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Schlagwort: Amazonien

Die Flüchtlingshelferin

Veröffentlicht am 27. September 201913. August 2019
Flüchtlinge in Manaus Flüchtlinge aus Venezuela: So leben sie, wenn ihnen nicht geholfen wird

Erst kamen sie aus Haiti, nach dem Erdbeben 2010 war das, und dann in Wellen danach. Flüchtlinge in Manaus, eine Stadt mitten im Urwald, und die Kirche versuchte ihr bestes, ihnen zu helfen. Und seit einiger Zeit kommen sie vom nördlichen Nachbarn, aus Venezuela. Weiße, Indigene, alle Kulturen. Es geht einfach nicht mehr, sagen sie.

Und Janaina Paira versucht zu helfen. Sie leitet das Projekt Flüchtlingshilfe bei der Caritas des Bistums Manaus, ihre große Herausforderung: mit den Mitteln die sie haben immer mehr Menschen zu helfen.

Flüchtlinge in Manaus

Janaina erklärt lange, sie hat die Zahlen parat, Grafiken, Entwicklungen und Projektideen. Da sind eine Menge Überlegungen hinein gegangen. Aber sie fährt uns auch durch ein wildes Lager, also dorthin, wo die Migranten aus dem Norden miteinander wohnen, ohne Hilfe. Dicke Plastikplanen und wackelige Gestelle am Busbahnhof von Manaus, so sieht das aus. Wir waren während der Regenzeit dort, eine fürchterliche Situation.

Wie macht man das, immer wieder Menschen die irgendwie zwischen Hoffnung und Verzweiflung leben zu helfen? Rechnen, sagt Janaina. Genau überlegen, und dann die Ressourcen dorthin bringen, wo sie Gutes tun. Im Augenblick ist das das Wohnprogramm, um die Flüchtlinge aus dem Teufelskreis keine Wohnung, keine Arbeit heraus zu bekommen. Und der Gesundheit ist das auch zuträglich, sagt sie.

Aus dem Teufelskreis heraus

Drei Monate sorgt die Caritas für Unterkunft, länger nicht. Für mehr ist einfach kein Geld da. Aber das hilft schon, sagt die gelernte Sozialarbeiterin. Wenn die Flüchtlinge erst mal von der Straße und vom Busbahnhof weg sind, dann sind sie auch weg aus der Illegalität, dann können sie arbeiten statt zu dealen oder andere Dinge zu tun. Das hilft vor allem Müttern und Kindern, die einen Großteil der Fliehenden ausmachen.

Sie führen in der Caritas genaue Listen, wie viele kommen, wie viele waren das im vergangenen Jahr, bis wann reicht das Budget. Projektanträger für die Hilfsorganisationen werden eingereicht, Kalkulationen erstellt. Rationalität hilft bei der Menschlichkeit. Die Caritas-Stelle in Manaus ist ein rationaler Ort. Und ein sehr menschlicher Ort. Janaina Paira hilft, wie sie helfen kann. Mehr geht halt nicht. Und damit das möglichst wirkungsvoll ist, wird halt gerechnet.

So geht das eben auch in Manaus, Menschlichkeit braucht halt auch seine Kalkulationen. Denn morgen kommen ja schon wieder neue Flüchtlinge aus dem Norden an.

 

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Der Pilger

Veröffentlicht am 21. September 201913. August 2019
Kirche unterwegs P Juán Fernando López Pérez SJ

Seine Energie ist kaum auszuhalten. Er sprüht von Positivität, vom Lust am Leben, er ist begeistert von Menschen und seiner Aufgabe: Pater Juán Fernando López Pérez SJ. Er ist auf den Flüssen des Amazonasgebietes unterwegs, immer im Boot, Kirche unterwegs sozusagen, aber er selber nennt es noch anders: Pilger sein.

Fernando ist Jesuitenpater, so sind wir beide schnell beim Insider-Sprech, das haben ja alle Gruppen so. Und er sagt, dass vom Ursprung unseres Ordens diese eine Dimension, die Ignatius so wichtig gewesen sei, verschwunden sei. Das Pilgern. Immerhin trägt der Text, den er  vor seinem Tod diktiert hat, den Titel „Bericht des Pilgers“.

Kirche unterwegs

Es brauche Institutionen, es brauche das Mitleben, aber es brauche eben auch das Unterwegssein, so erklärt es Fernando mir. Die drei gehörten für die Kirche zusammen. Aus seinem Mund hört sich das etwas ausgedacht an, aber ich nehme es ihm sofort ab. Und genau das wolle er leben, das Pilgern. Das Unterwegssein.

Wir begegnen uns im Hof eines kleinen Pfarrhauses, zusammen mit anderen Priestern aus der Region. Und die erzählen von ihrer Arbeit. Sofort wird klar, wie sehr Pater Fernando das was er tut und will reflektiert. Ich sitze neben ihm und kann diese positive Energie fast spüren.

Er mag Menschen

Selbst wenn er schimpft und in Tiraden über den Vernichtungsfeldzug des Kapitals herzieht, bleibt er positiv. Und zwar weil er die Menschen mag. Bei aller Reflektiertheit ist es dieses Mögen, die man ihm in seiner Energie anmerkt. Das Pilgern ist vor allem das: Menschen treffen, Menschen kennen lernen. Interessiert sein, helfen und zuhören.

Fernando steigt in ein Boot, das ist seine Arbeit. Er fährt dorthin, wo sonst Kirche nicht hin kommt. Und das nicht alleine, es sind Gruppen unterwegs, Ordensleute und Laien gemeinsam. Am Anfang habe sein Oberer ihm gesagt „fahr los und in drei Monaten sehen wir uns alle hier wieder und berichten“, daraus seien nun 21 Jahre geworden. Er sei „auf den Füßen geboren“ worden, so sagten es seine beiden leiblichen Brüder (die auch Jesuiten geworden sind).

