Die Weltmacht Kirche wird seid vier Jahren von einem Populisten geleitet: der Wiener Journalist Hans Winkler macht sehr klar, wie er die Dinge sieht. Und damit kein Zweifel aufkommt: Trump wird als Vergleich herbei gezogen.
Es war ein Artikel in der Zeitung Die Presse, in der Winkler seine Sicht der Dinge darlegte, es gab eine Menge Aufsehen und viel Reaktion. Abgesehen davon, dass der Vorwurf des Populismus nur durch die Nennung des Namens Trump charakterisiert wird und ansonsten keinerlei Verständnis für dieses doch sehr komplexe Phänomen gezeigt wird, finde ich die dort geäußerten Vorwürfe dann doch lesenswert, weil charakteristisch. Kritik ist gut und wichtig, meistens sehen Kritiker Dinge, die begeisterte Fans nicht sehen.
Außerdem hat es ja Tradition, dass um den Jahrestag der Wahl herum ein dicker Kritik-Artikel veröffentlicht wird. Nehmen wir uns also diesen Artikel einmal vor.
Sich selber im Zentrum
Kritikpunkt Eins ist die Missachtung des Rechtes im Namen einer selbst definierten Gerechtigkeit.
An die Stelle des Rechts setzt er den Entscheider und eine Unmittelbarkeit zu den Menschen. Das ist zunächst einmal richtig beobachtet, wenn ich auch die Wertungen der Beobachtung nicht teile. Dass der Papst vor allem auf eigene Entscheidungen setzt und nicht auf die Abläufe im Apparat, ist offensichtlich. Das mag man gut finden oder nicht, da es aber beim Vatika nicht um einen Selbstzweck geht, sondern um einen Dienst an Kirche und vor allem Papst, darf das ja so sein.
Daraus aber schon eine Missachtung des Rechts zu folgern, überdehnt die Beobachtung. Das mag man vielleicht bei Trump feststellen, aber beim Papst? Und welches Recht bitte wird da überspielt?
Er spiele seine Unmittelbarkeit zu den Menschen aus gegen das Recht heißt, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Das eine ist noch kein Gegensatz zum zweiten, erst die Kritik versucht, daraus einen Gegensatz zu konstruieren.
Kritikpunkt Zwei ist der Umgang mit den Dubia, also den mittlerweile zu Referenzpunkten geronnenen Fragen von vier Kardinälen zum Lehrschreiben Amoris Laetitia. Nicht zu antworten sei unhöflich, außerdem würde kein anderer Chef einer Weltfirma so mit seinem Führungspersonal umgehen. “Stattdessen lässt er Unterläufel los”, meint der Autor zu wissen. Dass der Papst emotional und nicht rational agiere, weiß der Autor allerdings nur durch ein “wird erzählt” zu beweisen. Für so ein kantiges Stück ziemlich schwach.
Umgangsformen einer Weltfirma
Eine Leserreaktion in der Zeitung weist richtig darauf hin, dass der Vergleich mit dem Chef einer Weltfirma ziemlich hinkt. Jeder Chef einer Weltfirma hätte einen solchen Mitarbeiter gleich in die Wüste gejagt. Die Sitten sind da etwas rauer. Die Romantisierung der “Weltfirma” kommt ziemlich weltfremd daher, Chefs von Weltfirmen gehen ganz anders mit ihrem Personal um.
Und was die Höflichkeit angeht: die auf einfache Ja-Nein Dialektik herunter gezwungenen Sachverhalte sind eben mehr als nur Fragen, sie sind auch der Versuch, Druck auszuüben. Hier mit dem Höflichkeitsargument zu kommen, klingt schon sehr merkwürdig.
Kritikpunkt Drei ist die Inkonsequenz: “Allen Beteuerungen von Kollegialität zum Trotz entscheidet der Papst ja durchaus autoritär”: Beweis ist der Hinweis auf den Jurisdiktionsprimat des Ersten Vatikanums zum Abschluss der Bischofssynode 2014. Und das wird dann auch gleich ausgeweitet auf Urteile un Umweltschutz und Ökonomie, wo er doch eigentlich in Sachen Glauben und Moral urteilen sollte, was er aber nicht tut.
Zum einen muss man sagen, dass zum Beispiel sein Sprechen über Umweltfragen – Sorge für die Schöpfung ist für einen Christen nicht optional – und über Themen wie Klimaerwärmung von der Wissenschaft sehr positiv aufgenommen wurde, bis hinein in jüngste Veröffentlichungen. Die Daten, die er für seine Sozialenzyklika verwendet, haben offenbar Hand und Fuß. Die hat er ja auch nicht selber erhoben, sondern er hat wie er selber gesagt hat Einsichten der Fachleute genutzt. So soll das ja auch sein. Das ist eben eine Glaubens- und Moralfrage.
