Zugegeben, ich lerne gerne von den USA, positiv wie negativ. Es ist ein mir völlig fremdes Land, ich war nie dort und auch das demokratische System – vom Wahlrecht bis zu den Extremismen, die sich erst unlängst wieder im Kandidaten Santorum gezeigt haben – finde ich manchmal befremdlich. Aber die USA schätzen ihre Freiheiten. Und im Umgang mit Freiheit kann man was lernen.
Die katholischen Bischöfe der USA sehen eine der Freiheiten, nämlich die Religionsfreiheit, in Gefahr. Die Gesundheitsreform von Präsident Obama sieht vor, dass alle Arbeitgeber sich an der Bezahlung der Gesundheitsversorgung beteiligen. Soweit, so gut, das gibt es auch hier. Das gibt es hier sogar schon viel länger, die Freiheitsliebe der US-Amerikaner ging bisher soweit, dass keine Sozialversicherung und keine Krankheitsversicherung gewollt war, es gab wüste Proteste in der Öffentlichkeit und schwere parlamentarische Hürden, als Obama eine sehr abgespeckte Version eingeführt hat, Präsident Clinton und andere vor ihm war noch daran gescheitert.
Die Gesundheitsversorgung umfasst aber auch das Bezahlen von Abtreibungen etc., also von Maßnahmen, die Katholiken ablehnen. Auch darf die Flüchtlingshilfe der Kirche nicht mehr weiterarbeiten wie bisher, weil die Regierung verlangt, dass sie auf künstliche Verhütung und Abtreibung hinweisen, was klar gegen die Lehre und den Glauben der Katholiken verstößt.
Hier werde die Religionsfreiheit verletzt, sagt die Kirche in den USA. Wenn der Preis für gesellschaftliches Engagement und das Aufbauen von Institutionen der ist, dass man eigene Überzeugungen und Glauben aufgeben muss, dann bedeutet das einen Schaden für die Religionsfreiheit.
Die Vergötzung der Freiheit des Bürgers um den Preis, dass sie ins Loch fallen, weil sie keine Gesundheits- oder Sozialversicherung haben, stößt mich ab. Freiheit hat mit Verantwortung zu tun, auch mit der Verantwortung einer ganzen Gemeinschaft, und daraus kann man sich nicht davonstehlen. Sozialversicherung und Krankenversicherung sind ein gesellschaftlicher Fortschritt, der Freiheit vermehrt, nicht wegnimmt. Das zum Ersten.
Zweitens gilt aber auch: Religionsfreiheit ist ein schwaches Gut. Weil man sie als Privatsache wegdefiniert, ist sie die am einfachsten zu verletzende Freiheit. Es sind meistens die kleinen Sachen: Eine Universität schließt eine Studentengruppe, weil sie verlangt, dass die Leitung von Katholiken wahrgenommen wird, was für eine katholische Gruppe nicht wirklich außergewöhnlich sein sollte.
Dahinter liegt die Uminterpretation von Religionsfreiheit. Man will Religionsfreiheit auf Freiheit zur Religionsausübung reduzieren. Raus aus der Gesellschaft, rein in die Kirchen und da soll sie auch bleiben. Der Glaube soll im öffentlichen Leben nur noch dann vorkommen dürfen, wenn er so ist, wie alles andere auch. Keine eigenen Eigenschaften, Überzeugungen, Freiheiten.
„Bei Religionsfreiheit geht es nicht nur darum, Sonntags zur Messe gehen zu können oder zu Hause den Rosenkranz zu beten. Es geht darum, ob wir unseren Beitrag zum Gemeinwohl aller Amerikaner leisten können,” so die katholischen US-Bischöfe. “Dies ist kein katholisches Anliegen. Dies ist kein jüdisches Anliegen. Dies ist kein orthodoxes, mormonisches oder islamisches Anliegen. Es ist ein amerikanisches Anliegen,“
Und bei dem Einfluss, denn die Kultur der USA auf uns haben, möchte ich vorsichtig anfügen: Das gilt auch für uns.
Die Freiheiten der Amerikaner hören beim nächsten Krieg immer auf. Wo man dann gerne für sein Vaterland stirbt.Und als Veteran sehr alt aussieht.Das Thema Religion ist Privatsache, haben wir in unserem Erzbistum seit der Pro Reli Debatte..was mich als Wessi erstmal sprachlos gemacht hat. Dass dann alles andere ebenso als Privatsache bezeichnet werden kann..sehen die Religionsgegner nicht ein. Kirchen in den U.S.A. sind etwas anders als beí uns, ich denke da an die lautstarken..Gruppen.Die haben wir noch nicht so.Hinter dieser Vorstellung, dass Kirchenglocken und Religiöse sich geschlossen halten sollen, möglichst in Hinterhöfen sich treffen, steckt eine Menge Angst und ebenso viel Nichtwissen, denn in Hinterhöfen kann man gefährlich werden. Staatlich beobachteter Religionsunterricht in Berliner Schulen wäre eine ebsno gute Kotrolle von den Seiten, die sich fürchten. Vor Gehirnwäsche und sonstwas. …Die fehlenden Krankenversicherungen passen sehr gut zum hire-and-fire-Prinzip in Amerika.
Ein schwieriges Thema, das mich beschäftigt seit Radio Vatikan Anfang des Jahres eine lange Abendsendung dazu gemacht hat. Derzeit scheint es so, als würde von den US-Bischöfen Religionsfreiheit gegen Nächstenliebe aufgerechnet werden.
Vor zwei Jahren haben die Bischöfe ja noch für Sozial- und Krankenversicherung geworben und erst als ihnen aufgefallen ist, dass Arbeitgeber neben Arztbesuchen, Krebs-OPs und Rückenkursen seiner Angestellten auch Abtreibungen mitfinanzieren müsste. Statt die beiden Versicherungen komplett abzulehnen sollten die Oberhirten sich darum kümmern, dass Abtreibungen eben von den Patientinnen allein bezahlt werden müssen. Sie lehnen ja auch nicht die Metallindustrie ab, von der die Waffenproduktion ein Teil ist…
Was die Einschränkungen der Religionsfreiheit angeht, muss man natürlich vorsichtig sein. Anders als in Großbritannien, ist man in den USA (wo die Homo-Ehe in den meisten Bundesstaaten verboten ist) wohl noch weit davon entfernt, dass katholische Adoptionsstellen schließen müssen, aber dass der Kirche in manchen Staaten die seelsorgerliche und karitative Betreuung von Flüchtlingen bereits verboten wurde, ist heftig. Gerade für die USA, deren Bürger ihren christlichen Glauben viel offener als wir Europäer zeigen, wäre das eine bedenkliche Tendenz der Politik. – Das Thema wird uns wahrscheinlich noch länger beschäftigen.