20 Jahre unterwegs

Spannend wird es, wenn er von der Doppelabsicht dieser Bootsreisen erzählt. Zum einen will er Menschen begegnen, Dörfer besuchen. Dann will er aber auch diejenigen schützen, die genau das nicht wollen: Begegnung. „Indigenous Peoples in Voluntary Isolation“ nennt man sie international, PIAV (weil ja alles abgekürzt daher kommen muss. Menschen, die zwar um die Umwelt und die Gesellschaft wissen, die Helikopter oben sehen und ab und zu Weiße im Urwald, die aber damit nichts zu tun haben wollen.

Nicht alle davon sind bekannt, und man kann ja auch schlecht herumfahren und alle fragen, ob sie wollen oder nicht. Wenn sie also Anzeichen finden für eine solche abgeschiedene Gesellschaft, dann werden die Koordinaten aufgezeichnet und dem Staat gemeldet, der sie dann schützen muss. Ansonsten hält man sich fern von ihnen.

Schutz der Schwächsten

Der Pilger lebt also nicht nur von der Begegnung, sondern auch von der (Nicht-)Begegnung mit denen, die solch eine Begegnung nicht wollen. Er lebt von der Begegnung mit dem Willen, allein bleiben zu wollen. Er lebt vom Schutz derjenigen, die sich selber nur dadurch verteidigen können, dass sie sich der Begegnung entziehen.

Pater Fernando spricht schneller, wenn er davon erzählt. Ich nehme mal an, dass ich nicht der erste bin, trotzdem ist seine Begeisterung zu spüren, die Energie die diese Reisen ihm geben. Es ist schon wahr, das Pilgern und die Kirche unterwegs verändert nicht nur die Besuchten, sondern vor allem und sogar zuerst den Pilger selber. Das ist ja der ganze Trick dabei. Sich selber und seinen Glauben prägen lassen vom Unterwegssein, das kann man bei Pater Fernando geradezu anfassen, so physisch ist das.

Er will auch gar nichts anderes machen. Obwohl in Spanien geboren ist er in Paraguay in den Orden eingetreten, der Orden könne ihn also gar nicht nach Hause holen, er sei hier zu Hause, sagt er schmunzelnd. Er singt das Lob der Einfachheit, unser leben müsse einfacher werden – und wenn er „uns“ sagt, spricht er von uns Europäern, zu denen er selber ja auch gehört. Einfacher, damit einfach alle Menschen lebeneinander leben können.

Das trinitarische Prinzip

Und während wir reden, kommt er immer wieder auf die Synode zurück: „Die große Herausforderung ist, nichts zu romantisieren. Wir brauchen Einheit in Verschiedenheit, nicht in Gleichheit. Die indigenen Völker bringen uns bei, in Verschiedenheit miteinander zu leben. Jetzt ist die Frage an uns, ob wir uns helfen lassen von den indigenen Völkern, diese Logik der vereinten Verschiedenheit zu sehen, das ist die große Herausforderung.”

Und da kommt auch wieder das Reflektierte in Fernando heraus: „Ich nenne das mal das Trinitarische Prinzip, je größer die Verschiedenheit untereinander desto göttlicher ist die Einheit. Die Kirche muss neu die Verschiedenheit verkörpern.“

Fernando ist nun wieder auf den Flüssen unterwegs. Pilgernd. Gott in den Menschen begegnend. In der Verschiedenheit der Menschen.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Spiritualität / Geistliches Leben, Sprechen von GottSchlagwörter #SinodoAmazonico, amazonas, Amazonien, Indigene, Jesuit, PIAV, Pilger, Synode4 Kommentare zu Der Pilger

„Auf beiden Seiten der Brücke“

Veröffentlicht am 19. September 201919. September 2019
für die Rechte der Indigenen einsetzen Unterwegs mit Sr. Irma Luzinete de Arauso Silva

Sich für die Rechte der Indigenen einsetzen ist wirkliche Evangelisierung: Luzinete de Araujo Silva ist Ordensfrau und arbeitet sowohl in der Seelsorge, als auch beim Cimi mit. Cimi: das ist der Einsatz für die Rechte der Indigenen. Seelsorge vor Ort, das sind vor allem die nicht-Indigenen. Damit ist sie auf allen Seiten der Konflikte, bei den Weißen und den Bauern, und bei den Indigenen. „Auf beiden Seiten der Brücke arbeiten“ nennt sie das.

Das Evangelium komme so in die Welt, sagt sie im Gespräch, „inkarniert“ werde es. Der Einsatz für die Menschen, die niemanden auf ihrer Seite hätten oder denen nur mit Vorurteilen begegnet würde, das sei echter Einsatz für die Frohe Botschaft.

Sich für die Rechte der Indigenen einsetzen

„Ich sehe, dass Cimi wirklich ein Evangelisierungswerk im wahrsten Sinne des Wortes vollbringt“, sagt Sr. Lucinete. „Denn zu evangelisieren bedeutet, sich um das Leben zu kümmern, das Leben in den Mittelpunkt zu stellen. Und die Aktivitäten, obwohl sie nicht direkt verkündend, sakramental oder pastoral sind, haben in ihrem Zentrum die Sorge um das bedrohte Leben.“ Jeder solle das Leben haben, und es in Fülle haben.

Die Seelsorge in der Gemeinde in dem kleinen Dorf, das sich ihre Gemeinschaft als Ort ausgesucht habe, bringe sie hingegen in Kontakt mit den Weißen, den Holz- und Viehwirten. Auch die gehörten zur Realität Amazoniens hinzu.

Amazonisierung der Welt

Wir fahren auf einem der vielen Flüsse, unterwegs zu einem Dorf um dort das Volk der Mura zu treffen. Das mache sie täglich, drei verschiedene Völker gebe es hier, mit Gruppen sei sie unterwege, diese zu besuchen, zuzuhören, zu helfen und Glauben und indigene Kultur zusammen zu führen.

Die Kultur in Amazonien sei besonders, Amazonien sei besonders, sagt Sr. Lucinete. „Wir hoffen von der Synode, dass die Kirche diese Besonderheit anerkennt und dass sie die Kultur hier akzeptiert. Die Kirche muss die Art und Weise der Kultur annehmen, wir brauchen sozusagen die Amazonisierung der Welt, nicht umgekehrt“, sagt sie lachend.

