Lange haben wir darauf gewartet, nun ist es soweit: Der Papst hat die Namen derer bekannt gegeben, die er am 22. in einem Konsistorium zu Kardinälen erheben will.
Vier Kuriale sind dabei, drei Geehrte sind über 80 und dürfen somit nicht mehr wählen, die Übrigen sind Vertreter der Weltkirche.
So ein Kardinal ist etwas Besonderes. Es ist zwar keine Weihe, theologisch gesehen ist er nichts anderes als andere Bischöfe auch, aber dennoch verleiht ihm das Amt eine besondere Aufmerksamkeit. Und die gilt für die Medien, für die Kirche, für das Protokoll und andere Gelegenheiten auch. Natürlich ist es das Amt, den Papst zu wählen, wenn denn einer zu wählen ist, aber die enge Verbindung an die Weltkirche über Rom hebt einen Kardinal dann doch heraus.
Die Leitung der Kirche liegt theologisch bei den Bischöfen, was der Grund ist, dass Kardinäle Bischöfe sein sollen, wie das Kirchenrecht sagt. Unter den Bischöfe ist die Gruppe der Papstwähler aber besonders mit der Leitung der Kirche beauftragt.
Der Kollege Thomas Rees SJ hat für eine Webseite einmal eine Statistik aufgemacht, wie es sich mit der Mischung verhält. So habe sich seit etwa 70 Jahren die Zusammensetzung merklich verändert. Er verweist darauf, dass Pius XII. und dann Johannes Paul II. ein sehr starkes Gewicht auf die Weltkirche gelegt hätten und verstärkt Kardinäle ernannt hätten, die weder in Rom arbeiten noch Italiener sind. Bei der Wahl Pius XII. seien 57% der Kardinäle Italiener und weiter 32% Europäer gewesen, er hat das dann auf ein Drittel Italiener gedrückt, was vor allem Lateinamerika zu Gute kam. Unter Paul VI. waren es nur noch 24% Italiener, unter Johannes Paul II. zu einer Zeit weniger als 17%. Unter Johannes XXIII. und Benedikt XVI. sei das immer wieder leicht in die andere Richtung gegangen. Insgesamt ist die Tendenz aber eindeutig: Immer mehr wird die Weltkirche vertreten.
Vor meiner Bürotür hing lange Zeit eine Weltkarte, auf der für jeden Kardinal in seinem Herkunftsort eine rote Nadel steckte. Italien hatte keine Nadeln, dafür gab es extra drei DIN A4 Blätter. Aber auch sonst war Europa eindeutig rot gefärbt.
Noch interessanter ist eine andere Statistik, die Tom Reese aufmacht: Bei der Wahl Pius XII. seien fast die Hälfte der Kardinäle Kuriale gewesen, das sei von ihm, von Paul VI. und Johannes Paul II. halbiert worden. Noch einmal: Unter Benedikt XVI. ist das wieder leicht gestiegen, aber auch hier ist die Tendenz eindeutig.
Ein weltkirchliches Kollegium
Der „Papst vom Ende der Welt“ folgt nun dieser Tendenz. Die Kirche denkt darüber nach, was die zunehmende Internationalisierung der Kirche auch für das Personal bedeutet, für die Erfahrung die es braucht, für die Menschen, die mitreden und die Brücke bilden sollen. Nach der Papstwahl haben einige nichteuropäische Kardinäle uns ins Mikro berichtet, dass bei der Wahl Benedikts vor allem die Anwesenheit von Afrikanern sehr positiv und öffentlich bemerkt wurde, dieses Mal sei es schon so normal gewesen, dass man kein Aufhebens mehr gemacht habe. Ein gutes Zeichen.
Die Kirche ist nicht mehr europäisch. Sie denkt nicht mehr so, feiert nicht mehr so, auch wenn wir hier das immer noch so wahrnehmen und viele, die sich gerne das Wort „Reform“ umhängen, gerne an althergebrachten europäisch-liberalen Ideen festhalten.
Am 22. Februar werden die „Neuen“ erhoben, aber in den kommenden Monaten werden dann weitere 10 Kardinäle 80 Jahre alt werden und ihr Wahlrecht verlieren, 2015 werden es noch einmal 5 sein und weitere 13 2016 (Danke, Tom!). Das wären also – wenn man nur das Alter zählt – bereits 42 von Franziskus ernannte Kardinäle, immer voraus gesetzt, die Grenze von 120 Kardinälen bleibt.
