Nur Mitmachen schafft Verbindung: Während meiner Jahr als Jugendseelsorger in Hamburg hatte ich ein Haus. Draußen, im Kehrender Land, in die einzige Gegend Deutschlands wohin man nicht aus Versehen kommen kann. Ein Jugendhaus, sehr schlicht. 20 Betten etwa, und nur für Wochenenden und Schulungswochen des Jugendverbandes da.
Weil das Haus eher sehr schlicht war, waren viele Kinder und Jugendliche nicht wirklich begeistert. Aber dann gab es zwei Mal im Jahr in den Ferien so genannte Bauwochen, junge Menschen schraubten, strichen, räumten, putzten. Und auf einmal war es „ihr“ Haus.
Nur Mitmachen schafft Verbindung
Das Phänomen kennen Sie wahrscheinlich auch: Wenn man sich beteiligen kann, wenn man beteiligt wird, dann wächst die Identifikation. Oder anders herum formuliert: Identifikation setzt Partizipation voraus.
Während ich dies schreibe, sitze ich schon in Frankfurt, in Vorbereitung auf den synodalen Weg. Die erste Vollversammlung steht ja kurz bevor. Und auch wenn von diesem ersten Treffen noch keine Entscheidungen oder Abstimmungen zu erwarten sind – das Ding muss ja erst einmal auf die Schienen – so muss sich aber bereits hier Partizipation zeigen.
„Eine synodale Kirche ist eine Kirche der Partizipation und der Mitverantwortung“, so hat es aus dem Vatikan die Glaubenskongregation definiert. Was genau das sein soll, Synodalität, entwickelt sich ja gerade erst, um so wichtiger dass man sich auch um Definitionen bemüht. Die Glaubenskongregation schreibt weiter: „Partizipation beruht darauf, dass alle Gläubigen befähigt und berufen sind, die jeweils vom Heiligen Geist empfangenen Gaben in den Dienst des anderen zu stellen.“
Mitverantwortung
Die Autoritätsfrage bleibt davon noch nicht berührt, das ist einer der Punkte, über die sich die Kirche unterhalten muss und wird. Aber eben durch Einbeziehung aller derer, die dabei sind.
Und sofort ergibt sich daraus eine weitere Aufgabe: Das Ganze darf nicht bei den 230 Menschen, die in der Aula versammelt sind, stehen bleiben. Es gibt Vollversammlung und es gibt Foren. Aber wenn das Ganze „unter uns“ bleibt, ist nichts gewonnen. Auch und schon gar nicht in Sachen Partizipation.
Der synodale Weg muss in den kommenden Monaten auch in die Gemeinschaften, Pfarreien, Bistümer, Akademien, etc. In Blogs, Zeitungen, Debatten. Auch hier gilt: nur Mitmachen schafft Verbindung.
Raus aus dem Saal!
Ein Schritt weiter: nur über Mitmachen kommt auch die Verschiedenheit der Kirche vor. Das ist ja überhaupt einer der Zentralgedanken dahinter: Synodalität will kein Instrument sein, keine Methode, sondern beschreibt die Art und Weise, Kirche zu sein. Eben in Verschiedenheit, nicht in von Autorität hergestellter Einheitlichkeit.
Wenn nun die Verschiedenheiten bei sich bleiben, in ihren Blasen, selbstbetätigt, dann wird da kein Miteinander draus. Erst durch Einbringen und Mitmachen erreichen wir den Respekt und das Miteinander, das eine Kirche zusteht, die sich selber katholisch nennt. Dann kommt Partizipation zustande. Dann kommt Anerkennung der jeweils anderen zustande. Dann kommen Respekt und konstruktiver Diskurs zustande.
In Frankfurt beginnt etwas, was größer ist als „nur“ die Behandlung von Einzelfragen. Und das wird auch nicht bei den Vollversammlungen stehen bleiben dürfen. Das muss raus aus dem Saal, rein in die Gemeinden. Dann wird das auch in Zukunft eine Kirche sein, mit der man sich identifizieren kann.
In den Medien wird es die Kirche weiter sehr schwer haben.
