Es sind Blockhaus-Christen. Eine nicht sehr große aber sehr laute Gruppe von Katholiken – es gibt sie auch in anderen Konfessionen – zieht sich aus dem Dialog zurück, aus der Kultur zurück, um in einer Art geistigem Blockhaus zu leben.
Zitieren wir ein sehr deutliches Beispiel, nicht weil ich es für den Durchschnitt halte, sondern weil daran viel deutlich wird. „We are at war for our own souls and the souls of people we love. We are at war for the soul of this culture and nation. And like any soldier, we must train to fight well.” (Ich lasse das unübersetzt, das muss man einfach im Original genießen) Monsignore Charles Pope – der Autor dieser Zeilen – ist nicht irgendwer, ein prominenter Blogger auf einer katholischen Webseite, ehemaliges Mitglied des Priesterrates des Erzbistums Washington D.C., Pfarrer dort und Dekan und so weiter. „Preparing people for war — a moral and spiritual war, not a shooting war — should include a clear setting forth of the errors of our time, and a clear and loving application of the truth to error and light to darkness.” Und so weiter, und so weiter. Immerhin spricht er nicht von echtem Krieg, immerhin etwas.
Pope meint damit nicht etwa, dass die Kultur, die er beklagt, Krieg in die ganze Welt getragen hat, dass Länder ausgebeutet werden und so weiter. Er meint damit auch nicht die Lügen der Politik oder die Scheinheiligkeit von Rechtssprechung, welche die Abtreibung verbieten aber Todesstrafe behalten will. Nein, ihm geht es um „Wahrheit“. Da wird es immer gefährlich.
Kritik ist ja immer gut, aus dem Glauben heraus soll man die Kultur um uns herum immer auch kritisch sehen, das ist unbestritten. Darum geht es hier aber nicht. Sondern um die reine Wahrheit. Wie gesagt, da wird es immer gefährlich.
Spirituelle Militäreinsätze
Der Aufruf, sich nicht in die Komfortzonen des Glaubens zurück zu ziehen und irgendwie die Gemeinschaft toll und sich in ihr wohl zu fühlen ist ja ganz schön, das trifft sich Pope mit dem Papst (eine kleiner Wortwitz sei mir erlaubt). Aber die Kriegsmethaphorik ist schon übel.
Man könnte das über den Atlantik abschieben und einer Gesellschaft zuordnen, die mit Militäreinsätzen weniger Probleme hat und in der überhaupt Gewalt eher zum Alltag gehört als bei uns – die Attentate auf Schulen und die vielen Toten durch Schusswaffen erzählen eine traurige Geschichte. Aber das greift zu kurz.
Die Worte von Pope mögen extrem sein, drücken aber eine Einstellung aus, die sich in schwächerer Form häufiger findet, auch hier. Es ist der Traum der Aufrechten, die sich um die Fahne ihrer Identität sammeln und die geschwellte Brust des Recht-Habens vorstrecken.
„Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen“, möchte ich mit dem Matthäusevangelium still antworten. Wer zum Krieg aufruft, wird eben nicht das Erdreich besitzen, der ist auch nicht friedfertig und vergebend. Und am Lackmustest, wie ihn unser Papst vorlegt – der Barmherzigkeit – geht das glatt vorbei.
„Selig sind die Sanftmütigen”
Es geht nicht um den Nächsten, es dreht sich um sich selbst. Es geht noch nicht einmal um Gott, es dreht sich um sich selbst.
Daran lassen sich ganz gut Fragen entwickelnd, die man an Texte oder Aussagen legen kann:
- Um wen geht es hier?
- Nehmen wir einen Satz wie: „Simply put, it is time for clergy to prepare themselves and God’s people for sacrifice.” Gibt es so etwas wie Selbstkritik? Oder isoliert die Metaphorik sich selbst?
- Gibt es Wertschätzung für etwas außer dem eigenen selbst, der eigenen Gruppe?
- Wird eine Homogenität „des Glaubens“, „der Lehre“, „der Kirche“ postuliert, die es so nie gegeben hat und auch nie geben kann?
- Was verrät die Sprache, hier die vom Krieg? Was verrät sie vom Geist dahinter?
