„Ich weiß es nicht”: Ein erstaunlicher Satz in einem päpstlichen Dokument, zumal einem mit lehramtlichen Charakter. Es stammt aus dem an diesem Dienstag vorgestellten postsynodalen Schreiben zu Jugend und Berufung. Papst Franziskus hat die Anregungen aus dem vergangenen Oktober aufgenommen und einen eigenen Text gemacht, was der Papst zum Thema Jugend denkt.
Papst zum Thema Jugend
Den Inhalt mag ich hier nicht wiedergeben, das findet sich wunderbar auf unserer Webseite. Hier möchte ich aber kurz meine eigenen und ganz persönlichen Eindrücke wiedergebenm weniger dazu was der Papst zum Thema Jugend genau sagt, mehr über das Synodengeschehen als solches.
Die Jugendsynode war insgesamt meine sechste Synode. 2009 habe ich angefangen, damals war das Thema die Kirche in Afrika, eine Sonderversammlung. Seitdem hat sich viel getan, die Synoden haben sich sehr verändert.
Ein Kardinal-Synodenteilnehmer, der einige Synoden mehr mitgemacht hat als ich, hat mir diese Entwicklung bestätigt. Nein besser noch: durch ihn habe ich überhaupt erst begonnen, die Synoden als solche zu betrachten, nicht als Einzelevents. Und er hat recht, es ist alles viel offener im Gespräch geworden, schon allein die Ausweitung der Sprachgruppen-Arbeit hat genau das zur Folge gehabt.
Die Teilnehmer reden mehr miteinander als nur aufeinander ein. Eine Synode ist nicht mehr eine Abfolge von Redebeiträgen, die mehr oder weniger aufeinander Bezug nehmen. Da steckt viel mehr Kommunikation drin.
Es wird mehr miteinander geredet
Ein anderer Kardinal-Synodenteilnehmer mit ebenfalls langer, langer Erfahrung hat mir in einer Pause mal anvertraut, er habe noch nie so freie Synoden erlebt. Auf Nachfrage was er meinte sagte er mir, früher sei das alles viel stärker vorgeprägt gewesen. Dieser Kardinal wird gerne mit dem Attribut „konservativ“ bezeichnet, was ich hier anfüge um den immer wieder angeführten Narrativ, Franziskus habe begonnen die Synoden zu manipulieren, entgegen zu treten. Dem ist nicht so, sagen auch nicht als Papst-Freunde eingeschubladete Teilnehmer.
Die Erfahrungen und kulturellen Prägungen können freier zum Zuge kommen und besser ausgedrückt werden, die Internationalität der Weltkirche hat besser Platz gefunden, das ist mein erster Punkt, den auch in meiner Zeit hier in Rom schon habe wahrnehmen können.
Zweitens: Synoden sind Text-Produktions-Maschinen. Am Anfang steht ein Vorbereitungstext, auf Basis dessen wird das Instrumentum Laboris entworfen, daran arbeitet sich die Synode ab stimmt Textabschnitte ab und schließlich schreibt der Papst sein Schlussdokument.
Text-Produktions-Maschine
Das geht nur in einer Kultur die glaubt, dass das gedruckte Wort mit Fußnoten versehen das die höchste aller Kommunikationsformen ist. Die Textlastigkeit gibt es immer noch, und wer schon einmal mit Gruppen von über 100 Menschen Textarbeit gemacht hat, der weiß wovon ich schreibe.
Aber die Welt wird nicht durch Dokumente gerettet. Und deswegen kann man auch sehen, dass die Kommunikation weiter geworden ist. Texte sind immer noch Basis und Rückgrat, aber die Kommunikation findet rundum statt.
Es ist immer noch Bischofssynode, ein Treffen von Bischöfen zu denen Fachleute eingeladen sind. Aber die Öffentlichkeit ist viel mehr durch Debatten dabei. Und das hat sich meiner Wahrnehmung nach auch in den Debatten ausgewirkt.
