Kirche, wie hältst du es mit dem Populismus? Die Gretchenfrage ist ein Kinderspiel dagegen. Die Frage stellt sich vor allem, wenn es um Institutionen geht, also Kirche und Parteien. Es ist immer so eine Sache mit der Politik und dem Glauben. Kreuze in Büros, Kirchenasyl, da kreuzt man gerne mal die Klingen. Nirgendwo wird es aber so deutlich und auch so unsicher wie bei der Frage, ob man nun die AfD einlädt zu Kirchen- oder Katholikentag. Dialog mit der AfD?, das ist hier die Frage.
Der evangelische Kirchentag hat sich dagegen entschieden, die AfD wehrt sich. Und auch die Christen sind sich nicht eins.
Dialog mit der AfD?
Ganz kurz: Es gibt einen Beschluss des Kirchentages (September 2018), „Repräsentant*innen der Alternative für Deutschland (AfD) sind auf Podien und Diskussionsveranstaltungen des Kirchentages in Dortmund vom 19. bis 23. Juni 2019 nicht eingeladen. Gleichzeitig will der Kirchentag den Dialog mit all denjenigen führen, die sich gegenwärtig in den gesellschaftlichen und politischen Debatten nicht wiederfinden und lädt diese ausdrücklich nach Dortmund ein.“ Nicht eingeladen wird, wer sich rassistisch äußert. Zudem würden Personen nicht eingeladen, die Äußerungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verbreiteten.
Einige AfD-ler, voran Björn Höcke, werfen nun der evangelischen Kirche vor, mit dem Zeitgeist zu paktieren. Von Ausgrenzung ist die Rede. Die Kirche solle Seelsorge betreiben, statt Politik zu betreiben. Und weil die AfD ja nicht ohne sinnlose Provokation kann, ohne analoges Trollen, kommt auch gleich der Vergleich der evangelischen Kirche heute mit der Kirche, die mit den Hitler- und dem SED-Regime paktiert habe.
Keine Einladungen an Menschen, die sich rassistisch äußern
Der evangelische Kirchentag hat sich also entschieden, und zwar anders als noch der Kirchentag vor zwei Jahren und auch als der Katholikentag 2018. Was dafür spricht, dass es keine Prinzipienfrage, sondern eine Abwägung war. Die AfD habe sich radikalisiert, begründet dies der Kirchentags-Präsident Hans Leyendecker. Es gehe nicht im Proporz, sondern um darum, Menschen einzuladen, die etwas Wichtiges zu sagen hätten. Auch das ein Kommentar zu den Äußerungen der AfD-Vertreter.
Aber nicht alle finden den Beschluss richtig. Es wird weiter debattiert. Die Ausgrenzung sei unklug und falsch, sagt ein Historiker, auch wenn er die Argumente nachvollziehen könne.
Ein Kirchenrechtler nennt den Beschluss sogar inkonsequent, weil andere Organisationen, auf die man ähnliches anwenden könnte, nicht ausgeschlossen würden. Außerdem könnte sich die AfD jetzt als Opfer inszenieren, statt sich den Debatten in Dortmund stellen zu müssen.
Es geht nicht um Proporz
Nun kann man an dieser Stelle vielleicht Papst Franziskus anführen, Dialog sei in jedem Fall besser als kein Dialog. Das habe ich hier ja auch schon immer wieder mal kommentiert. Nur wäre das in Dortmund ja mehr als Dialog, es wäre ein Podium für die AfD.
Dialog ist ja nicht einfach, aufeinander einzureden. Dialog ist kein auf die Zeltbühne verlegte Talkshow. Wenn es echter Dialog ist, dann weiß man nachher nicht, wo man gelandet ist. Wenn es echter Dialog ist, dann ist er nicht einfach nur ein Mittel, um etwas zu erreichen. Laut Papst Paul VI. ist Dialog sogar eine ausdrückliche Methode des Apostolats, also des Handelns der Kirche, so der Papst in seiner Antritts-Enzyklika Ecclesiam Suam.
Keine Talk-Show auf der Zeltbühne
Die Bemerkung mit der Zeltbühne meine ich durchaus ernst. Talk-Shows sind Inszenierungen, die unterhalten sollen. In einem echten Dialog kann es aber nicht nur um den kleinsten gemeinsamen Nenner gehen. Und auch nicht um die Darstellung möglichst großer Kontraste der Unterhaltung wegen. Zumindest bei kirchlichen und christlichen Dialogen nicht.
Hier kann ich die Begründung des Kirchentages nachvollziehen. Hier ist Abgrenzung nötig. „Keine Toleranz der Intoleranz“ sagt der Kirchentag in seiner Beschlussbegründung. Wir sehen ja – und der oben angesprochene Höcke-Auftritt neulich unterstreicht das – dass die Forderung, die Kirche sei mit den Mächtigen im Bett und solle bittschön Seelsorge machen und nicht Politik betreiben, seinerseits auf Abgrenzung aus ist. Nicht auf Zubewegen.
„Keine Toleranz der Intoleranz“
Dialog hat mit Wahrheit zu tun. Ein großes Wort, es meint aber schlicht und einfach, dass man sich auf die Suche danach machen will. Wenn ich den Dialog gebrauche, um meine eigene – parteipolitische – Identität zu schärfen, dann ist das ein Dialogverhinderer. So sagt es Papst Benedikt XVI. Es kann schon mal sein, dass man es in der Religion mit der Frage nach der Wahrheit zu tun bekommt. Wer das über Rassismus oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ausschließt, der will keinen Dialog.
So beginnt der Kirchentag in Dortmund also ohne die offiziellen Vertreter der AfD. Das ist die aktualisierte Version der Gretchenfrage: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon“ (Faust I, Vers 3415). Und wer von Religion als Religion nicht viel hält, wer diesen Dialog nicht will, der wird halt auch nicht eingeladen. Und das finde ich richtig so.