Mir fiel gestern in den Hauptnachrichten Fernsehen sowohl Deutschland als auch Österreich auf: Kirche und sexueller Missbrauch wieder prominent in den Schlagzeilen. Zweifel an der Aufarbeitung etc.
Und ein neues Buch: Literat Haslinger und das Stift Zwettl in den 1960ern
https://www.fischerverlage.de/buch/josef_haslinger_mein_fall/9783100300584
Es lief auf ZDF und ORF über Minuten. Das Vokabel “synodaler Weg” hab ich nicht gehört.
Was man sich keinesfalls erwarten soll: Sympathie oder Vorschuss der Medien.
Wie man damit umgeht, weiß ich nicht. Bin kein Medienmann.
Ich würde mir sehr viel Vorsicht, ggf. Rückzug agieren.
Ich erlaube mir einmal, das ganze Szenario ’Synodaler Weg’ von außen zu betrachten. Die Kirche hat offensichtlich Kommunikationsprobleme mit der Gesellschaft und versucht sich hier neu aufzustellen. Dabei wird sie von der Gesellschaft beobachtet. Egal was die Kirche macht, die Gesellschaft ist schon da und vergibt ihre Noten – meistens zwischen gerade noch ausreichend bis ungenügend. Irgendwann wird die Frustration so groß sein, dass die Kirche ihr Heil wieder im Rückzug auf sich selbst sieht. Das Programm der Entweltlichung liegt ja noch auf dem Tisch.
Aus diesem Teufelskreis wird die Kirche alleine nicht herausfinden. Sie sollte sich deshalb selbst einmal von außen betrachten, also die Perspektive der Gesellschaft einnehmen. Dabei wird sie auf hohe Erwartungen an die Religion stoßen, auf eine große Bereitschaft, der Welt einen transzendenten Sinn zu geben. Von hier aus kann sie dann ihren Platz und ihre Aufgabe in der globalisierten Gesellschaft neu bestimmen.
Wegweisend für diesen Perspektivwechsel ist das Buch ‚Die Religion der Gesellschaft’, an dem Niklas Luhmann bis kurz vor seinem Tod gearbeitet hat. Seine systemtheoretische Gedankenführung braucht hier nicht abzuschrecken, sondern ermöglicht es gerade, bekannte Argumentationsmuster aufzulösen, neue Fragestellungen zu gewinnen und dann Antworten zu finden, die wahrscheinlich weiterführend sind.
Danke für den Buchtipp, anbei der meinige: http://www.karl-schlecht.de/fileadmin/daten/Download/Buecher/Lay_-_Nachkirchliches_Christentum-low.pdf
Ich habe das oben genannte Buch von Luhmann nochmals zur Hand genommen und möchte ein Zitat nachliefern, das die angesprochene Problemstellung auf den Punkt bringt:
„Wenn man Möglichkeiten hat, entstehende und sich ausbreitende Religiosität zu beobachten, sieht man (bei entsprechend theoretisch präparierter Blickweise) Möglichkeiten religiöser Inklusion … . Man sieht auch: die Organisation [die Kirche] wird es und kann es nicht als ihre Angelegenheit zulassen. Aber die Gesellschaft lässt es zu. (S. 244)
ich möchte noch einen Gedanken einbringen: Die Kirche aller,- die VERWELTLICHTE Kirche aller. Und schon ist die (spirituelle) Alleinstellung weg, weil die Konkurrenz ist gewaltig.
Mir flatterte ein schöner Folder vom Roten Kreuz (ich bin kein Mitglied und werde es auch nicht, wenngleich mir der Verein in Summe natürlich sympathisch ist) in den Postkasten. Toll gemacht. Ohne Zynismus war ich beeindruckt. Die Vorteile der Mitgliedschaft. Ein wenig wie bei Handtarifen: basis, profi und premium, kann mir den Beitrag aussuchen. Wie viel Rotes Kreuz will man, braucht man? Das ganze dann noch für Familie oder Gruppe. Dann sind alle abgesichert.
Was ich vermute: das Rote Kreuz hat eher einen Aderlass.
Oder der Alpenverein, seriöser Verein, im Zeitgeist, publiziert heute: Knapp 600.000 Mitglieder, so viele wie noch nie, hat der Alpenverein 2019 gezählt (nur in Österreich). Das war ein Zuwachs (!!!) von 4,5 Prozent gegenüber 2018. Damit sieht sich der Alpenverein als „starke Stimme“ gegen die geplanten Skigebietserweiterungen.
