Drei Ausstellungen, Teil 2
Es sind Szenen, wie wir sie eigentlich täglich auf der Straße sehen: Obdachlose Menschen, unter Pappe, in alten und zerrissenen Sachen. Aber wenn sie übergroß und sehr bunt im Eingangssaal einer Ausstellung hängen, als Fotografie und Portrait, dann ist da dann doch mehr.
Auf der Straße schauen wir normalerweise weg oder verschämt irgendwie drüber hinweg, wir umgehen diese Szenen. Andres Serrano, seit Jahren einer der Stars der Fotografie-Szene, zeigt uns diese Menschen direkt und wir schauen hin. Jedenfalls wenn wir uns die Ausstellung im Amsterdamer Huis Marseille ansehen.
Andres Serrano
Man sieht auf den Bildern nicht vor allem Armut, von der wir uns irgendwie abgrenzen müssten. Wir sehen Menschen.
Es sind keine schönen Bilder, aber sie erzählen Geschichten. Von Menschen. Von Würde. Die Bilder sind auch nicht plakativ oder appellativ, moralisierend. Die Bilder sentimentalisieren nicht und gaukeln uns eine heilere Welt vor.
Eine Serie, die dort in der Ausstellung zu sehen ist, heißt „Residents of New York“. Ganz bewusst sieht und zeigt Serrano die Obdachlosen als Bewohner der Stadt, nicht als Fremdkörper.
Eine andere Serie heißt „Nomaden“, er vermeidet die Definition, die ich hier verwendet habe, nämlich ‚Obdachlos’. Er will nicht Menschen negativ definieren, über etwas was sie nicht haben. Sondern positiv, als Bewohner, als Menschen mit eigener Lebensweise, ob die nun freiwillig gewählt ist oder nicht.
Bewohner und Nomaden
Anschließend an die Fotos hat Serrano den Residents und Nomaden dann ihre Pappschilder abgekauft. Sie wissen schon, wo drauf steht warum sie jetzt Geld brauchen oder Hilfe. Und auch diese Schilder sind in der Ausstellung zu sehen, eine ganze Wand voll. Traurig oder witzig sind die und in der Menge und Enge ungewöhnlich. Aber auch sie gehören zu den Geschichten, welche von den Fotos erzählt werden. Geschichten für den, der sie denn sehen will.
Die Ausstellung beginnt mit Fotos von Obdachlosen, und sie endet auch mit solchen Fotos. Dazwischen gibt es aber noch allerlei anderes aus dem Werk von Serrano zu sehen. Er schaut zum Beispiel auf christliche Ikonographie, zeigt gläubige Menschen und Kirchen. Serrano ist katholisch geprägt, das merkt man auch seinen Bildern irgendwie an, da ist immer auch der Respekt vor dem Glauben im Bild.
„Revealing reality“ heißt die Ausstellung. Dass wir uns Realität schonreden oder schönsehen, dass wir sie nicht wirklich sehen wollen, das ist normal. Ob das nun bei Nomaden ist oder anderen Bereichen des Lebens. Serrano richtet seine Kamera darauf, kunstvoll, respektvoll. Und – wenn wir denn schauen – lernen zu sehen, was um uns herum so alles zu sehen ist.
Noch bis zum 3. September in Amsterdam zu sehen.
Auf die Perspektive kommt es an. Menschen sehen Menschen. Der Blick macht es aus.
Ja, in meiner Heimat Nr. 1 klappt die Grundversorgung dee Obdachlosen ziemlich gut, wie ich mal gehört habe, hier sollen sogar Obdachlose aus anderen Städten wo es nicht so klappt herkommen. Ich habe natürlich einen gewissen Verdacht welche Gegend wohl zu geizig ist sich um die Obdachlosen zu kümmern.
Aber das allein reicht nicht. Es wäre besser wenn wir den Mut hätten, die Obdachlosen wirklich zu integrieren. In Sportvereine, Brettspielerrunden….
Das dürfte wohl noch mehr weh tun als der Hunger: Dieses Ausgegrenztsein! Irgendwann nurnoch Freunde in der Obdachlosenszene, wenn überhaupt! Man sieht die anderen ihr Leben leben, ist aber selbst von allem ausgeschlossen! Und dann weiß man nix mehr mit sich anzufangen außer Alkohol.
Ja, wir dürfen nicht so geizig sein. Wenn jeder die Hälfte von dem was er hat, abgibt, werden auch alle Obdachlosen ein auskömmliches Leben haben.
Vielleicht ist es ja genau umgekehrt und Obdachlose tragen das Leben Gottes, von dem sich die selbst ausschließen, die meinen das Maß aller Dinge läge auf ihren Schultern?!
Jesus fühlt mit den Obdachlosen, denn “die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester, aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.”
Und die Zahl der Obdachlosen steigt von Jahr zu Jahr.
2016 waren 335.000 Menschen in Deutschland wohnungslos.
