Der Schicksalsgöttin in Form des Programmdirektors von Radio Vatikan habe ich es zu verdanken, dass mich die Papstreisen als Korrespondenten und Begleiter kreuz und quer verschickt haben. Viele sind es noch nicht, erst sechs, aber dafür sind sie gut verteilt: Eine inneritalienische – Assisi – dann Deutschland 2011 und Großbritannien 2010, Kuba, das Heilige Land und jetzt Korea.
In diesem Jahr waren es zwei, ich war in Jerusalem und jetzt in Seoul. Und bei der zweiten habe ich immer wieder flashbacks aus der ersten gehabt. Bei beiden war ich an einer hochmilitarisierten Grenze, bei beiden war ich unter Menschen, die ohne ihr Feindbild nicht leben können. Nein, das ist ungerecht, das muss ich anders formulieren: Es gibt in beiden Fällen Menschen, die nach zig Jahrzehnten bewaffneten Kampfes ohne den Feind nicht leben können. Wer so lange von Feind spricht und unter der Bedrohung lebt, wer in der Sprache aufwächst, die von Feindbildern lebt, für den wird das einfach ein Teil der Linse, durch welche die Wirklichkeit wahrgenommen wird.
In beiden Regionen steht eine Demokratie gegen nicht demokratische Staaten, um es vorsichtig zu formulieren. Aber in beiden Regionen ist die Demokratie auch in Krise.
Der große Unterschied, der sofort ins Auge fällt: Im Nahen Osten hat alles mit Religion zu tun, in Asien überhaupt nicht. Die Teilung des Landes ist rein militärisch-weltpolitisch-ideologisch. Ohne Religion scheint es mir irgendwie einfacher zu verstehen, wenn Religion ins Spiel kommt, ist es viel komplexer. Fast bin ich versucht zu sagen: Wenn Religion in den Krieg kommt, ist die Aussicht auf Heilung und Versöhnung noch geringer als ohne.
Ich will hier die beiden Regionen der Welt nicht über einen Leisten ziehen, ich habe sehr stark abstrahiert, um den Vergleich anstellen zu können. Aber es gibt Punkte, wo die Krisen und Konflikte – und ich bin mir sicher, man könnte noch andere Weltgegenden anfügen – sich begegnen.
Mir geht es hier um die Beobachtung, dass sich Situationen dermaßen ineinander verhaken, dass die Gegner eins werden. Der eine kann gar nicht mehr ohne den anderen. Der Verstand begreift das schnell, auch von zu Hause aus mit der Zeitung in der Hand, das aber vor Ort zu sehen und die tiefe Hoffnungslosigkeit von Menschen mitzubekommen – oder die Verbohrtheit anderer – das nehme ich aus diesen beiden Reisen mit.
Geistlich politisch
Es hilft mir aber auch, den Papst zu verstehen. Wenn der in Rom bei den Morgenmessen über “aus sich selbst heraus gehen” spricht, immer wieder von Versöhnung und dem “sich nicht in sich selbst verschließen”, dann hat das für mich geistlichen Wert. Es ist herausfordernd, wenn man sich darauf einlässt
Wenn man aber in Jerusalem auf die Mauer blickt oder in der so genannten Demilitarisierten Zone auf die Zäune schaut, dann bekommt das noch einmal eine ganz eigene Wucht. Es wird im besten Sinn des Wortes politisch, es hat etwas mit Einmischen zu tun. Und damit, dass wir etwas daran tun können, das sich die Welt ändert. Und zwar genau dadurch, dass wir uns ändern.
Nur so ein Eindruck, von den Grenzen dieser Welt.
Lieber Pater Hagenkord,mir kommt nur ein Satz in den Sinn. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Ich kann mich noch gut erinnern als ich das erste mal in Berlin an der Mauer stand und durch die leeren SBahn Stationen fuhr. Dieses Gefühl des bedrückt seins habe ich sofort wieder wenn ich daran denke. Und meine Empfinden war damals durch einen kurzen Besuch ausgelöst. Wie schwer haben es die Menschen ihre Ängste abzulegen, ja wie schwer ist es den Nächsten zu lieben wie dich selbst!? Wie schwer fällt dieses herausgehen ohne offentsichtliche Mauern jeden von uns, zum Nachbarn, zur Verwandschaft, da brauchen wir nicht weit schauen. Danke für ihre Eindrücke!