Das Gesicht der Kirche ändert sich, und mit ihm das Gesicht der Papstwähler.
Lieber Pater Hagenkord, wie üblich konnten Sie es mal wieder nicht lassen, einen Pfeil in Richtung der “bösen” Reformer zu schießen.
Sollte es Ihnen entgangen sein, dass wir uns dank des ersten nichteuropäischen Papstes bereits mitten in einer Reform befinden, von denen die Reformkatholiken im deutschsprachigen Raum noch vor einem Jahr nicht einmal zu träumen wagten?
“Unsere” Reformthemen in Mitteleuropa sind keineswegs so weit von den Problemen auf anderen Kontinenten entfernt, wie man uns immer einreden wollte.
Gerade wir an Reformen interessierten Katholiken lieben unseren argentinischen Papst über alles.
Stimmt, das konnte ich nicht lassen. Es hat aber auch einen Grund: Wenn ich in Deutschland bin oder in Österreich und mit Menschen über Papst und Reform spreche, dann bekomme ich immer die Frage “wann wird er denn endlich …”, gefolgt von den immer gleichen Fragen. Die sind berechtigt, das streite ich ja gar nicht ab, aber sie sind nicht mehr die Wichtigsten. Und schon gar nicht – meiner bescheidenen Meinung nach – bestimmen sie, wie eine Reform auszusehen hat.
Die katholische Kirche weltweit und bei uns in Deutschland befindet sich in einer gewaltigen Umbruchsituation, die jetzt auch die bisher zwei Seelsorgeeinheiten in meiner Stadt betreffen wird. Das macht zunächst mal Angst.
U.a. auch deswegen, weil bisher noch niemand sagen kann, was da noch Alles an neuen Aufgaben und Verantwortung auf uns Laien zukommen wird. In dieser Situation gibt mir die Liebe und das Vertrauen zu unserem Papst franziskus Halt und Zuversicht, gerade auch das Vertrauen, dass das “Schiff Petri” in den Stürmen der Zeit nicht untergehen wird.
In einer Weltkirche spielt es keine Rolle, woher der Papst stammt, sondern dass er die Kirche weltweit im Blick hat und das ist bei Papst Franziskus der Fall. Bei ihm fühle ich mich auch als deutsche Katholikin gut aufgehoben, ihn betrachte ich als meinen geistlichen Vater und für mich ist er der “römische Fels” schlechthin, der mir Halt gibt in einer sich rasant verändernden Kirche.
Unserem ersten nichteuropäischen Papst bringe ich als deutsche Katholikin die Liebe entgegen, die man im Idealfall als Katholik für den Papst empfinden soll, er gibt mir Kraft.
Von welchen “althergebrachten europäisch-liberalen Ideen” sollte ich mich denn verabschieden? Ich hoffe, dass es für mich mit meiner europäischen kulturellen Identität auch im großen Haus der neuen Weltkirche eine kleine Wohnung geben wird …
Das hoffe ich auch, auch für mich selber, aber genau das ist doch der Punkt: das große Haus der Weltkirche. Und nicht: “Wann macht der Papst denn endlich das, was wir hier wollen?” Zugegeben, da halte ich dann etwas überspitzt gegen, aber das ist der Natur der Debatte geschuldet.
Lieber Pater Hagenkord, ich bin immer wieder von den “vatikanischen” Beharrungskräften überrascht. Wenn ich Franziskus richtig verstehe, bringt er nicht aus Gefälligkeit für die Europäer die Familienthematik einschließlich Wiederverheiratete Geschiedene und so weiter in die Diskussion und brandmarkt die bisherige Behandlung dieser Themen als einen Grund, warum die Kirche nicht als barmherzig genug wahrgenommen wurde. Dass dies ausschließlich alte liberale europäische Themen sind, ist doch nun wirklich durch den weltweiten Fragebogen und das schlichte Aufgreifen durch Franziskus ad absurdum geführt. Ich habe dies, als es gebetsmühlenartig behauptet wurde, so hingenommen und war sehr überrascht, als sich plötzlich zeigte, dass Franziskus die Fokussierung auf diese Themen durch die Kirche -im Sinne von dem starren und sterilen Beharren auf den Positionen der Lehre der Kirche-als eine Ablenkung vom Wesentlichen, nämlich der Verkündigung des Evangeliums, bezeichnet hat. Verstehen Sie mich nicht miss-ich gehöre in keiner Weise der “Wir-sind-Kirche-Fraktion” an, mir ist die Frage Zölibat oder nicht, Verhütungsmittel ja oder nein für meinen Glauben gar nicht entscheidend und bei der dort vertretenen Meinung zur Abtreibung wird mir eiskalt. Es scheint aber weltweit ein Thema zu sein und nicht nur europaweit. Auch die Bürokratisierung und “Verstaatlichung” der Behörden des Vatikan und deren Reform ist eine Entwicklung, die nicht nur von liberalen Europäern kritisiert wurde, sonst wäre Franziskus nicht gewählt worden.
