Morgens früh mache ich gerne Sport. Weil danach, im Laufe des Tages, keine Zeit mehr ist und ich 1.000 Ausreden habe. Außerdem ist um 6 Uhr Zeit, in Ruhe Radio zu hören um zu wissen, was so alles los ist. Gerne höre ich dann auch noch die Morgenandacht. Sie merken, um diese Uhrzeit ist der Deutschlandfunk mein Sender.
Und neulich musste ich mich ärgern. So richtig ärgern. Es gab eine Andacht – ich sage nicht wann und wer – die über den Perspektivwechsel auf die Dinge sprach und darüber, dass man dadurch das, was einem selber wichtig ist, ganz neu in den Blick bekommt. Also ein Leib- und Magenthema auch von mir.
Nur wurde das als Andacht angekündigt, aber diese christlichen Gedanken kamen völlig ohne die Worte „Gott“ und „Jesus“ aus. Die 10 Gebote wurden genannt, aber nur die zwischenmenschlichen, die ersten, wo von Gott die Rede ist, nicht.
Es wurde nicht klar, warum diese Person sich für Flüchtling einsetzt. Oder besser: als Motivationen wurde „Bürgersinn“ und „Mitmenschlichkeit“ genannt. Alles ehrenvoll.
Es hört keiner mehr zu
Aber wenn das alles ist, was Christinnen und Christen vorzubringen haben, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn uns keiner mehr zuhört.
Selbstverkleinung ist das. Wir sollen Zeugnis ablegen für den Grund unserer Hoffnung.
Die Zivilreligion, die sich einpasst, die nimmt uns keiner mehr ab. Und junge Menschen. „Wofür steht ihr eigentlich?“ höre ich sagen. In einer Welt voller Optionen und Möglichkeiten muss die Sache mit Gott klar sein. Wer so tut, als ob irgendwie Gott keine Rolle bei uns spielt und dass Religion ja sozialverträglich und gut sei, der wird junge Menschen nicht erreichen. Die brauchen sowas nicht.
Jugend braucht sowas nicht
In Rom haben ältere Herren getagt, gemeinsam mit wenigen jungen Menschen und einigen Fachleuten. Also nichts Repräsentatives, was die Welt junger Menschen heute angeht. Trotzdem habe ich niemanden gehört, der „weniger über Gott sprechen“ als Option genannt hätte.
Mein Morgenandacht ist natürlich nur ein Schlaglicht. Aber es markiert ein Extrem im Christentum, das leider Mehrheitsfähig wird. Eine Zivilreligion, welche die Gesellschaft besser machen will, die aber keine Ecken und Kanten mehr hat.
Auch Christen sollen und wollen die Welt besser machen. Aber aus einem gelebten Glauben heraus, für sich und mit anderen. Wenn wir darauf verzichten, dann verzichtet die kommende Generation auf uns. Und ich kann es ihr noch nicht einmal verdenken.
Lieber Pater Hagenkord,
ich bin Ü60, und ich brauche sowas auch nicht;
für mich ist das keine Frage des Alters.
Wir wollen es allen Recht machen, sind nach allen Seiten offen;
am Ende sind wir sowas von „irgendwie“ „irgendwas“;
Salz, das seinen Geschmack verloren hat.
Reden wir nicht über unsere Hoffnung ohne dass man uns fragt, aber leben wir so daß man uns danach fragt!
Jedenfalls versuche ich das, Vorbilder gibt’s ja genug.
Lieber Pater Hagenkord,
ich höre auch gerne Radio, auch morgens um sechs, ohne Sport, aber im Bett. Es ist schön, Radio zu hören, wo ich gerade bin, das ist dann alles näher, verbundener. In Deutschland ist das also hr2 Kultur. Da sprach in der „Stärkung am Morgen“, einer kleinen christlichen Ansprache neulich ein Bruder aus einer Jesuitenbruderschaft in Frankfurt, die auch eine philosophische und theologische Hochschule dort betreibe. Er hieß Wucherpfennig. Das war im Radio ein feiner und gebildeter, warmherziger und offen auf einen zugehender Mensch und er sprach gar nicht über sich und auch nicht über Gott. Er erzählte mehr szenisch und das Wort Gott kam schon vor. Weil es ein berührendes Erlebnis war, möchte ich kurz erzählen.