Der Papst ersetzt nicht mehr die Debatte
Mein dritter Punkt hängt mit dem zweiten zusammen und mit dem Anlass für diesen Text: Die Papsttexte sind anders geworden. Das postsynodale Schreiben ersetzt nicht mehr die Debatten davor. Der Prozess ist nicht mehr linear in dem Sinn, dass der jeweils jüngste Text die älteren ersetzt.
Oder vielleicht drückt es das besser aus: Der Papsttext zum Abschluss ersetzt nicht mehr die Debatten und Texte davor. Er trägt seinen Teil bei, einen lehramtlichen Teil, das macht aber nichts ungültig oder unwichtig. Gerade bei diesem Synodendokument ist das besonders deutlich, wie ich finde. Ich will da nicht gleich mit dem sperrigen Begriff der Synodalität kommen, aber es geht in diese Richtung. Dieser Papst hat den Modus der Synoden geändert, und das bekommt ihnen sehr gut.
Wenn ich dazu Metaphern aus dem Bereich Jugend nehmen sollte, würde ich sagen dass die Synode erwachsen wird. Sie ist und bleibt ein Beratungsgremium für den Papst. Aber darüber hinaus findet sich hier die Leitung der Kirche zusammen und berät, kontrovers und offen, und das hat in sich auch seinen Wert.
„Ich weiß es nicht”
Noch einmal zurück zum eingangs zitierten Satz, „Ich weiß es nicht”. Hier zeigt sich nicht etwa mangelndes Wissen oder gottbewahre ein schräger Umgang mit dem Lehramt. Hier zeigt sich eine Grundüberzeugung des Papstes, nämlich dass die Wirklichkeit wichtiger ist als die Idee. Er kann einfach nicht alle Situationen kennen, in denen junge Menschen sich befinden. Die Kulturen, die gesellschaftlichen Zwänge und Freiheiten, all das ist viel zu unterschiedlich um es alles zu kennen. Das wäre kein Lehrschreiben sondern ein Lexikon geworden, wollte er darüber schreiben.
Also ist dieser Satz ein Signal: wendet es an. Nehmt was die Kirche anbietet und wendet es vor Ort an. Was der Papst zum Thema Jugend schreibt ist kein Lehrbuch, sondern sind Reflexionen und Gedanken, die in die Wirklichkeit hinein wollen. Nur ein Dokument in den Händen zu haben reicht nicht.
„Ich weiß es nicht” – das sollte eigentlich einem/einer Katholiken/in ins Stammbuch geschrieben sein, wenn es um die Frage geht, wer oder was Gott ist. Egal ob Augustinus‘ „si comprehendis, non est deus“ (wenn Du ihn/es begreifst, ist es nicht Gott“ oder Anselms „maius quam cogitari potest“ (er ist größer, als man ihn sich denken kann) oder die berühmte Definition des 4. Laterankonzils, dass jede menschliche Aussage über Gott unzureichend ist: Wenn schon Gott so groß ist, dann steht auch der Rest der Lehre immer unter dem Vorbehalt der Analogie und zwar deswegen, weil diese Lehre immer auch mit Gott zu tun hat.
Das erinnert mich an meinen Religionslehrer, der leider schon verstorben ist. Immer hat er gepredigt: „Christus hat den Jüngern nicht gesagt ‚Gehet hin und schreibet allen Menschen‘ sondern ‚Gehet hin und lehret alle Menschen'“.
Lehrer wissen, was das bedeutet 🙂
Ich hoffe, Ihr Religionslehrer hat nicht gepredigt, sondern unterrichtet.
Beides. Er war auch Priester 🙂
Eine Predigt hat im Religionsunterricht nichts verloren, ja ist sogar gegebenenfalls verboten.
Gepredigt hat er ja auch in der Kirche und nicht im Unterricht 🙂
Ich finde das lustig, wie man durch Spitzfindigkeiten jeder Situation den Humor rauben kann.