Aber die Synode finde ja schon statt, fügt sie an, hier in Amazonien, an den Orten an denen sie Gespräche führe, sei es mit Indigenen, sie es in den Gemeinden. In den Studiengruppen, den Diskussionen. „Neue Wege der Kirche, das passiert bereits“. Dass sich jetzt durch diese Synode in Rom alles auf einmal ändern würde, glaube sie hingegen nicht.

Nicht warten auf ein Dokument

Das Neue sei nicht so sehr von einem Dokument zu erwarten, dass die Synode im Oktober produziert. Das Neue, das komme in den Gesprächen vor Ort. „Das Neue wird geboren, wenn die Gemeinden vor Ort dieses Neue annehmen und nicht erwarten, dass dieses Dokument kommt.“ Die Synode könne eher sowas sein wie ein Schlusspunkt oder wie die Zusammenfassung dessen, was hier in Amazonien alles passiert.

Beide Seiten der Brücke – das heißt, dass nicht nur die Indigenen diesen neuen Weg gehen. Das gelte für die gesamte Kirche. Weiße und Indigene, am Fluss oder im Dorf.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Glaube und Gerechtigkeit, Spiritualität / Geistliches LebenSchlagwörter #SinodoAmazonico, Amazonien, Bischofssynode, Dokument, Indigene, Kultur, Verkündigung1 Kommentar zu „Auf beiden Seiten der Brücke“

Verantwortungsgemeinschaft

Veröffentlicht am 1. September 201931. August 2019
weltweite Verantwortung Ruinierter Regenwald in Brasilien: wer trifft Entscheidungen?

Der Urwald brennt. Seit Wochen nun sind Brasilien und seine Nachbarländer in den Schlagzeilen, weil „unsere“ Lunge, die Lunge des Planeten, Opfer verheerender und menschlich verschuldeter Brände ist. Außerdem brennt die Arktis, das Great Barrier Reef vor Australien ist in üblem Zustand und dem Rest des Planeten geht es auch nicht sonderlich gut, die Erwärmung wird messbar. Also braucht es weltweite Verantwortung. Das sei zu viel für nur einen Staat, da müssen alle ran.

Gesehen jetzt erst wieder in Biarritz in der vergangenen Woche, Frankreichs Präsident Macron hat relativ deutlich gemacht, dass der Rest der Welt mitreden will, wenn es um Amazonien geht. Die Medien haben applaudiert, bis hin zur Forderung, wirtschaftlichen Druck zu nutzen. Um Gutes zu tun.

Weltweite Verantwortung

Dahinter liegt die Idee, dass Amazonien und der Regenwald zu wichtig sind, um sie nur einem Staat zu überlassen. Wir alle hängen davon ab, so das Argument. Also müssen wir alle Verantwortung übernehmen. Was Code ist für mit entscheiden wollen.

Und da sind wir dann auch bei der Kritik. In Brasilien heißt es, Präsident Macron wolle doch nur seine eigene Landwirtschaft gegen brasilianische Konkurrenz schützen. Außerdem habe das Einflussnehmen von außen einen neo-kolonialen Touch, um es vorsichtig zu sagen.

Neo-kolonial

Etwas weiter gefasst gibt es in Brasilien die politische Ur-Angst, dass die Weltgemeinschaft dem Land das Amazonasgebiet wegnehmen wolle. Ein Stichwort dazu gibt es auch schon: „AAA“ – „Andes – Amazonas – Atlántico“.

Die Kirche hat sich sehr deutlich gegen Versuche der Internationalisierung gestellt. Wie bitte? Dagegen? Jawohl, dagegen. Weltweite Verantwortung à la Macron ist ja gut und schön, aber eben auch nicht neutral. 2007 haben sich die Bischöfe Lateinamerikas getroffen und ein Dokument veröffentlicht, darin steht Folgendes zu lesen:

„Der zunehmend aggressive Umgang mit der Umwelt kann als Vorwand für Ideen benutzt werden, das Amazonasgebiet zu internationalisieren: Solche Ideen nützen einzig und allein den ökonomischen Interessen der transnationalen Unternehmen. Die Gesellschaft im gesamten Amazonasgebiet besteht aus vielen Ethnien, Kulturen und Religionen. In ihr wird immer heftiger um die Besetzung der Territorien gestritten. Die traditionalen Völker der Region fordern, dass ihre Territorien anerkannt und legalisiert werden.“ (Dokument von Aparecida, Nr. 86).

Cui bono

Cui bono ist die alte Frage: wem nützt es? Internationalisierungen haben bislang immer den großen Interessen genützt, dem Geld, dem Einfluss, den Starken. Jetzt nach der internationalen Verantwortungsgemeinschaft zu rufen ist etwas naiv, schauen wir auf Syrien, schauen wir auf den Jemen, schauen wir auf die anderen Umweltdesaster.

Zu glauben, das würde gerade jetzt anders, spricht menschlicher Erfahrung Hohn. Aus den Worten der Bischöfe spricht die bittere Erfahrung der letzten Jahre und Jahrzehnte.

Aber sie machen auch einen zweiten Schritt. Denn auch die nationale Regierung Brasiliens hat Unrecht. Sie handelt nämlich genauso neo-kolonial wie sie es Europa vorwirft. Sie enteignet, vertreibt und zerstört, was nicht ihnen gehört.

Bittere Erfahrungen

Die Bischöfe weisen auf die vielen Ethnien hin, die dort leben. Ihnen gehört das Gebiet, es ist ihr Lebensraum. Und ging es nach ihnen, bliebe das auch so. Dann blieben auch die Bäume.

Nicht Internationalisierung ist also die Lösung, sondern das Recht der Menschen vor Ort. Weder wir hier noch Brasiliens weiße Oberschicht und schon gar nicht die multinationalen Unternehmen haben das Recht, den Menschen dieses Recht vorzuenthalten. Die Lösungen müssen lokal sein.

