Die Entweltlichung lässt uns nicht los. Die ersten Bücher zur Freiburger Rede des Papstes erscheinen und die Bezüge in Artikeln oder Ansprachen werden nicht weniger. Der Papst hat der Kirche damit wirklich ein Thema für die Zukunft hinterlassen.
So auch am vergangenen Mittwoch: Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller stellte in der deutschen Botschaft beim Vatikan einen Band aus den gesammelten Werken Joseph Ratzingers vor. In seiner Würdigung ging der Bischof auch auf den Entweltlichungs-Gedanken ein, vor allem auf die Interpretation, dass ‚Entweltlichung’ die Trennung vom Engagement der Kirche in vielen Feldern bedeuten würde. Das sicht Bischof Müller anders:
„Besondere Aufmerksamkeit wurde der sogenannten „Freiburger Rede“ entgegengebracht mit der Zuspitzung auf den Begriff der „Entweltlichung“. Viele Interpretationen sind seitdem mit dem Versuch einer Meinungsbildung gescheitert.
Warum? Weil sie die Intention des Heiligen Vaters nicht kannten – obwohl sie bereits in seiner Schrift „Die Einheit der Nation. Eine Vision der Kirchenväter“ grundgelegt und entwickelt ist.
Weder die Abkapselung von der Welt noch das Verurteilen einer gelungenen Kooperation zwischen Kirche und Staat / Welt sind gemeint, wie wir sie Gott sei Dank in Deutschland verzeichnen können. Nicht das ist gemeint, sondern – in den Worten des damaligen Regensburger Professors Joseph Ratzinger – „inmitten der Ordnungen dieser Welt, die Welt-Ordnungen bleiben und bleiben müssen, die neue Kraft des Glaubens an die Einheit der Menschen im Leibe Christi gegenwärtig zu setzen als ein Element der Verwandlung, deren Vollgestalt Gott selber schaffen wird, wenn diese Geschichte einmal ihr Ziel erreicht hat.“
Das ist die Aufgabe des Gottesvolkes in der Welt: Als von Christus gerufener Leib den Glauben Christi in die Welt hinein zu bezeugen als die Heil schaffende Zusage Gottes an die Menschen, die uns zutiefst verwandelt.
Die erste Enzyklika des Papstes „Deus Caritas est“ zum Beispiel greift die karitative Tätigkeit der Kirche als ein Element der Verkündigung auf, das zum Wesen der Kirche selbst gehört (Nr. 29). Auf Neudeutsch gesagt: Wir können Diakonia nicht ‚outsourcen’, weil es nichts mit uns zu tun hat, sondern Leiturgia, Martyria und Diakonia [Anm: die Feier und das Gedenken, das Bezeugen und der Dienst der Nächstenliebe] sind die Grundvollzüge der Kirche.“
https://blog.radiovatikan.de/wp-content/uploads/2012/03/gerhard-ludwig-mueller-entweltlichung
Aus dem Bericht einer interessanten Begegnung (http://jobo72.wordpress.com/2012/02/23/caritas-in-berlin-entweltlichung-im-praxistest/):
„Entweltlichung – ein Schlagwort, das vom Papstbesuch im September 2011 noch gut in Erinnerung und seither in vieler Munde ist. Doch was bedeutet das konkret? In meinem Bericht über den Besuch des Berliner Erzbischofs Rainer Maria Woelki in der KSG Berlin hatte ich die Auskunft des Kardinals kurz referiert: Wenn der Kirche für eine ihrer karitativen Aufgaben die staatlichen Zuschüsse gestrichen werden, solle sie nicht aufgeben, was sie nach weltlichen Kriterien tun müsste, sondern ihren Dienst nach dem Auftrag des Evangeliums fortsetzen. Entweltlicht eben. Als Beispiel nannte der Berliner Kardinal die von Mittelkürzungen bedrohte Migrantenarbeit in der Hauptstadt.“