Er erzählte von einem anderen Bruder der Bruderschaft, der schon sehr alt, so 80 oder 90 war, wie er diesen letzten sonnigen Sommer genossen habe, oft auf einer Bank im Garten sitzend zu sehen gewesen sei. Diesem sei es wichtig gewesen, Gedichte und Verse auswendig zu wissen, denn nur die Verse in einem seien nahe beim Herzen und würden das Herz wärmen und zu einem Teil von einem selbst werden können. Er habe viele Verse gekannt, denn er sei auch als Professor für Altes Testament früher sein Lehrer gewesen (der Name wurde auch genannt, hab’s aber leider vergessen). Einmal habe er ihm kurz vor Sonnenuntergang Verse von Heinrich Heine zitiert, die etwa so gingen: „Seien sie nicht traurig liebes Fräulein sondern munter, die Sonne geht jetzt hinter Ihnen unter, doch morgen da hinten wieder auf“, na so ähnlich eben. Er habe ihn manchmal dann später im Jahr den Rosenkranz beten sehen. „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes“. Da habe er sich mit diesen Gebetsversen schon auf seinen Tod vorbereitet, denn er sei im Herbst verstorben.
Das brachte einem vieles nahe, weil es so persönlich und freundlich und unverkünstelt und voller Liebe und Achtung erzählt wurde, auch so vielschichtig, fast poetisch, eine Erfahrung auch christlicher Hoffnung und Religiosität. In einer ganz kleinen Welt von einem Menschen, nicht von Gott gesprochen.
Ich persönlich denke,
die Menschen wundern sich darüber, dass wir soviel Aufhebens um unseren Glauben machen. Das, was wir durch unseren gelebten Alltag sichtbar werden lassen, hat jedoch für sie wenig mit unserem Glauben zu tun.
Wir brauchen die Liebe (für den Nächsten), von der Jesus spricht, stark und stets präsent in unseren Herzen.
Erst dann werden Menschen uns vertrauen. Wenn das, was sie mit uns erleben, für sie zwar aussergewöhnlich, aber authentisch wirkt, für sie nachvollziehbar und sinnhaft ist, dann werden sie fragen, was uns anspornt. Oder sie werden sagen, ja, Dich verstehe ich, das was Du tust, deckt sich mit Deinen Worten, was ist Deine Inspiration?
Wenn ich mich nicht auf die Stufe der Makellosigkeit stelle, die ich als Mensch nicht erreichen kann, wenn ich meine Schwächen transparent „behandle“, somit zeige, dass die Ursünde in uns Menschen präsent sein kann, bin ich glaubwürdig. Und, wenn ich, wie Jesus Christus nicht Distanz lebe, sondern die Notwendigkeit und Daseinsberechtigung eines jeden einzelnen Menschen verstehe und publiziere, wird das Herzen öffnen.
Und das könnte der Part jedes einzelnen Christen als Anhänger der Lehre Christi sein:
Ich reiche jedem Menschen meine Hand, weil ich die Liebe Christi im Herzen habe. Mein liebendes Herz als innere Haltung lässt mich in jedem Menschen seine einzigartige Kostbarkeit erkennen. Durch den Heiligen Geist erschließt sich meinem Kopf die Notwendigkeit von Barmherzigkeit und Liebe. Gleichzeitig zeige ich durch (eigene) Taten, dass es Regeln gibt, ich muß sie nicht predigen, wenn ich selbst sie vorlebe und bei Rückfragen erklären kann, was ich warum tue oder eben nicht tue. Die Entscheidung, was ich wie wann tue, liegt allein bei mir …..