Glaubens- und Moralfrage
Ähnliches gilt für die Wirtschaft. Die Trennung von Glaube und Moral hier, Schöpfung und Gerechtigkeit da (um es theologisch zu formulieren) klingt überhaupt sehr schräg. Vielleicht ist sie ja sogar verräterisch. Da erkennt man beim Journalisten ein Verständnis von Theologie, was sehr selektiv ist. Und theologisch-wissenschaftlich nicht gedeckt.
Und was das Zitat aus dem Ersten Vatikanum angeht: Der Papst hat das angeführt, um eine Garantie für die Einheit zu geben. Er wollte Offenheit auch in den Debatten, und da alle Debatten der Synode ja beratend sind, hat der Beratende gesagt, dass er dafür sorgen werde, dass die Einheit gewahrt bleibe. Was ja ganz schlicht auch in der Job-description für einen Papst steht.
Das, was der Autor hier “autoritär” nennt, ist ein Teil der Kollegialität.
Reform oder nicht Reform
Kritikpunkt Vier ist das Desinteresse an Reform: Der Papst regiere lieber per Dekret denn per strukturell abgesicherter Reform. Beweis ist ausgerechnet die Reform der Bischofsbestellungen, also die Tatsache, dass Innsbruck so lange ohne Bischof ist, wenn man die Dinge mal beim Namen nennt.
Dabei ist doch gerade das die Ausnahme. Nur in deutschsprachigen Ländern dauert das so lange, was an den Konkordaten liget, die ein komplexes Verfahren unter Einbeziehung der Ortskirchen etabliert haben. Würde das durch ue Konkordat an die Situation der Weltkirche angeglichen, dann würde jede Mitsprache der Ortskirche bei der Bestellung wegfallen. Nicht wirklich die strukturelll abgesicherte Reform, die Winkler sich wünscht.
Das Beispiel hilft also nicht wirklich, den Vorwurf zu erhärten. Und der hängt deswegen in der Luft.
Und zum Schluss Amoris Laetitia
Kritikpunkt Fünf ist die systematisch betriebene Unklarheit, siehe Amoris Laetitia. Jeder könne heraus lesen, was er wolle, das sei wohl absichtlich genau so formuliert. “Es läuft darauf hinaus, dass die Bischöfe ihre eigene Lehre über Ehe und Sakramente wählen müssen”, was Winkler dann mit dem Zitat aus Evangelii Gaudium karrikiert, das sei “heilsame Dezentralisierung”.
Da kommt leider ein Verständnis von Lehre der Kirche zum Vorschein, das leider immer noch sehr verbreitet ist, vor allem im klassischen “Westen” der Welt. Die einen fragen, was verboten ist und bleibt, und die anderen fragen, was denn endlich erlaubt ist. Lehre wird an dürfen und müssen festgemacht, ein dynamisches Verstehen dessen, was der Papst intendiert, vielleicht ohne gleich schon das Ergebnis vorweg zu nehmen, kann da nicht vor kommen.
Ich bin überzeugt davon, dass es eben nicht die Intention und auch nicht der Geist des Textes ist, absichtlich unklar zu formulieren. Aber es ist Absicht, auf pastorale Fragen nicht mit Paragraphen zu antworten, sondern mit Nachdenken und mit Antworten, nicht Autorität daher kommen, um einen vorher gemachten Vorwurf gegen den Papst noch einmal aufzugreifen.
Wenn man böse wäre könnte man sagen, hier ist er mal nicht autoritär und dann ist das auch wieder nicht richtig.
Dass Kritik ausgesprochen wird, ist wichtig. Sich damit ins Kämmerlein zu verziehen, wäre falsch. So gesehen ist das ein Artike, der sehr viel sichtbar macht und debattier bar. Nur leider, in meiner bescheidenen Meinung, treffen die Vorwürfe nicht. Mal wieder nicht.
Papst bei Pfarreibesuch: Geschwätz ist wie Terrorismus
https://www.youtube.com/watch?v=hYFRek6RM98
Laudato Si ist ein Zeugnis für die Weisheit dieses Papstes und damit auch der Kirche, das ist nicht das einzige Schriftstück, dessen Inhalt von Güte zeugt ohne sie von anderen zu fordern. Es liegt eher der Wunsch danach in den Formulierungen, um auch die Menschen damit zu erreichen, deren Lösungen für einen hochkomplexen Sachverhalt “Mensch” sprechen können.