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Die Mitgliedschaft bei der Kirche muss sich irgendwie aber doch von Alpenverein, Verdi, Rotem Kreuz, ADAC, etc.pp. unterscheiden. Das ist eine Krux. Weil die Konkurrenz wurde ja sehr groß. Von dem religiös-esoterische Markt will ich gar nicht reden. die Evangelikalen der USA haben sich wie die Heuschrecken auf Brasilien gestürzt, das muss man ebenso beachten wie den katholischen Priestermangel dort.
Kirche muss aber was anderes sein. Denn es ist eben kein Eintritt. Es beginnt mit der Taufe, dem ersten und heiligsten Sakrament.
Würde dann ja die Umkehrfrage lostreten: kann ich vor dem Heiligen Geist überhaupt mit Formular beim Standesamt gültig austreten? Wie sieht das die himmlische Kirche, zB der oberste europäische Ritter, Herr Bernhard von Clairvaux (ob er jetzt schon im Himmel ist oder nur im Purgatorium auf uns runter schaut, ist jetzt nebensächlich. Aber dass es ihn noch gibt, daran darf man als Katholik nicht zweifeln).
Probleme in der Familie und Kindererziehung: Diskutiert man das mit der Masse der gut ausgebildeten Psychologen/Pädagogen oder einem zölibatär lebenden alten Priester. Die Antwort drängt sich auf, muss aber nicht richtig sein.
Dann bekam ich noch einen Brief im Januar, von der Finanzkammer der Diözese (in Österreich). Mein Kirchenbeitrag für 2020 wurde mit 242 EUR festgelegt, das ist der Jahresbeitrag. Ich zahl das gerne ohne Raunzen. In Ö gibt es zwar Konkordat, aber keinen wirklichen Zugriff auf die individuellen Est-Daten. Dh die werte werden irgendwo nach Regeln (zB Größe der Familie) geschätzt. Wenn ich anrufe, raunze, dass ich eine neue Heizung im Sinne des Klimawandels einbaue, und auf einen lieben Sachbearbeiter komme, kann es sein, dass der Beitrag auf zB 180 EUR gesenkt wird.
Vermutlich gehör ich zum Mittelstand, oder was von dem in der EU übrig blieb. Vom Datenschutz ist das sehr angenehm, wie das Österreich regelt.
Was ich von Deutschland weiß, zahlt man da im Vergleich doch deutlich mehr. Warum eigentlich? Zahlen die Deutschen Katholiken zu viel oder die österr. zu wenig. Fast eine Frage für die EU (das meine ich wirklich zynisch)? Dezentrale Strukturen sind bestimmt sinnvoll
Da las ich einen Poste in der Kronenzeitung zu den gestiegenen Kirchenaustritten: “was will der Verein (gemeint: die Kirche) noch von mir. Ich hör von denen nur, wenn sie den Beitrag schicken und ansonsten sind sie im Alltag linker als die Grünen.”
Auch diese Position gibt es.
Aber, weil ich auch in diesem Blog auf die Verweltlichung der Bischofskonferenzen vor allem im Wesen der kirchlichen EU-Gremien, geschimpft habe: vielleicht findet ja die COMECE, Vorsitz Eminenz Hollerich (Bischöfe in der EU, das ist ja was anderes wie alle Bischöfe Europas , man denke an Schweiz/England/Norwegen/Servien/Russland….) das beste Modell für Kirchenbeiträge und welches die größte AKzeptanz bei den Mitgliedern hat.