Braucht es internationale Absprachen? Auf jeden Fall. Dass es Nachhaltigkeit-Abschnitte in mittlerweile jedem Abkommen gibt, ist gut und wichtig und richtig. Aber der Kern muss es sein, die Menschen entscheiden zu lassen, die es angeht. Sie nicht zu entrechten. Auch nicht im Namen einer abstrakten weltweiten Verantwortung.

Oder anders formuliert: Wir im Westen sind Teil des Problems. Nicht der Lösung. Wir sollten aufhören, uns und unsere Sichtweise anderen aufzudrängen.

 

Kategorien Allgemein, Franziskus, Geschichte, Glaube und GerechtigkeitSchlagwörter #SinodoAmazonico, Amazonien, Aparecida, Interessen, Kirche, Kolonisierung, Landwirtschaft, Politik, Rohstoffe, Verantwortung, Wirtschaft13 Kommentare zu Verantwortungsgemeinschaft

Denken in Wellen

Veröffentlicht am 14. August 20199. August 2019
Immer wieder neu Kunst von Jean Tinguely in Fribourg in der Schweiz, in seinem Museum voll von klappernden und sich bewegenden Dingen

Nichts Neues, aber immer wieder neu: Es ist merkwürdig, wenn man eines dieser längeren Papstinterviews liest. Vergangene Woche war es wieder soweit, La Stampa hatte den Papst interviewt. Hauptthemen waren Europa und der Dialog, und die Amazonassynode. Wobei beide Themen weit umkreist wurden, es ging um Politik, Flüchtlinge, Nationalismus, Proteste, Umweltschutz, Schöpfung und vieles mehr.

Aber Hauptpunkte waren eben der Dialog und die Schöpfung anhand der Synode. Insgesamt alles Ideen, die wir alle irgendwie schon einmal gehört oder gelesen haben. Aber die in der Zusammenstellung dann doch wieder ein genuiner Beitrag des Papstes zur Debatte sind.

Immer wieder neu

Kennen Sie die Kunst von Jean Tinguely? Wie die auf dem Foto oben. Wobei, Fotos passen nicht mal annähernd. Bei Tinguely klappert es, es bewegt sich, es ist laut und lustig, aber produziert wird nichts. Das ist Bewegung um der Bewegung willen, zwar gibt es immer Neues zu entdecken, je nach Perspektive ergibt sich ein ganz neues Kunstwerk, aber eben nichts Neues.

Nicht wenige denken von Papst Franziskus, dass er genau so sei wie ein Kunstwerk von Tinguely. Viel Aktivität, aber nichts kommt dabei heraus. Faszinierend, interessant, spannend gar wenn man sieht was da alles ineinander greift und wie auf was einwirkt. Aber es werde eben nichts verändert. Und so spräche – so übertrage ich das einmal – Papst Franziskus mal wieder im Appell-Charakter über Dialog und so weiter, aber wirklich produziert würde nichts.

Verändert sich eigentlich was?

Nein, das ist kein Tinguely-Papst. Aber er ist eben auch kein Umwerfer. Er entzieht sich dem Effizienz-Denken. Und ist auch niemand, der erst mal in Strukturen denkt (was ihn vor allem den Deutschen ineffizient erscheinen lässt).

Nehmen wir das Interview in La Stampa: die Themen sind nicht neu, aber in der Zusammenstellung wird eine Konversation daraus. Wer sich Neuheit erwartet, News, wer nur auf den skandalträchtigen Nebensatz wartet, der wird enttäuscht. Oder nein, dann doch nicht, als Lateinamerikaner nicht unbedingt mit deutschen Sensibilitäten ausgestattet wagt er, sich an Hitler erinnern zu lassen.

Aufgeregtheiten beiseite

Aber lassen wir die kleinen Aufgeregtheiten beiseite, dann bieten sich einige Themen an. Europa und der Dialog zum Beispiel. Es gebe zu viel Monolog, zu wenig Offenheit für andere Kulturen. Identität dürfe nicht abschließen, sondern brauche die Offenheit für andere Identitäten. Nationalismus – die organisierte Form des Abgeschlossenseins – führe letztlich zum Krieg. An dieser Stelle muss man den „Dritten Weltkrieg in Stücken“ mitdenken. Populismus? „Dasselbe“

Thema Zwei ist Migration und Flucht: Sein Aufruf zur Kreativität im Umgang ist auch ein Abweisen der schnellen und vermeintlich klaren Lösungen, geschlossene Häfen und so. Die von ihm konkret genannten Ideen lassen sich nicht ohne weiteres auf unsere Länder übertragen, aber hier in Italien gibt es da schon einige Beispiele.

„Das Kind von Laudato Si‘“

Und das dritte Thema: Die Synode, „das Kind von Laudato Si‘“, wie er es nennt. Keine „grüne“ Enzyklika habe er geschrieben, sondern eine Sozialenzyklika, und auch bei der Synode gehörten Armutsfragen und Umweltfragen zusammen. Die Schöpfung Gottes lässt sich eben nur als Gesamt betrachten, wie auch die Umweltfrage Auswirkungen habe auf die sozialen Fragen.

„Absolut nicht“: seine Antwort auf die Frage nach den Viri Probati bei der Synode. Er will seine Synode nicht auf wenige Aufreger-Themen beschränkt sehen, eine Taktik die Freund und Feind gerne bemüht um das Projekt Synode zu unterlaufen und in die eigene Richtung zu drehen.

Keine News für die Kollegen

Das wären sie also, die Themen des Interviews. Keine News für die Kollegen. Aber etwas Anderes. Nämlich eine Konversation. Und deswegen immer wieder neu. Wenn wir wirklich etwas ändern wollen, dann geht das nur über Änderungen von Haltungen. Und das geht nur über Dialog, über Gespräch, über Konversation.

Die bietet der Papst an. Seine Ideen kommen in Wellen, etwas ist wichtig und wird über einige Wochen immer wieder genannt, dann flaut die Intensität ab, um danach wieder in neuen Zusammenhängen genannt zu werden. So setzt der Papst seine Themen und so pflegt er sie.