Das Traurigste an der Sache ist, dass es eine selbsterfüllende Prophezeiung ist. Der Herr Pope sagt ja, wenn wir uns der Kultur nicht entgegen stemmen, dann gehen wir unter. Wenn also sein Christentum, was er da verkündet und an das er seine Identität festzuzurren scheint, untergeht, dann hat er recht gehabt. Wenn man ihn angreift, hat er recht gehabt. Er kann gar nicht falsch liegen. Letztes Kriterium also: Lässt sich das falsifizieren? Ist es ein Argument oder ein uneinnehmbares Blockhaus?
Herr Pope vertritt eine Kirche, vor der mir schaudert. Ich hoffe, dass das nicht noch weiter um sich greift.
Ich finde, Ihr Text spricht an und öffnet einem einen Weg, darüber nachzudenken, wo eigene Rechthaberei einen vergiftet. Bei der Idee, für das Heil der Seele zu kämpfen habe ich die Verse des bekannten Sonetts von Andreas Gryphius im Sinn, er spricht darüber, was da wirklich mit der Seele geschieht, bzw. schon geschehen ist.
Thränen deß Vaterlandes / Anno 1636
WIr sind doch nunmehr gantz / ja mehr denn gantz verheeret!
Der frechen Völcker Schaar / die rasende Posaun
Das vom Blutt fette Schwerdt / die donnernde Carthaun.
Hat aller Schweiß / vnd Fleiß / vnd Vorrath auff gezehret.
Die Türme stehn in Glutt / die Kirch ist vmbgekehret.
Das Rahthaus ligt im Graus / die Starcken sind zerhaun.
Die Jungfraun sind geschänd’t / vnd wo wir hin nur schaun
Ist Feuer / Pest / vnd Tod / der Hertz vnd Geist durchfähret.
Hier durch die Schantz vnd Stadt / rinnt allzeit frisches Blutt.
Dreymal sind schon sechs Jahr / als vnser Ströme Flutt /
Von so viel Leichen schwer / sich langsam fortgedrungen
Doch schweig ich noch von dem / was ärger als der Tod /
Was grimmer denn die Pest / vnd Glutt vnd Hungersnoth
Das auch der Seelen Schatz / so vielen abgezwungen.
Über einen anderen Weg, den der Papst zeigte, hat kürzlich Radio Vatikan berührend berichtet: den Besuch des Papstes bei den ehemaligen Zwangsprostituierten um Mariä Himmelfahrt herum, die Versklavung des Geistes und die Herstellung von Würde. Stephan
Sie polarisieren. Aber das ich will nicht kritisieren. Letztendlich wird es wirklich darauf hinauslaufen, daß sich jeder Katholik zwischen dem (protestantischen) Weg des Zeitgeistes, den Sie offenbar präferieren, und dem Weg von Monsignore Pope entscheiden müssen.
Da Ihr Weg geradewegs zu einer staatlich alimentierten Wohlfahrtsorganisation führt, deren katholischer Charakter austauschbar, ja entbehrlich ist, werden am Ende nur noch die Katholiken übrigbleiben, für die Monsignore Pope steht.
Hoppla, da ist ja ein Fan des Monsignore! Aber leider haben Sie etwas übersehen: die Soziologen sagen uns, dass aus allen Bereichen Katholiken austreten bzw. sich der Kirche entfernen, also auch aus dem Bereich derer, die Pope ansprechen will. Der Traum der kleinen Herde ist eine Illusion.
Wie die Verteilung der Austritte ist, kann ich nicht beurteilen. Die Gründe dafür dürften aber sehr unterschiedlich sein.
Die einen werden sich verabschieden, weil ihnen jedes Glaubenswissen abhanden gekommen oder niemals beigebracht worden ist und ihnen die beliebig gewordene Kirche egal ist. Die anderen treten vielleicht aus, weil sie eine verweltlichte Kirche nicht mehr mit ihren Steuern unterstützen wollen, obwohl oder gerade weil sie gläubige Katholiken sind.
Es ist ziemlich gefährlich, ohne genaue Infos (“kann ich nicht beurteilen”) schon auf die Motive schließen zu wollen. Ich glaube nicht, dass das so einfach ist.
@von Schnitzler
Jesus ist das Gegenmodell eines kalten Kriegers..
das Anklopfen Jesu hat was mit großer Achtsamkeit und Zärtlichkeit zu tun..
und er ist besonders bei denen, die in ihren Herzen
verwundet sind und allen Opfern von Gewalt und Terror;
und er gibt auch die Mörder NICHT auf UND deswegen leidet er auch mit ihnen..
allein schon deswegen ist es für Christen GRUNDSÄTZLICH
unmöglich die sog. Todesstrafe = staatlich verordneter Mord(!) zu verhängen,
JEDER Mensch ist ein GESCHÖPF GOTTES!