Da bin ich ganz d’accord, aber die “Störung” die der Papst bringt ist genau das, was “Katharinadiekleine” sagt: Erst die eigene Tür. Natürlich sind das alles Themen, die wichtig sind, entspringen sie doch der Wirklichkeit des Lebens und eigenen Erfahrungen. Die will ich gar nicht herunter spielen. Das muss man Ernst nehmen, sonst wird das Ganze unbarmherzig. Aber wir sollen eben bei uns selber beginnen.
Die Tatsache, dass es so viele Rückmeldungen und Widersprüche und so viel Diskussionsbedarf gibt, zeigt mir, dass der Papst einen wunden Punkt getroffen hat.
Die Menschen wissen, was sie wollen. Ob nun in Europa oder anderswo auf der Welt. Das ist nicht das Problem. Franziskus ist der erste Papst, der vor der eigenen Haustür kehrt und den eigenen Reihen predigt – ein Nikodemus unter den Pharisäern. Und das ist das Neue!
Es bleibt zu hoffen, dass die Weisheit und die Erfahrungen der europäisch dominierten Kultur in der Kirche nicht zu sehr untergraben werden. Aus der Psychologie wissen wir, welche Vorraussetzungen zu einer gesunden Spiritualität gehören: Sachlichkeit, Hingabe und Ordnung. In diesen Strukturen bleibt der Mensch psychisch gesund und profitiert von Religion. Ob es in der Kirche so bleiben wird, ist ungewiss. Die religiöse Kultur unter Papst Franziskus entwickelt sich wohl eher in Richtung “gefühlige” Kiche, sein Agieren ist mehr impulsiv aus dem Moment heraus, er wirkt mehr chaotisch. So angenehm unkompliziert er dadurch zu sein scheint, birgt ein derartiges Verhalten, gerade auch im religiösen Führungsbereich, Gefahren, die nicht zu unterschätzen sind. Bleibt zu hoffen, dass es auch in Zukunft im Vatikan genügende Kräfte gibt, die von Vernunft, Demut, Objektivität und Selbstbeherrschung geprägt sind, zum Wohle der Gläubigen in der Kirche.
@ Sehr geehrte Frau Meyer,
aus der Psychologie wissen wir – dem Himmel sein Dank – so gut wie nichts über katholische Spiritualität. Wir wissen aus dem unmittelbaren Glaubenserleben der großen spirituellen Lehrer und Lehrerinnen unserer Kirche was wir uns unter gelebter Spiritualität vorstellen können. Unser Papst stammt aus der Spiritualität des großen Ignatius von Loyola. Mit „Gefühligkeit“ hat diese nichts zu tun und mit Chaos schon rein gar nicht. Unser Papst agiert nicht aus dem Moment heraus. Sie sollten sich die Mühe machen seine Äußerungen zum Glauben, zum Evangelium mehr zu studieren, dann kämen Sie darauf, wie eng unser Papst mit der Botschaft des Evangeliums verbunden ist.
Bitte was ist eine gesunde „Spiritualität“??? Gibt es auch eine kranke?!? Und „nur in Sachlichkeit, Hingabe und Ordnung“ bleibt der Mensch „psychisch gesund“????? Ich arbeite als Ärztin im Bereich Neurologie/Psychiatrie und kenne eine sehr große Anzahl von Erkrankungen und deren Ursachen in diesem Bereich. Mangel an Sachlichkeit, Hingabe und Ordnung gehören allerdings nicht zur Pathologie. „Profitieren von Religion“ können auch und gerade psychisch kranke Menschen. Schlussendlich bleibt mir noch die bekannte Bemerkung: mit dem Führungspersonal im Himmel (der dreieinige Gott) habe ich keine Probleme. Nur das „Bodenpersonal“ bereitet mir öfter mal Kummer.