Wer das Spektakuläre sucht oder nur auf Kontrast setzt, wird mit ihm nicht glücklich. Wer den Machtgestus will, auch nicht. Der Papst hat seine Ideen, wie gesagt in Wellen. Nachhaltigkeit im Wandel – so scheint er uns sagen zu wollen – gelingt nur über tiefgreifenden Wandel, eben über die haltung. Oder religiös gesagt (immer wieder auch vom Papst): über Bekehrung.

Steter Tropfen hingegen bringt was. Konversation, Dialog, immer wieder vorbringen. Der Mensch lernt halt nicht durch Variation, sondern durch Wiederholung. Eine Pädagogik, die Papst Franziskus beherrscht. Wenn wir denn mitmachen wollen.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Die deutschsprachige Kirche, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und Vernunft, Rom, VatikanSchlagwörter Amazonien, Denken, Dialog, Europa, Kunst, Papst Franziskus, Papstinterview, Schöpfung, Synode, Themen, Tinguely5 Kommentare zu Denken in Wellen

Unharmonische Stimmen auf dem Weg zur Synode

Veröffentlicht am 7. August 20197. August 2019
Widerspruch gehört zur Debatte Bischofskirche von Itaituba, Amazonien

Framing nennt man es, wenn vor einem Ereignis die Wahrnehmung und damit Deutung desselben beeinflusst oder bestimmt werden soll. Und Framing erleben wir gerade, in Vorbereitung auf die Bischofssynode im Oktober in Rom. Widerspruch gehört zur Debatte, und das ist auch gut so. Hier passiert aber gerade mehr.

Framing, das ist sozusagen ein „Sprechen als ob“, als ob schon entschieden wäre, was das Ergebnis ist. Debatten werden entschieden, noch bevor sie begonnen sind.

Widerspruch gehört zur Debatte

An dieser Stelle habe ich einen Einspruch gegen das, was Papst Franziskus vorhat, ja schon kommentiert. Die Rückmeldung war, dass mein Text ziemlich hart gewesen sei, aber nach wie vor stehe ich dazu. Wer für etwas eintritt und argumentiert, ist herzlich willkommen. Wer aber erst mal dem anderen Unehrlichkeit unterstellt, der nicht.

Aber wie mit diesen Einwürfen umgehen? Das ist schwierig, denn sie verlegen ja die Debatte über die Themen auf die Debatte über die Deutungshoheit über Kirche und Themen, sie machen daraus also eine Autoritätsfrage. Indem man da mitmacht, gibt man bereits den ersten Punkt auf, nämlich die Forderung erst einmal zuzuhören bevor man Urteile fällt.

An dieser Stelle mag ich trotzdem diese Debatte aufgreifen, denn es gibt sie ja, wegschauen ist auch keine Lösung. REPAM – das Amazonas-Netzwerk der katholischen Kirche – hat dazu einen spannenden und an Deutlichkeit nichts vermissen lassenden Artikel von Pater Victor Codina veröffentlicht,

Wegschauen ist auch keine Lösung

Es darf nicht überraschen, dass es „unharmonische“ Stimmen gibt, denn das war schon immer so, sagt Codina. Die Einsicht eines historisch Gebildeten macht den Anfang. Von Galater 2:14 bis zu den Auseinandersetzungen um die beiden Vatikanischen Konzilien, die Kirchengeschichte ist voll von Widerspruch und Auseinandersetzung.

Widerspruch sei aber nicht gleich Widerspruch, es gebe prophetische stimmen, aber auch reaktionäre. Da müsse man genau hinschauen, nicht alles führe weiter. „Gegenwärtig gibt es eine starke Oppositionsgruppe gegen die Kirche des Franziskus“, Codina geht es aber nicht um Namen, ihm geht es um die theologischen Hintergründe.

Zwei Kritiken am Papst sieht Codina: „Die theologische Kritik geht von der Überzeugung aus, dass Franziskus kein Theologe ist, sondern aus dem Süden, aus dem Ende der Welt kommt und dass dieser Mangel an theologischer Professionalität seine Ungenauigkeiten und sogar seine Lehrfehler erklärt.“ Implizit werden deswegen Johannes Paul II. und Benedikt XVI. gegen ihn in Stellung gebracht.

Theologie, die von Realität ausgeht

Seine Vermutung: „Was seine Kritiker wirklich stört ist, dass seine Theologie von der Realität ausgeht, von der Realität der Ungerechtigkeit, der Armut und der Zerstörung der Natur und der Realität des kirchlichen Klerikalismus.“

Codina hat eine lange Liste der „Ärgernisse“ an diesem Papst. Dieser sehe die Armen als einen „locus theologicus“, also als Quelle theologischer Erkenntnis. „Offensichtlich ist es nicht so, dass er kein Theologe ist, sondern dass seine Theologie pastoral ist“, schließt Codina daraus.

Seine Theologie sei außerdem nicht kolonial, sondern aus dem Süden. Dieser kurze Satz verdient eigentlich etwas mehr Raum, denn er berührt eine wunde Stelle. Mir sind bei meinen beiden Aufenthalten in Lateinamerika – sieben Monate in Chile, zwei Wochen Journalistenreise in Amazonien – immer wieder die Vorwürfe an den Westen begegnen, zu kolonisieren. Westliche Denkmodelle würden Unterwerfung verlangen, und das sei Kolonisierung. Das Dokument von Aparecida der Bischöfe des Kontinents spricht ausdrücklich davon.

Koloniale Theologie

Codina sieht sehr richtig dass die Kritik an der Synode und deren Themen eigentlich dem Papst gilt, direkt von Anfang des Artikels an macht er das sehr klar. Oder vielleicht besser: Die Kritik, die ihn beschäftigt, ist die welche unter dem Mantel der Synoden-Kritik den Papst treffen will.

Dabei sei das wofür er stehe „in vollkommener Übereinstimmung mit der prophetischen und biblischen Tradition sowie der Soziallehre der Kirche“. Das gelte vor allem für das Projekt der Synode zum Amazonasgebiet, sagt der Theologe in seinem Artikel.