Allein schon deswegen “exkommuniziert” sich dieser “Pope” selber aber trotzdem sollten wir auch für Ihn beten, dass er von diesem geistlichen(??) Militarismus erlöst wird
Polarisieren, mit Verlaub, dieses Geschäft erledigen Pope und Sie, @Schnitzler. P. Hagenkord hat ja nur analysiert!
Hier ist noch ein “Fan”. Die kleine Herde, die Sie für eine Illusion halten, ist bereits in Deutschland Wirklichkeit.
Es ist mir ein Rätsel wie Sie nicht verstehen, welcher Krieg gemeint ist. Ich kann es mir nur mit dem Einfluss irgendeiner Ideologie erklären, die Sie nicht klar sehen lässt.
Die Kirche ist tief gespalten. Jeder polemische Beitrag trägt weiter dazu bei.
Ich denke nicht, dass Mister Pope Probleme mit der “Kultur” seiner Nation und Zeit hat.
Ich versteh ihn (anders als Sie und zwar wie folgt):
Das Problem von Christen ist doch nicht der Dialog mit kulturellen bzw. gebildeten Menschen. Das Problem ist doch der Dialog mit Menschen die in eine Art Schlendrian verfallen sind und nicht mehr wissen, was Kultur eigentlich ist, wie sie einen Menschen bereichern kann. Und solche Menschen gibt es leider immer mehr – leider besonders unter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Beispiel:
Neulich war ich mit einer Bekannten unterwegs und da musste sie unbedingt noch in ein Nagel- und Beautycenter reinschauen. Also ging ich mit (spielte Anhang) – ich bin nie in so was drin: das war alles Maskerade. Die Betreiberin dieses Shops nannte meine Bekannte in einem fort “Herzchen, Schätzchen, Süße” etc., lächelte zuckersüß und das Gespräch wurde zu eine Art Ahornsirup-Himbeermarmeladen-Marzipanbrei. Für ein paar Nägel zahlen Frauen anscheinend an die 70 Euro, aber das nur nebenbei. Das Eisessen mit mir im Anschluss war dann im Grunde nur noch Pflichtausübung, die Bekannte hätte sich viel lieber weiter im Zuckerton und im Hochglanz-Nagelstudio mit ihrer “Freundin” über was weiß ich unterhalten.
Sie kommen bei so viel Hirnaufweichung irgendwie nicht mehr mit… Das ist gemein, wenn ich das schreibe, aber solche Leute hat die “Candykultur” für die Religion irgendwie unempfindlich gemacht… Da hilft kein Gespräch mehr, das ist hoffnungslos. Diese Gegenposition (sie steht eben gegen echte Kultur, echte Freundschaft aber auch gegen Dinge wie Religion) weicht Hirne eben vordergründig sehr sanft(!) auf: man muss einfach nix dafür tun… nur dem Modetrend folgen und ein paar Scheine locker machen. Fehler in so einer Welt wäre es aber, ehrlich zu sein und zu denken, denn davon bekommt man Falten. Deshalb ist dem Herrn Pope eventuell der Wahrheitsbegriffes so wichtig. Als Amerikaner hat er wahrscheinlich besonders viel Erfahrung mit dieser Candykultur.
Vielleicht benutzt der Priester auch deshalb eine “Kriegsmetapher”. Denn Krieg ist leider eines der wenigen Dinge, die solche Menschen noch zu (ehrlichen) Affekten bewegen würde.
Wir leben nun mal in einer Zeit wo einige Menschen das Gefühl für Nuancen, besonders auch in der Sprache, verloren haben. Deshalb gebraucht der Mann eventuell so eine Wortwahl. Sie soll aufrütteln – zumindest die, die sich noch aufrütteln lassen.
Und in anderen Bereichen haben Sie es auch: die junge Generation verflacht und resigniert immer mehr… (Computerspiele und hirnlose Blockbusterfilme sind auch so eine Sache). Traurig aber wahr ist, dass man sich dagegen wirklich wehren muss… Und dass sich nicht viele dagegen wehren wollen und die Gefahr dieser Wegschau- und Bequemlichkeitmentalität unterschätzen.
