Spiritualität ist was für Sucher, Religion etwas für Finder. Ein harter Spruch, den ich in einem Buch über neue Formen des Lebens von Glauben gefunden habe. Der Autor will damit sagen, dass es ihm scheint, dass viele Formen von dem, was wir mit dem Sammelbegriff Spiritualität bezeichnen, um die Person selbst kreisen. Das Suchen löst sich von Willen, etwas zu finden und wird Selbstzweck.
Das ist natürlich in seiner Allgemeinheit grob unfair, aber es zeigt eine Gefahr der Suche: Die Suche selber wird zum Ziel. Für einige Tage war ich unterwegs und hatte eine Diskussion genau zu diesem Punkt. Wir benutzten das Wort ‚Spiritualität‘ ganz selbstverständlich, meistens meint es eine Geisteshaltung, die mit der Suche nach Gott in meinem Leben zu tun hat. Und da hat das Wort auch seinen Sinn und Zweck.
In meinem elektronischen Zettelkasten habe ich dann aber bei der Rückfahrt einen kurzen Text des großen Hans Konrad Zander gefunden, veröffentlicht in der FAS im August 2011:
„Buddha beginnt sein Auftreten mit 7 Jahren Meditation, bevor er die Erleuchtung bekommt. Auch viele Jünger und Jüngerinnen Jesu meditieren.
In Jesu Leben aber überstürzen sich die Ereignisse, nur 40 Tage der Meditation, dann geht es los, hin und her, kreuz und quer. Jesus hatte keine Zeit. Am deutlichsten wird das bei Markus, der dauernd die griechischen Worte euthys und kai verwenden, „sogleich/augenblicklich“ und „und“.
„Stilleben um Buddha, Drama um Jesus Christus. Und Streit“. Jesus war einer, der keine Zeit hatte, sich in sich selbst zu versenken, er tat und litt. Und wer sein Jünger sein will, folge nach.“
Nur so ein Gedanke.
Auch nur so ein Gedanke:
„Meditieren kann ich, wenn ich tot bin“ ( nach R.W. Fassbinder)
hier und jetzt habe ich keine Zeit , um mich in mich zu versenken. Wozu, um zu mir zu finden? Leben ist was anderes, es muß zum Anderen führen, sonst ist es sinnlos.
Noch ein Gedanke: Wer meditiert, findet den Anderen möglicherweise schneller.
Für mich ein sehr hilfreicher Gedanke. Ich habe mich oft gefragt, wie der Heilige Geist die Protagonisten asiatischer Religionen so „foppen“ konnte, dass sie zwar in ethischer Hinsicht durchaus Gedanken hervorbrachten, die man mit christlicher Ethik vergleichen kann, aber dies ohne einen Gott oder zumindest ohne einen persönlichen Gott zu erkennen. Und dass nach „sieben“ Jahren Meditation.
Alles ist Gnade. Und für die muss man sich öffnen, also nicht um sich selbst kreisen. Ich weiß nicht, ob dies die Antwort ist, aber in jedem Fall ein interessanter Gedanke. Vielen Dank !
Ein Buchtipp zur Vertiefung: ‚Indienfahrt eines Psychiaters‘ von Medard Boss;
„Der Dank gilt der unschätzbaren Gegengabe an reifer Menschlichkeit und überlegter Geistigkeit, die uns die Überlieferung des Ostens für unser westliches Geschenk der Technik bereit hält.“ Medard Boss (verstorben A.D.1990) im Vorwort zur ersten Auflage (1959)
bringt es gut auf den Punkt. Konnte mein vages Unbehagen mit dem Allerweltswort „Spiritualität“ bislang nicht schlüssig in Worte fassen. Aber der Verweis auf den Unterschied Buddha/Jesus trifft ganz und gar ins Schwarze.
Was ist dann aber mit der Kontemplation, die auch heute noch in manchen Klöstern gepflegt wird?
Da fällt mir doch Raimon Panikkar ein:“ Ich bin als Christ nach Indien gegangen, ich habe mich als Hindu gefunden und kehre als Buddhist zurück, ohne doch aufgehört zu haben, ein Christ zu sein“. Und „Wer sein Leben liebt, wird es verlieren“ (Joh.12,25), weil dieses Leben Übergang ist, würde der Buddha sagen.
Für mich bedeutet eher der Begriff „Spiritualität“ bedingungsloses Wohlwollen, Mut, Liebe und Offenheit für alle, mit denen wir zu tun haben. (Und da ich Christin bin, ist Gott für mich immer der Beziehungspartner.) Das kann ich in der Meditation einüben oder auch im christlichen Beten erfahren. Apropo auch im Beten kann man sehr um sich selber kreisen.