„Einige hohe kirchliche Würdenträger haben gesagt, dass das Vorbereitungsdokument der Synode ketzerisch und pantheistisch ist und die Notwendigkeit der Erlösung in Christus leugnet“, zitiert Codina. Andere konzentrierten sich auf die Zölibatsfrage, bringen damit aber die Realität der Zerstörung, der Ausgrenzung und Bedrohung von indigenen Völkern zum Schweigen.

Für den Norden geschrieben

Die Kritik habe Adressaten, sagt Codina schließlich, sie richte sich an Gruppen im Norden. Was implizit wahrscheinlich die wichtigste Einsicht ist: die Kirche des Nordens kann sich nicht zurücknehmen, kann nicht zuhören um vielleicht etwas zu lernen. Sie kann die Hoheit über die Definition, was nun theologische Erkenntnisquelle sei, nicht aufgeben. Das sei die Quelle all der Kritik.

Und genau hier tut der Text von Codina gut. Oder weh, je nachdem.

 

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„Rechtzeitig zur umstrittenen Synode”

Veröffentlicht am 23. Juli 2019
Schicksal der Amazonaswälder und ihrer Bewohner Amazonien: Alles nur Tarnung. Eigentlich reden wir über uns selbst

„Niemand, der die gegenwärtige Situation der katholischen Kirche aufmerksam beobachtet, wird im Ernst glauben, dass es bei der Synode im Oktober wirklich um das Schicksal der Amazonaswälder und ihrer Bewohner – es sind nicht mehr als gerade die Hälfte der Einwohner von Mexiko-City – gehen soll.“ Kardinal Walter Brandmüller sagt das, in einem Artikel für die FAZ an diesem Dienstag.

Das ist eine heftige Unterstellung. Alles Lüge, darf ich das verkürzt zusammen fassen, was der Kardinal da schreibt. Alle Vorbereitung, alles Sprechen über Umweltschutz, über den Respekt vor den Kulturen, über pastorale Herausforderungen, alles falsch. Es geht nur um das Eine, sagt der Kardinal. Und das ist in seinen Augen: Der Zölibat. Oder umfassender: den Umbau der Kirche nach dem Modell des Papstes.

Schicksal der Amazonaswälder und ihrer Bewohner

Wenn der Zölibat falle, dann sei die Kirche am Ende, das ist der Angelpunkt des Gedankengangs. Und deswegen darf er sich darin verbeißen. Wie übrigens derjenige, auf den sich die Kritik bezieht, auch, der Historiker Hubert Wolf.

Und dann kommt bei Kardinal Brandmüller eine lange Ausführung über Wert und Würde des Zölibats für den geweihten Priester. Was ich an dieser Stelle nicht weiter betrachte, denn mir geht es um etwas anderes: mit einem Federstrich wird alles abgetan, was auf dem Programm steht, damit man sich wieder brav auf die ewig gleichen Themen konzentrieren kann.

„Umstritten“

Die Synode sei „umstritten“, sagt Kardinal Brandmüller. Für einen Kardinal eine ziemlich heftige Reaktion auf ein klar artikuliertes Anliegen des Papstes. Das Wort ‚umstritten‘ ist ziemlich perfide, weil es wahr wird sobald ich es benutze. Wer umstreitet denn die Synode? Doch nur diejenigen, die behaupten, sie sei umstritten. Ein Zirkelschluss.

Können wir wirklich nicht anders? Können wir nicht zuhören? Können wir nicht darauf achten, was andere Kulturen für Fragen und Antworten habe? Müssen wir auf alles unsere eigenen Probleme draufkleben? Und die Anliegen der anderen als unaufrichtig bezeichnen, um damit durchzukommen?

Es geht uns um uns

Nehmen wir den Schutz der Schöpfung, die Sorge. Für Christen sei das nicht optional, sagt Papst Franziskus. Wenn die Antwort darauf die ist, dass wir um den Zölibat kämpfen müssen – sei es dafür oder dagegen – dann bin ich ziemlich deprimiert. „Nie hatte die Menschheit so viel Macht über sich selbst, und nichts kann garantieren, dass sie diese gut gebrauchen wird, vor allem wenn man bedenkt, in welcher Weise sie sich gerade jetzt ihrer bedient… . In welchen Händen liegt so viel Macht, und in welche Hände kann sie gelangen? Es ist überaus gefährlich, dass sie bei einem kleinen Teil der Menschheit liegt.“ (Laudato Si’ 104)

Die Lösung: Wir streiten über den Zölibat. Und unterstellen einander Unaufrichtigkeit. In den Worten von Kardinal Brandmüller: „Niemand wird im Ernst glauben …“. Doch, ich glaube. Im Ernst. Natürlich geht es auch um die Frage nach Zugang zu den Weiheämtern. Aber zu sagen, alles sei Show damit die Kirche wie wir sie kennen kaputt gemacht werden kann, ist schon steil.

Destruktion von Dialog

Was Kardinal Brandmüller da macht ist keine Verteidigung von Tradition, das ist Destruktion von Dialog. Seine Fixierung auf den Zölibat zeigt, dass ihm andere Kulturen, deren Fragen und Anliegen nicht wichtig sind, solange das nicht auf seine Themen zurückzuführen ist. Traurig.

Solche Stellen wird es viele geben, im Vorlauf zur Synode. Sie tragen nichts zur Lösung bei, sie sind kontraproduktiv. Am ratlosesten werden diejenigen sein, die Hoffnung haben, dass endlich ihre Fragen gehört werden. Nein, es geht wieder nur um die Fragen der Europäer. Hoffen wir, dass wir über solche Stimmen hinaus kommen. Das alleine wäre schon ein Erfolg der Synode.

 

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Fünf Prozent der gesamten Erde

Veröffentlicht am 27. Mai 201915. Mai 2019
Für den Christen ein Gebot Amazonasgebiet. Foto: Adveniat

Das entscheidende Wort lautet „Sorge“. Der Untertitel der Enzyklika „Laudato Si“ macht deutlich, worum es geht: Der Blick auf die Schöpfung Gottes und unseren Umgang damit ist Anlass zur Sorge. Und um Umkehrschluss: sich um diese Schöpfung Gottes zu kümmern ist kein Hobby des Papstes, es ist – laut Papst Franziskus – für den Menschen moralische Pflicht und für den Christen ein Gebot.

