Es ist ein böses Wort: Der Balkan beginnt immer 50 Kilometer südwestlich von dem Ort, an dem ich mich gerade befinde. Ausdruck einer Missachtung, die wir für diesen Teil Europas haben, anders kann man das nicht sagen. Balkan und Europa, das will in unseren Köpfen nicht zusammen, unsere Vorstellung von Europa ist anders.
Papst Franziskus hat sich Süd-Osteuropa aber bereits mehrfach als Reiseziel gewählt: Bosnien-Herzegowina (2015), Nord-Mazedonien und Bulgarien (2019), Albanien (2014) und mit dem heutigen Sonntag endend die Reise nach Rumänien. Viele Besuche in eine geographisch eher kleine Region der Welt.
Balkan und Europa
Und das liegt nicht nur daran, dass der Balkan von Italien aus nicht weit weg ist, die Länder dort sind auch lebendig, in Bewegung.
Und deswegen ist es so wichtig, Dialog anzubieten, Kräfte zu stärken und Präsenz zu zeigen. Eben nicht den Balkan unten rechts liegen zu lassen.
Ein wichtiges Thema dabei ist immer das der Freiheit. 1989 liegt nun schon länger zurück, die Befreiung vom Sowjet-System. Der Umgang mit dieser Freiheit kommt deswegen immer wieder vor, in vielen Ansprachen und Begegnungen. Nicht immer ist das einfach, aber immer ist es notwendig.
Der Umgang mit der Freiheit
„Hürden“ nannte der Papst das in Rumänien, Entvölkerung und Landflucht, Schwächung der kulturellen Wurzeln, Vergessen der eigenen Traditionen, aber auch soziale und politische Probleme.
Seine Botschaft: Zusammenarbeit. Ganz einfach. Dialog und Zusammenarbeit. „Es ist notwendig, dass alle gemeinsam vorangehen“ und sich um das Gemeinwohl – das Wohl das man nicht alleine haben kann – kümmern. Da muss man noch nicht die Überschrift „Papst spricht sich gegen Populismus aus“ draus machen, aber auf positiver Weise drückt der Papst das aus. Er ist für etwas, nicht gegen etwas.
Dafür, nicht dagegen
Und es ist mehr als „nur“ Politik oder Gesellschaft, es hat mit Geschichte, Kultur, sozialem Leben zu tun. Die „Güte des Gesellschaftsmodells“ könne man daran ablesen, wie mit den Schwächsten, Ärmsten und Geringsten“ umgegangen werde.
Dazu brauche es mehr als nur ein Update der Wirtschaftstheorie, das geht tiefer, eben auch auf dem Gebiet von Kultur, Religion und „Seele“, auch wenn uns dieses Wort vielleicht komisch vorkommt.
„In diesem Sinn können die christlichen Kirchen mithelfen, das pulsierende Herz wiederzufinden und zu stärken; den von diesem muss ein politisches und soziales Handeln herkommen, das von der Würde des Menschen ausgeht und das dazu führt, sich aufrichtig und hochherzig für das Gemeinwohl der Gemeinschaft einzusetzen“ (Rede am Freitag). Klingt vielleicht wie eine Sonntagsrede, hat aber mit Blick auf die politischen und sozialen Egoismen durchaus Sprengkraft.
Vergiftete Gesellschaft
Er hat bei der Begegnung mit den Orthodoxen von dem „künstlich geschürten“ Gefühl der Angst gesprochen, das zunehmend die Gesellschaft vergifte. Abschottung und Hass seien das Resultat. Viele hätten vom wachsenden Wohlstand profitiert, aber die meisten blieben dann doch „gnadenlos ausgeschlossen“: Gnade, das ist ein Gottes-Wort. An dieser Stelle ist er dann doch gegen etwas, er nennt die Gefahren für die Freiheit, für den menschenwürdigen Umgang miteinander.
Und er sagt es in Europa. Auf dem Balkan. Dort wo Europa sich selber schwach sieht, arm. Wo wir Geschichten von Korruption und Kriminalität lesen. Wo aber auch Freiheitsgeschichte spielt.
Es sind Botschaften an alle von uns, die von dort kommen. Von wohl dort kommen müssen. Wenn, ja wenn Europa denn zuhört.