Drei Ausstellungen – Teil 3
Er gehört zu den Berühmteiten im Mode-Business: Peter Lindbergh. Seine Bilder kennt jeder. Oder besser, man kennt vielleicht nicht seinen Namen, aber sein Stil ist unverkennbar. Harte schwarz/weiß Modefotografie (vor allem s/w), starke Frauen, keine auf Perfektion getrimmten Schönheiten sondern gerne auch mit Macken. Seine Bilder haben eine neue Art Model geschaffen, die Supermodels aus den 90ern, die Turlingtons, Moss, Schiffers, Macphersons.
Er wollte eben Menschen zeigen, nicht Abziehbilder, mag man seine Einstellung zusammen fassen. Und die Fotos in der Ausstellung in München in der Kunsthalle sind genau so: direkt, offen, in die Kamera schauend (meistens), stylisch aber nicht ästhetisiert. So wirken sie jedenfalls und so sollen sie auch wirken.
Es sind einfach fantastische Fotos von nicht nur schönen Menschen, er kann mit seiner Kamera Charakter einfangen und zeigen und inszenieren.
Die Welt der Supermodels

Man kann kaum anders als all die schönen Menschen bewundernd anzusehen. Und genau an dieser Stelle befallen mich da meine Zweifel. Was für Menschen zeigt uns da Lindbergh? Denn bei allem künstlerischen Anspruch darf man doch nicht vergessen, dass das alles einen Zweck hat: Werbung!
Es ist eine künstliche Welt, die Lindbergh zeigt und in die er uns hinein nimmt. Es ist eine Konsumwelt, wenn der potentielle Käufer soll ein Gefühl bekommen, das zu Konsum anregt.
Lindbergh zeigt Selbstbewusstsein und Individualität, gar kein Zweifel. Aber der Zweck der Bilder ist eben der, dass man meint, genau dieses Selbstbewusstsein und diese Individualität habe mit Kleidung und Stil zu tun. Und lasse sich kaufen.
Ich kann das kaufen
Und anders als die Fotos des großen Vorgängers Helmut Newton machen seine Bilder auch nicht nervös, da ist letztlich doch alles glatt. Er orientiert sich an Filmszenen, stellt wie an einem Drehort mit riesigem Aufwand alles nach. Er will Geschichten erzählen. Aber bei aller Brillianz ist es dann doch Verkauf. Das Menschenbild des Peter Lindbergh – in seinen Fotos – ist letztlich nicht sehr verlockend.
Will man in München in einer Ausstellung Fotografien von Menschen sehen, dann geht man besser einige Meter weiter, ins Haus der Kunst. Dort ist Thomas Struth ausgestellt, streng genommen schon Ausstellung vier dieser kleinen Reihe. Da kann man sehen, wie die Organisation von Lebensabläufen sich in der Welt niederschlägt. Das sind großartige Fotos, nicht immer einfach zu erschließen, abervon der Welt in der wir leben, nicht wie die schwarz/weiß-bunte Werbewelt.
Ausstellung 4: Thomas Struth
Das ist eine Ausstellung, die ich empfehlen kann, auch wenn für sie nicht halb München plakatiert ist, wie für Lindbergh. Aber um Werbung geht es Struth ja auch nicht … .

Wie gesagt, auf die Perspektive kommt es an. Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Was ist schon perfekt? Das ist hier die Frage.
Ich finde der Unterschied zwischen Werbung und einer Ausstellung im Sinne von Kunst liegt in der Aktualität, die dargestellt wird. Je präsenter sie ist, umso mehr berührt sie das Gemeinsame, das tragende Element und je vergänglicher sie aufgezeigt wird, umso mehr verliert sich die Substanz durch die fehlende gemeinsame Geschichte.
Die Verbindung zwischen der Kunst Schicksale einzufangen, um sie mit dem Betrachter/Leser zu teilen und damit die Substanz einer gemeinsamen Geschichte zum Ausdruck zu bringen, die erreicht im Kunstwerk ganz gezielt ihren Höhepunkt. Gerade wenn das Kunstwerk einen bestimmten Auftrag erfüllen soll muss es seine Präsenz als Akt der Nächstenliebe wiedergeben, denn ohne sie kann in meinen Augen keine ehrliche Verbindung zwischen Kunstwerk und Betrachter hergestellt werden.
Diese Wiedergabe der eigenen Person als Künstler für ein Ereignis einzustehen oder einfach nur einen eigenen Lebensanspruch zu reflektieren, die lässt sich mit der Darstellung als Akt der Nächstenliebe in ein Werk fassen, um ihre Präsenz zu erhalten. Nächstenliebe durch die Erreichbarkeit zum Betrachter als Anspruch zu setzen, das macht in meinen Augen ein Kunstwerk zur persönlichen Errungenschaft zwischen seinem Schöpfer und dessen wahrem Schöpfungspotential.
Zugang zu einem mit vollendetem Einfühlungsvermögen gestalteten Kunstwerk zu finden bedeutet für mich, seinen eindeutigen Sachverhalt zu erreichen, der das Kunstwerk prägt, wenn es mit künstlerischer Kraft seine persönliche Aussage auf die Menschen überträgt, die diese Aussagekraft teilen, um darin den wahren Künstler zu entdecken, der sie durch das Kunstwerk wahrnimmt, ohne ihnen persönlich begegnet zu sein.
Nicht jeder Mensch kann ein tief greifendes Kunstwerk erschaffen, doch jede Person erhält durch einen wahren Künstler die Möglichkeit eigene Präsenz als persönliche, innere Kraft zu werten, die unabhängig vom Betrachter/Leser ihres Kunstwerkes eine ganz eigene Aussagekraft anbietet, die vollkommen unabhängig voneinander doch miteinander verbindet, was zusammen gehört.
Wenn man dem Kunstwerk die Kraft der Reflektion verleiht, um es in seiner ganzen Vielfalt zum Ausdruck kommen zu lassen, so empfängt man dadurch die Sprache des Künstlers um sich mit ihr im inneren Dialog auseinanderzusetzen und darin den Ursprung von Sprache als Kunstwerk aus ihrem Vorbild zu erkennen.
Kunst ist für mich die Vorstellung von Raum und Zeit in einem Gemeinschaftswerk zu begreifen, dessen Existenz seinen Anspruch aus ewiger Präsenz des Künstlers schöpft, der ermöglicht, was sich allein durch Nächstenliebe darin erfüllen kann.
Danke für die Inspiration, diese kleine Wanderung zwischen dem IST und dem Main-Stream! Und schön, dass München nur noch 150 km entfernt ist und ich jetzt Ferien habe…
Jeder muss selbst herausfinden in seinem Leben, was ihn im Bereich der Kunst anspricht, antreibt, und was man ansehen / anfühlen /anhören möchte, um nochmal nach-SINNEN zu können…
Mich fasziniert am meisten die Realität, umgesetzt in verschiedenen „Kunst“-„Arten“. „Ewigkeiten“ muss es für mich nicht in sich bewahren.
Sowohl der Gegenstand als auch der Künstler kann nur so lange präsent sein, als ES bzw. SEIN(E) Werk(e) für irgendeinen Betrachter eine besondere Bedeutung hat / haben.
Ein Künstler sollte m.E.n. den natürlichen WUNSCH, aber keinen ANSPRUCH auf Anerkennung hegen… Im Anspruchsdenken wird seine Kunst zum Geschäft, und das widerspricht letztlich der Kunst / Kreativität.