Für den Christen ein Gebot

Dass das dauernd wiederholt werden muss, das macht unser Umgang etwa mit dem Klima deutlich. Hier scheinen wir immer noch sorglos zu sein. Die schlimmsten Prophezeiungen werden ignoriert, ist ja bislang immer alles gut gegangen.

Das Wort „Sorge“ wird vom Papst also doppelt gebraucht: Sorge um die Schöpfung Gottes, und Sorge deswegen, weil wir uns nicht um diese Schöpfung kümmern. Die Welt, der Planet, erträgt es nicht mehr, wir müssen uns bewegen, schlicht und einfach auch deswegen, weil das Teil unseres Glaubens ist.

Testfall Amazonien

Der Testfall ist hier Amazonien, das Thema der Bischofssynode im kommenden Oktober. Während Sie diese Zeilen lesen, bin ich dort unterwegs, um die Region und die Fragen und Hoffnungen zumindest ein wenig kennen zu lernen, mit Blick auf die Berichterstattung.

Fünf Prozent der Landoberfläche des Planeten sind das, Lunge des Planeten sagen wir dazu. Nicht zu unrecht. Da liegen aber auch Rohstoffe, da ist Wasser, da ist Holz, da kann man so richtig viel Geld machen.

Unsere Macht gut gebrauchen

Amazonien ist ein Testfall, weil unsere Sorglosigkeit Folgen haben wird, für die uns unsere Nachkommen zur Rechenschaft ziehen werden. Die Schöpfung Gottes ist uns anvertraut, glauben wir. Und Technik und Wirtschaft geben uns auch die Macht, eine „beeindruckende Gewalt über die gesamte Menschheit und die ganze Welt“ (LS 104).

„Nie hatte die Menschheit so viel Macht über sich selbst, und nichts kann garantieren, dass sie diese gut gebrauchen wird, vor allem wenn man bedenkt, in welcher Weise sie sich gerade jetzt ihrer bedient… . In welchen Händen liegt so viel Macht, und in welche Hände kann sie gelangen? Es ist überaus gefährlich, dass sie bei einem kleinen Teil der Menschheit liegt.“ (ebd)

Es geht um etwas. Nicht nur darum, weil die Sorglosigkeit schlimme Folgen für uns hätte. Das auch, aber das Denken in Gegenleistungen führt nicht weiter. Es geht um die Sichtweise Gottes, auf konkrete Menschen, in konkrete Gesichter. Sorge für die uns anvertraute Schöpfung bedeutet nichts weniger, als eine Möglichkeit, „das Himmelreich sichtbar zu machen“, sagt der Papst.

Die Sorge hat also ein Gegenstück, den Schöpferwillen Gottes. Und wenn das keine Motivation für die Bewahrung des Geschenkten ist, dann ist uns auch nicht mehr zu helfen.

 

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Schutz der Schöpfung ist nicht optional

Veröffentlicht am 15. Mai 201913. Mai 2019
Aussage aus Laudato Si Der Papst in Maldonado, Amazonien/Peru, im Januar 2018. Foto Alessandro de Carolis, (c) Vatican News

Christ zu sein bedeutet, die eigenen Pflichten gegenüber der Natur und dem Schöpfer als Bestandteil des eigenen Glaubens zu sehen. Deshalb müssen Christen die ökologischen Verpflichtungen besser erkennen, die aus ihren Überzeugungen hervorgehen. Der Schutz der Schöpfung ist nicht optional. So formuliert es Papst Franziskus (Laudato Si, N5. 64, 159). Die Aussage aus Laudato Si, der Sozialenzyklika von Papst Franziskus, ist eindeutig.

Im vergangenen Jahr, im Januar 2018, war der Papst in einer Region der Welt, in der dieses Thema besonders relevant ist, in Amazonien. Im Herbst diesen Jahres, im Oktober, wird es Thema der Versammlung der Bischofssynode sein. In diesem Teil der Welt kommen die wichtigen Zukunftsfragen der Kirche zusammen: Armut und Vertreibung, Zerstörung und Ausbeutung, Wegwerfkultur und Schutz des Lebens, Zukunftsfähigkeit konkreter christlicher Gemeinschaften.

Aussage aus Laudato Si

Christsein, an den Schöpfer und Erlöser glauben, hat Folgen, konkrete Folgen. Und am Amazonasgebiet und dessen Problemen kann man das ganz konkret und dringend studieren. Und hier ist Handeln gefragt, deswegen ja auch das Thema der Synode im Oktober.

Nur ist das alles ziemlich weit weg. Wir bekommen zwar viel über Politik mit, kaum aber etwas über die konkreten Lebensumstände, die Kultur, die Probleme. Und wenn das Thema der kommenden Synode in katholischen Medien besprochen wird, dann scheint es nur ein Thema zu geben: Das der verheirateten Priester. Als ob wir entscheiden dürften, was dort debattiert werden muss. Eine Form von Ausbeutung, wenn Sie so wollen, wir wollen wieder einmal bestimmen, was zu tun ist.

Auch das ein Thema, das Papst Franziskus immer wieder nennt.

Form der Ausbeutung

Während Sie diese Zeilen lesen, bin ich deswegen unterwegs, nach Amazonien. Für zwei Wochen darf ich mit dem Hilfswerk Adveniat den nördlichen Teil Brasiliens bereisen, um besser kennen zu lernen, was in der Synode besprochen werden wird. Um nicht nur dieselben europäischen Themen zu beackern.

Ich bin kein Amazonas-Spezialist. Um so wichtiger ist es, gerade hier, wo es um konkrete Dinge gehte, die konkrete Situation kennen zu lernen.

Also bin ich zwei Wochen unterwegs. Bitte sehen Sie mir nach, dass ich nicht immer und dauern online sein kann und Kommentare vielleicht mit etwas Verspätung erscheinen.