Ich meine nicht, dass gute katholische Republiken wie Malta, Slowenien oder Spanien auch den Konkordat und den Kirchenbeitrag deutsch-österr Bauart haben bzw. brauchen
Jö lieber Dietmar da hast Du es aber gut getroffen mit dem Kirchenbeitrag für den Mittelstand, vermindert auf 180€ und das IM JAHR. Als ich noch in D gearbeitet habe, wäre das der Beitrag für eine lange nicht mehr verheiratete Frau mit deren von 5 Kindern noch 3 durch Schule, Ausbildung, Studium etc ins Leben zu bringenden Kindern gewesen. Jetzt da ich im Alter zu meiner jüngsten Tochter mit Familie nach Österreich gezogen bin, bezahle ich immerhin als Rentnerin, weiblich, mit einer frauentypischen deutschen Rente 100€ Kirchenbeitrag im Jahr. In Deutschland war ich davon befreit! Zudem: Was das Rote Kreuz angeht: ich bin i noch fähig die 10€ im Monat für eventuelle Hilfeleistung im Alter und für ErsteHIlfe-Einsatz als Mitgliedsbeitrag zu bezahlen. Auch: Heute Abend ist Bibelkurs in der Nachbargemeinde: Die Veränderung gestalten…. Kannst gerne mitmachen, die Mesnerinnen meiner Pfarre sind alle verhindert. Was wäre Dein Beitrag? Finde das als gutes Thema – irgendwer muss ja einmal beginnen mit der Arbeit!
PS Das “Du” in der Anrede sei hier in Oberösterreich – Innviertel – allgemein üblich. Deshalb entschuldige ich mich nur ein bisserl – falls andere Herkunft als OÖ. Komme bestens auch mit Bürgermeister und Pfarrer mit dem “Du” zurecht, auch wenn unsere Ansichten manchmal auseinandergehen…..
Das Regelwerk zum Kirchenbeitrag ist komplex und mittlerweile digitalisiert in vielen IT-Programmen. Folgendes ist erwähnenswert:
Ab dem 90. Lebensjahr ist man jedenfalls vom Kirchenbeitrag befreit!!!!! (Eine wichtige und wirksame Waffe in Arbeitsgruppen für Wiedereintritte.)
Ich wusste auch nicht, dass dieses Hammer-Gesetz existiert.
Aber mein Pfarrer, dem ich jahrzehntelang ministrierte, transportierte mir mal die wirklich traurige Nachricht, dass unser alter Bürgermeister, nahe dem 100. Geburtstag, im Sterben lag. Um die Anekdote zur Anekdote zu machen, muss ich jetzt einwerfen, der Bürgermeister war einer der größten Agnostiker, Atheisten, Marxisten, die wir kannten und natürlich kurz nach dem 2. Weltkrieg ausgetreten. Ich kann mich erinnern, wie meine Großmutter, weit katholischer noch als ich, oft über den Bürgermeister schimpfte. Um 1972 hat er jede dunkelrote Linie überschritten, als er offen verlautbarte, er sei für die Verstaatlichung der Wälder in den Grenzregionen Steiermark/Kärnten/Oberösterreich. Verstaatlichung der bäuerlichen Wälder, das war fast das Schlimmste, was man damals hätte sagen können.
Wie gut, dass diese alten Katholikinnen nicht alles der Gegenwart miterleben müssen (ich meine EU, AMA etc.).
Und mit der Regel, die nicht alle kannten, gelang es dem schlauen Pfarrer, wirklich wie bei Don Camillo und Pepone, den Bürgermeister zum Wiedereintritt zu motivieren, die Ehefrau des BM unterstütze alles. Das ist wahr!!! Er durchlief dann die Krankensalbung und bekam vom selbigen Pfarrer eine Erdbestattung mit allen liturgischen Würden eines katholischen Begräbnisses. Mich hat diese Sache, es ist keine drei Jahre Jahr, extrem berührt.
Diese Beerdigung war ein Zeugnis gelebter Barmherzigkeit und Versöhnung und zeugt vom guten Katholizismus wie es sein soll. Vor allem am Land.
Übrigens mit ich mit dem alten Pfarrer aus traditionalistischem Ministranten-Gehabe immer per Sie geblieben. Unter Laien ist das gerne anders.
Gerne würde ich mal nach Oberösterreich wandern. Ich empfehle zu den Bergen der Steiermark und Kärnten den folgenden alten Roman, und zu dieser Heiligen kann ich immer was referieren, sofern ich wohin eingeladen bin (im Buch steht das wesentliche, vor allem im Anhang). Passt in jede Bibelrunde, vor allem, wenn es um die heiligen Frauen im Mittelalter geht, deren Einfluss man nicht unterschätzen sollte
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