen bekannt vor? Genau: Es ist wie das Gemälde in Regensburg im Institut Benedikt XVI. von Michael Triegel gemalt. Es ist dem Vorgänger in vielem ähnlich, aber nicht gleich. Er habe nicht das fertige Bild kopiert, sondern sei von seinen Zeichnungen und Studien ausgehend zu einem neuen Bild gekommen, erzählt der Maler in einer Pressebegegnung.
Das Bild in Regensburg kenne ich nicht, also stehe ich zum ersten Mal vor diesem Ölbild, das so frappierend an die Bilder erinnert, von denen sich in Rom so viele finden, an die großen Meister. Und das ist Absicht. Triegel erklärt seine Maltechnik so: Er grundiert eine Holz- oder Faserplatte und zeichnet dann mit Kohle die Komposition. Dann wird mit Weiß auf die meist grünliche Grundierung gemalt, so entstehen die Plastizität und das Licht. Erst danach werden Schicht für Schicht Farblasuren aufgetragen. Das Licht werde also von unten reflektiert und diese Mischtechnik schaffe die Einzigartigkeit, die man bei den großen Malern des 16. Jahrhunderts und später bewundern könne.
Ausbruch aus der Diktatur des Quadratmeterpreises
Und warum die alte Technik? Warum die Orientierung an den „alten Meistern“, die ihm den Vorwurf eines „Kunst-Reaktionärs“ eingebracht hat? Weil er – wie er sagt – aus der Marktbezogenheit der Kunst ausbrechen wolle. Weil Kunst zu sehr auf Preise und Auktionen und Ausstellungen ausgerichtet sei.
So zitiert er durch seine Technik ganz offen die Maler, die er seine ‚Lieblinge’ nennt: Caravaggio, Rafael, Michelangelo. Aber es sind keine Kopien, es ist ein moderner und neuer Blick, den es so bei den Alten nicht gab und nicht geben konnte. Für Triegel sind die Brüche wichtig, die Symbole, die nicht mehr wirken und die Leerstellen in unserem Sehen verursachen, auf ähnliche Kompositionen blicken wir heute ganz anders als vor einhundert, dreihundert, fünfhundert Jahren. Die Ikonografie sei „gebrochen“, sagt er.
Man muss sich schon etwas mit dem Bild befassen, um das sehen zu können. Das tiefe und schwere Schwarz und die ikonografisch aufgeladene Rückenlehne nehmen doch sehr stark alte Motive auf und sind nicht unmittelbar verstehbar.
Was aber völlig anders ist, ist die dargestellte Person. Wie schon Bacon – auf völlig andere Weise – zeigt er die alten Meister zitierend eben nicht das Ideal, das Herrscherportrait, die Selbstdarstellung. Triegel zeigt einen Menschen. Und ganz konkret: Einen alten Menschen.
Nähe und Distanz
Der erste Blick zeigt eine eher klassische Pose eines Papstes, wie wir sie von den großen Vorgängern als Papstmaler her kennen: Rafael, Velasquez, Lehmbach. Der Blick und die Pose des sinken lassenden Blattes vermitteln erst einmal Nähe, die Lehne des Sessels dann aber wieder auch Distanz. Trotz der Ähnlichkeiten ist es aber ein ganz anderes Bild. Keine Pose, sondern ein Mensch, der dadurch, dass er von dem gemalten Amt zurückgetreten ist, seine Menschlichkeit auch noch einmal betont habe. Dieser Rücktritt passe gut zu seinem Bild, auch wenn er schon fast fertig gewesen sei, als der Rücktritt angekündigt wurde. Und so hängt das Bild – eine Leihgabe des Malers – in der Residenz des Botschafters. Die Gesellschaft ist gut: Auf der anderen Seite der Wand hängt Franz von Lenbachs Portrait Papst Leo XIII.
Ein Interview mit dem Maler ist hier zu finden
Das war mein erster Gedanke, ein alternder Papst den die Last des Amtes schwer darnieder drückt.
Man muß aber schon sehr genau hingucken, um zwischen den beiden erwähnten Bildern einen Unterschied festzustellen.
http://kunstundfilm.de/wp-content/gallery/michael-triegel-leipzig/triegel_portrait-papst-benedikt-xvi-2010-mischtechnik-auf-mdf-1005-x-76-cm.jpg
https://blog.radiovatikan.de/wp-content/uploads/2013/04/Triegel-Benedikt-XVI.jpg
Vielen Dank für diese Gegenüberstellung!
Ich habe ein paar Mal hin und her geklickt. Der Unterschied ist – das Alter.
Die frühere Darstellung zeigt einen (auch nicht mehr jungen) Papst. Er ist zugewandt, die Mundwinkel neutral, bereit zu sprechen oder zu lächeln. Das Haar voll, leicht gelockt und dicht. Die rechte Hand ruht auf der Stuhllehne, umfasst sie leicht – um sich zum Aufstehen abzustützen?
Das aktuelle Bildnis zeigt einen deutlich gealterten Mann. Er sitzt zusammengesunken (höherer Faltenschlag der Soutane im Nacken), die Hand liegt schlaff auf der Stuhllehne. Das Haar ist schütterer geworden. Die Gesichtslinien sind tiefer eingegraben. Und nein, diese Lippen werden nicht gleich lächeln, denn auch das angedeutete Lächeln in den Augenwinkeln aus dem früheren Porträt ist verschwunden. Das Gesicht blickt müde, vielleicht desillusioniert. Auch wirkt der Papst blasser, entrückter. Als sei der Beobachter jemand, für den er nun auch noch die Kraft aufbringen müsste, aufzuschauen.