 

Kategorien Allgemein, Bischofssynode, Franziskus, Geschichte, Glaube und Gerechtigkeit, Glaube und VernunftSchlagwörter #SinodoAmazonico, amazonas, Amazonien, Enzyklika, Laudato Si, Papst Franziskus, Papstreise, Schutz, Synode, Umwelt4 Kommentare zu Schutz der Schöpfung ist nicht optional

„Verwüstungen des Lebens“

Veröffentlicht am 21. Januar 2018

Es war eigentlich eine einzige Rede, aufgeteilt auf vier Events. Oder aufgeteilt in vier Perspektiven: Tag Eins der Papstreise nach Peru – der Freitag – hatte eigentlich nur ein Thema, das schon alleine deswegen im Vordergrund stand, weil der Papst nicht etwa zuerst vom Präsidenten offiziell vor den Vertretern vor Staat und Gesellschaft empfangen wurde – das war erst der vierte und letzte Event des Tages – sondern als erstes nach Amazonien flog, nach Puerto Maldonado.

Traditioneller Tanz beim Treffenmit den Völkern Amazoniens, Foto Alessandro de Carolis, (c) Vatican News
Traditioneller Tanz beim Treffenmit den Völkern Amazoniens, Foto Alessandro de Carolis, (c) Vatican News

Amazonien also: die Würde und Weisheit der indigenen Völker, die Ausbeutung der Schöpfung – Natur wie Mensch – und die Notwendigkeit, dass vor allem die Menschen vor Ort die Protagonisten sein müssen.

Normal ist, dass der Papst eine Botschaft pro Rede hat, manchmal doppelt sich das. Aber gleich vier, einschließlich einer Ansprache vor Kindern und Jugendlichen, das ist schon außergewöhnlich.

Laudato Si’ in praktischer Anwendung würde ich das nennen.

 

Enzyklika konkret

 

Immer fing der Papst positiv an, Lob des Landes, der Kultur und so weiter. Un dann kam der Schatten, „der Lobgesang stockt“, wie er es bei der ersten Rede am Freitag gesagt hat. Dort sprach er vor allem über die Bedrohungen für die auchtochtonen Völker, die indigenen Völker, die Menschen Amazoniens. In der zweiten Rede ging es etwas abstrakter um die Wegwefkultur, die eine Gefahr für Mensch und Umwelt, für die Schöpfung darstellt. Und in der dritten Rede sprach er von seiner Traurigkeit angesichts der Zerstörung von Wäldern und Vergiftung von Flüssen. In der vierten und letzten Rede, der Rede vor Präsident, Regierung und anderen wichtigen Menschen, band er das alles noch einmal zusammen.

Er könne nicht hierher kommen, ohne darüber zu sprechen, hat er in mehreren Versionen gesagt. Weiterlesen “„Verwüstungen des Lebens“”

Kategorien AllgemeinSchlagwörter Amazonien, Laudato Si, Natur, Papst Franziskus, Papstreise, Peru, Schöpfung, Umwelt, Urwald7 Kommentare zu „Verwüstungen des Lebens“

Indigene, Diktatoren, Umwelt: Papstreise nach Chile und Peru

Veröffentlicht am 13. Januar 201813. Januar 2018

Auf den ersten, europäischen Blick mag es wie ein Heimspiel aussehen: Papst Franziskus geht wieder auf Reisen, wieder nach Lateinamerika, dieses Mal nach Chile und Peru. Wieder nicht nach Argentinien, das ist so ziemlich das einzige, was merkwürdig erscheint, haben doch vergangene Päpste ihre Heimatländer immer wieder besucht.

Aber wenn man genauer hinschaut, dann ist das Ganze doch nicht so einfach, wie man denkt.

Ansicht der Kathedrale von Santiago de Chile
2009 war ich einige Monate in Chile: ein Foto von der Kathedrale von Santiago

Nehmen wir Chile: Vier Angriffe mit Brandbomben auf vier Kirchen der Hauptstadt, in Protest gegen den Papstbesuch. Dazu noch die kurze gewaltsame Besetzung der Nuntiatur – also der diplomatischen Vertretung – in Santiago. Das mag nach einigen verwirrten Seelen klingen, ist aber ein Indikator.

Und das nicht erst seit heute: die Kirche und auch der Papst (damals Johannes Paul II.) haben eine schwierige Geschichte mit der Diktatur des Landes, Johannes Paul war auf Friedensmission im Land und ist von General Pinochet damals vorgeführt worden, was zu Vorwürfen geführt hat, der Papst würde den Diktator unterstützen. Dabei hatte er davor mit dazu beigetragen, einen fast schon ausgebrochenen Krieg zwischen Chile und Argentinien zu vermeiden.

Die Monate vor meiner Ankunft in Rom habe ich selber in Chile verbracht und weiß um die Wunden, welche die Diktatur in der Gesellschaft und der Kirche hinterlassen hat, das ist noch längst nicht verheilt.

 

Proteste

 

Dann gibt es auch Spannungen in der Gesellschaft, weitere Proteste gegen die Papstreise sind angekündigt. Auch in der Kirche selbst ist es nicht einfach, auch hier in Chile hat es Missbrauchsfälle gegeben, mit denen nicht richtig umgegangen wurde, ein Mitarbeiter eines Täters ist sogar vor wenigen Jahren Bischof geworden.

Und schließlich sind da die Mapuche, die Ureinwohner des Landes, die seit einigen Jahren teilweise sogar mit Gewalt, in jedem Fall aber mit Protesten um ihre Rolle in der Gesellschaft streiten. Da wo ich in Chile war wurde sehr viel wert darauf gelegt, dass die Mapuche ihre Kultur erhalten können, das ist aber nicht immer so gewesen und auch heute nicht überall so. Der Papst wird sie besuchen, da wird natürlich erwartet, dass er sich dazu verhält. Weiterlesen “Indigene, Diktatoren, Umwelt: Papstreise nach Chile und Peru”

Kategorien Allgemein, Franziskus, Kirche und Medien, PapstreiseSchlagwörter Amazonien, Chile, Indigene Völker, Mapuche, Papst Franziskus, Papstreise, Peru9 Kommentare zu Indigene, Diktatoren, Umwelt: Papstreise nach Chile und Peru

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