Es war einmal ein Priester. Der arbeitete im Vatikan. Abends aber ging er gerne durch die Stadt, kümmerte sich um Obdachlose, sprach mit den Menschen auf der Straße, gab Almosen, unterstützte Hilfswerke und so weiter.
Eines Tages nun wurde ein neuer Papst gewählt. Und dieser Papst machte nun diesen Priester zum „Elemosiniere“, zum Päpstlichen Almosengeber. Das ist ein Amt, das sich normalerweise um päpstliche Segen und so weiter kümmert. Nun aber verschob sich das Gleichgewicht in Richtung Hilfe, kleine, konkrete Hilfen.
„Ein leeres Konto ist ein gutes Konto“, habe der Papst ihm gesagt. Weil sich an einem leeren Konto zeigt, dass etwas getan wird, nehme ich einmal an. Wie dem auch sei, mit diesem Zitat fing alles an. Es fiel, als der Priester, der mittlerweile zum Erzbischof erhoben wurde, bei einer Buchvorstellung von Journalisten umringt wurde. Normalerweise gab er ja keine Interviews, aber jetzt beantwortete er einige Fragen. Ob er immer noch nachts zu den Obdachlosen gehe? Ja. Ob Papst Franziskus nicht gerne auch mal mitkommen würde? Hat sich Papst Franziskus einmal so geäußert? Kommt er sogar vielleicht manchmal mit, inkognito?
Die Geschichte eines Gerüchtes
Die Journalisten tasteten also nach einer schönen Geschichte. Da der Erzbischof aber wusste, dass auch nur die geringste falsche Bemerkung wirre Geschichten auslösen würde, war seine Antwort, dass er dazu nichts sage. Kein Kommentar.
Was aber die Journalisten nicht davon abhielt, die Geschichte trotzdem zu schreiben. Eine ganze Reihe hat daraus erst mal ein Interview gemacht. Also nicht jemand, der die Fragen von Journalisten beantwortet, sondern was Exklusives. Was nie statt gefunden hatte.
Dann musste die Geschichte ja noch sexy werden, also munkelte man, der Papst gehe tatsächlich nachts raus und der zuständige Erzbischof wolle das nicht dementieren. Oder kommentieren.
Und so kam dann die Geschichte über die Alpen. Andere Journalisten in einer anderen Sprache übernahmen das und sprachen in Artikeln über das Gerücht, der Papst ginge nachts raus. „Franziskus soll sich heimlich aus dem Vatikan schleichen“: So oder ähnlich lauten die Sätze. „Das Gerücht halte sich.“ Ein Interview mit Konrad Krajewski – dem Erzbischof – hätte die Geschichte ins Laufen gebracht. Jetzt halte sich das Gerücht. Wohl deswegen, weil an Gerüchten, die „sich halten“ (spricht: dauernd abgeschrieben werden) wohl was Wahres dran sein muss.
Und so entstand eine Geschichte, wo vorher keine war. Keine Information, keine Kenntnis, nur eine Frage und das Herumspekuliere reichen, um etwas in die Realität zu schreiben. Als ob die Realität nicht spannend genug wäre …