Nein, zufrieden lässt auch mich das Bild nicht zurück. Es hat eine Aussage und will nicht Fotografie, sondern künstlerische Darstellung sein. Trotzdem erscheint mir irgendetwas am Gesamtbild falsch – ohne, dass ich den Finger darauf legen könnte.
Wobei ich gerade sehe, dass ich altes und neues Portrait verwechselt habe. Wenn also das neue Portrait VOR der Rücktrittsankündigung begonnen wurde, verstehe ich diese unterschiedlichen Aussagen erst recht nicht. Es sei denn, der Künstler hätte seine Sicht auf Benedikt XVI. geändert.
Lesen Sie hierzu doch auch das Interview: Michael Triegel gibt an, dass er den Papst im zweiten Porträt milder dargestellt hätte … aber dass das ganz unbewusst geschehen wäre. Seine eigene Sicht in Bezug auf die Person Benedikts müsse sich wohl geändert haben – so der Künstler. Trotzdem wirkt das Porträt bei aller Raffinesse sehr hölzern, ja, besonders im Gesichtsausdruck, leblos. Mit Raffael, Velazquez oder Lenbach hat das wenig zu tun. Michael Triegels Bilder sind eben wenig malerisch. Ein malerischer Stil bringt es mit sich, dass tatsächlich milde porträtiert werden kann: Da achtet der Künstler dann eben nicht auf jede kleine Falte, sondern übersieht – man könnte fast sagen in liebevoller Absicht – einige unschönere Details. M. Triegel ist sicherlich kein Katholik… und so malt er auch: eben wie die Nordeuropäer oder speziell: Albrecht Dürer… meint ein bisschen zu verkrampft und etwas zu selbstverliebt. Es geht bei diesem Bild – wie bei seinen anderen Bildern darum, dem Publikum die grandiose Kunstfertigkeit gepaart mit einer ausgeklügelten Ikonographie zu demonstrieren. Das kann er wirklich sehr gut, aber seine Kunst spricht vorrangig den Intellekt, nicht in erster Linie das Gefühl an. Vielleicht passt dies ja zum Intellektuellen Joseph Ratzinger… ob es zu Benedikt passt? Ein Porträt von Franziskus sollte er allerdings nicht malen.
Vielen Dank für den Hinweis! Sehen Sie, dann hat der Künstler offensichtlich doch etwas richtig gemacht, denn die Botschaft ist bei mir (die ich weder den Artikel noch eines der Gemälde vorher kannte) ja angekommen. Und Emotionen via Leinwand zu transportieren, ist die ganz hohe Schule.
Stilistisch sind beide Arbeiten nicht mein Ding. Sie gefallen mir schlicht nicht. Aber das ist ja das Schöne an Kunst: die Geschmäcker sind verschieden. 😉
Und “gefallen” ist immer relativ. Die Bilder sagen mir etwas – ob mir das, was sie erzählen, oder die Ausdrucksweise “gefallen”, ist nicht relevant. Für sein Können, zolle ich dem Künstler dennoch Respekt. (Auch wenn ich keine Repro erwerben würde…)
Als ich das Bild letzte Woche bei Spiegel Online gesehen habe, war meine erste Frage: Wer ist dieser Mann? Papst Benedikt ist es mit Sicherheit nicht. Ich dachte daran, dass ich kürzlich etwas über eine kommende amerikanische TV-Serie “Der Vatikan” gelesen hatte, wo Bruno Ganz einen fiktiven Papst Sixtus spielen soll. Und dieses Bild könnte der Teaser für die Serie sein. Denn die Ähnlichkeit mit Bruno Ganz lässt sich nicht leugnen. Aber mit Papst Benedikt? Niemals. Aber wie wir wissen, hat Papst em. Benedikt einen feinen Humor. Und dieses “Portrait” wird sicher mehr als ein Lächeln bei ihm hervorgerufen haben.
Was können wir froh sein, dass es heute Videos und Fotos gibt, wo unsere Päpste so dargestellt sind, wie sie wirklich sind.
Wie kann man nur eine alternde Persönlichkeit, ein Ebenbild Gottes, so negativ bildlich darstellen? Im Zweifel nennt man es Kunst!
Ich rätsele auch schon seit einiger Zeit, was der Jesuit und Leiter dieses Blogs mit der Einstellung dieses Bildes und dem Bericht dazu erreichen und sagen wollte? Wertung? Abwertung? Vergleich? Selbstverliebtheit? Nein, das kann man PH nun wirklich nicht unterstellen. Aber, mir fällt anhand der Blogbeiträge auch auf, dass einige seiner Beiträge in letzter Zeit scheinbar der berühmte Griff in die. K……gewesen zu sein scheinen. Es fällt auch auf, dass einige frühere aktive Blogger schon längere Zeit keine Beiträge mehr einstellen. Warum wohl? Kann natürlich auch reiner Zufall sein.
…. frage ich mich auch als bisheriger Betrachter des Blogs. Hier schreiben immer wieder dieselben Leute… : gibt es wirklich keine weiteren InteressentInnen, oder könnte es daran liegen, dass bei allen Themen irgendwann immer wieder dieselben KommentatorInnen sich regelrecht “zerfetzen”?