Dass die Kirche nicht mehr europäisch ist, ergibt sich schon aus den Zahlen. Wenn ich recht erinnere ist das Verhältnis Europa Lateinamerika 33% zu irgendwas um 60% Katholiken, damit ist eigentlich alles gesagt. Sie haben lieber Pater Hagenkord ja schon drauf hingewiesen, wie Sie den „unheilschwangeren“ Satz mit den „althergebrachten europäisch-liberalen Ideen“ verstanden wissen möchten. Soweit so gut. Angesicht der Zahlen ist der Rückgang der römischen Vormachtstellung zwingend notwendig und nicht aufzuhalten. Nur weder Lateinamerika noch Afrika haben eigenständige „Ideengebäude“ entwickelt. Renaissance, Aufklärung etc. sind Bestandteil sowohl der lateinamerikanische als auch der afrikanischen Denkkultur geworden. Einzig in Asien haben wir eigenständige „Ideengebäude“. Das Gesicht der Kirche wird sich ändern. Ich erinnere hier noch einmal an den Katakombenpakt (1965) der als der eigentliche Auslöser für die notwendigen Veränderungen gilt. Das ist die „Reform“ die mein Umfeld meint (das hat nichts mit Kirche von unten oder ähnlichem nichts zu tun) und die ich von ganzem glühendem Herzen will. Nun hat diese Reform einen langen Weg von Vatikanum II über Lateinamerika- wo Sie zuerst verstanden und umgesetzt wurde- bis nach Europa zurückgelegt. Papst Franziskus hat sie ins Zentrum gerückt, Aparecida 2007 im Gepäck hat er angefangen das Gesicht unserer Kirche in diese Richtung zu verändern. Hier noch einmal die wesentlichen Punkte des Katakombenpakts
• Wir wollen so leben im Blick auf Wohnung, Essen und Verkehrsmittel wie die Menschen um uns herum.
• Wir verzichten, auch was unsere Amtskleidung angeht, als Reiche zu erscheinen.
• Wir wollen weder Immobilien noch Mobiliar besitzen.
• Wir lehnen es ab, mit Titeln angesprochen zu werden.
• Wir werden jeden Eindruck vermeiden, Reiche und Mächtige zu bevorzugen.
• Wir wollen uns vor allem den Benachteiligten und Unterentwickelten zuwenden.
• Unsere sozialen Werke, die wir unterstützen, sollen sich auf Liebe und Gerechtigkeit gründen und Frauen und Männer in gleicher Weise im Blick haben.
Das meine ich mit dringender „Reform“ und in dieser Bedeutung genutzt, hänge ich mir ein großes Schild um, ein sehr, sehr großes…Alles Andere wird zu diskutieren sein, nur Personen wie Kardinal Müller (Glaubenskongregation), die jede Diskussion schon im Vorfeld unterbinden sind nicht hilfreich.
In einem gewissen Punkt gebe ich Ihnen ja Recht P.Hagenkord das die Reform bei jedem einzelnen beginnen sollte. Auch denke ich hat sie längst begonnen in den Menschen, den Laien, den einfachen die längst verstanden haben was Kirche, Glauben ist, nicht einfach nur ein Gebote und Verboteverein sondern das es um einen selber geht. Die sogenannten Kirchenminister/fürsten sind nun eigentlich die nächsten Ansprechpartner von Franziskus die nun umzusetzen haben, das glaubende Volk geht sicher mit, bin ich mir sicher. Ich hoffe ja mal das es noch andere Bischöfe und die sicher noch Kardinäle werden, gibt die nicht nur an den Geboten und Verboten von uralten Dogmas festhalten. Dauert halt alles seine Zeit und geht nicht von heute auf morgen.
Kardinal Müller hat mich nun ja nicht überrascht war ja vorhersehbar.
Hier noch etwas zum Thema Reformen, die franziskanischen “Jungs” ( es gibt auch “Mädels” machen richtig Spaß…..besonders das Video.
http://www.zeit.de/2013/37/franziskaner-orden-bronx/seite-3