Was sich in einem Zitat rasch als Fazit hinschreiben läßt, ist ein sehr schwierig zu gehender existenzieller Lebensweg, der alles andere als ein bloßer Synkretismus ist: https://www.youtube.com/watch?v=GAJiiCymdAA&feature=youtu.be
Sie geben selbst die Antwort: Sie haben als Bezugspunkt Gott. Fehlt dieser, so kreist man um sich selbst. Beim Gebet muss man Gott also ausblenden, zB im Buddhismus fehlt er von vorneherein.
Man kreist solange um sich selbst, wie man im s(ich) am ich festhält.
Und wie steht es mit dem Herzensgebet, besonders der Kontemplation nach Franz Jalics SJ?
Dann bin ich mal gespannt, ob diese Anfrage passieren kann…
Was heißt passieren?
Ich stolpere gleich über den ersten Satz: Manche „Finder“ jagen mir mehr Schauer, und keinen heiligen Schauer ein als die meisten Sucher. Denn allzu oft erweist sich das Gefundene als eine Karikatur von Religion, manchmal sogar als richtige Pathologie. Das Ergebnis ist nicht zu selten ein anthropomorpher, auf die menschliche Dimension reduzierter Gott, ein zum Instrument politischer Herrschaft verkommener Glaube und damit letztlich eine Blasphemie.
Natürlich entspricht eine reine „Innerlichkeit“ ohne Bezug zur Welt und zum Mitmenschen nicht dem, was Jesus vorgelebt hat. Allerdings ist ein Jesus ohne die 40 Tage in der Wüste, ohne Transfiguration, ohne leidende Betrachtung (contemplari) im Garten Gethsemani auch ein recht unbiblischer Jesus.
Die von Ihnen „Finder“ genannten sind wohl eher „Macher“ Gottes nach dem eigenen Gottesbild, die also auch die Verschlossenen, die um sich selbst kreisen, so dass der Heilige Geist sie nicht (vollständig) erreichen kann,
Das glaube ich nicht. Natürlich ist „Finder“ ein völlig überzogener Begriff, aber er weist in eine Richtung. Macher Gottes sein zu wollen ist die Versuchung oder Schwäche, auf jeden Fall, aber es ist nicht dasselbe.
Lieber Pater Hagenkord, nur falls ein Missverständnis vorliegt:
Der „Finder“ meines Kommentars ist nicht mit dem Ihres Beitrages zu verwechseln, sondern bezieht sich auf den Kommentar bernardos, der diese „Finder“ meint: Zitat: „Manche “Finder” jagen mir mehr Schauer, und keinen heiligen Schauer ein als die meisten Sucher. Denn allzu oft erweist sich das Gefundene als eine Karikatur von Religion, manchmal sogar als richtige Pathologie.“
Das habe ich schon verstanden, aber mir lag daran, nicht zu viele Bedeutungen des einen Begriffs herumschwirren zu lassen. Und außerdem ist die Gefahr der Versuchung real.
Unsortierte Gedanken
Spiritualität ist leider so ein auf alles passende oder nicht passende Modewort geworden. Besonders beliebt in Kreisen der selbstgebastelten Religionen, hier ein bisschen Buddhismus, ein bisschen Anthroposophen und am Schluss drei Gramm Hildegard von Bingen. Es wird sehr oft eben nicht im Kontext einer „Geisteshaltung, die mit der Suche nach Gott in meinem Leben“ zu tun hat angewandt, aber mit dem Kreisen um sich selbst, auf sich selbst bezogen. Jesus lebt uns im Evangelium vor was zu tun ist: Meditation, Kontemplation JA, aber dann raus ins „Leben“ bewegen, verändern, lieben, leiden mit ihm in seiner Nachfolge. Das ist ein wichtiger Punkt seiner Botschaft. So sehr wie ich froh über unsere rein kontemplativen Orden bin – mir fallen das besonders unsere Rosa Schwestern ein – ich freue mich ein bisschen mehr über Kontemplation und Aktion (hier fallen mir die Jesuiten ein). Spiritualität als Suche nach Gott und Quelle der Kraft für das Tun mit Gott…….in des Wortes bester Bedeutung
Spiritualität ist zunächst die grundlegende Einsicht und Haltung, dass man sich (mit allen Fähigkeiten und Unfähigkeiten) nicht selber verdankt und unabhängig von einer bestimmten Religion. Alles weitere ist konkrete, kulturell-historische Ausformung, die sowohl in ein rein kontemplatives oder helfend-aktives Leben münden kann, jedoch bisweilen unverstanden, selbstverliebt oder eigensüchtig auch schillernde Züge annimmt und den Bezug auf die Grundeinsicht verstellt.