Das sind bereits 90.000 mehr als noch 2010.
Abzüge des Fotografen Serrano werden zu Priesen bis 10.000 Euro
gehandelt. Bleibt zu hoffen, dass er die Erträge mit den
Menschen seiner Aufnahmen gerecht teilt. Von 8 Euro Eintrittsgeld
wie zur Ausstellung muss so mancher Obdachlose einige Tage leben.
Aber er erzählt – zeigt – ihre Geschichten. Ihre Würde. Das Reduzieren auf Zahlen und das Moralisieren (er muss teilen) wird dem nicht gerecht, finde ich.
„Reicher Mann und armer Mann standen da und sah’n sich an, und der Arme sagte bleich: ‚Wär ich nicht arm wärst du nicht reich.’“
Bertolt Brecht
Danke für den Brecht, er ist immer eine Lektüre wert. Trotzdem verstehe ich nicht ganz den Sinn dieser Erwiderung. Oder sollte es keine Erwiderung sein?
Bert Brecht war ein Kommunist. Deshalb hat er auch so einen Unfug geschrieben. Niemand ist arm, weil ich arbeite und etwas leiste.
Liebe Sabine, das ist vielleicht etwas zu schlicht. Sowohl die Reduzierung eines Schriftstellers auf zwei Attribute, noch Ihr zweiter Kommentar. Natürlich ist niemand arm, weil Sie etwas leisten. Aber das ist auch gar nicht die Aussage von Brecht. Hier geht es um das System der Verteilung. Es gibt einen Reichtum in der Welt, der darauf beruht, das andere arm sind und bleiben. Theologisch wird das in der Frage der “strukturellen Sünde” verhandelt.
O.k. Das habe ich verstanden. Wenn mein Nachbar faul ist und ich fleißig bin, dann ist das in Ordnung, wenn ich nachher reich bin und er arm.
Aber was meinen Sie mit dem System der Verteilung? Meinen Sie den Unterschied im Reichtum zwischen ganzen Ländern? Wenn z.B. die Menschen in der kapitalistischen Schweiz durchschnittlich reicher sind als die Menschen im sozialistischen Venezuela?
Das System der Verteilung, das Sie kritisieren, hat immer eine Ursache. In der Regel ist das die Form, in der sich Staaten organisieren.
Heißt das, dass die anderen selber Schuld sind an ihrer Armut? Wie zynisch!
Wer hat die Chavisten an die Macht gewählt? Die Schweizer? Was ist daran zynisch, darauf hinzuweisen?
Aber es waren nicht nur die Chavisten, vor denen waren es die Oligarchen, die das Land ausgeplündert haben und die Armen arm gemacht haben. Vor denen vielleicht Militärs, davor Kolonialherren … . Wie immer die Geschichte auch sei, zu behaupten, man müsse nur fleißig sein und dann sei man nicht arm, das ist zynisch.
Fleißig zu sein, ist sicherlich nicht hinreichend, aber notwendig. Und vor allem muß man sich die sozialistischen Rattenfänger vom Leibe halten.
Nicht alle Rattenfänger sind Sozialisten.
Aber alle Sozialisten Rattenfänger.
Arm ist wer unter Würde und Wert seiner Selbst arbeitet, um den Grundbedarf an Menschlichkeit zu erhalten. Das bedeutet für mich, jeder! der seinen Lebensunterhalt nicht aus eigener Arbeitskraft durch die Familie erhalten kann, der ebnet einer Abhängigkeit den Weg die aus globaler Armut den individuellen Reichtum schöpft.
Es ist eine freie Entscheidung seine persönliche Kraft für die sie tragende Gemeinschaft einzusetzen, genauso frei ist jedoch das Gefühl, diese Kraft erst aus dieser Gemeinschaft zu gewinnen, die sich mit Sinn und Verstand dafür einsetzt.
Wer jammert, weil er zu wenig zum Leben verdient ist in meinen Augen viel ärmer als der, der weiß, warum er obdachlos auf der Straße lebt.
Warum gelingt innerhalb von nur zwei Jahren die Unterbringung
und Betreuung von 2 Millionen Flüchtenden, in vielen
Jahrzehnten aber nicht die von 300.000 Obdachlosen?
Über ausreichende Mittel verfügen wohl Kirche und Staat.
Im Fall der Obdachlosen fehlt, glaube ich, so bischen der gesellschaftliche Willen.
Sie gelten als Versager, als selbst schuld, als hoffnungslose Säufer, als faul und nutzlos.
Man schiebt sie beiseite und will nichts mit ihrer Lebensgeschichte zu tun haben.
Allenfalls werden sie ab und zu von der AfD benutzt um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. Was nicht heißt dass die AfD plötzlich tatsächlich für eine humanere und gerechtere Gesellschaft wäre und die Würde der Alleraermsten verteidigen würde.
Die Obdachlosen haben keine Lobby. Keiner spricht für sie. Keiner vertritt ihre Meinung.