Und eines finde ich zudem: es gibt sehr wohl Dinge im Leben eines jeden Menschen für die er tatsächlich “kämpfen” würde und wo es mit Sanftmut ganz schnell vorbei wäre.
Wirklich sanftmütig – in allen Lebenslagen – sind nur die ganz großen Christen. Selbst ein Petrus musste diese Tugend erst erlernen.
PS: Die Rhetorik von Mister Pope spricht mich zwar auch nicht an, ist mir zu pathetisch, aber trotzdem ist da ein wahrer Kern enthalten. Ja, doch.
Sorry, Pater, ich mag Ihren Blog sehr gern, aber die Welt schreit nach extremen Positionen. Und nur wer feig ist, handelt gemäßigt bzw. sitzt zwischen den Stühlen.
“…aber die Welt schreit nach extremen Positionen…”
Wenn “die Welt” irgendetwas ganz sicher nicht braucht, dann sind es Hassprediger – egal welcher Coleur.
Ich kenne Monsignore Pope nicht, doch aus seinen Worten kann ich gemäß der Google-Übersetzung eine gewisse Engültigkeit ablesen, denn er will um die Seele kämpfen, ohne die die Menschheit nicht sie selbst wäre. Wenn man daraufhin seine Aussage … „train to fight well“ …. mit … „trainiere deinen Glauben für den richtigen Kampf“ … übersetzt, dann scheint mir seine Aussage doch sehr Weltoffen und nicht unbedingt verkehrt.
Diese Einsicht gewann ich allerdings erst nach dem Beitrag von Amica.
Davor wollte ich Monsignore Pope unterstellen, er glaubt das Rezept für den Frieden zu kennen ohne dafür sein ganzes Vertrauen in den Herrn zu legen, denn ich hatte die Übersetzung zu seinen gesprochen Worten nicht herausgesucht und mich deshalb nur auf einzelne Worte seiner Aussage eingestellt und ihren Text, Pater Hagenkord, dazu gelesen.
Ich glaube, wir alle müssen lernen dem Guten, also dem Menschen zu vertrauen, der uns das Gefühl gibt, das wir brauchen, um Worte in Einklang mit unserer Seele zu bringen. Sie ist gesund und unser eigenes Gewissen hilft uns dabei, dass sie es auch bleibt. Der Herr würde es nicht zulassen, die Seele seiner Mutter zu verletzen, denn sie hält das Wohl der ganzen Menschheit in ihren Händen. Vielleicht ist es Ratlosigkeit, die Menschen in die Irre führt und deshalb suchen sie nach Menschen, die sich ihrer Ratlosigkeit annehmen, statt sich im Glauben an Gott zu wenden.
Zu einem Beitrag in einem anderen Forum „Christliche Werte“ gab ich folgenden Kommentar ab:
„Wie lange denken Sie können wir unseren Kindern noch von einem Menschen erzählen, der gelebt haben soll, um uns von unseren Sünden zu erlösen, ohne unglaubwürdig zu wirken? Wir sind es, die dieses Wesen verkörpern, nicht jeder für sich aber alle gemeinsam. Meine Kinder glauben zwar an Jesus, weil er gelebt haben soll, doch dieser Glaube fragt nach Antworten, durch die ich als Mutter täglich mit dem Leben an sich konfrontiert werde, um darin das Wesen zu suchen, das durch meine Kinder gefordert wird. Kinder sind das Geschenk für diese Welt, denn sie sind rein und gut solange man sie ihrer selbst willen liebt, nach dem Bild das eben Jesus Müttern wie mir mit in die Wiege ihrer Kinder legt. Niemand muss mich oder meine Werte verteidigen, es reicht mir schon, wenn er sie gemeinsam mit mir lebt. Ich vertraute mein Leben Gott an und er hat mir gezeigt, was es braucht, um sich der Menschheit zu offenbaren. Einheit und Gleichheit, das sind die beiden Sachverhalte, die uns dahin führen können, wo wir hingehören, im Glauben ganz tief verwurzelt reichen sie bis zum Beginn aller Tage die sich uns aus dem Nichts des Alls erschließen.“
Ich glaube an Gott und zwar nicht weil es mir irgendjemand gesagt hat, dieser Glaube trägt mich schon mein ganzes Leben lang, denn ohne ihn würde ich nicht als Mensch leben sondern würde das wahre Leben als Mensch suchen.