„Warum? Weil sie die Intention des Heiligen Vaters nicht kannten – obwohl sie bereits in seiner Schrift „Die Einheit der Nation. Eine Vision der Kirchenväter“ grundgelegt und entwickelt ist.“
(…)
Damals als ich die Rede des Papstes mir angehört habe, war ich so begeistert von den gut gewählten Worten. Dann aber folgte die Empörung aus der Welt…. Dann die Versuche in die Tiefe zu gehen. Danach folgten solche Stimmen, wie dies … „Die Gedanken des Papstes und seine Intentionen dürfen nur durch ein bestimmtes Personenkreis richtig interpretierbar sein“
Welche Lehre kann man daraus ziehen? Gibt es überhaupt „Worte“ die alle ansprechen, ohne irgendwelche falsche Nebeneffekte zu produzieren? Bereits zu Jezuszeiten war es so, dass für die meisten Jezusworte als Blasphemie sich anhörten. Wenn man die Nächstenliebe als Verkündung meint, dann wie sollte dies realisierbar sein? Liebe bedeutet nicht , jemanden nach dem Mund zu sprechen, sondern versuchen, dass Derjenige davon in seinem Wachstum profitiert. Setzt voraus „Zuhören und Nachdenken“ können, und nicht als „Moralpredigt“ abstempeln und jemandem böse Eigenschaften und Absichten anhängen. Die Psychologie spricht dabei von Projektion, Verharmlosung, von Spiegelbild …und es scheint, sie hat recht. Andererseits wenn wir die Menschen in ihrer Entwicklung sehen und betrachten, dann ist die erste Reaktion berechtigt (christliche erklärt: das Böse wehrt sich, kämpft), und sollte einen nicht erschrecken. Es sei denn, dass derjenige eitel ist und sich selbst im Vordergrund sieht und nicht das Gute – nicht Gott meint.
Sollten wir doch lieber schweigen, und dem einzelnen nur die Botschaften weitergeben, ohne jegliche Zusatzworte? Am Sonntag habe ich eine Messe im Latein erlebt. Muss ehrlich sagen, die Klänge der Hintergrundmusik, die konnte ich genießen, sonst gar nicht. Wie kann ich in einer „Geheimsprache“, die ich nicht verstehe, beten? Es gibt aber Menschen, die dies mit ihren religiösen Erlebnissen aus der Kindheit assoziieren, und sich davon nicht trennen können. Denen sollte dies auch gegönnt werden, warum nicht? Aber warum sollten, dann die, die damit nichts anfangen können, daran teilnehmen, oder sogar „gezwungen“ werden?
Alles ist sehr kompliziert 🙂
Noch mal zu den starken und aussagekräftigen Worten in dem vorherigen Beitrag von S. Ackermann. Jemand der keine Umwandlung (Zum „Christsein“, nicht im „schizophrenischen Sinne“. Einige sprechen von einer religiösen Erfahrung, andere vom plötzlichen Erwachen, vom „Zustandsänderung“ seines Bewusstseins) erlebt hatte, kann wahrscheinlich auch nicht die Intention von Frau Ackermann verstehen.
Es ist einfacher der Kirche angehören, de gelernten Weisheiten dauernd wiederholen als tatsächlich daran glauben, dass man dank der Lehre Christi ganz „anders sein“ kann. Das erfordert nämlich schwere Arbeit, vor allem das Trennen von dem „Gewöhnten“, von dem was vertraut ist, von dem was man sich in seiner Kindheit nicht getraut oder keine Chance hatte, zu trennen. Es funktioniert aber, das hatte hl.Paulus erlebt, das haben viele Menschen erlebt, das habe ich selbst erlebt.
…kleiner Nachtrag, um Missverstaendnis auszuschließen: es muesste so lauten:
Damals als ich die Regensburger Rede des Papstes am 12. September 2006 mir angehört habe,…