Ich denke, Personen, die ihre Ansichten öffentlich preisgeben sollten sich sicher darüber sein, dass sie sich selbst als Menschen repräsentieren und nicht nur persönliches Bildungsmaterial publizieren.
“Weil das Gewissen Menschen verändern kann, lohnt es sich, es ansprechen!”
Dieser Satz hat mich heute morgen angesprungen und ich finde dieses Gespräch zwischen Erny Gillen mit Christiane Florin passt gut, hier der Link.
http://www.deutschlandfunk.de/vier-jahre-papst-franziskus-seine-kritik-galt-dem-gewissen.886.de.html?dram:article_id=380918
Nein Papst Franziskus ist kein Populist, er stößt an, möchte Veränderung in unseren Herzen uns zum Tun bewirken. Bewegung keine Starre, zeigt er jeden Tag. Er ist ein großes Vorbild kein Populist.
Ich habe mich über Winklers Bericht geärgert und bin froh dass Pater Hagenkord ihn aufgreift.
Ich bin nicht wie Sie davon überzeugt, dass AL an manchen Stellen nicht absichtlich unklar ist. Aber ich bin davon überzeugt, dass die Absicht hinter der bewussten Unklarheit eine gute ist. Das reicht freilich nicht aus, damit etwas auch wirklich gut sei.
Meiner Ansicht nach zeigt sich im Text von Hrn. Winkler nicht nur sachlich Wahres und Falsches sondern auch das für den Kirchenkampf typische und treibende Misstrauen (sichtbar auch in einigen Einträgen und Kommentaren in diesem Blog). Alles, was aus diesem Geist kommt, wird für die Betreffenden nicht gerade Segen bringen.
Wer sich nicht am Kirchenkampf beteiligen will, sollte z.B. auch aufhören, die Veröffentlichung der Dubia als Druckmittel darzustellen. Ich denke, man kann den Kardinälen prinzipiell sehr wohl glauben, dass sie das aus Pflicht getan haben.
Ich bin den Kardinälen sehr dankbar für die Veröffentlichung der Dubia, ihre Schärfe und Klarheit war mir ein wirklich großer Trost. Sie als Sachverhalte herunterzwingende einfache Ja-Nein-Dialektik darzustellen, ist mir dagegen außerordentlich fremd. Die ganze Wirklichkeit lässt sich immer und grundsätzlich auf eine solche “einfache Ja-Nein-Dialektik” herunterzwingen (?) oder sie ist gar keine Wirklichkeit. Gerade wenn Sie Wittgenstein zustimmen, verstehe ich das “herunterzwingen” nicht. Etwas ist entweder der Fall oder es ist nicht der Fall. Tertium non datur.
Das hinter der Diskreditierung der Dubia liegende Misstrauen ist das Gegenstück zum Misstrauen, welches im Artikel von Hrn. Winkler durchklingt. Es macht hier wie da genauso blind. Und es ist hier und da im Endeffekt genauso schismatisch.
In einer Ehe würde eine solche aus Misstrauen entstandene und vermeintlich gerechtfertigte gegenseitige Ignoranz geradeaus zur Trennung führen, so wie sie es auch in der Kirche tut. Der aktuelle Zustand der Kirche ist ja bereits einer der Trennung unter gemeinsamem Dach.
Papst Franziskus sieht und spricht vom Herzen her und zwar in Hinblick auf das neue Gebot, welches uns Jesus gegeben hat. Wir werden nicht mehr nach unseren Werken, nach unserem “Bravsein” gerichtet, sondern nach der tätigen Liebe, wie Versöhnungsbereitschaft, Erbarmen mit den Ärmsten, Hinwendung zu den Fernstehenden, Verzicht auf Rechtfertigung, Freundlichkeit zu allen Menschen, Rückführung der von der Kirche abgestempelten “Außenseitern” zur Einheit mit Christus. Jesus ist das Brot, das Leben für den Aufbau und den Erhalt der neuen Schöpfung, die wir bei der Taufe empfangen haben. Dieses Brot zu verwehren gestattet wahre Liebe nicht. Sonst wäre Jesus nicht für uns gestorben, wäre er nicht zum Brot des Lebens für uns geworden. Gebote sind wichtig, doch die Erfüllung ist das neue Gebot, dann sind die Gebote mit Leben erfüllt und führen in die richtige Richtung. Wer an Geboten klebt und hat die Liebe nicht, sieht nicht das, was Menschen für ihr Heil brauchen.